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London , 10 Juni. Aus Simla von heute: General Stewart hat befohic?, die englischen Truppen so rasch wie möglich und so «eit es sich irgend mit dem Gesundheitszustände derselben verträgt, au« Afghanistan zurüüruzieher. Kabul soll spätestens bis zum 21. Okt. geräumt sein. Wie es heißt, würden Gandamsk und der Schutargardau dis am weitesten vor­geschobenen Posten sein, die von englischen Truppen besetzt bleiben.

Tem Premierminister Gladstons wurde eins von 203 Mitgliedern des Unterhäuser Unterzeichnete Denkschrift überreicht, worin rr gebeten wird, eins Vorlage zu unterstützen, welche dis Ehe zwischen einem Wittwer und der Schwester seiner verstorbenen Frau zulässig machen soll.

Ti- gegenwärtige englische Regierung zählt zwei im Lehramt thätige Professoren zu ihren Mitgliedern. William Harcourt, der Minister des Janeri,, ist Professor des Völkerrechts, und Fawcett, der Generalpostmsister, ist Professor der Nationalökonomie, beide bei der Universität Cambridge. Wie es heißt, beabsichtigen beide, ihre Professuren si»ei,zubehalten und auch ihr Lehramt auszuüben. Das Kvllegienles-n beschränkt sich indessen auf ve.haltriißmäßig wenige Vorlesungen.

London. 10. Juni. In Challemsl-Lacour bekommt England einen wahrhaft republikanischen Vertreter der französ. Np-lblik, was sich den vcn ihr in ten letzten Jahren he'.übergesandten Botschaftern kaum nachsagen luß. Kem einziger von ihnen blieb lunge genug auf seinem Londoner Ptten, um auf ihm recht warm zu werden und dis englische Gesellschaft für sich zu erwärmen. Am allerkürzeste» Leon Say. den nun Challemel- L-cvnr ab lösen soll. Dieser ist ein aufrichtige: Republikaner und vertrauter Freund Gambetta's, dem er seine Beförderung auf de» Londoner Bot- schafteiposten in erster Reihe zu verdanken hat. Daß sie dem Londoner Hofe und anderen hochstehenden Kreisen besonders wohlgefällig sei. läßt sich nach der Köln. Z. nicht behaupten. Ein minder ausgesprochen guter Freund Eon beitas wäre willkommener gewesen.

Türkei.

Ter Engländer Trißam Ellis, welcher vor kurzem eine Reise von Dia: ekir nach Bagdad gemacht hat, beschreibt in einem vou Daily News veröffentlichten Briefe dis schrecklichen Folge» der in jener Gegend herr­schenden Hungersnoih. Ellis bediente sich zu der Ilußruse eines Kaleks, d h. Flosse«, welches von aufgeblasenen Ziegenschläuchen getragen wird. In Mosu fand Ellis die Hungersnoih am schlimmsten. In de» Straßen lagen Leute am Sterben, Mütter verkauften ihre Kinder in die Sklaverei oder zu roch schlimmerem. Erwachsene und Kinder lagen nackend oder zu Skelette» abgeniagsrt haufenweise im Freien, zu schwach, die Fliegen, mit d-nen sts bedeckt waren, von sich abzuwehreu. Dem Tode nahe kleine Kinder wurden von gewerbsmäßigen Bettlern gemierhet und um Mitleid zu erregen nackend in den Bazars ausgestellt. Brod, .welches sonst etwa ü dar Psd. kostete, wurde zu 1 --s verkauft. Zum Glück hatte das FrüdUngswetter eine Art Tiste! hervorgebracht, deren Wurzel eßbar ist. Merlen«)eit um die Stadt herum wurde der Grund danach durchwühlt, und während der Arbeit verschlangen die Leute gierig das in der Nähe wachsende Gras und Unkraut. Einen auffallenden Gegensatz zu der hun­gernden Bevölkerung bildeten reiche Mufti und der Kadi der Stadt, dis nichts von rhr-w gewohnten L-ibessülle und Behäbigkeit eingebüßt hatten und sich keinerlei Mühe gaben, dem allgemeinen Elend abzuhelfen. Die Regierung hatte zwar ang:ordnet, die Vorrathshäuser von Privaten z« öffnen ur-d dss Vorgefundene Korn öffentlich zu versteigern. Da aber die hauptsächlichsten Vorräthe sich in den Händen der Regieruugsdeamten be­fanden, so wurde nur einigen Privatleuten das weggenommen, was sie für sich und die Ihrigen aufgespüchert hatten, so daß sie dem allgemeinen Elend anheimfislen, ohne daß diesem merklich gesteuert worden wäre.

