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zu sehen, ihm vorhielten, daß von der ursprünglichen Ladung nur 50 Tonnen Dynamit für Rußland bestimmt gewesen seien, während 10 Tonnen davon in Konstantinopel ausgeschifft werden sollten. Der Großwessier habe denn auch die Wirkung dieser Einflüsterungen benützt, um seinen Einfluß Alt Fuad Bey gegenüber beim Sultan zur Geltung zu bringen. wodurch da» Pcoj'kt einer Ministerveränderung wieder aufgeschoben worden wäre. Weiter raunt man sich zu, daß. obwohl man auf der russischen Botschaft jetzt zugestehe, daß sämmtliche 60 Tonnen für Rußland bestimmt waren. Slaatsrath Onon immerhin dea Versuch gemacht habe, durch Bestärkung der anfänglich im Palaste herrschenden Idee die Deutschen beim Sultan in Mißkredit zu bringen, indem bekanntlich schon seit geraumer Zeit der deutsche Einfluß in Konstantinopel, als der vorherrschendste, die Eifersucht in St. Petersburg erregt hat.
Amerika
Washington. 14 Nov. Richter Folger, der neuernannte Schatzflccetär, übernahm heule das Finanzministerium. Generalstaatsan- wal Mac-Veagh verließ das Justizministerium, um in Philadelphia seine Ädvokatenproxis wieder aufzunehmen.
Tages-Nerrigkeiten.
Stuttgart, 12. Nov Ein Vorfall, welcher gestern Vormittag in der hiesigen Karlsstiaßs, unweit von der sog. Planie sich zutrug, erregt hier ungewöhnlicher Aussehen. Während in dieser Gegend kein Geringerer als der Oberhosmeister des Königs, Freiherr v. T h u m b - Neuburg, weiland Gesandter in Wien, des Weges ging. trat der Kaufmann Julius B a v- mann, Sohn eines kgl. Hoskoches, auf ihn zu und wollte sich über den Grund eines oberhosmeisterlichen Dekretes, welches dem rc Baumonn wegen ungebührlichen Benehmens das Reiten in den kgl. (der Benützung des Publikums affenstehenden) Anlagen bis auf Weiteres untersagt, de» Näheren erkundigen, als Herr v. Thumb dies mit dem Bedeuten abiehnts, daß hierzu nicht der O-t sei, erhielt er einige Schläge ins Gesicht, in Folge deren ihm Hut und Zwicker entfielen. Nach V 2 Stunde war Baumann bereits verhaftet; Boumann soll sich dadurch mißliebig gemocht haben, daß er, der Sohn des Hofkochs, einem Wagen, in welchem der Hockammerpräsident v. Gunzert saß. in den Anlagen vorgeritten war. Das dafür ergangene Anlagenverbot betrachtet man vielfach im Publikum als eine etwas harte Maßnahme, zu welcher Meinung die weitverbreitete Antipathie gegen den Herrn Gunzert das Ihrige beigeiragen haben mag. Herr v. Thumb wird dagegen ob des aus ihn verübten Attentates lebhaft bedauert
Cannstatt, 12. Nov. Gestern Mittag überraschte der Wein- gärtne.- und Güterbesitzerverein Herrn Stadtschullheiß N a st durch Uebe- reichung einer prächtigen Niesenlraubs Dieselbe, mtt einem aus Aehren und Welschkorn gebildeten Kranz gekrönt, war an einer grünen Stange cufgehängt und wurde von 2 Männern getrogen. Eine Deputation von 12 Mitgliedern übergab das Geschenk.
Göppingen. 13. Nov Unserem Martinimarkt wurden zu- aesührt 71.0 Stück Lieh. Der Handel ging nicht sehr lebhaft; es wurde bezahlt für i Paar Ochsen 34—45 Karolin — cM 641. 15 bis oM 8i8. 57, für eine Kuh 125—250 und für eine Kalbel 140-160 Auf dem
Krämermarkt zeigte sich mehr Leben und Kauflust als in den letzten Jahren. Der gestrige Schafmarkt wurde befahren mit 18 881 Stück. Besonders gesucht war feite Waare von Händlern aus Straßburg und Metz. Ein Paar Hämmel wurden bezahlt mit 41—1>7 (24—33 fl),
ein Paar Schafe mit 17—27 fl — 29 14 — 46 ^ 29 ^ , ein
Paar Lämmer mit 18 —23 fl — 30 86 L — 39 43 L.
Aalen, 14. Nov. Gestern Abend geriethen einige hiesig? junge Leute auf der Slraße von Wasseralfingen mit heimkehrendcn Männern aus letzterem Ort in einen Streit, der schließlich mit einer Rauferei endigte, in welcher das Messer eine Nolle spielte. Ein hiesiger 18jähriger Bursche erhielt einige lebensgefährliche Stichs in die Brust, ein anderer einen weniger bedeutenden Stich ins Gesicht.
