Da- Eakw« K»<t«a- erscheint am Dienstag,Donnerstag u. Samstag. Abon- nementSpreiS halb­jährlich 1 «« 80 L durch die Post bezo­gen im Bezirk 2 30 ^ . sonst in ganz Württemberg 2 «170 «Z.

Cslwrr

»chcndlsll.

unä Intekkigenzbkaü für äen Kezir^.

Für L a k» »bonnirt «an bei der Redak­tion, auswärts bei den Boten oder der nächstgelegenen Poststelle.

Die Einrückung-» cbühr beträgt 9 ^ ür die vierspaltige Zeile oder deren Raum.

Uro. 97.

Samstag, den 21. August L 88 O

55. Jahrgang.

Politische Nachrichten.

Deutsches Reich.

B erlin, 16. Aug. Eine Rückantwort der Großmächte an die Pforte in Sachen der griechischen Grenze ist immer noch nicht zu Stande gebracht worden. Es sind bisher von verschiedenen Seiten Anträge zu einer Note gestellt worden, eine Einigung über die neue Kollektiv- oder wenigstens identische Note ist aber bisher noch nicht erreicht worden. Da mittler­weile die Pforte auch in der schon für nahezu erledigt angesehenen mon­tenegrinischen Streitfrage, indem sie die Abtretung Dulcigno's wieder auf­gegeben zu haben scheint und allerhand Bedenken vorschützt, abermals Ven> schleppungsversuche vornimmt, so liegt es in der Natur der Dinge, daß auch die griechische Frage von Neuem erhöhte Schwierigkeiten verursacht. Hätte die Türkei zunächst wenigstens die montenegrinische Angelegenheit rasch aus der Welt gebracht, so konnte sie in der griechischen Grenzfrage auf ein weit größeres Entgegenkommen der Mächte rechnen. Gegenwärtig aber haben die entschiedenen Feinde des Bestandes des türkischen Staats- wesens wieder mehr Oberwasser erlangt.

Berlin, 17. Aug. Aus den östlichen Provinzen kommen von Tag zu Tag traurigere Meldungen, welche leider sehr schlimme Zustände für den Winter befürchten lasten, vielfach geradezu in sichere Aussicht stellen. Manche Grundbesitzer daselbst sehen sich jetzt schon veranlaßt, ihre Ge- .treidevorräthe für Herbst und Winter für Geld zu kaufen. Die Suspen­sion der Getreidezölle wird dringender, und man wird ihrer Erörterung auch Seitens derer, welche der Verdacht agitatorischer Absichten gegen die Zollpolitik des Kanzlers nicht im Mindesten trifft, nicht lange mehr ent­gehen können. Daß der Reichstag sich mit dieser Angelegenheit befassen wird, darf man sch«n jetzt als sicher annehmen.

Berlin, 17. Aug. Im Kriegsministerium finden Erwägungen da­rüber statt, in wie weit die durch üble Witterung heimgesuchten Distrikte bei den Herbstmanövern mit besonderer Rücksicht behondelt werden können. Vielfach wird Magazinverpflegung durch die Quartiergeber, außerdem auch Aufhebung von Divifionsmanövern ungeordnet.

Berlin, 18. Aug. Dem Vernehmen nach steht die Veröffentlichung eines Ausrufs der Abgeordneten v. Forckenbeck, Frhrn. v. Stauffenberg und Rickert zur Bildung einer liberalen Partei noch im Laufe dieses Monats bevor. > Der Aufruf soll auch auf dem Gebiete der Wirtschafts­politik entschieden gegen die mit dem Zolltarifgesetz eingeschlagene Richtung Stellung nehmen.

England.

London, 17. Aug. Laut Meldung aus Quettah wurde gestern das britische Lager bei Kachamadan von einer starken Abtheilung Pathans an­gegriffen; letztere wurden aber zurückgeschlagen und zwei Meilen weit ver­folgt. Der britische Verlust belief sich aus 80 Tobte.

London, s17. Aug. DerStandard" meldet aus Quetta: Ajub Khan hat die Belagerung Kandahars energisch in Angriff genommen. Die

Stadt werde von zwei Seiten bombardirt.

London, 19. Aug. Nach Regierungsdepeschen hat die Lage in Irland einen ernsten Charakter angenommen. Der Staatssekretär für Ir­land Förster ist infolgedessen sofort nach Dublin abgereist.

Belgien.

Brüssel» 17. Aug. DerMoniteur" veröffentlicht das Amnestie­gesetz für Deserteure und andere Personen, die sich der Militärpflicht ent­zogen. Außerdem sind noch viele andere Gnadenerlaffe des Königs xublizirt.

Türkei.

Konstantinopel, 18. Aug. Die europäische Reformkommisfion hat gestern die zweite Lesung des Reglements-Entwurfs für die europäischen Provinzen beendigt und denselben ohne wesentliche Aenderungen einstimmig angenommen. Die türkischen Kommissäre enthielten sich der Abstimmung. Der Entwurf wird am Montag unterzeichnet werden. Nach Erörterung seiner Anwendbarkeit auf die verschiedenen Provinzen wird die Kommission ihre Arbeiten schließen. In derselben Sitzung legten die französischen und englischen Kommissare in Form eines einfachen Wunsches ein Reglement für Albanien vor. _

Notiz für Musikfreunde.

