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Der deutsche Handelsvertrag mit der Schweiz bestimmt, daß beide Staaten gegen einander kein Einfuhr- und kein Ausfuhrverbot in Kraft setzen, das nicht zu gleicher Zeit aus die anderen Stationen An­wendung findet; die Ausfuhr von Getreide, Schlachtvieh, Brennmaterialien wollen sie während der Dauer des Vertrags gegenseitig nicht verbieten. Der Vertrag tritt mit dem 1. Juli d. I. in Kraft und bleibt zunächst auf 6 Jahre gültig und sodann stets auf ein weiteres, wenn er nicht ein Jahr vorher gekündigt wird. Die Befugmß bleibt Vorbehalten, über Veränder­ungen, welche die Erfahrung als nützlich erweisen sollte, sich zu verständi­gen. Die 1869 zwischen der Schweiz und dem Norddeutschen Bunde ab­geschlossene Uebereinkvnst zum Schutzs der Rechte an literarischen Erzeug­nissen und Werken der Kunst wird durch besonderes Protokoll für dar ganze deutsche Reich als maßgebend bezeichnet.

Auch mit Belgien ist bereits ein Abkommen geschlossen worden, wonach der deutsch-belgssche Handelsvertrag vom 22. Mai 1856 ohne Fest­setzung eines Endtcrmines einfach auf unbestimmte Zeit verlängert wird und beide Theils d.:s Recht behalten, jederzeit in der Weise kündigen zu können, daß der Vertrag noch ein Jahr nach der Kündigung in Kraft bleibt. Der Vertrag, der nur den Charakter eines Meistbegünstigungsvsr- trages hat. ist zwischen dem belgischen Gesandten v. Nothomb in Berlin und dem Grasen Limburg-Stirum abgeschlossen worden. Er wird jeden­falls gleichzeitig mit dem mit der Schweiz und dem mit Oesterreich-Ungarn abgeschlossenen Handelsvertrag nach den Pfingstferien dem Reichstage zur Genehmigung vorgelegt werden.

C rr g l a n d

London, 6 Juni. Die Regierung hat angeordnet, die Truppen in Irland bis auf 30 000 Mann zu verstärken.

Dublin, 2. Juni. In Bodyke, (Grafschaft Cläre, Provinz Munster) versuchten Gerichtsexekutoren Exmissionsbesehle gegen einige Pächter aus- zusühren. Die Bevölkerung rottete sich in großen Massen zusammen, griff dis den Exekutoren zum Schutze beigegsbenen Militär- und Polizeimann­schaften an und feuerte auf dieselben Militär und Polizei erwiderten das F euer; e in Tumultuant wurde aetödtet, mehrere wurden verwundet.

Tages Neuigkeiten.

Calw, 7. Juni. Von achtbarer Seite wird uns mitgetheilt, daß am Pfingstfest Mittags 2 Uhr, also zu einer Zeit, wo der Wandel nach allen Seiten hin, insbesondere aber dem Bahnhofe zu ein ungewöhnlich starker war, junge Leute von 14 16 Jahren außerhalb der Badeanstalt gebadet und ohne Badhosen sich zum Aergecniß der Vorübergehenden auf den dort liegenden Flößen herumgetrieden haben. Da der Polizei nicht zugemuthet werden kann, ihr Auge überall zu haben, ist es die Aufgabe der Presse, über solche grobe, öffentliches Aergerniß erregende Verletzungen der guten Sitte und der bestehenden Vorschriften eine ernste öffentliche Rüge zu verhängen. Im Wiederholungsfälle wird es aber angezeigt sein, sich der Namen der schamlosen Burschen zu versichern, damit denselben von anderer Seite eingeschärft werden kann, was gute Sitte ist.

In Böblingen zog Herr Karl Vissing er ein zweijähriges Kind des P. K-r e ll noch rechtzeitig aus dem unteren See das zwölfte Kind, welches B. vom Ertrinken rettete.

Stuttgart. 4. Juni. Die Frage der Ermäßigung des E i n- trittsgeldes in die Landesgewerbeausstellung wird viel­fach erörtert. Es ist nicht unmöglich, daß in späterer Zeit, wenn einmal die finanziellen Ergebnisse der Ausstellung sich genauer übersehen lassen, dann und wann ein Tag mit 50 Eintritt angesetzt wird. Vorläufig und bis zu völliger Sicherstellung der Ergebnisse dürfte aber davon keine Rede sein.

In Stuttgart ist am 5. Juni Frau Emilie Uhland, Ludwig Uhland's Wittwe, 82 I. alt, gestorben. Dieselbe war, was wohl nur wenige Hiesige mehr wissen werden, eine geborene V i s ch e r von Calw. Ihr Vater mar der Kaufmann Bischer, der im vor. Jahrhundert noch das jetzige Staelin'sche Haus im Bischof erbaut hat. Am 29. Mai 1820 schloß Emilie Bischer den Ehcbund mit dem großen Dichter, dessen treue Lebensgefährtin sie 42 I lang bis zu d.sim am 13. Noo. 1862 erfolgten Tode war.

