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Nro 134.
Dienstag, den 16 . November L88V
35. Jahrgang.
Politische Nachrichten
Deutsches Reich
— Berlin, 11 Noo. Die hiesig« Anschauung in der Frage betreff» der Uebergabe Dulcigno's: daß die Pression des Sultans auf die Albanesen dis Lösung beschleunigen würde, hat sich als richtig erwiesen; ind-ffen hat die neueste Erklärung des Sultans : er könne nicht bisherige Unterthanen niedermetzeln lassen, um ein ihm gehöriges Gebiet an einen fremden Fürsten abzulceten, Eindruck gemacht. Es sind nun neue Unterhandlungen eingeleilel.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 10. Nov. Für den am 14. d. hier siatifindenden deutsch- östreichiscken Parteitag werden Vorbereitungen getroffen, um denselben zu einer großen Demonstration zu gestalten. Zufolge eines vom Gemeind,- rathe gefaßten Beschlußes, die siästischen Häuser aus Anlaß de» Parteitages mit Flaggen zu schmücken, wird dahin gewirkt, daß dieses Beispiel auch bei der Bevölkerung Nachahmung finde. Die Ergebnisse der seilen» der Herrenbausmitglieder gehaltenen Besprechung über ihr Verhalten gegenüber dem Parteitage sind bisher geheim gehalten worden, dennoch sickert so viel durch, daß eure korporative Theilnahme auch der jmit dem Parteitage sympathisirendm Pairs nicht staltfinvsn w-rd, weck sich im Kreise derselben die Anschauung geltend wachle. daß eine nationale Parteinahme dem Charakter der ersten Kammer nicht ent'pcechs. Es schließt dies selbstverständlich nicht aus, daß einzelne Mitglieder des Herrenhauses an dem Parteitage Theit nehmen.
Frankreich.
Paris, 11. Noo. Im zweiten Ministerrath, der heute früh 0 Uhr im Elysee abgehaiten wurde, hat Ferry infolge der entschiedenen Sprache Greoys in Uebereinstimmung mit seinen Kollegen das Entlassungs- gesuch des Ministeriums vorläufig zurückgezogen. Grövy erklärte, daß das Land den Rücktritt der Minister unter den obwaltenden Verhältnissen nicht begreifen würde, und daß er das Entlassungsgesuch nicht annehmen werde, wenn sich das Ministerium nicht thatsäcklich einer oppositionellen Mehrheit gegenübersehe. Die Minister beschlossen daraus, den Erfolg der aus heute angekündigten Interpellation abzuwarten. Ferry wird rn der Kammer erklären, daß das Miinstenum den dringlichen Charakter des Gesetzes über die Refoim des Richterstandes nach wie vor anerkenne.
Nach einer Rede Perin's gegen das Ministerium und der Antwort des Konseilspräsidenten Ferry wurde die Tagesordnung, welche für das Ministerium ein Vertrauensvotum enthält, mit <07 gegen 131 Stimmen angenommen.
Paris, 11. Nov. Ein im parlamentarischen Leben unerhörter Vorfall macht das größte Aufsehen. Der Legitimist Lauckr^ ck'^sson war in der Sitzung vom 9 Nov. mit der Censur belegt, d. h. auf 14 Tage von den Sitzungen ausgeschlossen worden, weil er die Regierung eine Gesellschaft von Einbrechern genannt hatte. Trotzdem erschien er heute wieder, und wurde, als er der Aufforderung des Präsidenten Gambetta. sich zu entfernen, nicht Folge leistete, von einer Abtheilung Soldaten am Kragen gefaßt, hinausgeschleppt und in den Arrest des Hauses verbracht. Er sowohl . als seine Freunde. die ihn umstanden. leisteten energischen Widerstand, so daß eine förmliche Keilerei entstand, in der die Soldaten eine
bewundernswerthe Ruhe und Mäßigung zeigten. Um die Würde des Hauses zu retten, war die Sitzung vorher aufgehoben und das Publikum entfernt worden; V 2 Stunde nachher wurde sie wieder eröffnet und wurde von Gambetta jeder Versuch, den Vorfall in die Debatte zu ziehen, energisch zruückgeiyiesen.
England.
London, 10. Nov Ernste Unruhen stehen im westlichen Irland bevor, wobin bedeutende Truppenverstärkungen von Broadstone heute entsendet wurden. Gestern Nachts, als das 19. Husaren-Regiment von den Feldübungen in die Quartiere zurückkehrte, erhielt es aus dem Wegs Ordre, ohne Aufschub gegen Westen zu marschiren, da die Behörden Grund haben, für heule ernste Ruhestörungen im Westen Irlands zu befürchten. Die Stimmung ist sehr trübe. Der Bürgerkrieg in Irland scheint unver- meivlich zu sein.
