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denen das zu rasender Wuth entfesselte Element binnen wenigen Stunden ihre ganze Habe vernichtet und kaum das nackte Leben übrig gelassen hat. Die Steine möchten sich erbarmen ob dieses Jammers, der bald in lauter Klage für die gepreßte Brusi Erleichterung findet, bald in stiller Resigna­tion die Bitterkeit der Empfindungen nur im schmerzerfüllten Blicke lesen läßt. In solch schwerem Unglück gibt es nur Einen Trost, der wie lindern­der Balsam auf einer schmerzhaften Wunde wirkt, und das ist die werk- thätige Liebe der Mitmenschen, die wenigstens in hiesiger Stadt die ihr zu­kommende Aufgabe rasch begriffen hat und voraussichtlich auch in größerem Umkreise begreifen wird. Denn wenn auch zunächst auf den Versicherungs­gesellschaften die Pflicht der Entschädigung für die zerstörte Fahrniß ruht, so lehrt doch die Erfahrung leider, daß diese Entschädigung in den seltensten Fällen eine vollkommene sein kann, weil nur allzu häufig au« übel ange­brachter Sparsamkeit und dies trifft am meisten auf vem Lande bei den Erträgnissen des Feldes zu der volle Werth versichert ist. Ein Land- rnann, der sein Interesse richtig versteht, wird stets seine zu hoffenden Erndte- Erzeugnisse mit dem höchsten möglichen Ertrage versichern und die unbe­deutende Prämie gerne bezahlen, wird dann aber auch, wenn ihn das Un­glück trifft, viel weniger erschüttert fein, als es jetzt bedauerlicher Weise Manche der Abgebrannten in Gechingen find. Immerhin aber darf es als «in Zeichen der Intelligenz der Gechinger Einwohner bezeichnet werden, daß weitaus die Meisten mit ihrer Fahrniß versichert sind und nur einige We­nige, jetzt freilich zu spät, bereuen müssen, dem klugen Beispiel ihrer Mit­bürger nicht gefolgt zu sein. Diesen Unglücklichen gegenüber muß die Freiwilligkeit an die Stelle der Pflicht zur Entschädigung treten, ohne daß wir aber damit gleichsam eins Prämie auf die immerhin schwer genug ge­strafte Gleichgültigkeit der Betroffenen setzen, vielmehr immerhin in erster Linie dis einem Jeden so leicht gemachte Selbsthilfe durch Versicherung seiner Habe als unerläßliche Selbsterholtungspflicht bezeichnen möchten.

In welch tief einschneidender Weise das Gechinger Brandunglück wirkt, mögen die nachstehenden, aus zuvsrläßiger Quelle kommenden Zahlen beweisen :

Abgebrannt sind 24 Wohngebäude,

, ,28 Scheunen.

zus. 52 Geoäuoe, ungerechnet die kleineren Neben­gebäude. Schuppen u. dgl.

Beschädigt sind 55 Hausbesitzer und 57 Familien. Obdachlos ge­worden sind 197 Köpfe, incl. Dienstboten. Versichert sinü: bei der Providentia 23 Beschädigte mit 98.324

bei Elberfeld 20 75,471

bei Württemberg 1 , 5,650

beim Phönix 8 23.650

bei Leipzig 4 16.471

bei der Colonia 3 13.582

zu>. 233. i46

DerBrandverficherungSanschlag der Gebäude betr ägt 141.220 Es ist also im Ganzen ein Ersatz zu leisten vo« .177,368 ->n>. wovon nur wenig für gerettete Fahrniß oder noch brauchbare Baumaterialien abzurechnen sein wird, während sich umgekehrt diese Summe wegen un­genügender Versicherung sehr namhaft erhöhen kann. Als ein glücklicher Zufall bei diesem schweren Unglück mag der Umstand erwähnt werden daß durch die im vorigen Jahre vorgenvmmene neue Einschätzung der Gebäude sich deren Versicherungswerth um mehr als 40,000-i erhöht hat. Wie aber in jedem Unglück eine große Lehre liegt, so wird auch dieser Gech­inger Brand voraussichtlich auf eine weite Umgebung die wohlthätigs Rück­wirkung üben . daß auf dem Lande überhaupt nicht nur die Gleichgültigkeit gegen das Versicherungswesen wehr und mehr schwindet, sondern daß auch, wenn einmal versichert werden will, so hinreichend versichert wird, daß der Versichernde mit Ruhe einem etwaigen Unglück entgegensetzen kann, vor dem aber einen Jeden Gott bewahren möge.