O b e r s 0 n t h e i m , 13. Nov. Ein jäher Todesfall hat unserem Kriegerverein eines seiner Mitglieder entrissen. Der Gypser Simon Han
selmann von Mittelfischach war am Freitag Vormittag im Innern eines Neubaues hier mit der Aufstellung eines Gerüstes beschäftigt, wobei ec so unglücklich war. 2 Stockwerke hoch herabzustürzen. In Folge der dabei erhaltenen Erschütterungen starb er in der darauffolgenden Nacht. Heute Mittag geben ihm seine Kameraden das Ehrengeleite zum Grabe.
— In Dimbach, O.A. Weinsberg, brach am 14. Novbr. Nachmittag» 2Vs Uhr Feuer au«, in Folge dessen von dem dortigen Gemeindebackhaus der Dachstuhl abbrannte. Der Brand enstand durch Fahrlässigkeit.
Reutlingen, 14. Nov. Am gestrigen Sonntag war der Sammlungssaal des pomologischen Institut» hier von mehr als 200 Peisonen, worunter auch auswärtige Laudleute. besucht, um die von vr. Hahn dort ausgestellte Sammlung von Obst, Früchten (Mais, Weizen, Gerste, Haber,) Kartoffeln und andern Wurzelgewächsen. Gräsern von C a- nada in Augenschein zu nehmen. Da waren etwa 50 der schönsten Obstsorten in Prachtexemplaren zu sehen, theils von Europa nach Amerika ein- gesührte, theils einheimische Sorten. Dabei war eine Auswahl von Gegen- l ständen der Jndianerindnstrie: Mocasfins, Täschchen, Jagdtaschen und ein Jagdgehäng eines 107 Jahre alten Indianerhäuptlings. Die Sachen sind zum Theil von den 4 Delegnten aus Canada mitgebracht, theils ihnen nachgesandt. Aus dieser Ausstellung läßt sich ein Bild des Landes gewinnen. Insbesondere sind die Früchte geeignet, den Glauben zu zerstören, als ob Canada ein „kaltes Land" sei; wo dieser Mais wächsr, kann es nicht kalt sein, jedenfalls ist es wärmer als Reutlingen, wo Mais nicht mehr reist. Die Sammlung ist nächsten Sonntag Nachmittag von t—4 Uhr noch einmal für das Publikum zugänglich, was der Güte des Dierekiors vr. Lucas zu danken ist.
Münsingen, 13. Nov. Bei einer von den Jagdtheilhobern von Dürrenstetten gestern veranstalteten Jagd fiel einer derselben, der Straßen« Wärter Schalkham von Bremelan, aus dem abschüssigen und schlüpfrigen Terrain mit dem schuhsertigen Gewehr zu Boden, wobei sich dieses entlud, so daß dis ganze Ladung seinem vor ihm gehenden Freunds Ludwig Basier von Dürrenstelten in den Nucken ging und denseldeu todt niederstreckte. Gegen SLalkham ist wegen fahrlässiger Tödlung Untersuchung eingeleitet. Die Fahrlässigkeit besteht darin, daß er versäumt hat. vor dem Weitergehen den Hahnen mit der Versicherung zu versehen, eine bekannte Regel, deren Verletzung schon öfter solches Unglück zur Folge gehabt hat.
Ulm, 12. Nov. Daß es oft Werth hat, wenn sich Reisende in die Fremdenbücher der Gasthäuser einschreiben, in welchem sie logiren, tavon kannte sich dieser Tage ein Reisender, welcher in einem hiesigen Gasthof übernachtete, überzeugen. Derselbe schrieb vor dem Schlafengeh-n seinen Namen in das Fremdenbuch ein und reiste andern Tags nach München, woselbst er. kaum angekommen, verhaftet wurde wegen Verdachts, in der Nähe von R einen Raub begangen zu haben. Da derselbe seine Unschuld beiheuerte und angab, hier übernachtet zu haben, wurde telegraphisch an- gesragt, und nachdem die angestMen Nachforschungen ergeben, daß dessen Angabe richtig war, erfolgte seine Freilassung.
— In Moosb euren, OA Ehingen, brach am 9. Nov., Nachts halb 9 Uhr, Feuer aus, in Folge dessen ein Wohnhaus sammt Scheuer ab- braante. Ueber die EnlstchungSursache ist noch nichts Näheres bekannt
Leutkirch, 13 Noo,'Abends 7 Uhr. Vor etwa 2 Stunden brach in einem zur Gemeinde Willerazhoseu gehörigen Einödhof Feuer au». So viel von hier aus zu sehen war, stand der ganze Hof in Flammen und wurde auch erhaltener Nachricht zufolge total eirigeäschert. Die hiesige, marschbereite Feuerwehr wurde soeben, weil keine weitere Gefahr vorhanden, wieder entlassen.
