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aufgang den 26. und 27. Nov. erschien das Gebirge deutlicher und die Farben der Firnen intensiver; am Adventsfeste z. B. vom brennenden Purpur bis zum hellsten Silberweiß. Dem Einsender galt es von Anfang an als fest­stehende Thatsache, daß vor ihm rechts am Hohentwiel vorbei, die zackigen, durchbrochenen Vierwaldstädter Alpen, und noch weiter rechts die Berner Hochalpen mit ihren riesigen Gletschern schimmern. Ueber die Hochflächen der schwäbischen Alb hinein würde hier nichts wahrgenommen; dagegen weit rechts über die Schwarzwaldberge hinweg erschien noch ein vereinzelter röth- licher Stock; ob der große St. Bernhard, oder der Aont dlsnc? In Gesell­schaft einiger Herren von hier und Altenstaig that ich schon am 27. Nov. meine Entdeckung kund, glaubte aber aus ihren Mienen herauslesen zu können, daß sie Arges über mich denken. Schullehrer Conzelmann.

Tages-Neu igkeiten.

Stuttgart. 14. Dez. In letzter Zeit hat in einer hiesigen Wirth- schaft ein elegant gekleidetes Frauenzimmer der Halbwelt täglich verkehrt und üppig gelebt. Am 11. ds. Mts. bemerkten einige Gäste, daß dieselbe einige Servietten in ihre Taschen verschwinden ließ. Der Wirth machte bei der Fahndungspolizei Anzeige hievon, und bei einer Hausdurchsuchung wurden im Ganzen 616 Servietten und 76 Gläser rc. beigebracht.

Stuttgart, 14. Dez (Strafkammer) Gestern Nachmittag 4>/4 Uhr ersolgte vor zahlreich anwesendem Publikum die Verkündigung des Urtheils in dem Jmpfpreßprozeß gegen Aug. Zöppritz, Sekre­tär der Hahnemannia und L. Neuberg, Redakteur des Neuen Tag­blattes (vergl. Nr. 2o9 bis 291 der Schw. Kronik) verkündigt. Es lautet gegen Zöppritz auf 5 W o ch e n G e f ä n g n i ß und 120 -4L Geldstrafe; gegen Neuberq 80 -4L Geldstrafe, event. weitere 12 Tage Hast gegen Zöp­pritz, und 8 Tage Haft gegen N-uberg. Die Kosten haben Zöppritz zu 5/g. Neuberg zu 2/g zu tragen, während i/z die Staatskasse übernimmt. Ferner steht den 4 beleidigten Aerzten die Beiugniß zu, das Uriheil Imal auf Kosten der beiden Verurtheilten im Neuen Tagblatt zu veröffentlichen. Endlich find die noch vorhandenen Exemplare der inkriminirten Nummern der homöopathischen Monatsblätter und des Neuen Tagblattes unbrauchbar zu machen.

Mergentheim, 7. Dez. Häufig sieht man den Unfug, daß Kinder sich hinten an Chaisen anhängen. So hing sich gestern Abend hier ein 7jährigeS Mädchen an eine langsam über den Marktplatz fahrende Chaise. Wahrscheinlich wollte das Mädchen beim Ueberfahren über einen Kandel die Füße an sich ziehen und brachte sie hiebei in dar Rad. Ein Kaufmann hörte sofort dos Geschrei der Kleinen, rief dem nicht» ahnenden Knechte Halt zu und befreite das Kind aus seiner gefährlichen Lage. Glücklicher­weise sind die Verletzungen nicht gefährlicher Natur.

Von der rauhenAlb, 14. Dez Gestern Abend spät ereignete sich in der Freiherr!, v. Speth'schen Bierbrauerei zu Jndelhausen ein schweres Unglück. Die Kellnerin warf, als sie zu Bette gehen wollte, die Erdöl- lamps um; das brennende Oel ergoß sich über ihre Kleidung so, daß sie im Nu in Flammen stand. L-ie sprang herab und schrie um Hilfe; allein dieselbe konnte ihr nicht schnell genug gebracht werden. Heute früh 3 Uhr erlöste sie der Tod von ihren schrecklichen Schmerzen.

Hechingen, 12. Dez. Verflossene Nacht ist in Hermann S- dors auf der Alb ein Wohn- und Oekonomiehaus total niedergebrannt. Entstehungsursache unbekannt. Vor einigen Tagen brannte hier auf dem Marktplätze ein Arbeiter, ehemaliger Bergmann, eine Dynamitpatrone ab. deren Explosion dis nächsten Hausbewohner in nicht geringen Schrecken ver­setzte. Der halbbetrunkene Thäler wurde sofort verhaftet. Heute haben wir anhaltend Schneefall.

