Politische Nachrichten.
Deutsche- Reich
— Daß die in W ürttembe rg zur Bekämpfung der Vagantenthum« ergriffenen Maßregeln nicht ohne Einfluß auf unsere Nachbarstaaten bleiben können, »ar von Anfang an vorauszuseben. Erfreulicher Weise regt sich in Bayern bereits der Wunsch nach ähnlichen Einrichtungen, wie wir sie haben.
Frankreich.
Pari«, 21. Jan. Zur Eröffnung der dicsjährigen französischen Kammersession hat Gambetta eine Rede gehalten, die von dem lebhaftesten Beifalls der republikanischen Partei begleitet war Die Rede, die der Kammer-Präsident gegen seine Gewohnheit vorlas. enthielt eine» Rückblick auf die bisherigen Leistungen der Kammer und einen Hinweis auf die Geschäfte, welche sie noch zu erledigen hat Zwei Stellen in der Rede Gambetta'« haben stürmische Zustimmung gefunden, so daß man wohl sagen kann, sie hätten der öffentlichen Meinung getreuen Ausdruck gegeben. E« sind die« zwei Stellen. welche unmittelbar die große Politik betreffen. Gambetta ist ein zu feiner Beobachter der allgemeinen Volkrstimmung, als daß er nicht wüßte, wie in allen Klaffen der Wunsch nach Erhaltung de« Friedens gegenwärtig die alten Gloiregelüste niederdrückt Er hat daher in seiner Antrittircde jeden Zweifel an seiner friedlichen Gesinnung zu verscheuchen gesucht. Verschieden? Blätter nennen diese Rede eins „Thronrede* oder eine „Präsidentenbolschaft."
England
London. 20. Jan. Seit dem Brand, resp, der Explosion in den Kasernen von Salford und Edinburgh ist man doppelt auf der Hut, um Anschläge Seitens der Fenier zu vereiteln. Im Chesterschlosse, wo bedeutende Munilionsmengen deponirt wurden, sind die Fenster verbarcikadirt, die Thore verstärkt und die Wachen von älteren Mannschaften verdoppelt, die mit je 10 Patronen versehen sind.
London, 22. Jan. Nach einer amtlichen Meldung vom 2l. d. hat sich dis englische Garnison von Leydenberg den Boeren ergeben.
L o n do n, 23. Jan. Aus dem Sosutolande wird gemeldet: Die Ko!o:,ialtrupp?n erhielten Verstärkungen und werden die Offensiooperationen bald wieder ausnehmen
London, 24. Jan. Unterhaus. Förster begründete in l'/zstündlger Rede die Bill, welche den V>z>.könig von Irland ermächtigt, jeden, den er des HochverrathS oder anderer Verbrechen, seien sie vor oder nach Erlaß des Gesetze« verübt worden , für schuldig hält, zu verhaften und in Gewahrsam zu ballen. Die Bill soll Gesetzeskraft bis zum 30. Sept. 188t besitzen; für Hochverrate auf ganz Irland, für agrarische Verbrechen und solche gegen Gesetz und Ordnung nur auf die besonders bezeichneten Distrikte Anwendung finden. Dis Annahme der Bill sei dringend, daher von der Bill über Waffenbesitz getrennt
London, 25 Jan. Daily Telegraph erfährt, die Gesundheit Gladstones sei geschmückt und flöße Bes oraniß ein. _ _
— Stuttgart, 19. Jan. (21. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) T.O. Fi-
rranzetat. Kap. 121. Bodcnseedampsschifsfahrt. Dieselbe gewährt einen Reinertrag von jäbrl. 28,432 33,000 weniger als bisher, waS von dem zurückgegange
nen Güterverkehr herrührt, der das Trajeklschisi nur noch selten beschäftigt, v. Varn- büler beantragt, den ganzen Ertrag der Bodensec-Dampfschifffahrt, der laufenden Verwaltung zuzuweisen und die Abzahlungen am Grundstock zu fistiren, was angenommen wird. Kap. 122. Ertrag der Münze. Ertrag 2800 »» jährl. Kap. 123. Verschiedene Einnahmen bei der Staatskasse unmittelbar-. 96b,979 und 9bb.897
Zur Berathung kommt sodann der Antrag von Ebner und Gen.: .Hohe Kammer wolle dem 8 57 der Geschäftsordnung folgenden Zusatz beisügen: Die übrigen Kammer- mitglicder können den Kommission« sitzungen als Zuhörer sbeiwohnen, insofern die Komm, oder die Kammer in besonderen Fällen nicht anders beschließt.' Der Antrag wird nach längerer Debatte an die staatsrechtliche Komm, verwiese».
