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find um ihre Entlassung eingrkommen, weil sie nicht zur Ausführung der Märzerlaffe Mitwirken «ollen; dagegen wird es als unbegründet erklärt, daß auch die Staatsanwälte von Limoges und Pau diesen Schritt gethan haben.

England

London, 28. Juni Laut Meldung der »Timer* beabsichtigt die Reg., im Unterhause eine Resolution zu beantragen, wonach er den Unterhausmit­gliedern gestattet sein soll, eine einfache Erklärung an Eidesstatt abzugeben.

Italien.

Rom. 26. Juni. In dem Augenblicke als dir Kammer gestern zur Abstimmung schrill. schleuderte ein Individuum von der dem Prästdenten- sttze gegenüber befindlichen Tribüne zwei große Steine auf eine Gruppe von Abgeordneten, welche Stimmzettel abgelen wollten. Er wurde indeß Nie­mand verletz'. Der Präsident ordnete die Verhaftung des Schuldigen und die Räumung der Tribüne an. Do« Individuum heiß» Cordizlioni und war vorgestern aus Vikerbo eirigetroffen.- Nach dem ersten Verhöre scheint er sich nicht um eine individuelle Thst zu handeln. Cordigliani erklärte dem R chter. bis zum Abend Enthüllungen machen ,u wollen. Seine Aus­sagen laute» widersprechend. Einige kompromitlirende Briefe und ein Messer fanden sich bei demselben vor

Türkei.

Ko »st an 1 in o p el, 22. Juni. In der Haremrangelegenheit de; tzxkherive Ismail Pascha verlautet. daß dieser, nachdem er beim Sultan und Scheck - ul-Jslsm vergebens Schrille um Grwädruog von Gastfreund­schaft für seine Frauen gemacht, sich «un an de» Großscherif von Mekka und die einflußreichsten Schecks der muselmännischen Welt mit dem An­sinnen gewendet habe, den Sultan wegen Verletzung eines der Hauptgrund­sätze des Jrlams als abgesetzt m erklären.

Afrika.

Einer Depesche vom Kap der guten Hoffnung vom 23 ds. zufolge kehrte die Kaiserin Eugenie am Montag aus Zululand nach Durban zurück und beabsichtigte sich am Samstag den 26. dr. an Bord des Dampfers Trojan nach England einzuschiffen.

Tagesordnung

deS Zk. Amtsgerichts Calw in de« öffentlichen Verhandlungen

l. am Donnerstag, den 1. Juli 1880, Vormittags 8 Uhr:

1) Rechtssache zwischen Matthäus DittnS, Schneider in Neuhcngstett, Kl., und Jakob Talmon Gros, Bauern daselbst, Bekl., Benützung eines gemeinschaftlichen Eigen- thumS detr.

2) Privatklagesache der ledigen Katharine Maier von Timmozhcim, Privatkläzerin gegen Christian Ehmert, Polizeidiencr von da, Angeklagten, wegen Körperverletzung.

3) Strafsache gegen Johann Melchior Baittinger, Schmied und BalthaS Baittinger. ledig, beide von Dickenpsronn, wegen erschwerter Körperverletzung.

Vormittag« 10 Uhr: Strafsache gegen

4) den 12 Jahre alten Karl Ernst Kuhn von Ealw wegen Diebstahls.

b) Christian Bock, Maurer von Slammheim, wegen Verfehlung gegen das Jagdgesetz.

Vormittag» 11 Uhr: Straisache gegen

6) Heinricke Frohnmaier, Taglöhners-Ehefrau von Althcngstett wegen Diebstahls.

Nachmittag» 3 Uhr: Strafsache gegen

7) Jakob Stotz, Skbwanenwirlh von Hirsau, wegen Beleidigung,

3) Friedlich Ziegler, led. Bauern, Gemeindepflegers Sohn von Schvnbroon, O.-A. Nagold, wegen Körperverletzung.

!l. Am Freitag, den 2. Juli 1880, Vormittags 9 Uhr:

Rechtssache zwischen

1) Heinrich Henle, Lrderhändler in Stuttgart, Kl., und Friedrich KappuS, Schuh­machers Eheleute in LlrbenzeU, Bell.. Forderung für Maaren betr.

2) Fr. Schwämoile, Bäcker in Calw, Kl., und D. Bubeck, Steinbrecher daselbst, Bel!., Abrechnung rc. betr.,

3) Christian Schnaufer, Viehhändler in Untcrjettingen, Kl., und Gottlob Hölderlin;

Hirschwi rth in De ckenp fron n, B ekl., A nsprüche aus einem Mandat detr, _

TageS Neuigkeiten.

