Das T«lw«r »IM erscheint am Dienst«,.Donnerst«, u. -amotag. Abon- uementSpreiS halbjährlich 1 80 L
durch die Post bezogen im Bezirk 2 «L 30 ^, sonst in ganz Württemberg 2 ^ 70
Calwer Wochenblatt
Amts« unä Intekkigenzökatt ^ür äer» Äezir^.
Für L, k» abonnirt mau bei der Redaktion, auswärts bei den Boten oder der »Lchstgelegenm Poststelle.
Die Einrückung«» . gebühr beträgt 9 ^ V für die vierspaltige Zeile oder deren Raum.
Nro. 136.
Samstag, den t9. November L88I.
56. Jahrgang.
Politische Nachrichten
Deutsches Reich.
Berlin, 16 Nov. Ich höre, daß die Margen bei Eröffnung des Reichstags vom Kaiser zu verlesende Thronrede betreffs des Ausfalls der Wahlen eine versöhnliche Sprache führt, aber in scharfer Weise betont, daß der Staat im kirchlichen Kampfe seine Rechte sich ungeschmälert bewahren werde.
Berlin, 17 Nov. Der Eröffnung des Reichstags im weißen Saale des KönigsschlosscS wohnten etwa 20u Abgeordnete bei. Die Bundesrathsmitglieder, von Bismarck geführt, stellten sich links von dem verhüllten Throne auf. Bismarck theilke mit. daß der Kaiser durch Unwohlsein verhindert in. den Reichstag persönlich zu eröffnen, wie es seine Absicht gewesen sei. daß der Kaiser dies lebhaft bedauere und ihn ermächtigt habe, eine kaiserliche Botschaft zu verkünden. Nach Verlesung der Botschaft erklärte Bismarck Nomens der Bundesregierungen aus Beseht des Kaisers den Reichstag iür eröffnet. Der bayerische Gesandte brachte ein dreifaches Hoch auf den Kaiser aus. in welches die Anwesenden enthusiastisch einstimmten. — Dem in der Schloßküchs vorauSgegangenen Gottesdienste hatten der Kronprinz, die Prinzen Wilhelm. Heinrich, Friedrich Carl und mehrere andere Fürstlichkeiten beigewohnt.
Berlin, 17. Nov Der Reichstag wurde vom Reichskanzler durch eine kaiserliche Botschaft eröffnet. Angekündigt wurden der Etat, welcher ein erfreuliches Bild erfolgreicher Wirtschaftspolitik zeige, der Vertrag mit Hamburg, die Verlängerung der Legislatur- und Budget-Perioden die Unfall-Versicherung. die Organisation des gewerblichen und Kcankenwesens. das 2 abaksmonopol, die Getränkesteuein. Betont wird die strikteste Fesihaltung der bisherigen Wirthschafrspolilik. die Steuerreform, wobei die Nolhwendig- keit staatlicher Fürsorge für die invaliden Arbeiter hervorgehoben wird.
Tie Botschaft spricht sich über die auswärtige Politik mit völliger Befriedigung aus; seit den letzten zehn Jahren sei nickt mit solcher Friedenszuversicht in die Zukun't geblickt wie jetzt. Die Begegnungen in Gastein und Danzig waren der Ausdruck reger persönlicher und polnischer Beziehungen der Souveräne und ihrer Reiche. Die vertrauensvollen Beziehungen bilden eine zuverlässige Bürgschaft der Fortdauer des F.iedens, woraus die Politik der drei Karserhöle übereinstimmend gerichtet ist. Die Beziehungen zu allen anderen Mächten sind freundschaftlichster Art.
Frankreich
Paris, 16. Nov Der KnegSminister sandte ein Telegramm an die Tiuppenkommandanten in Tunis und Algier und versickerte dieselben seiner lebhaften Fürsorge für die Truppen; er werde sie mit allen möglichen Mitteln unterstützen Der „Siecle" meldet. Gambelta werde nächstens ein Circular an die Vertreter im Auslande versenden worin er aus- einaudersetzt, daß der Wechsel im Ministerium keine Veränderung in der friedlichen Politik der französischen Regierung bedinge.
England
Gladstone's Sekretär Hai in dessen Auftrag in Antwort auf eine an ihn von Manchester aus gerichtete Anfrage, was an dem Gerüchte Wahres
sei. daß der Premier den Titel „Earl of Liverpool" annehmen und ins Oberhaus einrreten werde, erwidert, daß für dieses Gericht kein Grund vorhanden sei.
Der englisch-protestantische Geistliche Sidney H. Littl->, Rektor der Kirche St. Albans in Manchester und Bruder des zum Kanonikus von Worcester ernannten Ncv. Knox-Lit!le ist sammt seiner Frau und Familie zur römisch- katholischen Kirche üdergetreten und am Freitag durch den Priester Clemens Hairington Moore von der Pro-Kathedrale in Kensington. welcher ein Con- vertit von der angli-katholischen Kirche ist und früher Rektor der St. Bar- vabaskirche in Oxford war, in den Scbooß derselben ausgenommen worben.
Italien.
Rom, 16 Nov. In dem nächsten, bisher aus den 18. Nov. anbe- räumten Konsistorium wird der Papst keine Allokution halten, sondern nur einige p r e u ß is ch e, namentlich den B i s ch o f von Fulda präko- nisiren. Die Ernennung neuer Ka.dinäle bleibt dem Konsistorium im Dezember Vorbehalten.
