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vor der Gefahr gewarnt, einen weiten Umweg um die gefährliche Stelle über die Wiesen machten. Wenn man weiß. daß wüthende Wespen und Bienen schon Pferde getödtsl haben, so nehmen sich vielleicht die Buben, dis bis jetzt ihre ungestrafte Freude an dem Auistören der Wespennester gehabt haben, eine Warnung daraus. Vielleicht sieht sich aber auch die Straßenaufsicht veranlaßt, die den Passanten drohende Gefahr zu beseitigen und die Nester dadurch zu tödten. daß sie zu einer Zeit, in der sämmtliche Wespen im Neste sitzen, nämlich spät Abends oder früh Morgen;, sieden-. des Wasser auf dieselben gießen läßt. . -

Stuttgart, 7. Sept. Nach den von der Oberkirchenbehörde^über die kirchlichen Trauungen eingezogenen Berichte beträgt die Zahl der vor den Standesämtern von Gliedern der evangel. Kirche geschlossenen Ehen in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1830: l) Ehen mit Evangelischen 4559 . 2) gemischte Ehen mit Katholiken 326 zus. 4885. In 48 Diözesen, mit Ausnahme des Stadtdirektionsbezirks Stuttgart, unterblieb die kirchliche Trauung bei 56 evangelischen und 8 gemischten Paaren. Die höchste Zahl nicht eingesegneter Ehen hatte Ludwigsburg mit 9 (neben 145 Trauungen), ihm zunächst stehen Göppingen und Heilbronn mit je 4. In der Stadt­diözese Stuttgart unterblieb die Trauung bei 50 evangelischen und 19 ge­mischten Paaren, 22,11 Proz. sämmtlicher Eheschließungen, gegenüber 23, resp. 26,3 Pcoz. im vorigen Jahre. Im ganzen Königreich berechnet sich der Prozentsatz der nicht kirchlich eingesegneten Ehen aus 2.7 Proz., gegenüber 2,5 bezw. 3,3 Proz. im vor. Jahre. Diejenigen, welche keine Trauung begehrten, gehören auch dicßmal meist der Arbeiterbevölkerung an. Vier Paare, welche in früheren Jahren nicht kirchlich getraut worden waren, haben dieß nachgeholt.

Stuttgart, 8. Sept. Heute und morgen, eventuell auch noch über­morgen finden hier die Sitzungen der ständigen Ta r if k ommi ssio n der deutschen Eisenbahnverwaltungen in Gemeinschaft mit dem Ausschuß der Verkehrsinteressenten statt. Aufgabe dieser leiden Korporationen ist die gemeinsame Bsrathung über Reformen des Eisenbahntaiifwesens, das seit den letzten Jahren für das ganze deutsche Reich wenigstens bis zu einem gewissen Grade (mit Ausschluß der Fracht­sätze) einheitlich geregelt ist. Die Arbeiten dieser Kommissionen sind vor- berathende, denn ihre Beschlüsse bedürfen zur Durchführung noch der Zu­stimmung der Generalkonserenzen der deutschen Eisenbahnen, beziehungs­weise der Ersenbahnministerien.

Von der Jagst, 7. Sept. Tischler Rau von Kirchberg a./J. wollte vorigen Sonntag Abend, als er nach Hause kam, sein schreiendes Kind zur Ruhe bringen. Er nahm es ins Bett und muß darüber eingeschlasen sein. Als er wieder erwachte, war da« Kind todt, erstickt.

Aus Baden-Baden berichtet die WienerN. fr. Pr.":Im Jahre 1d74 (1872) wurde bekanntlich im deutschen Reichs das öffentliche Spiel aufgehoben. Auch au« dem Konversationshause zu Baden-Baden rvuroen die grünen Tische entfernt, aber nur um in den Räumen des Internationalen Klubs ausgestellt zu werden und die gleiche Verwendung wie bisher zu finde». Allerdings können gewöhnliche Menschenkinder dort die Glücksgöttin nicht mehr versuchen, denn man muß statutengemäß Mindestens über 300.000 verfügen können oder wenigstens den Baron- lilel führen, wenn man die Ehre genießen will, dem Klub anzugehören; über man fragt sich billig, »b denn die Gesetze nur für die gewöhnlichen Menschen und nicht auch für die Reichen und Vornehmen gelten. Den Beamten in Baden-Baden kann ein Vorwurf nicht wohl gemacht werden. Es haben verschiedene von ihnen schon versucht, den Unfug abzuschaffen; sie büßten dies mit ihrer Versetzung."

München, 7. Sept. A« letzten Sonntag -bediente sich eine Tag- löhnerssrau in Pfaffenhofen (Niederbayern) zum Zuckerzertheilen, in Ermang­lung eine« Hammers, des Revolvers ihres Mannes. In Folge des Schlagens entlud sich der Revolver und tödtete der Schuß einen in der Nähe stehen­den Bekannten der Familie.