Calw, 30. Juni. Am Samstag, de» 26. d. M, wurde am Hellen Tage auf der Straße zwischen Dachtel und Deckenpfronn ein frecher Raub verübt. Zwei bairische Handwerksburschen überfielen unversehens den fiit

§ einigen Tagen mit ihnen r-isenden Conditor Gustav Zeuner aus Emm en­tringen; während der eine ihn vorne» an der Brust packte mit den Wor­ten : »Den Rock her. oder es fließt Blut*. suchte ihn der andere von hinten mit einem dicken Prügel zu Boden zu schlagen. Der Angegriffene leistete kräftige Gegenwehr, allein er wurde überwältigt, und als er auf dem Boden lag. biß ibm einer seiner Angreifer, der auch zu Fall gekommen war, noch ein Stück der linken Ohres vollständig ab, worauf ihm sein Rock abgenom- ! men wurde. Mit diesem suchten die THSter dar Weite und gelingt es ! hoffentlich, ihrer bald habhaft zu werden, da sie der Verletzte genau zu bezeich­nen vermochte. Derselbe befindet sich in Pflege im hiesigen Krankenhause.

Vom Wetter.

Lal«, 30 Juni. Als die Rcdaktien sich der kleinen Müh« unterzog, die Wcttervermuthungen des Prof. Klmkersues i. Göttingen alltäglich an ihrem Lokale aukzuhärigen, thst sie dich in der besten Absicht, dem Publikum «me» Dienst zu erweisen. Selbstverständlich aber hat die Redaktion keine Garantie für die Richtigkeit dieser Vermuthungen übernommen, die ohnedies nicht speciell für Calw, sondern, wie wir in unserer Bekanntmachung aus­drücklich gesagt Habs», für einen Umkreis von 10 Stunden um Stuttgart gelten, so daß recht wohl der Fall eintreten ka»n, daß 10 Stunden jenseits Stuttgart die Vermuthunz eintrifft, «ährend sie hier in ihr Gegentheil umschiägt. Außerdem machen die Vermuthungen, wie schon dieses Wort ausdrückt, keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit, treffen jedoch erfahrungs­gemäß, wie wir ebenfalls erklärt haben, in Vs der Fälle ein. Gleichwohl «ird der Versuch der Redaktion, die Wettervermuthungen des Prof. Kttrcker- fueS einem größeren Kreise bekannt zu geben, in einer Weise kritistrt, daß wir nicht still dazu schweigen können. Wir müssen Hohr- uns SpoUreden mit anhvrsn, die einen gelinden Zweifel an unsere« gesunden Verstände gleichkommen, wenn z. B. Gewitterregen vermuthet wird, während sich über unserem Thals der schönste blaue Himmel wölbt. Man ist so freundlich, uns einer lächerlichen Wichtigmacherei zu beschuldigen und dem Vergnügen, geradezu ins Gesicht hinein ausgelacht zu werden, entgehen «ir nur durch den Umstand, daß wir hinter geschloffenen Fenstern sitzen. Auch Spottnamen find bereit« erfunden, die wir dieser unglückselige» Wetter-Prognose zu

> verdanken haben. All dieses hängt ohne Zweifel mit der sprichwörtlich ^ bekannten Calwer Spokisucht zusammen, die zu unserem Tröste schon ganz andere Dinge und Personen sich zum Gegenstände erwählt hat. Denjenigen «der. die die von uns ausgehängle Weiteroermuthung in ihrem wahren Werthe zu würdigen w ffen. mag es ebenfalls znm Tröste gereichen, daß w>r uns durch den sonderbaren un« zu Theil gewordenen Dank nicht beirre» lassen, sondern mit den Mittheilungkn auch ferner fortfehren werde» Welchen , Werth »an anderwärts auf dieselben legt, geht z. B. daraus hervor, daß ! das Sladtschultheißenamt in Cannstatt b.kannt macht, daß dieselben täglich von 11 Uhr an am Rathhause angeschlagen sein werden.

Von der oberen Nagold, 25. Juni. Die am 15. d. von Sr. Exzellenz dem Herrn Jusiizdcpartementtchef v. Fader unter dem Vorantritt de« Frhrn. A. v Gütltingen zugelassene Deputation zur Ueberreichung einer Litte um Errichtung eines Amtsgerichts in Altenstsig wurde dahin beschieden, daß vorerst der Bitte in dieser Ausdehnung nicht entsprochen, dagegen die Abhaltung von Gerichtstagen daselbst nach Vernehmlassung der betreffenden Behörden i» Aussicht gestellt werden könne.