Amerika.

New-Aork. ff. Juni. Der republikanische Präsidentschasts-Eari- didak James A. Garsield stammt von armen Leisten ab. Nach dem Tode des Vaters wurde er Pferdelenker, dann Bootsführsr und Zimmrrmann. Erst spät begann er einig? Schulkenntnisse in einer Dorfschule sich snzu-

eigne», «achte aber bald solche Fortschritte, daß er im Laufe der Zeit zu« Kolleg-Professor avancirte. Am Bürgerkriege nah« er als Oberst bei den Freiwilligen Theil und schwänz sich zum General aus, als welcher er zum Kongreßmitglieds erwählt wurde. Dieser Körperschaft hat ckt seitdem un­unterbrochen angehört. Mit seiner Nomination zum Präsidentschaftskan­didaten der Republikaner sind alle Parteien i» gleicher Weise jetzt einver­standen. Die Republikaner billige« die Nomination Garfields als dar sicherste Mittel gegen die drittens,hl Grants und gegen etwaige imverialistischs Gelüste. Die Demokraten dagegen sind mit ihr einverstanden, weil sie durch die Nomination Garfields mehr Chancen für den Sieg ihrer eigenen Partei erhoffen.

Wie aus Chicago gemeldet wird, herrschte in der Nationa'.konvention wilde Begeisterung, als die Nomination Garfield's zum Präsidentschafts- Kandidaten der republikanischen Partei bekannt gemacht wurde. Die Ban­ner von Massachusetts, Maine, Californien, Vermont, Michigan und anderer Anti-Grant-Staaten wurden entfaltet und um die Delegation von Ohio geschaart. Kapellen spielte« patriotische Melodien, in welche die Zuhörer­schaft emstimmte. Nachdem sich dis Aufregung gelegt, vertagte sich die Konvention bis 5 Uhr. ?lls dieselbe wieder Zusammentritt, stellte sie bei der ersten Abstimmung Chester A. Arthur, der früher Zolleianehrner in Newyork gewesen, zum Kandidaten für die Vizepräsidrntschaft der Ver. Staaten auf. Es gilt als sicher, daß alle Fraktionen der republttanischen Partei bei den W ahlen für Garsield erntreten werden.

Tages.Mcusgkc-rLsrr.

Calw, 13. Juni. Wohl seit langer Zeit hat unsere Stadt keine so zahlreiche Gesellschaft mehr aus ihrer badischen Nachbarstadt Pforzheim begrüßen dürfen, wie die der GesellschaftNebelhöhlr", welche gestern ihren jährlichen Ausflug mit Familien hiehör richtete. Mit Musik a» der Spitze rückte-dieselbe gestern Mittag, etwa 120 Mann stark, mittelst Exlra- zuges hier ein. Nach einer kleinen Erfrischung in dem festlich beflaggter Gasthofs zum Waldhorn unternahm dieselbe unter Führung einiger hiesiger Herreu einen großen Rundgang durch das Georgs»äum, die allseitig be­wunderten städt. Anlagen und den Fe'ftnwsg, welcher in dem Dreiß'schen Saal einen angenehmen Abschluß fand. Um 6 Uhr versammelte sie sich im Gasthof zum Waldhorn zu einem gemeinsamen Abendessen, welches durch eine Reihe vorzüglicher Reden angenehm belebt wurde. (Zu ihrem Be­dauern mußte die hiesige Museumszesellschast die an sie hiezu ergangene freundliche Einladung mit Rücksicht auf -die beschränkten Räumlichkeiten ab- tehueu.) Ln dasselbe reihten sich treffliche Gesänge des gemischten Chors der Gesellschaft und allgemeine Gesänge der originellen Spalterliedsr. bis plötzlich das Signal zum Tanze gegeben und der Speisesaal in einen Tanzsaal verwandelt wurde. Bald drehte sich Jung und Llt im Kreise, während sich eine Anzahl Herren in den Nebenlokalen um den Biertisch schaarte und die heiteren Gesäuge fortsetzts. Nasch entflogen die Stunden und schon um 10 Uhr verließ die Gesellschaft die Stadt wieder, sichtlich befriedigt von dem, was ihr geboten wurde, insbesondere auch von Küche und Keller des Gasthofes zum Waidhorn. Wir können nur wünschen, daß diese liebenswürdige Gesellschaft ihren Besuch bald wiederholen und die in letzter Zeit zwischen Pforzheim und Calw angeknüpften sreundnach- barlichen Beziehungen sich weiter entwickeln möchten.