— Stu ttg a rt, 21. Jan. (2b. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) T.O. Bericht der Finanzkomm. über den Entw. eines Ges., betr. die S ta at S sch u Id. Nach Art. 1 soll es bei den von jetzt an aufzunehmenden Staatsanlehen gestattet sein, die Tilgung nicht in jährlichen Rar n nach einem zum Voraus festgestellicn Plane vorzunehmen, sondern im Wege der Gesetzgebung besonders darüber zu bestimmen. Die Fin.- Komm. war mit 10 gegen 3 St. gegen diesen Antrag. Die Mehrheit unter Führung Boscher'S will am bisherigen Gebrauche, planmäßiger Tilgung, festhalten, die Minder
heit unter Führung Hartenstein'« stimmt der Regierung unter gewissen Modifikationen (gewissen Garantieen sür die Tilgung re.) bei. v. Renner vertheidigt die Vorlage: die Reg. wolle bto« statt einer vertragsmäßigen jährlichen Tilgung eine freie Tilgung. Den Ständen stehe es ja immer wieder frei, eine Verpflichtung zu übernehmen. Wir befinden uns eben jetzt in einer Lage, daß wir selbst bei Konvertirung der Staatsschuld einen Stillstand in der Tilgung cintrelen lassen müssen. Die lebhafte Debatte wurde durch Vertagung unterbrochen.
Tagesordnung
de« K. Amtsgericht- Calw in der öffentlichen Gerichtssitzung
l. am Donnerstag, den 27. Januar, Vormittags 9 Uhr:
1) Beweis-Einzug in der Rechtssache des Heinrich Hellmann, HopsenhändlcrS in Nürnberg, Klr. gegen Lorenz Kirchner, Ziegler in Simmvzheim, Bekl., Ansprüche au« einem Kaufvertrag betr.
Vormittags 10 Uhr,
Rechtssache zwischen
2) Alt Jakob Bäuerle in Monakam, Klr. und Wilhelm Winter, Schäfer in Sim- mozheim, Bell., DarlehenSforderung betr.
3) Michael Herrman». Hirschwirth in Ottenbronn, Klr. und Gottlieb Rentschler, Bauer daleldst, Bekl., Forderung für Verzehrtes betr.
4) Michael Hcrrmann, Hirschwirth in Ottenbronn, Klr. und Philipp Proß, Gypser daselbst, Bekl., Forderung für Verzehrtes betr.
II. am Freitag, den 28. Januar, Vormittags 9 Uhr:
1) Eidesabnahme in der Rechtssache zwischen Joh. Georg Weißinger, Maurer von Enzklöstcrle, Klr. und Bauunternehmer Märkte in Hirsau, Bekl., Ansprüche au« einem Dienstmiethcvcrtrag betr.
2) EideSabnabwe in der Rechtssache zwischen Katharine Schneider, ledig und Gen. von L-chönbronn, OA. Nagold, Klr. und Christian Kübler, Schreiner in Teinach, Bekl, Ansprüche aus unehelicher Schwängerung betr.
Rechtssache zwischen
3) Gebrüder Zaiser in Ludwigshafen, Klr. und M. Burkhardt z. oberen Bad in Liebmzell, Bekl., Waarenjorderung betr.
4) Michael Kuüerer, Bauer in Ostelsheim, Klr. und Friedrich Röhm, LeonhardS- _s ahn. B auer in Sulz, OA. Nagold, Bekl.. Erfüllung eines Kauf« belr.
Tages Neuigkeiten.
— Neuenbürg, 21 Jan. Mit dem 1. Januar d. I. haben auch in unserem Bezirk die Maßregeln g?gen da» Vagankenthum begonnen und zwar mit Einführung der Natriralverpflegung. Bereits bestehen Unterstütz- ungtstationen in Neuenbürg, Wildbad, Calmbach und Schwann und er ist bei dieser wohlthätigen Einrichtung, die das nahezu gänzliche Aufhören de« Häuserbettels im Gefolge hat, kaum zu bezweifeln, daß auch die übrigen größeren Orte diesem Beispiel folgen.
— Wildbad. 23. Jan Heute Morgen gegen 9 Uhr erreign-ts sich in der Hallberger'lchen Papierfabrik ein großes Unglück. Der mit dem Eisen an den Turblnen belchästigte Arbeiter Läpple von hier (früherer Sattler) fiel in den Turbinenraum und wurde vom Wasser durch den Turbinenicklauch gerissen. Noch lebend wurde er herauegezogen; ehe jedoch ärztliche Hilfe zur Stelle war, gab er seinen Geist aus. Eine bedeutende Wunde am Hintcrkopf scheint seinen Tod helbeigejührt zu haben. Bestimmte« hierüber dürste die eingeleitete Untersuchung und Sektion ergeben. L. hinterläßt eine Frau mit zwei Kindern.
j — Eßlingen. 21. Jan. Der Versuch, auf unserem großen und einzig gelegenen Marktplatz eine Eisbahn zu erstellen, ist vollständig gelungen und der Besuch derselben auch Nichteßlinzern besten« zu empfehlen.
