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Nr» 103.
Samstag, den -l. September L88V
55. Jahrgang.
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D ie Redaktion und Expedition.
Politische Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Der Besuch des rumänischen Fürstenpaares am Berliner Kaiserhofe hat. wie verlautet, einen doppelten Zweck, einerseits den Kaiser als Familienoberhaupt (Fürst Karl ist bekanntlich ein Prinz von Hohen- zollern-Sigmaringen) zu veranlassen, daß er seine Zustimmung zur Thronfolge einer Neffen des bekanntlich kinderlosen Fürsten gebe, andererseits seine Unterstützung zur Erfüllung des neuerdings in Buckarest wieder aufgetauchten Wunsches zu erlangen, daß der jetzt unabhängig gewordene Thron mit der Königskrone geziert werde; dis königliche Hoheit hat rer Fürst schon 1878 erhalten.
Frankreich.
Paris, 30. Aug. Sämmtliche Jesuiten der hiesigen 3 großen Unterrichtsinstitute verließen Paris. Die Eingänge zu den Jesuitenkapellen sind zugemauert und für die Unterrichtsinstitute Zivildirektoren eingesetzt. Bezüglich der anderen kongreganistischen Schulen, auf welche die Dekrete anzuwenden wären, verlautet gerüchtweise, die Regierung und die Kongregationen haben sich über die Abfassung eines Schreibens geeinigt, welches als Gesuch der staatlichen Autorisirung angesehen werden solle, worin die kongreganistischen Schulen die Verpflichtung übernehmen, sich mit Politik nicht zu beschäftigen und nichts feindseliges wider die bestehende Ordnung zu unternehmen. Auf Grund dieses Schreibens würde die Regierung die Kongregationen als gesetzlich autorisirt betrachten. Die Kardinale Guibert und Bonnechose sollen die Vermittler dieses Arrangements gewesen sein, dem die Majorität der Kongregationen zugestimmt haben soll. Wie es heißt, sucht der Nuntius die übrigen zu bestimmen, ein Gleiches zu thun. Der Univers nimmt von alle dem Akt, glaubt aber, daß das Ministerium vor der Kammer bei dieser Frage unterliegen werde.
England.
London, 29. Aug. Der Stand der orientalischen Angelegenheiten beginnt allem nach, was hier darüber verlautet, ein recht kritischer zu werden. Die Pforte hat vorgestern den Mächten die sofortige Abtretung Dulcignos an Montenegro und die baldige Durchführung der Reformen in Kleinasien zugesagt; gleichzeitig trifft aber aus Ragusa die Meldung ein, daß die Albanesen die Aufforderung Riza Paschas zur Räumung des Gebietes damit beantworteten, daß sie ihn mit dem Tode bedrohten. Es kann somit keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die montenegrinische Grenzfrage nicht ohne Blutvergießen geordnet werden wird. Welche Stelle die europäische Flotts unter dem britischen Admiral Sir. F. Beauchamp Scymour spielen soll, wenn die Montenegriner.nicht stark genug sind, das
abzutretende Gebiet zu nehmen und zu behaupten, darüber sinir die Mächte
noch zu keinem Uebereinkommen gelangt.
London, 3t. Aug. (Unterhaus.) Lawson kündigt an. er werde morgen die Aufmerksamkeit des Hauses auf Englands bewaffnete Einmischung in fremde Angelegenheiten lenken und Aufklärung verlangen.
London. 31. Aug. Der Vizekönig von Indien meldet: Gestern ist General Phayre in Chaman angekommen. Eyub Khan zog sich mit seiner ganzen Streitmacht zurück und nahm eine Stellung am Argandab, nördlich von Kandahar ein.
London, 1. Sept. Die „Times" meldet aus Quettah von heute: General Roberts ist gestern in Kandahar eingetroffen. Ayub Khan machte einen Versuch, Verhandlungen anzuknüpfen. General Phayre ist mit seiner ganzen Streitmacht aus Quettah abmarschirt, da ein Zusammenstoß bei Taktipul zu erwarten steht.
Rußland.
Petersburg. 27. Aug. Es ist hier das Gerücht verbreitet, daß demnächst ein Ministerpräsident ernannt werden soll. dem die Oberleitung aller Ministerien anvertraut werden wird; Loris-Melikow soll dieses Amt übernehmen. Wichtig wäre diese Nachricht, wenn sie sich bestätigte, insofern, als damit die bisherige Eigenmächtigkeit der Minister aufhören würde, von denen bis jetzt jeder seinen eigenen Weg ging, der eine als Fortschrittler. der andere als Stockkonservativer. Man spricht auch davon, daß die russische Finanzwirthschaft unter Vormundschaft gestellt werden soll. Weil nämlich die russischen Finanzoperationen bis dato so unglücklich waren, daß das Papiergeld, so entwerthst es auch schon ist, doch noch viel zu hoch im Kurse steht, so soll man sich entschlossen haben, einen Ausschuß zu ernennen, dem das Recht zusteht, den russischen Staatshaushalt zu überwachen und überall Einschränkungen eintreten zu lassen, wo er solche für nöthig hält. Die Ausgaben des kaiserlichen Hauses sind selbstverständlich hiervon ausgenommen.
Asien.