Fr ankfurt a. M., 6. Sept. Am verflossenen Sonntag veranstaltete derFrankfurter Arion" ein Nachmittagsvergnügcn in Schwanheim. Ein

Aöronaute, welcher sich der Gesellschaft angeschlossen hatte, beabsichtigte eins Auffahrt mit einem Luftballon, aber noch ehe es dazu kam, explodirte der Ballon. Glücklicherweise kamen die Festgenossen und die Schwanheimer mit dem Schrecken, der nicht gering war, davon.

JmGreifSwalder Tageblatt wird mitgetheilt:Vor zehn Jahren erklärte ein hiesiger Kaufmann, wenn die Nachricht von der Gefangen­nahme Napoleons eintreffen sollte, werde er sich auf den Kopf stellen und 10 Jahre hindurch nicht rauchen. Nach der Gefangennahme Napoleons hat er sich, obgleich er ein sehr korpulenter Herr ist, auf den Kopf gestellt und 10 Jahre hindurch nicht geraucht. Seit dem 3. September 1880 raucht er wieder".

Aus Thüringen. 6. Sept. Auf Villa Heinrichsruhe bei Sch l eiz, wo sie zum Besuch weilte, starb gestern die Herzogin Helene von Württemberg, Mutter der regierenden Fürstin von Reuß - Schlei;. Die Verblichene, geb. 1807 als Prinzessin von Hohenlohe-Langenburg, war seit 1827 vermählt mit dem Herzog Eugen von Württemberg (Karls­ruhe in Schlesien) und seit Sept. 1857 Wittwe.

Ueber Berlin und Umgebung ging am Montag ein schweres Ge­witter nieder. In dem benachbarten Rixdorf traf ein kalter aber überaus heftiger Schlag das Schulhaus, in dem an 300 Kinder anwesend waren. Die Klaffen sollten eben zu einer kurzen Zwischenpause geschloffen werden, als der Blitz mit einem betäubenden Knall und einer mächtigen Erschütter­ung einschlug. Es folgte ein Moment der unbeschreiblichsten Aufregung. In einem wilden Durcheinander und mit einem die Nerven erschütternden Geschrei stürzten die Kinder aus den Klassen die Treppe hinunter nach der Schulthür. Hierbei entstund an der Thür ein entsetzliches Drängen und Schieben, in Folge dessen einige der kleineren Kinder zur Erde fielen, während die nachfolgende Schaar über sie hinwegstürzte, theils die unten liegenden mit Füßen tretend oder auch selbst zu Falle kommend. Alle Er­mahnungsrufe der Lehrer verhallten fruchtlos. Erst nachdem sämmtliche Kinder im Freien waren, konnte man sich der auf der Erde liegenden, die theilweise ohnmächtig und bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren, annehmen. Am ernstesten war ein 12jähr. Mädchen verletzt, die zuerst gefallen und von dm über sie hinweg Stürmenden förmlich zerstampft war. Bewußtlos wurde dar Kind in die Wohnung des Schuldieners getragen, wo der schleunigst hinzugszogene Arzt lebensgefährliche Verletzungen am Kopf, Hals und Brust koastatirte. Gleich gefährlich war ein neunjähriger Knabe be­schädigt. Außer vielen anderen Kindern, die mit geringeren Kontusionen davonkamen, werden noch zwei Mädchen von 1012 Jahren als nicht unerheblich verletzt bezeichnet.

Berlin, 6. Sept. Auf sonderbare Art und Weise verunglückte am Sonntag Mittag der Kutscher von einem Holz- und Steinplatz in der Dorotheenstraße neben dem 6ollö§6 kranqsis. Derselbe wollte einen Jagd­hund baden und ging mit demselben zu diesem Zweck nach der hinter dem Grundstück fließenden Spree. Bei dem Geschäfte verlor der Arme jedoch das Gleichgewicht» stürzte in den Fluß, und der Hund, der selbst sichtbar in großer Angst war und fortwährend auf den Körper des Mannes zu ge­langen suchte, preßte diesen trotz aller Anstrengungen unter Wasser. Der Unglückliche versank, noch ehe ihm Jemand Hilfe gebracht hatte. Als die­selbe kam, konnte sie nur noch dem Thiere nützlich sein; der Mann blieb verschwunden und ist bis heute, trotz allen Suchens, noch nicht ge­sunden worden.

