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Pari«, 19. Juni. Au» Madrid wird gemeldet, daß der Justizminister in eine« jRundschreiben die Behörden der an Frankreich grenzenden Provinzen angewiesen hat, unter keiner Bedingung in ihrem Bezirk die Niederlassung der aus Frankreich ausgeioiesenen religiösen Genosienschasren zu gestatten. Auch in den andern Provinzen dürften dieselben sich nur mit spezieller Bewilligung der Regierung niederlassen.
Pater Beckx, der Jesuiten-General, hat alle Jesuiten, die nicht Franzos en find, aufgesordert, Frankreich zu verlassen.
— Paris, 22. Juni. (Deputirtenkammer.) Bei Berathnng der Amnestie- Vorlage weiSt Gawbetla nach, daß die Gewährung der Amnestie keinesweg» eine Politik der Schwäche, sondern eine Politik der Concentrirung bedeute. Man müsse die Amnestie jo lange als möglich vor den Neuwahlen gewähren, damit die feindlichen Parteien aus ihr keinen Nutzen ziehen. Man müsse einen Grabstein auf die Verbrechen der Commune setzen und allen zurufeu: „Ein einzige« Frankreich und eiue einzige RepublikI" Dar Amendement Barthe, die Verbrechen gegen da« gemeine Recht von der Amnestie ausz a- schließen, wird abgelehnt und die Amnestievorlaze angenommen und gleichzeitig beschlossen, die Rede Gambettas in allen Kommunen Frankreichs öffentlich anzujchlagen.
England
London, 18. Juni. Die Hoffnung und der Stolz Englands: sein Freiwilligenkorps droht unter dem Einflüsse einer epidemisch austretenden Unlust für den Dienst des Vaterlandes in die Brüche zu gehe«. Kürzlich erst refignirte ein ganzer Regiment sammt Offizieren, und nun wird schon wieder ein gleicher Fall gemeldet. Die East Park Artillery Brigade in der Stärke von 1000 Mann kündigte den Dienst. Die Mitglieder dieses Truppenkörpers versammelten sich Anfangs dieser Woche bei den Baracken in Hüll, brachten ihrem früheren Kommandanten ein dreimaliges Hoch, ihrem neuen Kommandanten, wenn von einem Kommando überhaupt die Rede sein kann, eine tüchtige Katzenmusik, erklärten, nicht mehr mitthun zu wollen und kehrten heim, um das Schwert «it anderen friedlichen Jnstr«- menteu zu vertauschen. _
LasesordnuitH
des K. Amtsgericht-* Calw in den öffentlichen Verhandlungen
' für die Gcrichlssitzüng vom 25. Juni 1680, Vormittags 9 Uhr.
1) Eidesabnahme in der Rechtssache des Max Löivenstcin von Rexingcn, Kl., gegen Friedrich Stanzer, Bauer von Motttingen, Bell., KausschiUingSsorderung bctr.
Mündliche Verhandlungen in den Rechtssachen zwischen:
2) Isaak Nekarsulmer, Handelsmann in Nexingen, Kl., und Gott.ob Heß von Unterreichenbach, Bell-, Wechselforderung belr.
3) Friedrich Schwümmle, Bäcker in Calw, Kl., und Friedrich Märkte. Bauunternehmer in Hirsau, Bekl., Ansprüche aus -inem Pachtvertrag bctr.
4) Aua. Kaiser, Kaufmann in Cannstatt, Kl., und Karl ZiUinq, Kaufmann in Calw, Bekl., Waarenforderung belr.
5) Georg Koch, Kaufmann in Stuttgart, Kl., und Karl Zilling, Kaufmann in Calw, Bell.. PZaarenforderung betr.
6) David Haisch, Müller in Liebcnzell, Kl., und die Stadtgemeinde Lirbenzell, Bekl.,
Erfüllung eines Vergleichs betr. _
Tages-Neuigkeiten.