Den neuesten Nachrichten aus Quetta zufolge hat Eyub Khan die Belagerung von Kandahar aufgehoben. Er leidet Mangel an Munition, aber es werden neue Vorräthe binnen 14 Tagen erwartet. Es ist zweifelhaft ob er General Roberts dis Spitze bieten wird. Wahrscheinlich dürfte er seine rückgängige Bewegung so rtsetzen. _
(Einqesendet.)
— Calw, 3. September. Nachdem vor 10 Jahren der Telegraph die Kunde von Sedan durch die Lande getragen hatte, und die Zweifel niedergekämpft waren, welche sich an das fast Unglaubliche knüpften, da kam nicht das Gefühl des Triumphes über den darnieder geworfenen Feind, nicht dis Schadenfreude an dem über die große Nation, die den Krieg so leichtsinniger und muthwilliger Weise veranlaßt hatte, hereingebrochenen Unglücks zum Ausdrucke. Nur Ein Gefühl durchdrang Alle, nur d ie Ueber- zeugung machte sich geltend: „Das ist Gottes Finger." In keinem noch so Epoche machenden Ereignisse der Weltgeschichte hatte sich bisher das allge-
/ e u i l l e t o il.
Verloren.
Novelle aus dem Soldatenleben von Max ZVenzel,
. . . (Fortsetzung.)
Wie befriedigt und glücklich fühlte sich Robert in seinem Berufe! Als Assistenzarzt war er zu einem der dort etabltrten schweren Feldlazarethe commandirt. — Aus dem strebenden Jüngling war ein tüchtiger Mann herangereift; sein ganzes Wesen hattH gewonnen» die stolze Stirn kündete den klaren Verstand, und doch glänzte aus seinen Augen noch das Feuer jugendlicher Begeisterung, sein tiefes Gemüth. — Die dichterischen Blüthen die er seiner Rede einwebte, zeigten mir. daß sein Herz in der Prosa des Lebens noch nicht jenen poetischen Schmelz verloren, der uns so manche Stuüde unserer gemssinsamen Jugend verschönt hatte. — Ich sah ihn so froh , so glücklich, er scherzte und spottete fast übermüthig über meinen Ernst; auf meine Frage nach dieser mir für sein Wesen unbegreiflichen Veränderung erwtederte er wir lächelnd: ich solle später schon Alles erfahren. Es war ziemlich spät geworden, als wir uns trennten. Ich Mußte ihm versprechen, da mein Urlaub leider zu Ende war, ihn im nächsten Jahre in den schönen Herzogthümern zu besuchen, und unter Neckereien
ob fernes Geheimnisses und meiner Neugier schieden wir.-
Es war mir nicht möglich, wie ich so gerne gewollt, mein Ver- 'prechen zu erfüllen. Immer drohender gestalteten sich di- politischen Ver- haltmsse. Der deutsche Adler mit den zwei Köpfen ist eben nicht das Smnbrld deutscher Einheit! — Zwei Köpfe — zwei Sinne! Jeder fühlte, baß eö so nicht länger gehen könne. Die alte Enersucht, der Kampf um die Hegemonie mußte auf dem Schlachtfelde entschieden werden. — — Es kam zum Kriege,
lieber blutige Schlachtfelder auf zerstampften Saaten, durch rauchende Trümmer blühender Dörfer war ich mit meinem Regiment marschirt; dem blaffen Tode hatte ich aus nächster Nähe in's mörderische Auge geschaut , ich hatte liebe Kameraden begraben und den Jammer und das grause Elend des Krieges gründlich kennen gelernt. — Der Friede ward geschloffen. Von den Thoren Wiens, bis zu denen wir unsere Fahnen getragen, ging es zurück in Sehnsucht der theuren Heimath entgegen. Gar Mancher sollte sie nicht Wiedersehen; Typhus und heimtückische Cholera wülheten mit schrecklichem Grimm in den Reihen derer, die das Schlach- tenglüä bisher verschont. Es war eine traurige Straße durch die mährischen und böhmischen Gefilde, an der wir manches schwarze Kreuz für die Zurückgebliebenen errichteten.
Ich war als Quartiermacher meinem Bataillon vorausgesandt. Mit frohem Herzen hatte ich in Elb-Teinitz dis Gewässer des heimathlichen Stromes begrüßt, hatte auf der Bürgermeisterei meine tägliche Portion Aerger über die schlechte Quartierwirtyschaft eingeschluckt, und beschloß, im ersten besten Gasthofe denselben vollends hinunterzuspülen. Aus meine Frage nach einem solchen Asyl, welche ich an einen der vielen auf der Straße herumlungernden Judenjungen richtete, erbietet sich dieser, mich zu führen, und bald stehe ich in dem Speisesalon des nicht sehr comforlabls aussehenden Gasthauses. In dem kleinen räucherigen Zimmer saß ein einziger Gast, mit dem Rücken der Thür zugekehn. welcher eben mit dem Genüsse eines frugalen Mittagsmahles beschäftigt schien. Mein Eintritt veranlaßt Jenen, auszusehen. „Bist du es wirklich?" — Ein erstaunter Aufschrei und ich habe meinen lang entbehrten Freund erkannt. — Wir setzten uns zusammen und während wir des Magen« unabweislich Begehren stillten, erzählte mir Robert, baß er hier ein C^oleralazareth etablirt und die trostlose Aussicht habe, bi» zum Durchmarsch aller Truppen in dem Judennests auszuhalten. — Der Wirth hatte uns guten Ungar aus den