Vas A»k»«r >,«««»« «!»tt erschein am Dienstag,Donnerstag «. Kamstag. Abon- nement-spreis halb­jährlich 1 80 ^

durch die Post beze- gcn im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz Württemberg 2 70 L.

Amts- unä InteNgenzbkatt für äen Kezirk

wer Wsmen

Für Lat» ahanntrk «an bei der Redak­tion, »u«würtS »ei den Beten «der der »Lchftmlegencn ' Poststelle.

^ Die Einrückung«- d gebühr beträgt 9 L für die »ierspaltige Zeile oder deren Raum.

Nro. 69.

Donnerstag, den 17 . Juni 188 «.

35. Jahrgang.

Politische Nachrichten

Deutsches Reich

Berlin, 14. Juni. DieNordd. Allg. Zig." ist ermächtigt, mitzu- theilen, daß der Reichskanzler über »ie Kirchenvorlage sich befreundeten Abgeordneten gegenüber dahin ausgesprochen habe, daß die Stellung der Regierung zu der Vorlage heute «och dieselbe sei wie bei der Einbringung; die Regierung hält sich für verpflichtet, unabhängig von den Verhandlungen mit Rom ihren katholischen Untsrthaneu Alles zu gewähren, was ohne Schädigung der Gesammtinteressen de« Staate« gewährt werden kann. Dem kirchlichen Bedürsniß der katholischen Preußen weniger zu gewähren, als ohue Schädigung des Staates gewährt werden kann. würde dem landerväterliche» Interesse de« Königs nicht entsprechen. Die Regierung würde daher an der Vorlage festhalten müssen, bi« sie sich amtlicher Ab­lehnung durch eines der Häuser de«.Landtag« gegenüber befindet.

Berlin. 14. Juui. Der Bundesrath bestätigte den in erster Le­sung gesüßten Beschluß betr. den Zollausschluß der unteren Elbe heute in zweiter Berathung.

Die nächste Plenarsitzung der preuß. Abgeordnetenhauses zur zweiten Berathung de« Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderungen der kirchen- politilchen Gesetze, ist nunmehr definitiv auf Freitag, IS, Juni, anberaumt.

Nm Mittwoch tritt die Nachkonferenz in Berlin zusammen. Die Theilnehmer sind schon daselbst eingetroffen oder werden in diesen Tagen erwarter. lieber den äußeren Verlauf der Konferenz vernimmt man fol­gendes: Es werden etwa 3 bis 4 Sitzungen stattfinden, um eine Verstän­digung über die grundlegenden Bedingungen der Grenzregulirung zwischen der Türkei und Griechenland berbeirusühren und eine Kommission zu er­nennen, sie un Ort und Stelle gesandt wird, um die Ausführung in's Werk zu fitzen; darauf wird sich die Konferenz vertagen. Die Kommission wird etwa 68 Wochen zu tbu« habe«, dann nach Berlin zurückkehren, um der Konferenz ihre Vorschläge zu unterbreiten, bcz«. über dieselben beschließen zu lasse«.

Von Quellen, au« denen der Sozialdemokratie bedeutende Mittel zu- fließen, erzählt ein Leipziger Blatt: Es figurirt da auch em erwähnens- werther Sonderling, Herr Baalmarrn. Besitzer mehrerer Fabriken und Theähaber eines großartigen Bankgeschäfts in Holland, der" abwechselnd in Amsterdam und Münster lebt. Dieser reiche Mann soll die Sozialdemo­kratie mit enormen Summen unterstützen, und seitdem er dies thut. sich selbst und seine Lebensweise gewaltig verändert baden. Früher lebte er glanzend, fuhr auf der Eisenbahn nur erster Klaffe, lebte in de« vornehm­sten Hotels u. s. w., jetzt fährt er vierter Klaffe, trinkt Vier statt thenrer Weine, begnüg! sich mit der einfachste» Kost, trägt die Kleidung eines schlichten Arbeiters und führt über alle seine Ersparnisse gewissenhaft Buch. Diele Ersparnisse, sowie der sechste Theil seiner geschäftliLe« Reineinnahmen fließen de« verschiedenen Wahl- und Agüationskamikes in Deutschland zu.

Dresden, 11. Juni, Dis Dresdener Kriminalpolizei «ahm heute srüb eine Rarzia qegen die Sozialisten vor. Punkt Vz6 Uhr begannen

über 30 Haussuchungen in Dretden und einigen angrenzenden Ortschaften . Di» Polizeibeamten legi>i«irten sich als durch die Staatsanwaltschaft bevoll­mächtigt und durchsuchten bei jedem Betroffenen alle Wohnungr- und ev- GesLäftkräume, so daß die Proceduc SN manchen Orten 4 -5 Stunden Zeit beanspruchte. Am strengsten nahm man es mit dem Reich Stags ab ge­ordneten Kayler, dessen Wohnung und Cigarrenladen auf's sorgfältigste durchsucht wurde, und mit dem Redaksions- und ExpeditionSper'onal der Dresdener Abendzeitung." Die übrigen von der Haussuchung Betroffenen waren meist Gewerbetreibende, die über eigene, zum Theil sehr umfang­reiche Geschäfts verfügen; soweit bekannt, waren nur 68 derselben Lohn­arbeiter. Ueber die Resultate der Haussuchungen hört man nichts Be- merkkntwertheS.

Schweiz.

Zürich, 14. Juni. Die gestrige Volksabstimmung im Kanton Zü­rich ergab eins Majorität von 5500 Stimmen für Beibehaltung d:s Impf­zwanges.