Leutkirch, 9. Juni. Der Landjäger Doll, der einen bei einer Mefsersffaire in Heggelbach Betheiligten verhaftet hatte, wurde von diesem auf dem Transport angegriffen und unter den WortenHin mußt Du sein" zu erdrosseln gesscht. Der darauf folgende Ringkamps dauerte ziem­lich lange, bis der Landjäger die Oberhand erhielt. Mit verstärkter Bi- deckung wurde der Angreifer ins Grsängniß gebracht

Hall. 11. Juni. Eins auf der Bahnlinie Hall-Gailenkirchen aus- gefundens Leiche ist, wie die weitere Untersuchung ergab, die des Schustsr- gesellen Michael K^arl Fürst von Waldenburg,. Oeyringen. Es hat sich als untrüglich sestgesttllt, daß derselbe den Tod gesucht. In seinem Schreibbuch fand sich folge nde Notiz:Arbeit find ich nicht und fechten

Ui'.h Verlättmssen entgegeugehen."

Karrlme Wild konnte nur m-.t einem Seufzer antworten.

Ihr Verlobter kennt den Tag Ihrer Ankunft nicht?' fragte der Baron.

C. kann mich nur in diesen oder den nächsten Tagen erwarten."

Die Baronin glaubte auch eiwas sagen zu müssen.

Warum meldeten Sie ihm nicht genau den Tag Ihrer Ankunft, meine Liebe?'

Ich hätte es erst gestern oder heute gekonnt; der Brief wäre nach m r bet ihm eingetrofftn "

Cs war so. Die Briefposteu gingen damals langsamer als die Extra­

posten

Es iS Schade, meine Liebs", sagte die Baronin.Ihr Verlobter hätte Sie hier abgeholl. Wir hätten die Freude des Wiedersehens mit Ihnen getheilt."

.etter wir müssen auf diese Freude trinken!" rief der Baron.

Lie Tochter des Wirtbes war gerade im Zimmer.

Mamsell, besorgen Sie uns eine kleine Bowle Glühwein.

Das Maschen ging.

Am Tische setzten sie da« Gespräch fort.

Wann werden Sie morgen bei Ihrem Verlobten eintrefsen können?" I l; höre, daß ich noch drei Stunde» «erde fahren müssen.'

chi? werden einen Wagen von hier nehmen?"

Er war meine Absicht."

wollten schon früh um Füns morgen fahren, um bei Zeiten m Stuttgart einzutreffen. Es dürfte für Sie wohl noch zu früh sein!'

Freilich', sagte das Fräulein.Ich käme dann schon um 8 Uhr an meinem Bestimmungsorte an; ich würee stören."

Sie können sich also recht ausschlafsn, meine Liebe", sagte die Baronin.

Das Fräulein antwortete «icht.

Man hörte in dem Augenblicke draußen ein Posthorn blasen.

Der Baron war aufmerksam geworden.

Eins Extrapost!" sagte er.

So spät noch?' fragte die Baronin.

Es war halb zehn Uhr.

Reisende, welche dis Nacht durchfahren!" bemerkte der Baron.

Er trat doch an das Fenster.

Er war u«ruhig geworden. Die Reisenden, die ankamen, konnten auch die Nacht da bleiben wollen.

Dan» wäre Alles verloren", sagten die Blicke des Mörders der Mörderin.

Rasch die Pferde!" hörte er unten auf dem Hofe eine befehlende Stimme rufen.

Er athmete auf.

Die Tochter des Wirthss trug die Bowle Glühwein in das Zinzmer.

Ihr Bruder Theodor begleitete sie. Er öffnete ihr die Thür, war ihr auch sonst behülflich, indem sie zugleich den Tisch abräumte. Er war auch wohl neugierig. Es war ihm ja schon bald «ach der Ankunft der Fremde» Manches an ihnen ausgefallen.

Runa, die Tochter des Wirthrs, wollte die Bowle auf den T'.sch stellen, an dem die Reisendes ihr Abendbrod verzehrt hatten.

Der Tisch stand in der Mitte des Zimmers; sie saßen noch alle Drei daran.

Tragen Sie es dorthin, bis Sie obgeräumt haben", befahl der Baron dem Mädchen.

Er zeigte auf einen kleinen Tisch, der in der Ecke des Zimmers stand.

Anna trug die Bowle dahin

(Fortsetzung folgt).