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Stuttgart, 28. Aug. Die einen intimen Charakter tragende Vor- berathung der Deligirten der württembeagischen Handelskammern fand heute hier statt. Das Hauptthema der Verhandlungen ist die Hebung unserer vaterländischen Industrie-Erzeugnisse. Die Hauptversammlung wirk morgen abgehalten, doch auch sie soll geheim sein und Vertreter der Presse keinen Zutritt haben. Wegen de» Tag und Nacht andauernden NezenS mußte da» auf gestern in der Ausstellung angesagte Doppelkonzert auSfallen. Dagegen hat die andauernde Ungunst der Witterung dem heutigen Besuch der Ausstellung keinen Abbruch zu rhun vermocht. Die Frequenz dürfte die respektable Ziffer von 1617,000 Personen erreichen Gegen Mittag klärte sich der Himmel auf. so daß namentlich der Nachmittagsbesuch ein sehr reger war. Von Wasseralfingen find mehrere Hundert Arbeiter gekommen. Hof­fentlich entschließt sich die Ausstellungs-Konmmisfion dazu, noch für weitere Sonntage da» Entree auf 50 Pfennige zu ermäßigen, denn der Versuch da­mit ist entschieden günstig ausgefallen. Der Bierkonsum der letzten Woche beziffert sich ans 30,000 Liter.

Neuenbürg. 29. Aug. Seitens der Gemeinde wird das Natio­nalfest in üblicher Weise durch Gottesdienst begangen; die Schuljugend be­gibt sich im Zuge zur Kirche; nach dem Gottesdienst wird sie mit dem gewohnten Festgebäck erfreut. Was sich Seitens der Einwohnerschaft noch weiter hieran knüpfen wird, ist augenblicklich der Gegenstand der Besprech­ung. Es ist zu erwarten, daß die Erinnerung an die glorreichen Thaten, durch welche tie Einigung des deutschen Volkes so theuer errungen ward, uns noch nicht abhanden gekommen ist und ihren patriotischen Ausdruck finden wird.

Plochingen, 28. Aug. Diesen Morgen um 6 Uhr sah man eine Menge hiesiger Einwohner aus allen Gassen trotz des strömenden Regens dem Bahnhof zueilen, aber nur 26 von ihnen stiegen in den Zug ein sie gehen nach Amerika, dis andern sagten ihnen ein letztes Lebewohl. Unter den Aurwanderndm ist eine in guten Verhältnissen stehende Familie von 10 Köpfen.

Metzingen, 25. Aug. Der heutige Tag war für die hiesige katholische Gemeinde ein Fest- und Freudentag, denn ihr langgehegter Wunsch, ein eigenes Kirchlein zu besitzen, ist mit der heurigen Ein­weihung der neuecbauten hübschen Kapelle in freudige Erfüllung gegangen. Dieselbe, nach dem Entwurf des Hrn. OA.Baumeisters Graser in Urach in Fachwerk ousgesührt, steht an der Straße nach Reutlingen, in unmittel­barer Nähe der Ecmsbrücke. Den Platz hat die Stadtgemeinds s. Z. den hiesigen Katholiken unentgeltlich zur V-rfügung gestellt. Die Baukosten belaufen sich auf 14,000 -/1L, welche Summe aber fast ganz von Vereinen. Stiftungen und Privaten aufgebracht worden ist. Die Einweihung geschah durch Hrn. Konorklsdirektor Maier von Tübingen, unter Assistenz der beiden katholischen Sladtpsarrer von Urach und Reutlingen und dem Kirchenchor aus letzterer Stadt. Nach der kirchlichen Feier, an der sich auch die bürgerlichen Kollegien, die Geistlichen und Lehrer von hier be­iheiligten, fand ein Essen von 70 Gedecken im Gasthos zum Hirsch statt.

Metzingen, 28. Aug Nach dem Vorgangs anderer Slävts ist in letzter Woche auch hier eine Ortssparkasse gegründet woroen, deren Geschäfte von einem Vorstand, einem Hauptkassier und sechs Sammlern besorgt weiden. Die kleinste Einlage darf nicht unter 10 sein. Sobald dis Einlagen am Ende des Jabres 2 oder mehr betrogen, fangen die­selben an, von der Oberamtspflege Urach mit 4^ Proz verzinst zu wer­den. Der Einzug geschieht gratis.

Heidenhsim. 26. Aug. Uhrmacher Honold in dem Dorfe Dettingen aus der Alb hat mit eigenem Forschen eine elektrische Uhr her- gestellt, die wohl werth ist, auch in diesem Blatte Erwähnung zu finden. Eine aus 5 Kohlen-Zmk-Elementen bestehende galvanische Batterie leitet einen starken elektrischen Strom durch ein Uhrwerk zu einer am Giebel des dem Uhrmacher gehörigen Hauses angebrachten isolirten Ziffertafel; so schwer deren Zeiger auch sind, jo bewirkt doch der kräftige Elektromotor in jeder Minute den nothwenoigm Sprung des Minutenzeigers. Auch eine elektrische Klingel steht mit dem originellen Werke in Verbindung.