Frankreich.

Paris, 13. Juni. Dem Voltaire zufolge sind den Präfekten die bestimmtesten Weisungen behuss Bursübrung der Märzdekrete zuaegongen. Die Jefuitenanstalken seien bis 30. Juni nörhisenfalls mit Gewalt zu schließen. Jeder Aufschub sei unstatthaft. Dis Jesuiten könnten eins oder zwei ihrer bez. Mitglieder zur Usberwachung der Vermözensodjekte in ihren Liegenschaften zurücklassen.

Paris!, 15. Juui. In Parlamentskreiseu glaubt man, die Regier­ung werde mit Rücksicht auf die Disposition des Senats darauf verzich­ten. dis Initiative bezüglich der Amseßiesrage zu ergreifen, sich vielmehr auf möglichst umfassende Begnadigungen beschränken.

Am letzten Sonntag wurden i« vielen französischen Stästea, wo Jesuitimanstalteu sind, Ksnserenzeu behufs Agitation gegen die Aus'rchrung der Märzdekrete akgehalteu. In Lyon, Angers, Amiens. Mocon, Tcurnon, Saint-Umour und Brest hielten die namhaftesten Führer der Klerikalen in der Provinz Reden zum Schutze der .Gewissensfreiheit" und der .Rechts des Familienvaters.". Sodann finden Konferenzen der Reihe nach bis Ende de« Monats in Bordeaux, Limoges, Autuu, Clermont-Ferrand, Cha- lons sur Saons n. s. w. statt. Am Morgen des 30. Juni sollen bekannt­lich d>e Jesuitev-Bnstalte« geschlossen werde», nur ein oder, wenn d.e Ge­meinschaft sehr groß ist. zwei Mitglieder der Kongregation dürfen als Wächter des Hauses Zurückbleiben; Vereinigung der Mitglieder in einem andern Lokale wird nicht gestattet; weigern sich dis Mitglieder, ausein­ander zu gehen, so erfolgt Auflösung durch Gewalt; der Zugang zu Ka­pellen ober Belsälen der Jesuitenanstalten ist dem Publikum untersagt, und es sind i« Nothfalle die Thüren zuzumauern. Um den Unruhen. d:e bei dieser Gelegenheit voraussichtlich entstehen werden, begegnen zu können, sind dis Präfekten mit ausreichenden Instruktionen versehen.

Türkei.

Tie Auswanderung in dem Vilajet Trapezunt nimmt große Lrmsn-

^euilleton.

Die Strafe der Untreue.

Criminalgeschichte von I D. H. Lemme.

(Fortsetzung.)

Tis Baronin begann ein Gespräch Iwt dem Mädchen.

Eben kam noch eine Extrapost an?"

Mit zwei Herren", antwortete Anna.

Werden sie heute Nacht hier bleiben?"

Nein, sie waren im Gegentheile sehr eilig. Sie wollten sogleich weiter. Da werden dis neuen Pferde schon angespannt."

Der Baron war untsrdeß an den kleinen SeitmtisÄ getreten, auf dem di? Bowle stand.

Es war dunkel in der Ecke.

Die Augen des neugierigen und argwöhnischen Theodor folgten ihm, mit desto schärferer Aufmerksamkeit. ^

Der Baron schien es zu bemerken, daß er von dem Knaben beobachtet wurde.

Er nahm ein Glas, schenkte es sich zur Hälfte voll, setzte es an die Lippen.

Der Wein ist gut!" sagte er, wie für sich.

Ein vortrefflicher Glühwein!" rlef er dann zu den beiden Damen hin.

Zugleich schenkte er zwei Gläser voll und füllte auch das dritte, aus dem er getrunken hatte.

Alle drei Gläser stellte er auf einen Präsentirteller.

Dann sah er sich rasch nach dem Knaben um, ob er noch beobachtet

werde.

Aber der Bursch war gewandt. Er half schon seiner Schwester beim Aufnehmen der Messer und Gabeln.

Der Boro« glaubte sich unbemerkt.

Rasch hatte er eine ganz kleine Flasche aus der Brusttasche hervorge- holt. Geräuschlos enkpfropfte er sie.

Mehr sah der Knabe nicht.

Seine Schwester war mit dem Abräumen fertig, verließ das Zimmer.

Er mußte ihr folgen.

Im Hiuausgehen warf er noch einen Blick nach dem Seitentisch, an dem der Baron stand. Lber er konnte nicht sehen, was dieser macht.. Der Baron hatte ihm den Rücken zugewendet.

Drauße« an der Thür blieb er dennoch horchend stehen.

Er hörte den Baron sprechen, wieder an dem Tische in der Mute des Zimmers.

Dieses Glas, wenn ich bitten darf, Fräulein Wild", sagte der Baron.

Es war, als wenn sie zuerst ein anderes habe nehmen wollen

Ob sie es nimmt?" fragte sich der Knabe.

Er eilte seiner Schwester nach.

Anna, es ist mir so ängstlich, als müsse er heute Nacht da ein Un­glück geben."

Er erzählte.

Du mußt nicht zu mißtrauisch sein, Theodor", verwies sie ihn. Es war anfangs auch mir Manches ausgefallen. Aber ich gab nachher genau Acht; ich bemerkte nichts weiter."

Im Zimmer stießen die Drei au.

Ass ein fröhliches Wiedersehen mit Ihre« Verlobten, Fräulein!"

Darauf müssen Sie eine» tüchtigen Trunk thun, meine Liebe. Sehen Sie, ich mache es auch so."