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Orteschulinfpektoratr-Verweser und sämmtlichen Lchrern der hiesiger? evangelischen Volksschule, abgeholt.
— Von der Jagst, 15. Juli. Die amerikanischen Stechfliegen (Moskito«), welche vor einigen Jahren nvr dir zu den Ufern der Enz gesehen wurden, haben sich neuesten« bis herauf zur Murr »erbreitet, und an den scharfen Stichen mit darauffolgende« starke» Anschwellungen ist leicht ersichtlich, welch' gefährlicher Gast sich anfiedeln will.
— Heidelberg, lü, Juli. Er hat nicht «fiel gefehlt, daß der badische Odenwald auch seine Louise Latea» bekam. Wie e« heißt, hatte die Schwester eine« Kaplans aus der Gegend von Walldürn e« tu Visionen, im Nicht- bedürsen von Nahrung und im Hervorbriuzen der Stigmata an Händen nnd Füßen schon ziemlich weit gebracht, al» die Behörde sich der Sachs vunahm und die Stigmatisirre ins hiesige akademische Krankenhaus schaffen ließ, wo sehr bald die Natur zu ihrem Recht« kam u»d die Stigmata, welchen bisher ein Nagel kunstgerecht zum Bluten verholfe» hatte, wie billig zu erwarten gewesen war, rasch wieder heilte».
— Vom badische» Oberhände. Seit geraumer Zeit schon hat sich die Presse eine« neu aufgetauchteu Industriezweige« — Herstellung von sog. Kunstwei» —> bemächtigt. Wenig« nur find 1» dieser Kunst erfahren; diese Wenigen »der betreiben die Weiusabrikatio« desto rationeller. Dieser neue Geschäftszweig hat in letzter Zeit ei»e großartige Ausdehnung angenommen und zwar durch die »»«ficht aus eine» Mißherbst «och be- deute»d vermehrt. Wer ist heut zu Tage versichert, statt ächten Traubenblutes »icht gemachten Sein vorgefetzt zu bekomm«, und diese« selbst im Reblande? Die Weinfabrikanten unserer Gegend find kluge Leute. Anstatt den Sprit direkt an d!« Bahnstation de« Wohnorte« verbringen zu lasse«, wird er an irgeud eine mit unter der Decke spieleude, »ertraute Persönlichkeit einer nächstgelegenen Bahnstation »erbracht und von da au« ans der Achse erst an de« Besti«mung»ort. So kan« alle Welt «us der OrtSstation so und so Erkundigungen einziehm, nutz Niemand wird in Erfahrung zu bringen vermögen, daß di« berühmt« Weinfirma Sprit von au»wärts bezieht. Der gemacht« oder Kunstwei» wird dann zu» Theil al« selcher unmittelbar an die Wirlhe versandt, «der aber auch an gewissenlose Unterhändler in den Reborte», welche bau« ihrerseits wieder den Kunstwein für Naturwein in die Welt htnau« senden. Diesem schamlosen Treiben scheint nun die großh. Staatsanwaltschaft ein Ende bereiten zu wollen. Wenigstens find in den jüngst vergangenen Tagen wiederholt Haussuchungen, Fäfferverfisgelungen u. s. w. vorgenommen worden, und zwar tn einem sehr großen Weingeschäft« hiesiger Gegend, da« sich seither de» größten Zutrauen« und der bedeutendsten Absätze! zu erfreue» hatte Diese Weinficma hat seit Anfang diese» Jahre» etwa 500,oOO M. im Geschäft umgesrtzt und auch etwa 2?,0.000 Liter Sprit auf die oben geschilderte Art bezogen. Ta fast gar kein Nalurweiniu denRrborteu mehr käuflich ist, so muH bet solch riesigem Absätze die Kunst und der Sprit die Narur ersetzen. Ein eigen« zu diese« Zweck» au« Pari* verschriebener Künstler soll hierin schon ganz Erstaunliche« geleistet haben. Doch dürft» sowohl chm als seinem Herrn und Andern die» goldene Handwerk gelegt werden! Namen können derzeit nicht angegeben «erden; doch werden selche schon noch in einer etwaigen Strafkammerfitznn» znr weiteren öffentliche» Kenntniß gelangen, da wir ve» der Ansicht ausgehen, daß diese Art und Weise der Herstellung und de» Verschleiße« von künstlichem Weine nie und nimmermehr vor de« Strafgesetz zu bestehen »ermag.