Calw. 10. Aug. Unter den mancherlei eleganten Equipagen,

welche da» Badeleben in unsere Gegend führt, macht sich seit einigen Tagen besonders ein 2räderigeS Gefährt bemerkbar, welches von 2 niedlichen schnellen Ponny« gezogen wird. Der Eigenthümer. ein Kaufmann D. aus Bombay, geborner Stuttgarter, der z. Z. als Lustgast in Zavesstein weilt kuischiit selbst, und auf den Rücksitz schwingen sich als Bediente 2 braune Originalindier, die in ihrer heimathiichen Tracht viel Aufsehen erregen. Sie fahren mit ihrem behenden Gespann über Stock und Stein; heute sah man sie in Hirsau. (Schw. M.)

Friedrichshafen. 10. August. Heute Nachmittag begab sich Seine Majestät der König mit Gefolge per Extraschiff nach Ror- schach und mittelst Hofequipage nach Schloß Watt bei St. Fiden zum Be­suche des dort weilenden Generaladjutanten Generals Frhrn. v. Spitzem- berg. Nach 6 Uhr erfolgte die Rückkehr.

Vom mittleren Neckar, 9. Aug. Dis Fischarmuth hat in einem Maße überhand genommen, daß die Klagen, die man allerorts liest, als ganz berechtigt erscheinen. Die vielen tobten Fische kommen weniger auf Rechnung von Hitze und Blitzschlägen: sie sind höchst wahrscheinlich dem Umstande zuzuschreiben, daß rücksichtslose, einzig auf das Herausschlagen des Pachtgeldes erpichte Fischer in mondhellen Nächten mit Dynamitpat­ronen und ähnlichem operirt haben.

Heidenheim, 8 Aug. Seit mehreren Tagen wurde der Bauer Matthäus Biizeld von Hermaringen vermißt. Heute fand man seinen Leich­nam im Brenzfluß nahe bei Giengen. Furcht vor einer wegen Beleidigung in Aussicht gehabten Strafe hatten den Mann zweifelsohne zu dem Ent­schlüsse geführt, sich zu ertränken.

Ulm, 8. Aug Apotheker Schrade. der bei einem Sprung im Donau­bad mit dem Kopf auf den Boden ausstieß, ist in Folge! der Gehirner­schütterung nach mehrwöchentlichen schweren Leiden gestorben.

Waldsee, 9. Aug. Gestern Abend beim Einfahren der Jsny. Leutkircher Zuges in unfern Bahnhof legte sich ein bei der Eisenbahn be­schäftigter Arbeiter aus die S ch i e n e n, in Folge dessen ihm der K^f vollständig vom Rumpfe getrennt wurde. Der noch junge Mann, welcher nach einer hinterlassenen Notiz auf diese Weise einer bevorstehenden Ver­setzung auf eine andere Station entgehen wollte, hinterläßt eine Wittws und zwei kleine Kinder.

Pforzheim, 12. Aug. Dis bevorstehende Einquartierung beschäf­

tigt schon manchen gewissenhaften Hausvater und manche sorgsame Haus­frau versieht sich bei Zeiten mit dem Noihwendigsten. Auch ine jüngere Generation sieht mit Spannung dem Erscheinen des Militärs entgegen, weil alsdann ein ganz eigenartiges Treiben die Stadt bewegt. Mit Entzücken werden unsere verehrten Leserinnen die Nachricht aufnehmen, daß in den Tagen vom 10. bis 13. September nicht weniger als 5 Müitärwusiken hier Quartier nehmen, so daß jeder Stadttheil seine eigene Musik haben wird. Ja den Tagen vom 22. bis 29. d. M. werden ebenfalls mehrere Regi­mentsmusiken hier sein und ist es in erster Linie die Kapelle des Leidgre- nadier-Negiments, welche schon am Samstag den 20. Aug. im Rettenmayer' scheu Garten ein großes Conzert veranstalten wird. Die Leitung des Herrn Musikdirektor Löllge, der in letzter Zeit im Norden und Osten unseres Vaterlandes große Triumphe gefeiert hat, verbürgt einen genußreichen Abend, wosern Wetter und Gier yarmoniren. (Pn B )

Landwirthfchaftliches.