Calw, 20. Aug. Auf das in dieser Nummer für das Bad Hotel Tein ach auf nächsten Sonntag annoncirte Concert des Concerlsängers Carl Diezel von Tübingen erlauben wir uns, alle Freunde eines edlen Gesanges in Teinach sowohl als in der Umgegend, speziell in Calw, ganz besonders aufmerksam zu machen. Der Name des Concertgebers ist ja nachgerade in ganz Württemberg gefeiert als der eines vortrefflich ge­schulten Sängers, der mit seinem klassischen, ruhig-innigen, seelenvoll durch­geistigten Vortrag vom ersten Ton an alle Herzen für sich gewinnt. Nach fast allen größeren und kleineren Städten unsres engeren Vaterlandes (nach Calw schon etwa fünfmal) wird derselbe, seit er aus Baden zu uns übergesiedelt ist, zur Aufführung von Oratorien oder weltlichen Concsrren berufen, um diesen mit seinem herrlichen Tenor eine höhere Weihe zu geben. Aber auch in's übrige Deutschland, jedenfalls in die Nachbar­staaten, dürfte schon sein Ruf gedrungen sein, wenigstens ist unsres Wis­sens Herr Diezel in verschiedenen Städten Bayerns, z. B. Augsburg, München, wie auch in der Schweiz auf ergangene Berufung mit schönstem Erfolg aufgetreten.

Unterstützt wird der Concertgeber, der zu seinen Solovorträgen Lieoer von Schubert, Schumann u. a. gewählt hat, von einigen hiesigen Dilet­tanten, mit denen zusammen er einige Quartette vortragen wird.

Dies möge genügen. um den Kennern und Gönnern schöner Musik

F e u i l i e t o il.

Das rothe Siegel.

Nach Alfred de Vigny.

Von

A L

(Fortsetzung.)

Sollte man nicht sagen, daß die Augen ihm aus dem Kopse hervor- gehcn?" sprach ich, um dre jungen Leute zu erheitern.

,O. mein Freund," sagte die junge Frau,das sieht aus wie Blut­flecken."

Bah," sagte ihr Mann, indem er sie in den Arm faßte,das sieht au» wie eine Verlobungsanzeige. Komm', ruhe Dich aus. komm', was kümmert Dich der Brief?"

Die Beiden liefen fort, als wären sie von einem Gespenst verfolgt, und waren bald auf dem Verdeck. Ich blieb allein mit jenem großen Brief und erinnere mich.tzdaß ich ihn, meine Pfeife rauchend, immer on- bliäte, als wären seine rothen Augen auf die meinigen gerichtet und sögen sie in sich, wie die Augen einer Schlange thun. Seine große blasse Ge­stalt, sein drittes Siegel, größer als die Äugen, starrte mir entgegen wie

ein Wolfsrachen-das Alles machte mich mißmuthig, ich nahm

meinen Rock wieder hervor urd hängt« chn vor dis Uhr, um weder die Str .'de n -ch diesen Hund von Brief zu ser,e;-.

Dan - g-ng ich auf's Deck v rw-itte daselbst bis zum Anbruch d .r Naa-t

Wie waren der Zeit ans d-r Höhe der Kap BsM'^en Ans'ln. Der Märst '.ins in alter Dequ.mlM. ', dn er sm Wi-.d >ou hinten hat. >.

seine zehn Knoten per Stunde. Die Nacht war so schön, wie rch kaum eine in den Tropen gesehen hatte. Der Mond erhob sich am Horizont breit wie eine Sonne, das Meer schnitt ihn mitten durch und wurde ganz weiß wie ein mit kleinen Diamanten besätes Schneeluch. Ich sah mir das an. während ich auf meiner Bank saß und meine Pfeife rauchte. Der Bootsmann, der die Quarterwache hatte, und die Matrosen sagten nichts und betrachteten wie ich den Schatten der Brigg auf dem Wasser.

Es war mir lieb, nichts zu hören, ich liebe Schweigen und Ordnung, und hatte jeden Lärm und alles Lichtanzünden verboten, bemerkte aber doch einen kleinen rothen Streifen unter meinen Füßen; ich wäre gleich wild geworden, aber da er bei meinen lieben Deportirten war, wollte ich doch, ehe ich mich in Zorn setzte, einmal sehen, was man rrreb. Ich brauchte mich nur zu bücken und konnte durch die große Luke in die kleine Kajüte blicken, und das that ich.

Das junge Weib lag auf den Knieen und betete, sie war von einer kleinen Lampe beleuchtet. Sie war im Unterkleide, und ich sah von oben ihre nackten Schultern, ihre kleinen Füße und ihre langen blonden Haare, die sie umflatterten. Ich wollte mich zurückziehen, aber ich sagte nur: Bah, ein alter Soldat, was ist mir daran gelegen I und ich schaute wie­der hin. Ihr Mann saß auf einem kleinen Koffer, den Kopf auf die H nv gestützt, und sah sie an, während sie betete. Sie hob dar Haupt w,e zum Himmel empor und ich sah ihre großen blauen Augen, feucht wie dre einer Magcalena. Während sie betete, nahm er die Spitzen ihrer langen Haare um küßte sie im Stillen. Als sie ihr Gebet beendigt hatte, mcchie ,ie ein Kreuzeszeichen und lächelte mit einer M-ene, als wollrr sie d.rckr kn'S Par adies gehen. Ich sah, wie er g'e'ch iur ein KreuMze.chrn maL> aber dabri aussah, -cks schirmte er sich dessen. In der That, ür emen Mann ist das w ndsrlich.

(Fo.tsetzurg folgt.)