Frankfurt a. W., 15. Juli. Der Centralausschuß des V. deutschen Turnfestes harte zum Besuch des Turnfeste« Emlandungen an den deutschen Kaiser, de» Kronprinzen, den Reichskanzler, an die prruß. Minister des Innern und Krieges ergehen lassen. In den letzten Tagen find die Antwortschreiben eiugeganzen. Ans dem kaiserlichen Civilkabinet wird gemeldet, daß der Kaiser mit großem Interesse von der Rtttheilung Kenntnis genommen. für die Einladung bestens danke, jedoch bedauern müsse, derselben keine Folge geben zu ktnnen, da das Fest sie die Zeit der Badekur in Gastein falle. Ter Reichskanzler hat in folgendem eigenhändigen, an den Präsidenten der Central-Ausschuffe». Oberbürgermeister Dr. Miquelgerichtete» Schreibe» geantwortet: »Friedrich«ruh, 12. Juli 1880. Euer Hochwohlge
boren bitte ich, dem Central-Ausschuß meinen verbindlichen Dank übermitteln zu wollen iür die Einladung, dis er mir zur Feier hat zugehen lassen. Ich würde derselben um so lieber folgen, als ich den Festort, in welchem ich acht glückliche Jahre verlebt habe, seit einer langen Reihe von Jahren nicht wieder besuchen konnte, und bedsure lebhaft, daß mein Gesundheitszustand mir diese Freude versagt, v. Bismarck. — Auch die arideren Minister haben unter Danksagung abgrl-'hnr. Von dem deutschen Kronprinzen ist eine Antwort noch nicht eingetroffsn.
— Berlin, 13. Juii. In der Nacht zum Montag ist in der Villa Th. Mommssn'S in Charlottenburg, Marchstraße 6, Feuer ausgebrochen, welches den Dachstuhl zerftötte und sonst große» Schaden engerichrs! hat. Die Villa wird in allen Etagen von der zahlreichen Familie des Professor« bewohnt. Im Parterre befinden sich Gessllschaftrräume. da« erste und zweite Geschoß werden zu Wohuräumen benuzt, während.in der dritten Etage sich Studirzimmer und Bibliothek befinde!?. Gegen 3 Uhr Morgens bemerkten Arbeiter einen dicken Rauch aus den Dachluken auffteigen. Da» ganze Bibliothrkzimmer brannte bald lichterloh. Unbekümmert um dis Gefahr versuchte M. seine Bücher. Handschriften und Manuskripte zu retten. Dabei erlitt er erhebliche Brandwunden an ssr liukru Hand und iw Gesicht. so daß fkine Angehörigen ihn hersuStragen mußten. Inzwischen war sowohl die freiwillige Charlottenburger al» auch di« Turnerssuerwehr siugetroffen, aber der gaozs Dachstuhl stand bereit« in Flammen. Trotz aller Anstrengungen gelang er nicht, die Bibliothek zu retten; auch konnten sie nicht verhindern, daß die darunter liegenden Wohnränme mit ergriffen wurden. Um 7 Uhr Morgen» war das Feuer gelöscht. Die Manuskripte Mommsen's über römische Geschichte, über Staatswisseuscheft. ferner neuere Arbeiten, die noch im Werden begriffen waren, seltene alte Handschriften, die aus ca, 10.000 Bände» bestehende Biblio-Hek, sind zum großen Theil de« verheerenden Element znm Opfer gefallen. Ueber die Entstehung des Feuers gehen zwei Gerüchte. Nach dem einen ist dasselbe durch eine Gasexplosion entstanden, doch ist die« nicht wahrscheinlich Zutreffender dürfte sein, daß das Unglück durch die Explosion einer Petroleumlampe entstand, und düse Annahme gewinnt um so mehr Wahrscheinlichkeit, air Professor M. in genannter Nacht bis gegen 2 Uh: in den Bibliothek-räumen gearbeitet hat. Der Zustand des P:of. M. gibt zu Befürchtungen keine Veranlassung
— Berlin, 15. Juli. Gelegentlich einer bei dem hiesigen Hospvstamie vorgeuemrnenen Revision ergab sich das Fehlen von 7 Bogen ö 10o Stück zusammen also 700 Stück Wechselstempelmarken zu 30 das Stück. Ueber den Verbleib dieser Marken ist bis setzt nichts Nähere« ermittelt nnd es find weitere Nachforschungen im Ganze
Paris, t3. Juli. Das Tagssersigniß ist die Ankunft Rochefort's und der Empfang desselben durch die Volksmenge, der an Enthusiasmus Alles, was man erwartete, überstieg. Äm Lyoner Bahnho) warteten viele tausend Menschen auf den heimkehrend -2 Ftüchtiiug. Die Menge war so groß, daß Rocheforr und- se.rre Familie kaum bis zn ihrem Wagen Vordringen konnte?:,, einem gcwöhnttchcn Fiaker, dessen Kutscher inmitten dieses Gedränges den Kopf verlor, so daß es chm kaum gelang, sein Fuhrwerk in Gang zu -ringe». Die Menge mach:; Miese, da» Pferd auLzuspaniren
den Wagen mt Triumph über die Loüleoards zu ziehen. Niemand widersetz!- sich übrigens r-em Ausbruch- ihrer Begeisterung. Die Boulevard» bi» znm Platz des ThLteau d'Esn waren so gefüllt, daß der Wagen nur im Schritt fahren konnte. Jeder drängte sich herbei, um Rochesort die Hand zu drücke??. Zweimal brachte man das Pferd zum Stürze« und nur mit Nckh konnte cs wieder aufgeriHter werden, Zu der Höhe der Kur du Temple gelang es endlich den Freunden Rochssorl's, nachdem diese Triuwphfahrt sine. Stunde gedauert hatte, dm Gefeierten in ein Hrus zn führen, dessen Tüürr sich hinter ihnen schloß und,das wahrscheinlich einen Ausgang aus eine anders Straße hatte, ösns Nochefort ward nicht wieder gesehen.
