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in einem nahen Gebüsch an der Donau, wo er sich selbst dar Leben genommen hatte, so daß die Gerichtsbeamten nichts mehr zu lhan fanden, als den erfolgten Tod zu konstatiren. Dar unglücklich; Opfer des gestrigen Mordes mußte noch bir heute Mittag leiden, wo das gutprädizirte München, ohne zuvor noch zum Bewußtsein zu kommen, seinen Qialen erlag
Baden-Baden, 15. Nov. Der Großhsrzog verbrachte dis Nacht gleichfalls in ruhigem, von Träumen nur wenig gestörten Schlaf. Die Temperatur war Abends 38,9, Morgens nach leichtem Schmeiß 37.7. Der Großherzog nahm während der Nacht öfter Nihrunz zu sich. Außer dem Gefühl großer Ermüdung stad alle übrigen Symptoms beruhigend.
Chemnitz, 15. Nov., 1t Uhr 5 Min. Der ReichstagSabgeordnete Geiser wurde gestern hier verhaftet.
AusBayern. 12. Noo. In Gaukö rigshofen (llnterfcanken) wurde am 8 ds. früh ein R ei s e n d e r. der im Wirthshause übernachtete, ermordet gefunden Ueber die näheren Umstände'ist noch nichts bekannt geworden, doch vermuthet man in dem Mitreisenden den Thäter. Die Persönlichkeit des Ermordeten ist ebenfalls nicht festgestelll.
Nürnberg, 1l. Nov. Ein Verwandter und GukSnachbar des Misten Bismarck, der kürzlich in Nürnberg weilte, äußerte sich zu einem hiesigen Freunde betreffs all' der falschen Gerüchte in der semitischen Frage die man dem Reichskanzler anfgebürdet, daß sich derselbe erst vor wenigen Tagen in Varzin folgendermaßen darüber ausgesprochen: „Diese Frage ist schon oft an mich herangetrelen, ich hüte mich aber wohl, etwas zu äußern, weil er ja doch wieder entstellt würde. Ich habe ähnliche Erfahrungen in der Sostalistenfrage bckter durchgemachr, in der ich mir dis Finger verbrannte; denn als ich manches von ihnen für gut fand, da hackte man Jahre lang auf mich, und als ich das Sozialistengesetz durchbrachte, da hackten dieselben Leute wieder auf mich bis zum heutigen Tag. Ich überlasse die ganze Frage den Gesetzen, dafür sind diese da." Weiler äußer:e er sich: „Unser ganzes deutsches Wahlsystem ist ein gründlich falsches, in einem wohlgeordneten Staate sollte jede Stimme zur Geltung kommen. Ich bin der Meinung, es wäre das Wahre, wenn die verschiedenen Parteien durch ganz Deutschland am gleichen Tage ihre Stimmen jede für ihre Partei fummeln, diese dann für jede 25,000 einen Vertreter ihrer Partei wählen könnten; denn der Unsinn liegt klar zu Tage, daß, wo die Parteien fast pari stehen, die andere Hälfte gar nicht zur Geltung kommt Auch fallen dadurch die KicchthurmSinteressen, Persönlichkeiten und die widerlichen störenden Nach- und Stichwahlen fort. Wie >oll aber erst der Landmann die Schattirungen unserer verzwickten Partnverhältnisse, wie Liberal. Nationalliberal, Sezession ist rc begreifen? Wozu diese vielen sremden Benennungen für eine deutsche-Sache? Ich meine, wenn man einen allgemeinen „Landverein" oder meinethalben einen «Bauernbund" gründete, so wäre dies verständig und gewiß faßlicher; die Slädle sind ja ohnehin stark genug vertreten."
Mainz, 13 Nov. Durch gestern erlassenen Gouverriementrbefehl ist den Truppen der hiesigen Garnison neuerd,ngs der Besuch von drei hiesigen Wirldschaftslokalitäten, das Brauhaus „zum weißen Roß" und die Weunwirihschasten von Werte und Körner, in welchen bei der letzten Wahl Stimmzettel für den sozialistischen Kandidaten zu haben waren, verboten worden. — Mischen Bingeibrück und TrettÜngshausen gerieth gestern Abend der Postwagen des Kölner Schnellzugs in Folge heiß gelaufener Achse in Brand und muhte bet Bingerbrück ausgesetzl werden. Von den Poststücken ist nichts verbrannt.
— Das Wahlergebniß in Berlin beweist, daß sehr viele, ja die meisten Konservativen in der engeren Wahl für die Sozialdemokraten gestimmt haben, denn Bebel erhielt am 27. Oktober nur 13.7--3 Prof Wagner 8270 St. Am 12. Nov. erhielt Bebel 16,979, also 5200 St. mehr. Ebenso erhielt Hasenclever am 27. Okk. 10,629 St, am 12 Nov 17.377; hie nahezu 7000 Stimmen mehr erklären sich nur dadurch, daß der größte Theil der 8959 kons. Stimmen, welche Obermeister Meyer am 27. Okt. erhalten harte, dem Sozialdemokraten zufielen.