London. 20. Jan Auch heute sprechen die Berichte aus allen Theilen des vereinigten Königreich« von heftigem Schneefalle, Stürmen, Bahnverkehrrstockungen und uvpassirdaren Landstraßen. An der Küste wütheten furchtbare Stürme, und die Verlustliste der in den 2 Tagen gescheiterten Schiffe dürfte eins d-klagenswerlhe Höhe erreichen. In Dover soll seit 1837 kein ähnlicher Sturm gewüthel haben. Das Sprizwafser wurde über die höchsten Häuser getrieben; Dächer wurden abgedeckt, Kellerwohnungen überschwemmt, und Granitblöcke, Laternenpfosten und Eisengitter vom Hasendamm wsggeriffen. Auch auf der Themse richtete der Sturm furchtbare Verheerungen an
London, 24. Januar, Hier hat ein allmäliges Thouwetter begonnen.
Der Aurstellungskommissär des d. Reichs, Geh Rath Prof. Reu- i leaux ist in Melbourne von einem Unfall betroffen worden. Reu- i leaux fuhr nach der Aussteü ng. Der Kutscher lenkte so schlecht, daß er bei 1 einer Biegung der Straß mit seinem Cab gegen ein andere« anprallte.
Feuilleton.
Das Geheimbuch.
von A. v. W.
(Fortsetzung.)
V.
Robert verneigte sich, al« Zeichen, daß er bereit sei.
„Die Geiste«krankheit Ihre« Neffen.* fuhr Juliu« fort, „ist von so «igenthümlicher Art, daß es eines scharfen Blicks bedarf, uw sie zu erkennen. Er spricht gut und zusammenhängend, und seine Behauptungen gleichen denen eine« Verständigen, die sich auf Ueberzeugung stützen. Au« meinen Unterredungen mit ihm ist mir klar geworden, daß er mir mit Eifer widersprechen würde, wollte ich seine Geisteskrankheit in seiner Gegenwart zur Grundlage meiner Vertheidigung machen. Demnach wird mir die Beweisführung unendlich erschwert, und ich bin gezwungen, den scharfen und jähen Wechsel seiner Empfindungen. an denen ich seinen Zustand erkannt habe, durch äußere, zufällige Einflüsse zu veranlassen, damit er den Richtern klar werde. Mein Client selbst muß seine Unzurechnungsfähigkeit beweisen, ohne daß er meine Absicht errälh.*
„Herr Advokat." sagte die Witlwel. „ich bewundere Ihren Scharfsinn. Retten Sie meinen Neffen vom Tode und überliefern Sie ihn einer sichern Obhut in dem Jrrenhouse, so zählen Sie auf meine Dankbarkeit. Der Gedanke ist mir schrecklich, daß ein Glied meiner Familie den Tod «ine« Verbrechers stirbt. Retten Sie ihn, retten Sie ihn um jeden Preis!'
„Meine Ehre al« Jurist erfoidert e»," antwortete Juliu«.
„Und ist e« wirklich Ihre Ansicht, daß der Angeklagte au« Irrsinn gehandelt hat?"
„Ja. Madame," war die feste Antwort. „Gewisse Dinge werden bei ihm zur Monomanie, und dahin gehört die unglückliche Erbschaft«geschichte, von der er sich nicht losreißen kann, sobald ec sie einmal berührt hat."
Robert hatte während dieser Zeit über die Vortheile nachgedacht. die ihm daraus erwachsen mußten, wenn der Advokat, der nach seiner Ansicht von Ehrgeiz geleitet wurde, seinen Zweck erreichte. Er schilderte nun da« Benehmen des unglücklichen Franz vor der Verhaftung, und verschwieg selbst die plötzliche Veränderung desselben nicht, die daS Erscheinen Hele» nen'S in ihm hervorgebracht.
„DaS spricht für meine Behauptung!" sagte Julius. „Wer ist da» junge Mädchen?" fragte er in einem gletchgiltigsn Tone.
Die Wiltwe gab ihm Auskunft.
„Sie war mehrere Jahre Gouvernante bei einer englischen Familie, die vorigen Herbst in ihr Vaterland zurückgereist ist," schloß sie ihren Bericht „Auf die Empfehlung meine« Arzte« nahm ich sie al« Gesellschafterin zu mir. und ich muß bekennen, daß sie der ihr vorangegangenen Empfehlung vollkommen entsprochen hat. Sie ist schön, gebildet und gut!" fügte sie mit einer leisen Beziehung hinzu.
Der Advokat hatte einige Augenblicke nachgedacht.
„Es läßt sich wohl nicht annehmen,' fragte er plötzlich, „daß Franz die junge Dame schon früher gesehen hat?"
„Gewiß nicht!" ries Robert eifrig. „Sie hatte sür den Fremden, der sich wie ein Wahnsinniger geberdete. weder einen Gruß noch einen Blick. Ruhig verließ sie mit meiner Mutter da» Zimmer. Wenn sie auf