Leipzig, 30. Mai. Tie beiden Sozialistenführer Bebel und Liebknecht haben ihre Habseligkeiten verkauft und verlassen in den nächsten Tagen Deutschland, um sich in der Schweiz anzusieveln.

Graudenz, 2. Juni. Bei dem Versuchsschießen in der Festung Eraudenz platzte heute Vormittag t l Uhr unter den am Ziel mit der Aufnahme der Schußwirkung beschäftigten Mililärpersonen eine Granate und tödtete drei Hauptleute, einen Oderfeuerwerker und einen Ingenieur; Oberst Sallbach, sowie zwei Kanoniere und ein Civilingenieur wurden verwundet.

Ueber das Unglück bei Graudenz theilt man der Magdeb. Z. Folgendes mit. Bon der Firma H G r u s o n in Buckau waren Granaten mit einer neuen Sprengmaffe der Militärbehörde behufs Prüfung zur Verfügung gestellt. Zur Probe dieser Geschosse fanden nun bei Graudenz Schießversuche statt; 10 Schuß waren bereits zur allseitigen Zufiiedcnheit mit diesen neuen Granaten nach dem Ziele abgegeben und die am Scheibenstande befindliche Kommission war eben im Begriff, lang­sam, unter Meinungsaustausch über dis Wirkung des Schaffes, abzulreten, als von dem Geschüze der elfte Schuß abgegeben wurde, durch dessen Wirkung 3 Offiziere getödtet und verschiedene andere Personen verwundet wurden. Da nach jedem Schuß von dem Ziele aus ein Signal abgegeben wurde, wenn alle Personen in Sicherhe.t waren und dieses vor dem elften Schüsse noch nicht geschehen war, so ist nur anzunehmen, daß ein beklag- mswerther Jrrthum von Seiten des das Geschüz kommandirenden Offiziers das Unglück herbeigeführt hat. Der bei den Versuchen in Graudenz an­wesende Vertreter der Firma H. Gruson, Ingenieur Polte, ist an der einen Seite und an einem Arm, wenn auch nicht schwer, doch immerhin

nicht unbedeutend verwundet und befindet sich in Magdeburg in Pflege seiner Familie. _ _

Handel und Verkehr.

Stuttgart, 3. Juni. In welchem Maß die Einfuhr frischer italienischer Trauben in Württemberg in we­nigen Jahren sich gesteigert hat, gehl aus nachstehenden Zahlen hervor. Bei den Zollstellm in Württemberg kamen an: am Jahr 1875 lO.zoDoppsl- centner, im Jahr 1876 1087 Dovpelcentner, im Jahr 1877 1925 Doppel, centner, im Jahr 1878 6o98.s Doppelcmtnec, im Jahr 1879 21.504.zg Doppelcentner, im Jahr 1880 41,756.7» Doppelcentner. Darunter sind nicht begriffen die schon an der Grenze bei nicht württembsrgischen Zoll­stellen adgefertigten und in den freien Verkehr gesetzten Trauben. Parallel mit der Einfuhr von Trauben stehen die Ergebnisse des würltembergischen Weinbaues. Dasselbe betrug im Jahr 1877 32,694.g Hektoliter, im Jahr 1878 35,168.« Hl., im Jahr 1879 16,537 g Hl., im Jahr 1860 9,662.z Hl. Wenn man nun bedenkt, daß auch in andern deutschen Staaten ita­lienische Trauben in großer Menge eingefühct worden sind, so kann man sich nach obigen Zahlen denken, wie enorm die Gesammteinfuhr in Deutsch­land gewesen sein mag.

Künzelsau. Getreidebörse vom 3. Juni. Verkäufer zu­rückhaltend , auch des israelitischen Feiertags wegen wenig Geschäft und blor in Kernen und Haber gehandelt. Wir notiren per Ztr. hier gelegt, weil franko Bahnhos Waldenburg 20 L mehr: Kernen 11 vIL 6075 L, Haber 7 »1L 25 L. Nächste Börse Freitag den 17. Juni.

Ellwangen, 4. Juni. Wollmarkt. Gelagert schon viel Wolle. Zufuhren dauern fort. Der Markt scheint lebhaft zu werden, er beginnt am 14. ds. Mts.

Rottweil, 4. Juni. Dinkel 8 ^ 24 Haber 7 14 L.

