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Donnerstag, den 21. Juli L88I

56. Jahrgang.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

Berlin, 18. Juli. Der Berliner Verein deutscher Stu­denten richtete am vergangenen Donnerstag folgendes Telegramm an den Reichskanzler: 300 heute in Sommers Salon, Potsdamer­straße 9. zu feierlichem Kommerse versammelte deutsche Studenten geloben Ew. Durchlaucht, ihr Leben lang jene Ideale zu pflegen, welche allein Deutschland groß und glücklich machen: werktätiges Christenihum, opfernde Vaterlandsliebe. Dieses Telegramm wird heute von der Nordd. A. Z. an hervorragender Stelle mitgetheilt.

Schweiz

Die Feier des 14. Juli in Basel scheint einen geflissentlich in Szene gesetzten antideutschen Charakter gehabt zu haben: Flaggen mit den fran­zösischen und schweizerischen Farben, Wappen der elsäßischen Städte; ein Mitglied der Basler Regierung trinktauf die Fortschritte der republikan­ischen Sache in der ganzen Welt"; ein Straßburger (A. Stätzling) auf die Einigkeit aller Franzosen im Frieden der Gegenwart und auf eine heilsame Zukunft".

Auch bei dem Züricher Fest vom 14. sind Toaste auf die französische Republik, Elsaß und Lothringen ausgebracht worden.

Oesterreich-Ungarn

Bad Ga st ein, 16. Juli. Der deutsche Kaiser ist gestern Nachmit­tag kurz vor 5 Uhr im besten Wohlsein hier angekommen. Der Ort war festlich geschmückt und beflaggt. Bei der evangelischen Kirche und am Kaiserwege waren Ehrenpforten errichtet. Unter den herzlichen Zurufen der zahlreich versammelten Kurgäste und den Klängen der Volkshymne schritt der Kaiser rüstig die Stufen zum Badeschloß hinauf, wo er von dem Prin­zen August von Württemberg, dem Statthalter Grasen Thun, dem Landes­hauptmann Grafen Coronini und dem General Dahlen empfangen wurde und die Begrüßung vieler anderer daselbst versammelten Personen von Rang freundlich entgegennahm. Von mehrerep Damen wurden dem Kaiser Blumensträuße überreicht. .Witterung prachtvoll. Heute nahm Kaiser Wilhelm das erste Bad und nmchte einen Spaziergang aus dem Kaiserwege.

Wien, 16. Juli. Die 'Wiener Abendpost" sagt: Der deutsche Kai­ser, der erlauchte Freund und Bundesgenosse unsere« Monarchen, weilt wieder auf österreichischem Boden. Dem erlauchten Gaste wurde wie im­mer ein ebenso ehrerbietiger wie freudiger Empfang zu Theü, an welchem die ganze Bevölkerung der Monarchie herzlichen Antheil nimmt.

Frankreich.

Paris. 15. Juli. Bei der Revue am Tage des Notionalfestes haben sich 137 Soldaten krank gemeldet; davon starb einer, sechs blieben erkrankt, die übrigen kehrten, nachdem sie sich erfrischt, zur Truppe zurück.

In Tunis waren gelegentlich des französischen Nationalfestes fol­gende italienisch abgefaßte Plakate an den Mauern angehefiet:Tod dem Volke, welches die schwachen Völkerschaften unterdrückt! Nieder mit Frank­reich ! Es lebe Italien! Es lebe die Itcilianische Vesper!"

Paris, 19. Juli. Aus Sfax wird gemeldet: Der Verlust der Eingeborenen bei der Einnahme der Stadt betrug 400 Tobte und 800 Ver­

wundete. Unter der Bevölkerung im Süden von Tunis herrscht noch immer große Gäbrung.

Aus Paris wird der Voss. Z. heute telegraphirt: Don Carlos' Au s w e is u n g aus Frankreich erregt große Sensation. Die reaktionären Blätter behaupten, dieselbe sei auf Wunsch der spanischen Regierung er­folgt , der sich das hiesige Kabinet gegenwärtig angenehm machen wolle. Das ist jedoch eine verleumderische Unterstellung. Die Ausweisung be­straft blos die unziemliche Haltung Don Carlos' bei der lsgitimistischen Demonstration in der Kirche St. Germain des Pres. Als Fremder durfte er sich an einer feindlichen Demonstration gegen die Republik nicht betheili- gen. Der Prätendent reist heute Abend nach London. Die Legitimisten wollen ihm ein feierliches Geleit geben. Die Polizei trifft Maßregeln, um lär­menden Kundgebungen am Nordbahnhof vorzubeugen.

Rußland.

Aus Petersburg. 14. Juli bringt die W. Presse folgende über­raschende Mittheilung: Seit einigen Tagen ist in Regierung«- und diplo­matischen Kreisen das Gerücht über dis bevorstehende Wiederberufung des Grafen Loris-Melikow auf einen hohen Posten im Ministerium ver­breitet; heute erfährt man aus bester Quelle, daß der Kaiser bereits das BerusungStelegramm an Loris-Melikow abgesendet habe. Man ergeht sich in Vermuthungen, zu welchem Posten er bestimmt sein kann; allgemein ist man der Ansicht, es sei entweder das Ministerium des Innern oder der Vorsitz im Ministerkonseil. Diese Berufung bedeutet einen vollstänv- igenSystemwechsel in der inneren Politik und auf­richtige Rückkehr zu den Reformprojekten der vorigen Regierung.