I» Zuffenhausen wurde, wie die ,Ludw. Ztg.* berichtet, am Samstag ein Franzose verhaftet, der im Besitze von in zwei kleinen Futte­ralen befindlichen 1060 Frc». in Rapoleonftücken, verschiedenen rvsrthvollen Kleidern, Uhr rc. sich befand. An das Amtsgericht Ludwigsburg abge- liesert, gestand er vermittelst eines Dolmetscher» nach langem Leugne» en, daß er in einem Bankhaus in Paris die Summe von 12,000 FrcS. ent- rventet habe. Bei semer Verhaftung gab er als seinen Namen Emil Gonet an. beim späteren Verhöre aber behauptete er. daß ec Louis Anthoine heiße und von Liepvre, Kanton St. Marie-aux-Nines in Frankreich sci.

gehn, wie aller Irdische, wenn eS nur überhaupt einmal da war! Und ist da« nicht gerade da» Beste an manchen Dingen, daß sie zu Ende gehe»? Muß ein R>ng immer rin Symbol der Ewigkeit sein? Freilich, in unserer gebildeten Gesellschaft. die so ungeheuer bedächtig und bedenklich ist, muß man sich bei Allem und Jedem etwas ganz Bestimmter denken könne», um sich überhaupt damit besoffen zu dürfen!"

Der Monolog war, wie mau sieht, wieder im besten Gange. Um aber nicht den Helden diefer wahrhaftigen Geschichte immer mehr in den Verdacht eine« verbrannten Gehirn» oder überspannter Lyrik zu bringen, wollen wir in der Kürze mittheilrn, daß er nichts Schlimmere» war, als ein etwa« au« der Art geschlagener Jurist, der sich eben zum Staattexamen rüstete. Eine reiche alte Tante, tie ihn wie ihren eigenen Sohn »erzog«» und einige Jahre in Frankreich, Spanien und Italien hatte reisen lassen, war plötzlich, der Himmel weiß. durch welche sachkundigen Einflüsterungen bewogen, mit der festen Erklärung h?rau«gerückt, diese» geistreiche Herumvagiren müsse endlich ein End« haben; sie erwart«, daß ihr Reffe Leonhard in diesem Win­ter Alle« »achholen werde, um im nächsten Sommer durch ein glänzendes Examen Diejenigen zu beschämen. die der Tante in» Gesicht sagten, es werde »ie etwa« Gescheite« au» ihm »erden, und sie verschwende ihre Güte an einen Unwürdige«. So hatte der Neffe, der die gute alte Dam« herz­lich liebte und ihr gern Ehre gemacht hätte, sich kurz entschlossen, für diesen Winter all seine gesellige» Verbindungen abzubreche» und in »ine« stillen Stübchen der Vorstadt, wohin sich auch von seinen Freund«» nur selten einer verlor. einen hohen Wall von Büchern zwischen sich und der Welt auszuthürmrn

Er hielt hier auch tapser au«, zu nicht geringer Berwnndrruug seiner HauSwirlhin und ihrer eben so häßlichen als tugendhaft«« Tochtrr, di« seine Nein« Wirthschasl besorgte. Mit einem gewisse« Eigensinn, der seiner saust lenksamen und gutartige» Natur dann «ud man« nur um s, hartnäckiger fich bemächtigte. hatte er sich in sein« Studie» »erbiffr» und ihnen dabei

! js viel Geschmack abgewonnen, daß ihn von Allem, war er sonst geliebt: Gesellschaften, Theater, de» schönen Stunden im Concsrtsaal, nicht» mehr von seinen Büchern und Heften «eglocken konnte. Und heute Nachmittag, als er sich durch ein lauges Brüten über einer Controversstelle übermüdet halte und zur Erholung nach irgend einem Poeten griff, war ihm ein Büch­lein in die Hände geraihen, des zwar auch von einem Juristen versaßt i wordeu rst, aber von einem, der gesungen hat:

! .Aktenstöße Nachts verschlingen,

> Schwatzen nach der Welt Gebrauch

Und das große Tretrad schwingen.

! Wie ein OchS, da» kann ich anch.

Aber glauben, daß der Plunder ' Eben nicht der Plunder wär',

! Sonder» ein hochwichtig Wunder,

Da« gelang mir nimmermehr.*

! Es war Eicheadorffis Taugenichts, der ihn auf oll seinen Reisen be- ! gleitet hatte, gleichsam wie eine Stimmgabel, die er in verdrießlichen Stunden, wie sie unterwegs in kalten Gasthöfen oder bei schlechtem Weiter fich ein- stellen, immer angeschlagen hatte, um den verlorenen reinen Grundton wteder- zufinden. Keine Rosen von Pästum oder der Alhambra, kein Veilchen von den Boulevard« lagen zwischen de» zerlesenen Blättern des unscheinbaren Buche. Aber jede Seit« duftete, außer von ihrem eigenen Jugendsrühling. von tausend Erinnerungen. Seine Brust dehnte fich. wie er über d»e Seiten hinlas. die er säst auswendig wußte; die Last von Gelehrsamkeit, die er seit Monaten sich aufgeladea. fiel von ihm ab. und »ie eine verschüttete Quelle sprudelte plötzlich die «unterste Lebenslust in ihm auf. Er warf seinen Mantel um nnb eilte in» Freie, um ei» paar Straßen auf und ab zu rennen und sein Blut zu kühlen.

(Fortsetzung folgt.)