In Irland sind di« Tinge schon nahe am Bürgerkriege, und man begreift, daß das Kabinet Gladstone fast täglich Beratdungen hiilr, worin es sich um die Frage handelt, ob die gewöhnliche Maschinerie des Gesetzes ausreichend ist. die Bürger in ihrem Leben und ihrem Eigenthum zu schützen. Die von den Führern der Landliga veranstalteten Meetings zwar sind bisher ohne Gewaltsamkeiten verlausen, so auch das am vor. Dienstag zu Belleck gehaltene, dem Parnell, Dillon und O'Kelly beiwohnten. Aber die Sprache der Ligasührer wird immer deutlicher. So erklärte z. B. Parnell in dieser Versammlung: Das Gutsbesitzerwesen habe als Institution Fiasko gemacht und müsse mit der Wurzel ausgeriffen werden. Dieß könne nur geschehen, wenn alle Pächter zusammenstünden. Dieselben seien im Besitze der Güter und hätten die 9 Zipfel des Gesetzes in ihren Händen; hüllen sie dieselben fest, so werde die Gesetzgebung bald genug den zehnten dazu geben Wenn alle Pächter der Liga beträten, so würden sie binnen 2 Jahren Besitzer ihrer Pachtgüter sein u. s. w. Ein ernster Zusammenstoß droht aber zu Ballinrobe, wo der Gutsbesitzer Kapitän Boycok durch die Landliga verhindert wird, seine Kartoffelfelder zu bestellen und eine förmliche Belagerung auszuhalten hat, während andererseits zu seiner Hilfe und zur Bestellung seiner Felder aus Ulster eine Schaar Orangemen, protestantische Parleimänner erwartet werden, so daß die Regierung eine Truppenmacht, die sich auf 7000 Mann belaufen soll, oufgebolen hat, um dem solchermaßen drohenden Bürgerkrieg zu begegnen.
Rußland
St. Petersburg. 12. Nov Das Urtheil in dem Nihilistenprozeß ist heute Nachts 1 Uhr gefällt und Morgens 9 Uhr verkündet wo den. Fünf Angeschuldigte sind zum Tode durch den Strang verurtheilt, einer zu leben«länglicher Bergarbeit, drei zu zwanzigjähriger, vier zu fünfzehnjähriger, drei Frauen zu fünfzehnjähriger Fabcikarbeit. Das Urtheil unterliegt der Bestätigung des Gehilfen des Kommandeurs des St. Petersburger Militärbezirks. Für die Frauen, sowie für drei andere Angeschuldigte ist eins Milderung vorgeschlagen; nämlich anstatt der verhängten Zwangsarbeit die Verschickung nach Sibirien behufs Ansiedelung daselbst zu verfügen.
Türkei.
Konstantinopel, 11. Nov Die Chefs der albanefischen Liga
Feuilleton.
Der Schuldbrief,
eine rheinische Dorfgeschichte von vr. W. Z8.
H. In der Schmiede.
(Fortsetzung.)
„Marie/ begann nun Will zu dem Mädchen, hast du den Jörg gesehen?"
Diese nickte bejahend.
„Der arme Junge ist zu bedauern / fuhr Jener fort, „dem werden sie arg genug mitspielen."
„Meinst du? So gar arg wird'- doch gerade nicht werden, es ist ja das erste Mal."
„Das erste Mal? Das bleibt sich immer gleich; der Herrenbauer behauptet, er habe ihm seinen ganzen Wildstand zu Grunde gerichtet, und dar setzt wenigstens fünf Jahre."
„Mein Gott, Will, fünf Jahre! Das wäre ja schrecklich!"
„Ja, siehst du, Marie, so weit kann ein Mensch getrieben werden."
Das Mädchen schien diese Worte überhört zu haben; sie zerknickte nachdenklich einen Rebenzweig, der von der Decke der Laub« bis zu ihr herabhing. Will schien nach Ausdrücken zu einer wirksamen Andeutung zu suchen.
„Marie," brach er endlich aus, „man sagt, der Jörg" .... hier stockte er, die ruhigen Blicke de« Mädchens verwirrten ihn.
„Man sagt. der Jörg / fiel Marie gleichgültig ein. „habe meinetwegen diese dummen Streiche begangen "
„Du habest ihn zur Verzweiflung getrieben," rief Will.
„Ich habe ihm an der letzten Kirchweih« einen Korb gegeben; wenn er darüber närrisch geworden wäre, so müßten'» noch manche andere Bursche im Dorfe geworden sein, denen ich dasselbe gethan habe; die waren aber von Kindesbeinen an nicht so roll, wie der wilde Jörg. Soll ich denn Jeden nehmen, der mir nicht gefällt, Will?"
Will mußte ihr hierin beipflichten. aber et plagte ihn noch etwa« Anderes. Er fuhr sich mit der Faust über die Stirne und durch das Haar, wie um sich Muth zu machen, und endlich platzte er heraus: „An mir hast du aber nicht recht gehandelt."
Da» Mädchen hörte diesen unerwarteten Vorwurf ruhig an, aber sie konnte ein leises Zittern nicht unterdrücken.
„Wie meinst du das, Will?" fragte sie.
„Ich muß es dir selbst jetzt gerade heraussagen/ fuhr Will, wie in stiller Verzweiflung, fort, „du hast dem Jörg doch wenigstens so viel gesagt. daß er wußte, woran er sich zu halten habe; mir aber, der dich schon seit drei Monden darum angeht, dich zu erklären, mir sagst du kein Sterbenswörtchen, weder ja, noch nein; ist das nicht zum rasend werden? Soll ich da nicht auch hinauslausen von Haus und Arbeit, und lieber in dem grünen Walde liegen, als da drüben in der Schmiede stehen, um den ganzen lieben Tag nach deinem Fenster zu sehen?!'