U l m, 4. Juni. Mittelpreise pr. Zollzlr. Kernen 12 45

Weizen 12 vIL 10 L, Roggen 11 65 L, Gerste 8 85 Haber

7 58

Ravensburg, 4. Juni. Korn 12 ^ 53 L, Weizen 12^

49 Roggen 10 21 , Gerste 8 -.16 10 L, Haber 7 53

(Tabak-Ernte) Von zuverlässiger Seite wirü uns mitgetheilt. daß oie Java-Ernte vollständig mißrathen, die Sumatra-Ernte zwar quantitativ groß, jedoch als Deckblatt nicht zu verwenden ist. Voraus­sichtlich wird daher in wenigen Monaten ein sehr bedeutender Mangel an brauchbaren Deckblatt-Tabaken eintreten.

Paris, 30. Mai. An der heutigen Börse wurden die Gründeran- theile der Gesellschaft für den Tunnelbau durch den englischen Kanal zu 100,000 Frcs. pro Stück gehandelt, welche vor einem Monat nur 5000 Frcs. kosteten und noch im Januar dieses Jahres von den Bank­häusern. die sich bei der Konstituirung der Gesellschaft zur Bestreitung der Kosten für die Vorarbeiten betheiligt hatten, in ihren Jnoentaren pro form» zu 20 Frcs. aufgeführt wurden. Man hofft in den betheiligten Kreisen, daß die Ausführung des Tunnels in 4 Jahren vollendet sein werde.

Stuttgart, 1. Juni. Die württemb. Landes-Gewerbe-Ausstellung ist nunmehr, nachdem mit dem heutigen Tage auch die Alterthümer-Abtheil- ung dem Publikum sich erschlossen hat, in allen ihren Theilen vollendet. Die aufregende Zeit der Zurüstungen und Vorbereitungen liegt hinter uns; auch der festliche Jubel der Eröffnungstage ist verrauscht; geblieben aber ist bei allen, die mit Hand angelegt ans Werk der ersten großen schwäbi­schen Ausstellung, das Gefühl freudiger Gehobenheit über das alle Er­wartungen überireffends glückliche Gelingen des Unternehmens, von welchem Fremde und Einheimische, wie sie täglich zahlreich unserer Ausstellung zu- strömen, einstimmiges Zeugniß ablegen.

Was jeder als die beiden glücklichsten Eigenschaften dieser Ausstellung anerkennt, das ist einmal in Bezug auf das Arrangement der Ein­druck eines harmonischen, selbst im Kleinen und Unbedeutenden durch ein nobles, künstlerisches Gepräge vererelten, auf übersehbarem Raum in sich geschloffenen, wohl arrondirten Gesammtbildes und andererseits was die Ausstellungsobjekte betrifft, eine durchweg bei den Ausstellern der Haupt­stadt und der übrigen großen Jndustrieplätze der Landes, wie bei den klemm Handwerkern vom Lande sich geltend machende glückliche Vereinig­ung von Solidität und Geschmack. Wir wollen die Compliments, welche der sachverstänsige Mitarbeiter eines der angesehensten Pariser großen Tagesblätter, der dieser Tage die Ausstellung besuchte, dem Ar­rangement derselben, der Industrie und insbesondere dem Kunstgewecbe Schwabens machte, aus Bescheidenheit hier nicht wiederholen; aber dieses Lob aus dem Munde eines Mannes von dem verwöhnten Geschmack der Pariser Journalisten mag eine Erklärung abgeben für die Verwunderung, mit welcher wir in diesen Tagen manchen zuvor recht steptischen Schwaben haden aurrufen hören: Nein, so prächtig hatten wir uns dis Ausstellung doch nicht gedacht, einen solchen Reichthum an gediegenen industriellen und künstlerischen Erzeugnissen hatten wir nicht vermuthetl

Als ein Hauptschmuck der Ausstellung, mit welcher während ihrer ganzen Dauer allmonatliche Blummausstellungen verbunden sein werden, gilt der zum AusstellungSgarten umzeschaffene, mit Pavillons und Kiosken zahlreich besetzte, von monumentalen Gebäuden von hoher architektonischer Schönheit rings umgebene, prächtige Slavtgartm, der seine Anziehungs­kraft alltäglich, und insbesondere an den gegenwärtigen schönen Sommer- abenden, wo er in elektrischer Beleuchtung erstrahlt, aufs Glänzendste bewährt.

Dies eine flüchtige Umrahmung des Ganzen, in welche die einzelnen Bilder einzureihen in den folgenden Briefen uns obliegen wird: eine weit­aussehende, aber bei all dem Schönen, was die Stuttgarter Ausstellung bietet, auch lohnende und verlockenve Aufgabe, ein mit Mühen verknüpfter, aber genußreicher Gang, zu welchem wir uns die freundliche Begleitung des Lesers heule schon erbitten. Alfred Freihofer.

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