— Calw, 21. Juni. Dem hiesigen musikliebenden Publikum steht durch dem am 29. Juni veranstalteten Kirchenconcert ein schöner, höchst interessanter Genuß bevor. Herr Organist Krauß*) ist durch die klastischen Kirchen-Coucerte in Stuttgart und andere» Städten als einer der tüchtigsten jetzt lebenden Organisten bekannt. Nicht allein Lurch seine eminente Fertigkeit auf dem Manual und Pedal, sondern insbesondere durch seine vorzügliche Registrirung hat er sich einen Namen in der musikalischen Welt gemacht. Derselbe hat durch seine fleißigen Studien am Conservatorium zu Stuttgart bei Hrn. Prof. Faißt und anderen ersten Lehrern dieser Anstalt eine vielseitige musikalische Bildung sich angeeignet. Herr Hofmusikus Huhn, welcher voriges Jahr im Bad Teinach auf dem neuerfundenen schöne» Instrument, Viola alta, sich in einem Concert hören ließ, hat so
wohl durch den schönen, großen, vollen Ton diese« Instrumente«, ak« auch durch die meisterhafte Handhabung desselben die Anwesenden zum größten Beifall hingerissen. Da sich diese« Instrument ganz besonders für getragene Sachen eignet, so ist die Wirkung bei Kirchen-Concertcn eine noch viel erhöhter«, als im Concertsaal. Derselbe ist der einzige Epieier in Stuttgart auf diesem Instrument. In Herrn HofsSnger Wagner lernen wir ein neue«, tüchtige« Mitglied des Stuttgarter Hoftheaters kennen, welcher durch seme frische, volle Stimme und geschulten Vortrag nicht nur an der dortigen Bühne, sondern auch in verschiedenen Concerten und Kirchen- Cöncerten sich die Gunst des Publikums und der Kritik erobert hat. Da bei dem Concerte dieser 3 hervorragenden Künstler sich auch der hiesige Kirchengesangverein mit Chören und Solo betheiligl, so können wir mit Recht auf ein schönes Ensemble hiesiger und Stuttgarter Kräfte rechnen, und allen Freunden der Kunst in Calw und Umgegend den Besuch um so mehr dringend empfehlen, als mit einem Theile der Einnahmen ein edler Zweck verbunden wird.
Herr Krauß ist ein Sohn de» in Gaisburg verstorbenen Psr. Krauß, dessen Witiwe, ged. Schwarzmann von hier, i» Stuttgart lebt.
— Nagold, 17. Juni. Nach einem Berichte de« „Gesellsch." bildete in der letzten gemeinschaftl. Sitzung beider bürgerl. Collegien der Voranschlag des städtischen Haushalts den Gegenstand lebhaftester Berathung. Das übliche Defizit der städtischen Verwaltung in dießmal erschreckender Höhe von ca.
25,000 — , verursacht einerseits durch vermehrte Ausgaben (Seminar, Armeu-Rechnung, letztere 9000 vIL), anderseits durch verminderten Erlös aus der Waldwirthschast, ries gewaltige Mißstimmung hervor, die sich alsbald in der Forderung größerer Sparsamkeit in allen Zweigen der städt. Verwaltung Last machte. Hsrvorgehoben wurde hauptsächlich, es sollen Neuanlagen an Wald- und Feldwegen und d-ergl. auf das Allernothwendigste beschränkt, unvermeidliche Anlage» und Reparaturen so viel als nur möglich im Accord ausgeführt, auch die kostbilltge Taglöhnerswirthschaft beseitigt, und soweit dies nicht thuulich, strenger beaufsichtigt und csntrollirt werden. Der Waldertrag solle dadurch gesteigert werden, daß weniger Holz als Brennholz aufbereitet, dagegen so viel als nur möglich als höher bezahltes Langholz vcrwerthet werde, wobei auch größere Ersparniß an Holz- machertöhnen (ca. 15,000 vIL p:o Jahr) erzielt werden können. Der Brutto- erlös aus dem Wald, 44,000 »A., blieb nämlich auch in Folge ungünstiger Zeitverhältniffe um cs. 7000 »iL gegen den Voranschlag zurück, so daß an Reinertrag die für ein Wald-Areal von ca. 3500 Morgen nur die geringe Summe von 19,000 der Stadtkaffe zugeführt werden konnte. Vorschläge zur Deckung des einmal vorhandene» Dcfizits von cs. 25,000 konnten dahin gemacht werden, entweder durch einfache Erhöhung des bisherigen Stadtschadens von 12.000 auf das Doppelte, oder durch gänzliche Beseitigung der Bürgernutzuugen ober durch Combinirung beider Vorschläge, theiiweise Erhöhung des Stadtschadsns und theilweise Verminderung der Bürgernutzungen. Dieser Antrag wurde schließlich von beiden Collegien einstimmig angenommen, ebenso eme Erhöhung des Stadtjchadens um 50»/o, der künftig annähernd das il/zfache der Staatssteuer betragen wird, der fehlende Rest soll vorläufig der Restverwaltuog entnommen werden.