Sigmaringen, 13. Nov. Gestern früh durcheilte die Kunde von einem schauerlichen Mord unsere sonst so ruhige Stadt; der aus dem benachbarten Engelswies gebürtige Pferdeknecht in der Brauerei an der Karlsstraßs mußte in Folge Kündigung gestern seinen Dienst verlassen, zuvor aber noch schlich er sich mit einem schweren Hammer in den Kuhstall, wo die Magd gerade mit Melken beschäftigt war, nach deren Kopf er hinterrücks mehrere starke Schläge führte, so daß die Unglückliche bewußtlos zusammenbrach und wahrscheinlich den schwerrn Verletzungen erliegen wird. Kurz darauf hörte man 2 Schüsse und fand hernach den Mörder
„Wenn mir Mamsell fehlt —"
„Mir wird sie nicht fehlen. Um Dir also einen Beweis meines Vertrauens und meiner Achtung zu geben, überliefere ich Dir das wöchentliche Wirtschaftsgeld."
„Aber, Herr Czabo."
„Ich dulde keinen Widerspruch. Bevor ich handle, habe ich reiflich überlegt. Gieb mir einmal Deine Börse."
„Meine Börse?" fragte sie überrascht."
„Nun ja, ich selbst werde das Geld hineinstccken, dessen Du für die nächste Woche^bedarsst. „Gieb, Kathi — ich habe es einmal beschlossen-"
Er vermochte nicht weiter zu reden, die ängstliche Befangenheit Kathi's siel ihm wie eine ungeheure Last auf das Herz; er glaubte die eisten Zeichen ihrer Schuld entdeckt zu haben. „Wenn Niklas dennoch die Wahrheit gesagt hättte!" dachte er bestürzt, und dabei sah er das junge Mädchen wider seinen Willen mit durchbohrenden Blicken an.
Kathi war wirklich einen Augenblick bestürzt; sie hielt den Apotheker, den sie als einen erbitterten Feind der Revolution kannte, für einen listigen Menschen, für einen Spion. der Ahnung von ihrem wahren Stande hatte, und sie in das Verderben zu stürzen suchte. Warum fragte er nach der Börse, deren Inhalt zum Ankäufe des Boles verwendet war. das die Flucht der proscribirten Gräfin ermöglichen sollte? Sie sah, wie die Lippen des Commandanten der Schutzwehr zitterten, sie sah die veränderten Blicke, die sie kurz zuvor noch so freundlich angesehen hatten. Die Zärtlichkeiten des Apothekers waren also eine List gewesen, um sie zu fangen. Da» arme Mädchen hielt sich für verloren. Sie wähnte, das erste Begegnen des Gra
sen, wobei sie ein wenig außer Fassung gerathen, habe den ersten Anlaß zu dem Verdachte gegeben.
„Kathi," wiederholte Herr Czabo, „wo ist die Börse?"
„Die Börse?" flüsterte sie.
„Warum siehst Du mich nicht an? Warum schlägst Du die Augen nieder? Kathi," ries der Apotheker, der von der Schönheit des bestürzten Mädchens wie geblendet war, und einen aufrichtigen Schmerz über ihre Schuld empfand — „Kathi, habe ich es um Dich verdient, daß Du mich hintergehst? Ich bin Wittwer. ich meine es gut mit Dir, und Du — Du —"
Der verliebte Wittwer konnte nicht weiter reden, denn Kathi, die leise zitterte und bald roth, bald bleich geworden, war in dieser Verfassung so schön, daß sie in den Angen des Heren Czabo einem gefallenen Engel glich, um den das Herz trauert.
Es konnte dem scharfen Blicke der Gräfin nicht entgehen, daß der Schmerz des Apothekers kein erkünstelter war. Aber wo hinaus wollte der gute Mann mit seinen Forschungen? Der Drang der Umstände gebot ihr, sich darüber Gewißheit zu verschaffen.
„Nun, und ich?" fragte sie, den Commandanten mit großen Augen anblick nd.
Herr Czabo fühlte sich zum Verzeihen so geneigt, daß er wie bittend aurries:
„Mädchen, hast Du mir Nichts zu bekennen?"
.Mein Gott, lieber Herr, ich habe ja nichts begangen."
„Und das sagst Du mir mit dieser treuherzigen Miene?"
(Fortsetzung folgt.)