Stuttgart, 11. Aug. Auf dem Wilhelmsplatz hat der Mostobst­markt seinen Anfang genommen. Vier Wagen kamen mit 25 Säcken Aepfel und Birnen aus Unterschlechtbach und Michelau, OA. Welzheim, und Steinach, OA. Waiblingen, heute früh angefahren. Die Produzenten ver­langten und lösten 3 -.-L 50 per Centner.

^ Cannstatt, ll. Aug. Gestern waren auf dem Wochenmarkte weiße

Ja, ja, er zeigte mir Geld."

Wie viel!"

Der Dieb besann sich.

Zwölftausend Thaler," sagte er entschlossen. Zwölftausend Thaler in Kassenanweisungen.

Teufel. Und Du hast nichts davon angerührt?"

Keinen Pfennig "

Wo blieb bas Geld?"

Der Jure behielt es."

Und speiste Dich mit den Kleidern da ab, wofür Du lumpige fünf Thaler erhalten hast?"

Der Dieb wurde verlegen. Einerseits wollte er durch die Wahrheit sich nicht blosgeben; andererseits empörte sich seine Diebsehre, als von einem Genossen geprellt dazustehen. Er schwieg.

Die Wahrheit, Liedke," drängte der Poliznrath;Du weißt, daß ich Mittel habe, sie zu erlangen.Wer hat das Geld?"

Der Jure, Herr Polizeirath, bei Gott."

Wo ifl der Jure jetzt?"

Das weiß ich nicht."

Du nullst also allein der Sündenbock bleiben? Höre, Bursch. habe ich in einer Stunde nicht den Jure, so gebe ich mir keine Mühe mehr, ihn zu bekommen; dann, Du kennst selbst die Gesetze und das Kriminalgericht, dann hast Du, und zwar Du allein, den Diebstahl von zwölstausend Thalern gemacht, und Du bist reis für die Zeit Deines Lebens."

Noch einmal kämpfte der Dieb mit sich. Dann sagte er:

Er hat mich zum Judenkirchhof bestellt."

Auf wann?"

Auf neun Uhr."

Was solltest Du dort?"

Er wollte mit mir theilen."

Das Geld?"

Ich denke es."

Der Polizeirath wandte sich an den Gensd'arm Schmidt Vier.

Der Judenkirchhof liegt hoch, Schmidt."

Der Genrd'arm errieth bei dem ersten Worte die Gedanken seines Vorgesetzten.

Der Spitzbube kann alle Wege dahin übersehen," erwiederte er.

Uebernehmen Sie es, ihn zu fangen I Ich muß zu dem Orte des Diebstabls."

Es wird schon gelingen."

Machen Sie Ihre Sache gut. Wo habt Ihr gestohlen?" wandte sich der Polizeirath an den Dieb.

Ich. Herr PoUzeirath?"

Nun dann der Jure?"

Markgrafenstraße zweiundneunzig."

Alle vorwärts!"

Der Polizeirath nahm eine Droschke und fuhr nach der Markgrafen- straße Nummer zweiundneunzig. In der Hausthür lehnte der Bursch des Offiziers und sonnte sich.

Ist der Lieutenant noch zu Hause?"

Er schläft noch."

Der Herr von Marenstern schlief in der That noch. Träume seines nahen Glückes hielten ihn auf dem Lager im Alkoven gefesselt. Der Po­lizeirath weckte ihn.

Heicr Lieutenant, Sie find gestern Abend bestohlen."

Was. ich?"

Um Ihre sämmtlichen Uniformstücke und" '

Und?" .

Und um zwölstausend Thaler."

Der Offizier sprang au» dem Bette, sprang an den Schreibsekretar, schloß ihn auf, und fand ihn leer. .

Er fiel zurück auf einen Stuhl. (Fortsetzung folgt.)