Karlsruhe, 13. Dez. Die Hoffnungen auf einNeu-Oelheim" am Fuße des Schauinsland, die durch Mittheilungen der Blätter in den letzten Tagen wachgerufen worden waren, scheinen zu Wasser werden zu sollen. DerKarlsr. Ztg." wird darüber geschrieben:Rechts ab vom Wege von Freiburg nach Günthersthal steht eine Ziegelei. Auf dem zu derselben gehörigen Terrain befindet sich ein etwa 1.5 m hoher Rain, welcher den schon abgebauten Moorboden von dem noch unabgebauten Lehm­boden trennt. Am Fuße dieses Rains steht das neuePetroleumhäuschcn,"

stand in dem silbernen Griffe eingravirt. Der Arzt wickelte es behutsam ein und steckte es zu sich. Sein Gesicht verrieth, was er dachte und Theo­dore zitterte wie vom Fieber geschüttelt. bei der Erinnerung an die Ab- schiedsworte des unseligen Mannes.

Sie richtete einige bittende Worte um Schonung an den Doktor, allein dieser begegnete ihr kurz und unfreundlich.

Es ist hier ein Mord beabsichtigt, das unterliegt gar keinem Zweifel, und ich kenne meine Pflicht,' sagte er Abschied nehmend.Die verwundete Dame bedarf der sorgsamsten Pflege; ich mache Sie, Fräulein Dora, da­für verantwortlich; morgen früh bin ich wieder hier."

Theodore setzte sich geduldig an das Lager Leopoldinens, um sie zu bewachen, der Arzt stieg in den Wagen und fuhr durch die dunkle Nacht heim. In der Finsterniß pflegen olle Gespenster aufzustehen und alle un­gewöhnlichen Ereignisse eine grausige Färbung anzunehmen.

Der Doktor Bendewitz war Krersphysikus und gehörte als solcher in die Kategorie derjenigen Serzte, die in jedem Zufalle ein Verbrechen wittern. Hier, in dem Vorfälle auf dem Landhause des HauptmannS von Moor­hagen hatte er freilich Veranlassung, nach einem Mörder umzuschauen, da gar keine andere Möglichkeit bei der Vorgefundenen Wunde der jungen Dame vorlag, allein er begnügte sich nicht mit dem Thatbestande, sondern meditirte und kombinirte so lange, bis er eine ganz haltbare Geschichte zu- sammenkalkulirt halte und ein brennendes Verlangen fühlte, diese interessan­ten Forschungen sogleich an die rechte Thür zu bringen. Er befahl seinem Kutscher vor dem Hause de» Eriminalralh Müller zu halten, stieg dort aus And verfügte sich in da» Arbeit«zi«mer desselben, wo »Licht bemerkt hatte.

durch dessen Inspektion ich jedoch seine Identität mit einem schon längst bestehenden Petroleum-L ager Häuschen konstatiren konnte. In der Nähe dieses Häuschens bemerkte ich zwei Wasserpfützen und zwei etwa 1 m tiefe Löcher, dieBohrlöcher". Die Wände de» Lagerhauses sind bis zu einer Höhe von etwa 1.5 in vsn Petroleum durchdrungen, welche» aber offenbar vom Innern des Hause» kommt und allerdings einen intensiven Erdöl- Geruch verbreitet. Das Wasser der beiden Pfützen ist mit einer feinen irisirenden, ölartig aussehenden Haut überzogen. Ich schöpfte au» den beiden Pfützen 3 4 Liter; es ist jedoch alles nur Wasser. An Geruch von Petroleum ist gar nicht zu denken. Wozu nun gar die Bohrlöcher sind, ist mir ganz unklar; dieselben sind voll des schönsten reinsten Wasser»; keine Ahnung von einer Erdöl-Schicht. Der Boden, welcher aus den Löchern ausgeworfen worden ist, ähnelt allerdings einem Torfboden, riecht aber nicht im geringsten nach Erdöl."

München, 10. Dez. Im H o f- und N a t i o n a I th e a t e r ist die Anordnung getroffen worden, daß von nun an alle in Verwendung gelangenden aus Gazestoffen bestehenden Vorhänge, Schleier rc., sowie die Kostüme der Ballettänzerinnen nach dem von Konrad Gautsch in Mün­chen erfundenen Jmprägnirungsmittel gegen Feuersgefahr ge­schützt sein müssen, nachdem sich dar letztere in mehrfach angestellten Ver­suchen nach jeder Richtung hin als ebenso schutzgewährend, wie praktisch anwendbar erwiesen hat. Bezüglich der Jmprägnirung der Dekorations­leinwand wird weitere Bestimmung erfolgen, sobald die im Gange befind­lichen Versuche zu Ende geführt sein werden.