Untertürkheim, 2t Aug. Heule Nachmittag zog die schon mehr erwähnte, von Ulm her we.ter geschobene, serbische Ztgeunerbande durch den

hiesigen Ort: Männer und Weiber im denkbar schlichtesten Kostüm. Alle rauchend, selbst die Kinder, die fast in puris nsturadilis daherzogen, wäh­rend die Kleinen in Säcken untergebracht waren, die an den Seiten der mitgeführten Pferde herabhiengen. Außer einer großen Anzahl von Pferden, worunter einige sehr schöne, trotteten auch gegen ein Dutzend Bären in diesem köle-möle von Naturmenschen und dressirten Thieren mit. Angeb­lich zieht die Bande ca. ',0 Köpfe stark Frankreich zu. wo sie Gast­vorstellungen zu geben gedenken; je früher sie die Grenzen überschreiten, desto besser für uns.

Weinsberg, 26. Aug. Das Notionalfest wird hier in gewohnter Weise gefeiert werden, Stadtgemeinde und Private haben reiche Beiträge gespendet, so daß es an Mitteln nicht fehlen wird.

Hamburg, 25. Aug. Die Verhaftung mehrerer Aus­wanderer-Agenten in Altona macht hier Aufsehen. Durch das Geständniß einer jüngst verhafteten Schiffskoch ist ermittelt, daß derselbe sich als Handlanger gebrauchen ließ, um militärpflichtige junge Leute nach Amerika hinüber zu schmuggeln. Der Agent, welcher seit Jahren dies Geschäft, namentlich für Schleswig-Hohlstein vermittelt hat, ist ein früherer Konstabler, der auch früher die Revision der Auswanderer- schiffe Halle. Dieser Agent hielt sich wieder geheime Unteragenten in Hol­stein und machte durch diesen menschlichen Schmuggelhandel namentlich ein brillantes Geschäft. Die Polizei telegraphirte sofort nach allen Orten, wo sich die geheimen Agenten befinden sollien, und es sind heute schon weitere Verhaftungen aus Holstein gemeldet. Die Untersuchung nimmt einen gro­ßen Umfang an Mit dem letzten Dampfer hat der Schifsskoch versucht. 7 Militärpflichtige zu verstecken, wobei er abgesaßt wurde.

Aus Amerika. Der Zustand der Wittwe Abraham Lincoln'» hat sich seit ihrer im Okwber vorigen Jahres erfolgten Rückkehr aus Europa sehr gebessert. Während sie Monats lang ihr Zimmer nicht ver­ließ , weil sie sich trotz des gesundesten Appetits einbildete, daß sie tod­krank sei. geht und fährt sie jetzt wieder aus. Orville L. Grant, der Bruder des Ex-Präsidenten Grant, ist am Freitag letzter Woche im Irren- Hause im Alter von 46 Jahren gestorben. Er litt an der Spekulations- Manie Jefferson Davis, der Ex-Präsident der Rebellion, wird naL Europa abreisen. An der Philadelphia Börse wurde um 9. August das Haupt-Ausflellungsgebäude für die Lumme von 97,000 Dollars ver­kauft. Das Gebäude. welches 1830 Fuß lang und 464 Fuß breit ist, hat ursprünglich 1.600.000 Dollars gekostet, und wurden zu dessen Her­stellung 75 000,000 Fuß Bretter und 8 500,000 Prund Eisen verwendet .

Calw, 3o. Aug Der gestrige Abend vereinigte im Waldhornsaale eine große Anzahl hiesiger Einwohner, welche dem scheidenden Herrn Helfer noch einige Stunden gemülhiichen Zusammenseins widmen wollten. Nach­dem unsre Stadt noch nicht lange her einen würdigen und allgemein be­liebten Geistlichen hat ziehen sehen müssen, muß sie schon einer jüngeren Krart wieder Lebewohl sagen, deren Wirken, wie es da» Wirken jeder wahren Kraft ist, im Stillen beginnend, immer wcilere und sichtbarere Kreise durchdrang, was Herr Heiser der Stadl und ihren Bewohnern durch seine ganze, ächk christliche Liebenswürdigkeit, was er ihren Nothleioenden durch trostreichen Zuspruch war, was er iür die Schule durch unermüdete Thäligkeil und Li?be zur Jugend, was er der ganzen Gemeinde durch die Predigt des göttlichen Worts Gutes gerhan, das haben tie Calwer im Laufe der Jahre schätzen gelernt und werden gewiß stets ein dankoares Andenken dafür bewahren. Die Herren Redner dcs gestrigen Abends ver­liehen Viesen wahren Gesinnungen entsprechenden Ausdruck: Herr Stadt- schultheiß Schuld! entwarf mit würdigen und treffenden Worten ein Bild der allseitig segensreichen Thätigkeit des Scheitenden rn Ltadt und Land, auf allen Gebieten, in denen sich zu bewegen sein Beruf ihn veran- laßte Zum Schluß klangen die Gläser zu einem anerkennenden und dankenden Hoch aus Hrn Helfer.