Berlin, 7. Sept. Ja ein Garderobengeschäft der Großen Fciedrichsstraße trat gestern bei beginnender Dunkelheit ein klüftig ge­bauter Mann und bat, ihm Herbstanzüge vorzulegen, von denen er einen der elegantesten aussuchte. Zum Zwecke des AnprobirenS trat einer der beiden bedienenden Commis mit ihm in ein hinter dem Laden belegenes Zimmer und ließ ihn dort allein. Gleich darauf erschien der Fremde wieder, bekleidet mit dem neuen Anzuge im Laden. Der eine Commis, welcher in Erwartung de« Kaufgeldes fütz den Anzug vor dem Kunden stand, erhielt plötzlich einen furchtbaren Faustschlag von diesem ins Gesicht, so daß er taumelnd hintenüber schlug, woraus der Räuber die Flucht ergriff

frechen Spässe, wenn er. was öfters geschah, dem Bacchus zu reichliche Libationen dargebracht, ließen mich mehr als genug auf einen niedrigen, gewöhnlichen Charakrer schließen.

Eines Tages bei Tisch, als ich gegen Ende der Mahlzeit mit mei­nen Nachbarn einen interessanten Fall meiner jüngsten Praxis besprach, herrschte an der andern Seite der Tafel große Lustigkeit. Dort saß Brad- well mit mehreren leichtsinnigen Collegen, und die vielen geleerten Cham­pagnerflaschen vor ihnen, sowie die Lebhaftigkeit ihres lauten Gesprächs bezeugten, daß sie des Guten mehr denn genug genossen. Ihr Lärm be­herrschte bald den ganzen Tisch so vollständig, daß man nvlen8 volsns zu­hören mußte.

Es war von den Flensburger Schönen die Rede, und Bradwell. welcher mit seinem affektirten Deutsch das Wort führte, äußerte, daß er eine solche, einen Stern erster Größe, kürzlich entdeckt habe; diese, eine prächtige Blondine, die er in seiner renommirenden Weise schildert«, lebe ganz in der Zurückgezogenheit, allein mit ihrer Mutter. Zwar sei sie noch ein wenig spröde, doch das thäten Alle erst so; die Laufgräben zum An­griff habe er schon eröffnet, und er werde die Festung schon stürmen. Es wurde gelacht, Wetten proponirt, darauf angestoßen.

Schon war ich im Begriff gewesen, mir von dem Erzähler eine Nähere Erklärung zu fordern, allein ich sah, daß er halb betrunken war, daß ich mich höchstens dem Spott und den Neckereien der Uebermüthigen ausgesetzt hätte, und schwieg.

Mich ekelte dies wüste Treiben an; instand auf und ging. Ich hatte geglaubt, über jeden Gedanken von Eifersucht erhaben zu sein, jetzt hatte dies Gespräch mich in einen Zustand peinlicher Unruhe und nagender Qual versetzt. Zwar hielt ich mich meiner Braut sicher, allein ich fing an,

sie durch Verdacht zu quälen, ich beobachtete ihre Mienen, ich hatte meine Unbefangenheit eingebüßt.

Wer lernt je ein Frauenherz ganz verstehen?-

Acht Tage nach jenem Tischgespräch mochten verflossen sein; ich hatte mit meiner Braut einen Spaziergang gemacht und war, da der Himmel sich bezog und mit Regen droht?, früher als sonst zurückgekehrt. Die Mutter war draußen in der Küche beschäftigt, Angelika hatte sich an das geöffnete Fenster zu ihrer Stickerei, welche mein künftiges Arbeits­zimmer schmücken sollte, gesetzt. Ich hatte, auf dem Sopha am Eßtisch fitzend, unsere Tags zuvor unterbrochene Lektüre Goethe's ,Egmont* vorgenommen und las vor. Eben hatten wir über den verzweifelnden Monolog Brackenburgs einige Bemerkungen ausgetauscht, als sich die Thüre öffnet. Stine, die alte harthörige Magd, trat mit einem Bouquet und einem Briefe zu meiner Braut heran, der sie Beides übergab. Sie hatte mich offenbar nicht mehr anwesend »ermuthet, denn als sie, sich umdrehend, mich erblickte, bemerkte ich ihr lebhaftes Erschrecken.

Auch meine Braut erröthete.

Zuerst schien es, als ob sie Stine zurückrufen wolle, doch that sie 1 es nicht, sondern ließ Bouquet und Brief unberührt vor sich auf ihrem Nähtisch liegen, indem sie einen schnellen Blick zum Fenster hinauswarf und, abermals erröthend, lächelte, als sie bemerkte, daß ich sie fragend ansah.

Wieder erwachte die schlummernde Eifersucht. Ich trete heran, um bas schöne Camellienbouquet zu betrachten, als ich die Aufschrift des da­neben liegenden Briefes lese; sie war englisch und lautete: ,An Miß Angelika!*

(Fortsetzung folgt.)