— Alteustaig. 18- Juni. Der gestrige Tag war für Stadt und Umgebung ein Tag ernster Besorgrüß. Zwischen 4 und 5 Uhr Abends stiegen am südlichen Himmel schwere Gewitterwolken aus, die wegen ihrer Massen- haftigkeit und ihrer unheimlich graugelben Färbung Schlimmes befürchten ließen. Sie entluden sich auch iu einem wolkenbruchartigen Regen, der eine gute halbe Stunde in ununterbrochener Heiligkeit fortdauerte und das Hells Tageslicht in mächliges Dunkel umwandelte. Die sonst so wasserarmen Seitenbäche der Nagold wuchsen zu reißenden Strömen an und führten eine Menge Gerölls in das Thai, so daß die Straße nach Nagold verschüttet und, hoffentlich nur auf kurze Zeit, unfahrbar gemacht wurde. Die Holz-
Er ging links um das Haus herum, dort, wo ein Weg in die Schlucht führte.
Hinten in der Remise stand der alte Wagenmeister unter der offenen Thür. Er sah einen Menschen im Mantel um das Haus gehen. Er konnte ihn nicht erkennen; es war Mitternacht, und am Hause brannten keine Laternen. Er dachte sich wohl, es sei der Baron, der in der stillen, klaren Oktobernachr bis zur Abfahrt des Wagens eine Promenade um das Haus mache; aber er kümmerte sich nicht weiter darum.
Nach zehn Minuten war der Baron wieder da.
In demselben Augenblicke fuhr der angespannte Wagen aus der Remise an der Hausthür vor.
Der Baron ging langsam und ruhig in das Haus, als wenn er wirklich nur einen Spaziergang gemacht habe.
An dem Wagen war nur der Postillon, der ihn aus der Remise gefahren hatte, uno der ihn weiter fahren sollte bis zur nächsten Station.
Unten im Hause auf dem Hausflur stand der Wagenmeister.
Tr fragte den Baron, ob die Koffer von oben geholt werden sollten.
Die Reisenden waren mit zwei Koffern angekommen, dem großen der ermordeten Karoline Wild, einem kleineren des Barons.
Er möge ihm folgen und einen Knecht zum Tragen der Koffer mitbringen. sagte der Baron dem Wagenmeister.
Auch seine Rechnung möge er mit hinsusbringen, rief ihm der Baron noch zurück.
Er erstieg dann die Treppe.
Oben horchte er an der Thür des Zimmers des jungen Ehepaares; es war still darin.
Er trat in sein eigenes Zimmer.
Seine Frau stand darin reisefertig.
„Nichts vorgesallen?" fragte er sie.
„Nichts!" antwortete sie. '
Sie war aufgeregt; sie konnte kaum sprechen.
Dem Baron folgten auf dem Fuße der Wagenmeister und der Postillon seines Wagens.
„«Hier!" zeigte der Baron ihnen die beiden Koffer.
Sie nahmen Beide den großen Koffer; der stärkere Postillon trug zugleich den kleineren mit der andern Hand.
Sie gingen dis Treppe hinunter.
In der Thür begegnete ihnen dis Wirthstochter Anna. Sie brachte die Rechnung.
Der Baron zog seine Börse, sie zu bezahle«.
Das Mädchen sah sich unterdeß im Zimmer um.
„Ich sehe ja die Dame nicht, die nut Ihnen kam," sagte sie.
Sie sagte es zu der Baronin.
Dem Baron fiel vor Schreck ein Geldstück aus der Hand. — Welche Antwort wird seine Frau geben?" Er hatte nicht Zeit gehabt, mit ihr zu sprechen.
Die Frau hatte schon ihre Geistesgegenwart wieder.
„Das Fräulein", sagte sie, „war etwas unwohl geworden. Sie hat sich auf ihr Bett gelegt, um bis zur Abfahrt auszuruhen."
Das Mädchen fragte nicht ferner.
Der Baron hatte das Geld für die Rechnung auf den Tisch gezählt.
Das Mädchen zählte die Summe nach, fand sie richtig, strich das Geld ein, sagte ihren Dank, blieb stehen, um höflich die abreisende Herrschaft nach unten an den Wagen zu gleiten.
„Zu allen Teufeln!" fluchte der Baron in sich hinein.
Ging das Mädchen nicht, so sah sie, daß keine Dame in den Wagen stieg. Wo war die fehlende Dame, das Fräulein, die angekommen war? Die Mörder waren verloren. (Fortsetzung folgt)
Frage und Antwort. Lieutenant (vor kurzem in Straßburg ongekommen, die Hand an die Mütze legend, zu einem vorübergehenden Straßburger in schnarrendem Ton)'. „Möchte gern nach dem Domplatz. Straßburger: „Hab' n>'x dawider!"