Petersburg, 16. Juli. DemP. L." wird telegraphirt: Kriegs- minifter Wannowski hat außer seinen Ersparungsplänen für die Armee durch Vereinfachung der Administration und der Uniformen noch zehn Millionen Rubel dadurch erspart, daß er die von seinem Vorgänger Müjuttn an der deutschen und österreichischen Grenze bereits in Angriff ge­nommenen Befestigungsbauten sistirle und die dafür präliminirten zehn Mill. Rubel aus dem Budget strich. Dieser Vorgang hat eine prin­zipielle Bedeutung, denn er beweist, daß sich Rußland der Freundschaft seiner beiden Nachbarn Deutschland und Oesterreich-Ungarn ganz sicher fühlt.

Türkei.

Der von der Pforte gestellten Forderung der Aufhebung aller fremdländischen Postämter in der Türkei wird, wie man hört, seitens Her deutschen Reichrregierung nicht Folge gegeben werden, weil das türkische Postwesen keine Garantie für die Sicherheit und pünkt­liche Beförderung der Sendungen biete und bei der Unwissenheit der türk­ischen Postbeamten häufig Briese, die in der Türkei nach fremde:: Ländern aufgegeben werden, gar nicht angenommen werden. Unter solchen Verhält­nissen werden wohl sämmtliche Mächte dem Verlangen der Pforte ent- gegentrelen.

Griechenland.

Athen, 16. Juli. Nach Berichten aus Konstantinopel soll dort an­läßlich des Sultanmord-Prozesses große Gährung herrschen und wird sogar ein Ausstand gegen den Sultan als unmittelbar bevorstehend bezeichnet.

Fe u i l l e t o n.

Der gestohlene Brantfchatz.

Eine Criminalgeschichte aus guter alter Zeit.

I.

(Fortsetzung.)

Das Quartier war in dem Hause Markgrafenstraße Nummer 92, nicht weit von der Lindenstraße. Es lag dort Paterre, gleich rechts vom Eingänge in das Haus. Das Paterre war indeß hoch; man mußte zur Eingangsthüre des Hauses eine Treppe von fünf bis sechs steinernen Stufen ersteigen. Das Quartier bestand aus einer Wohnstube mit dahinter be­findlichem Alkoven zum Schlafen. Die Wohnstube hatte zwei Fenster, die aus die Markgrafenstraße gingen. Das Möblement war einfach. Ein So- pha, sechs Stühle, ein runder Tisch vor dem Sopha, ein kleiner Tisch unter dem Spiegel, ein Schreibsekretär, ein Kletderschrank; im Alkoven ein Bett.

Jeder Offizier hat zu seiner Bedienung einenBurschen" ein Soldat, der ihm von dem Truppentheile, welchem er angehört, gestellt wird. Der Bursche des Lieutenants von Marenstern, von dem Kameraden de» Letzteren schon bestellt, wartete des neuen Herrn in dem Quartier. Er trug die Sachen des Lieutenant» hinein, die jedoch ein gewöhnlicher Reisekoffer hätte soffen tonnen; der große Federhut und der Czako hatten allerdings jeder seine desondere lederne Kapsel.

Der Lieutenant von Marenstern war ein sehr ordentlicher Mann. Wie sehr es ihn trieb, sofort dis Geliebte zu begrüßen, so mußte er doch vorher seine Sachen in dem neuen Quartier in Ordnung bringen. Der Koffer wurde geöffnet; die sämmtlichen, darin befindlichen Uniformstücke wurden in den Kleiverschrank gehängt; die Wäsche wurde in die unteren Schubladen des Schreibsekretärs gelegt; andere Kleinigkeiten wurden besorgt. Als Alle» fertig war, wurde der Bursche verabschiedet, um am folgenden Morgen um sieben Uhr zurückzukommen. Dann schickten auch die beiden Offiziere sich zum Fortgehen an.

Vorher jedoch zog der Lieutenant von Marenstern aus der Brusttasche seiner Uniform ein kleines, sorgfältig in Papier eingewickeltes und mit Bindfaden umwundenes Päckchen hervor. Er trat damit an den noch ge­öffneten Schreibsekretär; er schien es in diesen hinein legen zu wollen. Bevor er dies ausführte, prüfte er sorgfältig, ob der Sekretär auch sicher zu verschließen sei. Seine Untersuchung befriedigte ihn. Nicht nur hatte die Klappe des Sekretärs einen dem Anscheine nach festen Verschluß; auch inwendig, in der Mitte zwischen den beiden Reihen der kleineren oberen Schubladen war ein kleiner Behälter mit einem wohlverschließbaren Thür- chen versehen. In diesen Behälter legte der Lieutenant das Päckchen; er schob es vorsichtig hinten in eine Ecke. Dann verschloß er mit nicht min­derer Vorsicht zuerst da« kleine Thürchen und dann darauf die Klappe de» Sekretärs.

Während dessen hatte er sich mit einer Sorgsamkeit, die man beinahe Aengstlichkeil nennen konnte, überall in der Stube umhergeseyen. Die Stube hatte nur eine Thür, die auf den Flur des Hauses führende Eingangsthür;