Hieraus sprach Hr. Dekan Berg zu seinem scheidenden Amtsbruder, den er so unge»n verliert. Er hob namentlich das segensreiche Hand in Hand gehen aus geistlichem Gebiet hervor, das ihm durch seinen Amtsbiuder so leicht geworden. Auch gedachte Hr. Dekan und gewiß in sehr passender Weise noch der Mutter und Gattin des Scheidenden, die, wie er selbst,

daß ich diesen Morgen kein müßiger.!Spaziergänger bin. Hören Sie eine wunderliche Geschichte, die ich vor vierzehn Tagen hier im Parke erlebt habe."

Sind Sie verliebt, Dermont?" fragte George lächelnd.

.Ich glaube." "

Seit dem Bruche mit der koketten Mathilde Hallen Sie den Frauen ewigen Haß, selbst Verachtung geschworen."

In der ersten Amregung hätte ich noch mehr gethan; ich verhehle nicht, daß ich mich damals in einer Verfassung befand, die mir das Leben verhaßt machte, und wäre mir dieses Abenteuer nicht begegnet, wer wüßte, was ich gethan hätte. Fast scheint es, als ob mir das Schicksal einen rei­chen Ersatz zugedacht hat"

Nun, so erzählen Sie?"

Das Zerwürsniß mit der stolzen Mathilde hatte mir meine heitere Laune völlig zerstört, und ich zog mich aus allen Enkeln zurück, die da» übermüthige Geschöpf zu besuchen pflegte; ich wollte selbst den Schein meiden, öls ob ich eine Annäherung suchte. Der Gedanke, daß eine andere Neig­ung der Grund ihres seltsamen Betrage,-s sein könne, daß man mich ge­wissermaßen bei Seite geschoben habe, erfüllte mich mit einem unbeschreibli­chen Grolle, und ich muß gestehen, daß da» Gefühl gekränkten Stolzes mich möhr quälte, als das erlittene Unglück in der Liebe. Um jene Zeit nun sprach ich mich über die Frauen im Allgemeinen au«, wie Sie wissen. Fast muß ich annehmen, als ob sich Gott Amor, den ich lästerte, dafür rächen wollte. An einem heitern Frühlingstage durchstrich ich einsam den Park. Ich kam in die Eremitage, die dort unten tief im Gebüsche versteckt liegt. Erschöpft warf ich mich auf die Bank, die in dem kleinen anmuthigen

Raume stand. Durch die farbigen Fenster fiel ein matter, melancholisches Licht herein, das, vereint mit der Stille der Umgebung, meine düstere Stim­mung vermehrte. Ich gefiel mir m dieser Situtation, und gab, um mit den Worten eines tnkaanten Diplomaten zu reden, meinen Gedanken eine besondere Audienz. Da fiel mein Blick aus ein Buch, das neben mir auf der Bank lag. Ich öffnete es und fand: les avanturss lls lelömuqns von Fenelon. Es war eine von den eleganten pariser Taschenausgaben. Ohne weiter an die Person zu denken, die es zurückgetassen, begann ich zu lesen. Die Lektüre interessirte mich, und ich weiß nicht, wie tange ich ihr nochge- hongen. als ich plötzlich das Knistern von Schritten und das Rauschen eines Frauenkleidrs vernahm. Ich sah aus. und eine Dame stand vor mir, deren Schönheit mich blendete wie ein elektrisches Lrcht. George, es war kem irdisches Wesen, das war ein Engel, eine Göttin. Welch eine Anmuth in dem reizenden, blühenden Gesichte; welche Eleganz in den herrlichen Formen, welche die Blüthe der Jugend schmückte! Sie trug ein Kleid von himmel­blauer Seide, einen weißen Shawl und einen weißen Hut mit Federn. George, ich war so geblendet, daß ich nicht daran dachie, sie könne gekom­men sein, um da« Buch zu holen, und ich vetgaß, es ihr «nzubieten. Schweigend erhob ich mich und grüßte."

Verzeihung, mein Herr, begann eine zarte, kindliche Stimme. Verzeihung, wenn ich störe ich vermisse ein Buch, das ich ohne Zweifel hier vergessen habe.

Dann lächelte sie, als sie meine Zerstreuung bemerkte. Himmel, »a» war dar für ein Lächeln! Welche Korallen schimmerten dabei durch den Purpur der feinen Lippen I Welche Grübchen zeigten sich auf den engelglei­chen Wangen!" (Forts, folgt.)

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