Wien. 14. Dez. Der Presse zufolge wird morgen in der Schloß­kirche zu Gödöllö ein Requiem für dis im Ringtheater Verunglück- t e n gehalten, welchem das Kaisrrpaar und der Hoistaat beiwohnen werden. König Humbert und Königin Marguerita übersandten 8000 Franken für die Hinterbliebenen der Verunglückten. Von der italienischen Botschaft wurden überdies noch 4000 Francs übergeben. Das K r o np r i nz en- paar besuchte Vormittags den Zentralfriedhof und verrichtete ein kurze» Gebet am Massengrabs.

Wien. 15. Dez. Im Laufe des gestrigen Nachmittags wurde eine gründliche Derinfizirung des ganzen Theaterschuttes vorgenommen. Im Laufe des Tages wurden verkohlte Letchenreste von sieben Personen ge­funden. desinsizirt und in Metallsärgen nach dem Centralfriedhofe gebracht. Die Räumungsarbeit wurde unterbrochen, da das geborstene Gemäuer fort­während abbröckelt und vorerst abzutragen ist. Die in den letzten Tagen gefundenen Opfer des Brander wurden gestern auf dem Centralfriedhof nach feierlicher Einsegnung durch Priester aller Konfessionen in einem ge­meinsamen Grobe bestatjet. Die polizeilichen Vorerhebungrn über die Katastrophe find bald beendet.

London, 14. Dez. Das Schicksal des in dem BallonSaladin" am Sonnabend unweit Bridport in das offene Meer hinausgetragenen Parlamentsmitglied Powell flößt die ernstesten Besorgnisse ein. Alle Nachforschungen sind bisher erfolglos geblieben. Auch die Vermuthung, daß Powell an der französischen Küste zwischen St. Malo und Brest gelandet sein dürfte, hat sich nicht bestätigt. Da Powell indeß als ein kühner und geschickter Luftschiff» gilt, wird noch nicht alle Hoffnung auf seine Rettung ausgegeben. Kapitän Templer, welcher Powell auf seiner Luftfahrt begleitete, den Ballon aber in Bridport verließ, sagt, daß der Ballon aus starkem Calico sabrizirt und für mehrere Tage mit Gas ver­sehen sei Auf die Auffindung des Vermißten oder seiner Leiche sind von der Familie Powell's hohe Belohnungen auSgesetzt worden.

K. Standesamt Galw.

Vom 9. bis 15. Dezember 1881.

Geborene.

7. Dezember. Marie Sophie, Tochter des Otto Marquart, Hilfswärtcrs hier.

Gestorbene.

9. Karl Friedrich, Sohn des Gottlieb Leopold Schuhmacher hier, Jahre alt.

1(>. Johannes Heinrich, Sohn des Christian Immanuel Buhl, Missionars hier,

1 Jahr 10 Monate alt.

11. .. Otto, Sohn des Julius Brenner, Schlossermeisters hier, 3 Jahre alt.

11. , Christiane geb. Schaub, Ehefrau des Johann Gottlieb Krais, Strickers

hier, 66 Jahre alt.

Verwundert blickte der würdige Vertreter der Criminaljustiz von seinem Aktenstoße auf und rief ihm entgegen:

Was führt Sie denn so spät Abends noch zu mir, Doktor? Doch gewiß irgend ein Erhängter oder ein Ueberfahrener - ?"

Huoü non hochwohlgeborener Herr, diesmal eine Erstochene"

Die aber noch lebt und hoffentlich noch lange leben wird?" exami- nirte der Criminalrath humoristisch weiter, denn er kannte die Sucht der Doktors, Alles, was in dieses Fach schlug, zu übertreiben.

Dar gebe Gott, sonst möchten Sie, mein Hochwohlgeborner, in die Verlegenheit kommen, ihrem guten Freunde, dem Herrn Richard von Moor­hagen Zeter zu schreien und den Stab zu brechen," berichtete der Doktor gleichmüthig.

Der Rath fuhr etwas frappirt vom Stuhle auf.Machen Sie keinen Scherz was gibt es denn?"

Der Doktor setzte sich zurecht, nahm eine Dose hervor, bot dem Raths eine Prise, nahm selbst eine und begann in langsam schnarrendem Tone großer Wichiiglhuerei ein Referat des eben Erlebten im Hause des Haupt­manns von Moorhagen und schloß dann:

Der Grund dieses Attentates ist leicht zu begreifen. Die Leutchen liegen im Scheidungsprozesse, Frau Poldchen zeigte sich sehr kapriziös im Punkte ihres Eingebrachten, sie verlangt Eigenthumsrechte an alle den Sa­chen, die durch ihr Vermögen restaurirl sind. Nun ist's klar, Herr Richard ist hinausgeritten, um bessere Bedingungen zu erzwingen und Hai dann in der Wuth den Mund stumm zu machen gesucht, der ihm widerwillig war."

(Fortsetzung folgt)