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Nro. 70

Samstag, den 18. Juni L88Z

36. Jahrgang.

Amtliches.

Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 44 . dS. Mts. den Betriebsinspektor Proß in Eal« auf die Betriebsinfpektorsstelle in striedri chshafen zu versetzen gnädigst geruht.

Politische Nachrichten Deutsches Reich.

Berlin, 14. Juni. Der Reichstag genehmigte in dritter Lesung ohne Debatte die Handelsverträge mit Oesterreich, Schweiz, Belgien und Rumänien, und lehnte in dritter Lesung den Nachtragsetat für den Volkswirthschastsrath ab. Es folgt die dritte Berathung des Gerichtskostengesetzes. Die Gerichtskosten-Novelle wird nach den Anträgen C u n y's genehmigt, welche die auf Antrag Payer's gefaßten Beschlüsse der zweiten Lesung im Sinns der Regierungsvorlage wesentlich modlfiziren, und wonach in einzelnen Fällen des Konkursverfahrens die Gebühren ermäßigt und nach dem Betrage der Forderung des die Kon­kurseröffnung beantragenden Gläubigers berechnet werden sollen. Staats­sekretär Friedberg hatte die nach den Payer'schen Anträgen gefaßten Beschlüße der zweiten Lesung für unannehmbar bezeichnet und seine per­sönliche Ansicht dahin ausgesprochen. daß der Bundesrath den Cuny'schen Anträgen zustimmen werde. Die Resolution W i n d t h o r st's, die Re­gierung zu einer Vorlage für die nächste Session aufzufordern, welche eine durchgreifendere Revision der Gerichtskosten herbciführe, wurde angenommen.

Am Mittwoch wird die Hamburger Bürgerschaft über den Zollanschtußvertrag befragt werden. Es wird sich fragen, ob die endgültige Entscheidung schon am Mittwoch erfolgt oder ob sie sich noch etwas länger verzögert. Die Frage ist insofern von Wichtigkeit, als tm letzteren Falle der gegenwärtige Reichstag mit der Angelegenheit nicht mehr befaßt werden kann und sich somit der letzte Abschluß des Werkes und der Beginn der Ausführung um nahezu 1 Jahr verzögert.

Berlin. 16. Juni,. Die Hamburger Bürgerschaft nahm den Vertrag, betreffend den Z'o l l a n s ch l u ß an das Reich, mit 106 gegen 4b St., aifo mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit an.

Berlin, 16. Juni. Der Reichstag nahm in seiner gestrigen Abend­sitzung in dritter Berathung den Rest des UnsallversicherungSgesetzes in der Fassung der zweiten Lesung an und genehmigte das ganze Gesetz mit 145 gegen 108 Stimmen, worauf der Staatssekretär Bötticher die Ses­sion im Kaiserlichen Aufträge schloß.

Der Reichstag ist am 15. Abends geschloffen worden. Er hat eine mühselige Session hinter sich, welche weniger Resultate an den Tag ge­fördert hat. als nach der Zeit und Krastanstrengung erwartet werden durfte. Der Verlauf der Session zählt mehr Vorlagen, die in den Papierkorb gewandert sind, als solche. die Gesetzeskraft erlangen werden. Das Unfallversicherungsgesetz hat seine wesentlichste Bestimmung, auf die der Kanzler so großen Werth legte, den Staatszuschuß, eingebüßt, da derselbe mit 185 gegen 35 Stimmen abgelehnt wurde und an die Stelle der Neichsversicherung treten dieLandesanflalten. Wird der Kanzler das Gesetz auch in seiner neuen Form annehmen? Aus der Gewerbegesetznovelle ist das Mittelstück der ganzen Vor­

lage , die Vollmacht. den Jnnungsmeistern das Privilegium zu gewähren,

allein Lehrlinge halten zu dürfen, heraurgeschält worden. Der Volks- wirthschaftsrath fiel gegen eine um 50 St. stärkere Mehrheit. Und dock war gerade dieser das parlamentarische Ideal des Kanzlers. Dis Unfallversicherung für die Arbeiter, dis Gewerbegesetznovelle für die Handwerker, der Volkswirthschastsrath für die Groß-Jndustris dieß war der Plan des Reichskanzlers, der außerdem noch eine ganze Reihe anderer Vorlagen fallen sehen mußte. Die Wehrsteuer und die B r a u st e u e r wurden nahezu einstimmig abgelehnt. Der Quittungsstempel er­fuhr dasselbe Schicksal. DieAenderung der Reichsverfassung in Bezug auf die Dauer der Legislaturperiode und die Berufung des Reichstags, vom Kanzler selbst vertheidigt, fiel gegen eine verschwindende Minderheit. Das praktische Resultat der vierwonatlichen Session beschränkt sich hienach auf das auch nur mit einer Stimme Mehrheit angenommene Gesetz, die Wohnsteuer betr, das Küsienschifffahrtsgesetz. die Stempel­steuer auf Lotterieloose mit 5 Mill. Mark Ertrag und zwei sogen. Börsen­steuern, die auch nicht viel mehr eiubringen. Ob der nächste Reichstag gefügiger sein wird, wird die Zeit lehren

Schweiz

Bern, 16. Juni. Ohne Diskussion genehmigte der National­rath einstimmig den Handelsvertrag mit Deutschland.

Frankreich.