Türkei
Konstantinopel. 15 Nov. In Folge der Gerüchte, Rußland verlange die Regelung der Kriegsentschädigungsfrage durch Territorialkompensation, gab Novikow' den Botschaftern der Mächte den Gerüchten entgegengesetzte Versicherungen — Der Dampfer „Vulkan" gebt heute ab. Das Prinzip, die Pforte habe kein Recht, transitirende Ladungen zu durchsuchen, blieb also gewahrt.
K o n st a n t i n o p e l. i 6. Noo. Der türkisch - russischen Finanzkommission theilte Novikow in Beantwortung einer Anfrage der türkischen Vertreter in letzter Sitzung mit, er habe Instruktionen bezüglich Annuität empfangen, könne aber, da ihm dieselben großen Spielraum gewähren, nichts festfetzen, bevor er die genauen Intentionen der Pforte kenne. Die E örteruvg der Garantiesrage wurde fortgesetzt. Novikow verlangte, daß die Garantien lokaüsirt würden, um die Kontrols zu erleichtern. Die Türken sagten eine formelle Antwort in nächster Sitzung zu.
Amerika.
Washington, 15. Nov Bei dem gestrigen offiziellen Empfange des britischen Gesandten durch Präsident Arthur wurden beiderseits herzliche Ansprachen gewechselt. Der Präsident betonte die innige« Erfühle der Sympathie und Freundschaft zwischen England und den Union- staaten. Die amerikanische Negierung werde bei jeder Gelegenheit und jeder Veranlassung riftigst bemüht sein, den Geist der Eintracht und de» Wohlwollens noch weiter zu entwickeln, welcher die Beziehungen der beide» Staaten zu einander in so hervorragender Weise charakteiisire.
Calw, den 18. N.-vember 1881.
Turnsache. Im Merkur war vor einigen Tagen zu lesen, daß der Turnerbund in Stuttgart einen Turnabend für ältere Männer errichten werde, da es anerkanntermaßen auch für ältere Leute, namentlich für solche, welche in ihrem Geschäft und sonstigem Thun zu wenig Bewegung haben, kein besseres Mittel gebe, die Kraft, Gewandtheit und Beweglichkeit. sowie sie Gesundheit in Allgemeinem zu fördern und zu erhalten als das Turnen. Im hiesigen Turnverein ist ein solcher Turnabend
Feuilleton.
Die schöne Kathi.
Novelle von August Schräder.
(Forts tzung.)
„Herr Czabo!" flüsterte sie in einer Anwandlung von Entrüstung.
„Wo Heft Du die Börse? Das will ich wißen! Das hast Du mir zu bekennen! Du schweigst ? Nun wohlan, so will ich es Dir sagen. Du Schlange!"
Kathi zuckte zusammen. Dann aber faßte sie sich wieder, und sah den Apotheker fest an.
„Wer war an diesem Fenster?" fragte der Apotheker.
Das schöne Mädchen zitterte, es glaubte, der Commandant der Schutzwehr sei auf der rechten Spür.
„Wer hat mit Dir gezischelt und geflüstert?" fuhr der Commandant aufgeregt fort. „Wem hast Du das Geld, die ganze Börse gegeben? Und z« welchem Zwecke? O, der Zweck ist noch das Abscheulichste I"
„Er weiß Alles!" dachte die Gräfin.
„Mädchen, erwacht Dein Gewissen nicht? O, ich sehe. Du bist eine verstockte Sünderin, denn Du behaust hartnäckig in Deinem sträflichen Schweigen. Ich dachte, Dein Vetter Lajos führte wir die Unschuld selbst in das Haus, und nun muß ich erfahren. daß ich eine Heuchlerin unter «einem Dache beherberge. Kaum hat der verwünschte Korporal meine Schwelle überschritten — ach. Du erröthest ich spreche von dem Kor- psral, und Du blickst zu Boden — Kathi, Du hättest an Deine und meine Ehre denken sollen!"
„Ihre Ehre, Herr Czabo. habe ich sie gek.änkt?"
Der Alte gerieth in Zorn.
„Ein Geschenk, das ich Dir aus wohlmeinendem Herzen mache, giebft Du einem Korporal? O, von dem Gelds, das er auf Dein Wohl vertrinken soll, spreche ich nicht; aber von der Börse, die meine arme Netti gestrickt hat."
„Der Korporal soll an meinem Fenster gewesen sein?" fragte Kathi. die nun begriff, daß die Eifersucht aus dem Apotheker sprach „Lieder Herr, wer Ihnen das gesagt hat, ist ein boshafter Lügner. Ich kenne dm Korporal nicht, und habe ihn, außer in Ihrem Zimmer, nicht gesehen I"
Herr Czabo stutzte.
„Mädchen." stammelte er, „warum zeigst Du mir die Börse nicht?".
„Weil ich sie nicht mehr habe."
„Und wer hat sie?"
„Mein Vetter Lajos. Er und kein Anderer war am Fenster."
Nach diesen Worten wandte sich Kathi beleidigt ab.
„Das ist wahrscheinlich." dachte der Apotheker. „Lajos hat in der Save gefischt, ist durch den Garten gekommen, und hat. da die Thür verschlossen war, an das Fenster geklopft. Ich darf Nichts sagen, da ich ihm erlaubt habe, seine Nichte zu besuchen."
„Die Börse." fuhr Kathi mit gepreßter Stimme fort, „habe ich ihm gegeben, damit er sie meiner armen Mutter schicke."
Sie schwieg und stieß einen tiefen Seufzer aus. Diese Unwahrheit war nur gewaltsam über ihre Lippen gekommen; aber sie glaubte sie nicht verschmähen zu dürfen, um ihre Sicherheit in den letzten Stunden nicht z» gefährden.