Hamburg, 13. Nov. Der durch die gestrige in einem Hause des Bäckerbreitergangs erfolgte Gasexplosion entstandene Schaden ist, obschon sich die ursprünglichen Vermuthungen als bedeutend übertrieben heraus- stellten, noch bedauerlich genug. Zwei junge Mädchen sind unter den Trümmern des zum großen Theile eingestürzten Hauses todt ausgefundcn worden. Fünf weitere Personen sind verwundet, in der Mehrzahl so schwer, daß an ihrem Auskommen gezweiselt wird. Der Knall der Explosion war ein un- gemein starker und die Wirkung derartig, daß auch die benachbarten Häuser von Grund aus erschüttert wurden. Der materielle Schaden dürfte über 100,000 -PL betrogen Es sind meist ärmere Leute davon betroffen. Noch gestern hat sich ein Comite gebildet, welches zu Spenden für die Betroffenen auffordert.
Bremen, 14. Nov. Der Postdawpfer Köln, Capt. Th. Jüngst, vom Norddeutschen Lloyd in Bremen, welcher am 27. Okt. von Bremen adgegangen war, ist gestern Morgen wohlbehalten in Baltimore angekommen.
Wien, 11. Nov. Ueber eine Liebestragödie berichten heute Wiener Bl. Der Ledergalanteriearbeiter Julius Dworaczek hatte ein Verhältniß mit der Chansonnettensängerin Leopoldine Weiß. der hübschen Tochter des in der Alserstraße Nr. 13 wohnhaften KurzwaarenhändlerS Ludwig'Weiß. Dworaczek begleitete tätlich seine Geliebte in die Unter- halkungSorte, woselbst sie sang, und führte sie nach vollendeter Vorstellung nach Hause. Die Sängerin wohnte bei ihrem Vater, den sie nach Möglichkeit unterstützte. Vor nicht ganz 1 Jahr erfuhr der Vater von dem Verhältniß seiner Tochter mit dem gen. Arbeiter. Er stellte seine Tochter darüber zur Rede und bat sie, dir Beziehung zu lösen, weil er sich die Ueberzeugung verschafft halte, daß D. keine Frau zu ernähren im Stande sei und sich zudem keines besonders guten Leumunds erfreue. Das Mädchen hörte aus den Rath de» Vaters und versprach, mit Dworaczek zu brechen. Tatsächlich verkehrte sie seither mit dem Geliebten nur selten
und wenn si; mit ihn zusam nentraf, behandelte sie ihn kalt. Dworaczek, welcher den Grund des veränderten Benehmens nicht ahnte, glaubte annehmen zu müssen, daß Lsoyoldine mit ihm brechen wolle , um ein anderes Verhältniß anzuknüpfsn. Doorrcz-k, von Eifersuht gewltsrt. faßte den Entschluß, seine Geliebt; derart zu kennzeichnen, daß sie kein Anderer besitzen solle, und wenn ihn das schreckliche Vorhiben gelungen, sich selbst zu lösten. Bsioes führte er heute wirklich aus. Ec warf ihr ein Gla« mit Schoefelsäuce ins Gesicht und nahm selber Cyankali. Während ec sofort todl war. lebt das Mädchen unter großen Leiden und schrecklich im Gesicht entstellt. Asrztlichem Ausspruchs zufolg; ist der Zustand des Mädchen» ein sehr bedenklicher, und falls es geheilt werden sollte, dürfte es der Augenlichts beraubt bleiben.
London. 12. Noo. Die Kaiserin Eugenie besucht seit ihrer Rückkehr vom Festland häufiz ihre neue Besitzung in Farnborough und lecket dort die verschiedenen Veränderungen der Hauseiwichtungen. Es heißt, die Kaiserin wolle dort ein Mausoleum errichlen und die sterblichen Ueberreste des Kaisers und des Prinzen L. Napoleon von Chislehurst herübecsühren.
Vermischtes.
— Aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts. (Ja g d- vergehen) Der Rentier S und ein von ihm zur Jagd geladener Gast stad wegen unbefugter Ausübung der Jagd vecurtheili worden Die von beiden gegen dieses Ucthstl eingelegte Revision wurde von dem Reichsgericht verworfen, welches sich folgendermaßen-ausspcach : Er ist fsstge- stellt, daß die beiden Jäger sich an der Grenze des Jagdgebiets des Angeklagten S. schußfectig gemäht und daß ihre Absicht nicht bloi darauf gerichtet gewesen sei, das aus dem fremden Jagdgebiete herbeigslriebene Wild auf dem zum S.'fchen Rwisr gehörigen Grund und Boden niederzuschießen, sondern daß sie auch das etwa nur auf Schußweite im fremden Revier abgetriebene Wild an ihrem Standorte mit ihren Schilfs«! erwarteten, und zwar in der Art, daß sie ihre Doppelgewehre gegen den fremden Jagdbezirk richteten, als ob sie das von dort kommende Wild erwarteten, wodurch eine dis Jagd aas fremden Gebiet ausübende Handlung bethätigt worden war. Darauf, daß die bei dies.r Handlung verfolgte Absicht nicht erreicht worden ist, kann es nicht ankommsn. Hrben mithin S. und G. die Gewehre im Augenblicke unberechtigten Jagens bei sich geführt. so ist auch dis Einstshung der letzteren dem Gesetze entsprechend an- gev'dnet worden.