Paris, 13. Juni. Die Lage in Algier ist ernster, als die Re­gierung zugeben will. Schon spricht man davon, daß ein Theil der in Tunis befindlichen Truppen nach Algier geführt werden soll, und der Transportdampser La Guerriere soll bestimmt sein, die ersten Verstärk­ungen sür die algerischen Kolonnen von Tabarka oder La Goulette abzu- holcn. Ein weil eres Zeichen für den schlechten Stand der Dinge ist die Absetzung des Obersten I n n o c e n t i. desSiegers" von L-chellala, über besten Haltung eine kriegsgerichtliche Untersuchung eingeleitet sein soll und der die schwersten Angriffe über sich'ergehen lassen muß. La France Militaire findet es unbegreiflich, daß man ihm,dessen Unentschlossenheit in der Armee sprüchwörtlich geworden," eine wichtige Kolonne Habs anver­trauen können. Nach einem ausführlichen Bericht des Avenir Militaire war der Kampf bei Schellala eine vollständige Niederlage der Franzosen. Die Erhebung hat alle die Kennzeichen, die dem indischen Ausstande eigen waren. Politische und religiöse Fragen, geheime Gesellschaften, die Herr­schaft verborgener Komite's, passiver Gehorsam der Verschworenen überall findet man die gleichen Ursachen und Wirkungen, welche die indische Halbinsel in Blut getaucht haben.

Paris, 15 Juni. (Kammer.) Die Supplementarkreditforderung von 14 Millionen Frcs. für die Expedition in Tunis wird einstimmig ge­nehmigt. General Farre erklärte: der Zweck der Expedition war einzig, den Einfluß Frankreichs in Tunis und die Sicherheit in Algier zu be­festigen, was mit möglichst wenig Ausgaben und Opfern erreicht worden ist. Hierauf setzte die Kammer die Berathung über den Antrag Lai- s a n t's, betreffend die Herabsetzung der Militärdienstzeit von 5 auf 3 Jahre fort. General Farre bekämpfte die Herabsetzung als gefährlich und er-

Feuilleton.

Eine seltene Frau.

Von A S.

(Fortsetzung.)

V.

-Josephine, auch diesen Grund lasse ich nicht gelten, denn er ist zu ängstlich/ Ich hege das feste Vertrauen, daß ich durch meine Arbeit die Sorgen verscheuche. Glaube mir, ich habe den Muth, diese Verpflichtung zu übernehmen, und Du, meine Gattin, wirst ihn aufrecht zu erhalten wissen I"

»Ja, Philipp, das wird mein Bestreben sein, weil es meine Pflicht 'st, Ich weiß, wozu ich als Deine Gattin verbunden bin."

Und Du zögerst noch?" fragte schmerzlich der junge Mann.

Weil ich es ebenfalls für Pflicht erachte. Du gibst großmüthig Dein Vermögen hin"

Ich entbinde Dich von dieser Pflicht! Ich will ja nur Dich, Jo­sephine, nur Dich!"

Sie schmiegte sich an ihn und flüsterte:

Philipp, habe ich nur Pflichten gegen Dich allein zu erfüllen?"

Der junge Mann stutzte; sein Argwohn erwachte wieder, und er fragte Mt leise bebender Stimme:

Josephine, sollte es in der Welt außer mir eine» Sterblichen geben, der Ansprüche-«

Noch nicht I" fuhr sie leiser fort, indem sie ihren Arm um seinen

Nacken schlang.Philipp," flüsterte sie errörhend, und indem sie ihren rosigen Mund an seine heiße Wange legte »Wir werden bald nicht mehr allein sein! Es kommt eine Zeit, wo mir ein drittes Wesen Pflichten auf­erlegt, und von diesen kannst Du mich nicht entbinden."

Zwei große Thränen rannen über ihre Wangen, und fester drückte sie den Gatten an sich, der den Sturm von wunderbaren Empfindungen in seiner Brust kaum noch verschließen konnte. Einige Augenblicke stummen, süßen Entzückens folgten. Dann sank Philipp vor ihr nieder, und bedeckte ihre kleinen Hände mit Küsten und Thränen. Es drängte ihn, seinen Arg­wohn zu bekennen und um Verzeihung zu bitten; aber ihm fehlte der Muth, das herrliche Wesen in diesem Augenblicke zu kränken, wo sie ihm ein so süßes, beglückendes Geständniß abgelegt hatte. Alls Zweifel waren ver­schwunden, und Philipp gelobte sich im Stillen, das Glück zu verdienen, das ihm seine Gattin gewährte.

Begreifst Du mich nun?" fragte sie verschämt, und sich zu ihm hinneigend.

Ick folge Dir blindlings!" rief der berauschte Philipp.Bin ich schwach, so bin ich es aus Liebe zu Dir, darum sorge für mich und-"

Unser Kind!" flüsterte sie ihm ganz leise in das Ohr.

Es war spät, als Philipp seine Wohnung betrat. Er konnte nicht schlafen, sein Glück beschäftigte ihn zu sehr, und im Angesichte desselben schämte er sich seiner Eifersucht. Er wollte keinen Verdacht hegen, denn er sagte sich, daß der Verdacht gegen eine Frau ein Verbrechen an der Liebe sei. Und sie war ja seine Gattin. Nachdem er eine Stunde auf und abgegangen war, erschloß er seinen Secretär, legte Papiere in ein Portefeuille zusammen, und suchte mit dem festen Vorsatze sein Bett, morgen