Paris. 15, Juli, D«s gestrig» Fest hak die kühnsten Erwartungen überttosftn. Von diesem Menschengewoge in den Straßen, von dieser Avten Lanne des Publikums inmitten des gewalrigsten Gedränges» von diese« Legionen Fahnen und zahlloser? Tausenden oon Jlluminarionslichtern und
und die Augen trübe und unstät wäre», wie eine» Menschen, in dessen Blut eine Krankheit sich vorbereitet. Zugleich machte er jetzt zum ersten Male die Bemerkung, daß bei den kältesten und höhnischste« Sachen, die Franz so hiriplauderte. er» Wohlklang. eine einschmeichelude Kraft in feiner Stimme war, die selbst ihn. den Boten der heilige» Dehme, zu entwaffnen drohte.
Als der Schneider gegangen war, sagte er . ohne Franz anzufehen, indem er scheinbar zerstreut im Lehnstuhl außzestreckt mit einer Feder spielte:
„Wir haben uu» lange nicht gesehen, Franz. Inzwischen ist Mancherlei vorgefallen."
.Ja wohl," «»Lederte Jener mit einem halben Seufzer. .Aber wer ist Schuld, wen« man au«etnander kommt? Wer hockt in seinem Dachsbau und verphilistert immer heilloser? Freilich ist der Weg von mir zu »ir nicht »etter, al» von dir zu mir. Mit mir aber Muß «an «icht rechnen. Ich bin jetzt einer der weißen Sklaven, die nur ihre Kette brechen, um sich einen Fußbleck auf Lebenszeit dafür anschmiede» zu lassen. Bester Freund, laß mich bei» warnende« Beispiel sein, und wenn du je heirathen mußt, »erlob« dich wenigsten» erst drei Tage vor der Hochzeit. Diese Frohne! Diese candirte Langeweile! Indessen — Llle« hat ein Ende."
,,Und dann?*
,Ünt> dann? Ja freilich ,und dann!' Aber daeon wollen wir schweigen. Hängen und Heirathen ist ein Schicksal, und da nicht Jeder, wie er möchte, seine« Glückes Schmied ist — höre, biß du schon »ns der Ausstellung gewesen? Aber so nimm doch eine Cigarre. Sie find nicht Übel; «ei» Schwiegervater hat sie mir geschenkt, und da dies einer der wenigen Artikel ist, von denen er etwas »ersteht —'
Noch immer sah Leonhard vor sich hin und balancirte, wie wenn er ein tiefsinniges Problem damit zu löse» hätte, die Feder auf seinenrZeigefinger.
„Ich gratulüe dir zu diesem Schwiegervater," sagte er endlich mit aller Gelassenheit, deren er fähig zwar. »Ader sag' doch einmal, ist es wahr, was ich habe erzählen hören: du warst vorher schon einmal verlobt?"
Franz blieb vor ihm stehen, di- Arm» über der Brust gekreuzt.
„Wie kommst du darauf?" fragte er unir sah ihm scharf ins Gesicht. »Allerdings war ich verlobt. Es ist eine recht trübselige Geschichte Aber ich dachte nicht — da es ganz unter uns geblieben war — in der That. es interessirt mich, zu wissen, wer davon gesprochen haben kann. Tie selbst gewiß nicht — sie ist nicht sehr piauderhaft; und außer ihr — dr» j-tzt wenigstens "
„Er ist Nichts so sein gesponnen," erwieverte Leonhard und lreß dr« Feder der N-ihe nach von einem Finger auf den andern überspringeu. „Uebrigens ist das such gftichailrig. Wichtiger ist, ob das Mädchen dir irgend Anlaß gegeben hat, mir chr zu brechen, sdrr ob — McS nur von
„Ich weiß nicht, wie du mir vorkommst, Leonhard. Wen geht unglückliche Geschichte etwas an. al» mich und dis NLchstbetheilrgte r Rede» wir von etwas Anderem. Ich gestehe dir, daß diese Erinnerungen nur zu oft sich melden und mir den ohnehin nicht sehr beveidenrwertyen Beruf eine» glücklichen Bräutigam» erheblich erschweren."
(Fortsetzung folgt.)