— Die M o r p h iu m s u ch t, diese schreckliche Krankheit, dis gerade in den besseren Ständen, in Folge der Angewöhnung der Morphium-Emspritz- ungsn in Grauen erregender Weise überhand nimmt, äußert sich auf eine jo entsetzliche Weise, daß eins Heilung des Leidens in der Pcioatpflege geradezu unmöglich ist. Es stellt sich zunächst eine Schlaffheit des ganzen Wesens bei dem Patienten ein, der bald Unlust zur Arbeit folgt; die ganze Erscheinung des Leidenden macht den Eindruck eines Trunkenen. Nun folgen Sprachstörungen, bir schließlich Verweigerung der Nahrung und endlich alle Anzeichen des Säuferwahnsinns folgen. Die Kur besteht in völliger Entziehung des Morphium, wodurch der Patient in der Regel in völlige Tobsucht verfällt. In welchem Umfange dieses Leiden gerade in den besseren Ständen eingeriffen ist, beweist der Umstand, daß sich gegenwärtig in einer Berliner Spezial-Heilanstalt nicht weniger als 22 Kranke befinden, die dort Heilung suchen.
— In Nürnberg starb vor Karzern ein Soldat an Blutoergiftun g. Er Halle sich etliche Tage vorher mit einer Stahlfeder ein im Gesicht befindliches Bläschen aufgestichen — dies wird als Ursache angegeben und der Berichterstatter meint, die Stahlfeder würde wohl rostig gewesen sein. Wahrscheinlicher ist, daß sich an der Feder einzetrocknets Aniltntiule, die gisiig ist befunden hat. Also War g vor Anilintinte.
— Eine französische Zeitung bringt folgende Zusammenstellung: Die fra n- zösische Armee kostet jährlich 630,594,675 Frcs. Sie zählt (auf dem Friedensfuß) 2 >1,601 Mann Infanterie (aber größtentheils nicht präsent.) Und an ihrer Spitze steht General Farre! Die deutsche Armee kostet jährlich 470,000.000 Frcs. Sie zählt (auf dem Friedensfuß^ 274.783 Mann Infanterie (vollständig präsent.) Und an ihrer Spitze steht Marschall Moltke!
— Aus Neuseeland wirs nach einem Berichte der „Times" seit Kurzem eine Art von Schwämmen exportirt. die bis jetzt völlig unbekannt war. Diese wachsen zumeist unter abgestorbenen Bäumen, gleichen in der Form einem Menschenohre und sind fast durchsichtig. Diese Schwämme geben der Suppe einen außerordentlich guten Geschmack und sind so kräftig, daß sie beinahe das Fleisch entbehrlich machen. Sie werden an der Luft getrocknet und dann in Körben verpackt. Im letzten Monat wurden in London allein um 6227 Pfd. Slerl. verkauft.
sE g y p t i s ch e 8.) Wie in jeder mohamedanischen Stadt, so herrscht auch m Kairo die Sille, daß sich die Frauen in der ersten Nacht des Kur- ban-Bairamfestes aus abergläubischen Motiven auf den Friedhof begeben und dort übernachten. Diese Gelegenheit benützen nun viele Strolche, um dis schlafenden Frauen zu bestehlen oder mit ihnen zu verkehren. Die Polizei hat daher vor zwei Jahren das Uebernachlen auf den offenen Friedhöfen strengstens verboten, da sie dieselben nicht gehörig überwachen kann. Die Frauen kümmerten sich jedoch nicht um dieses Verbot und schliefen noch ferner auf den offenen Fciedhöien. Der Polrzei-Dlrektor in Kairo sah sich daher in der vergangenen Woche, in der eben da» genannte Fest gefeiert wurde, gezwungen, um jeden offenen Friedhof einen Polizeikordon zu ziehen. — Vor einigen Tagen starb in einem egyptischen Dorfe irgend ein Schsikh, der den Ruf eines Heiligen genoß. Seine Anverwandten ließen die Leiche gar nicht begraben, sondern trugen dieselbe von Haus zu Haus und sammelten mit ihr Almosen. Dies dauerte so lange, bis die Leiche in Verwesung überzugehen anfing.