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zwischen England und der Türkei flößen ihm den Wunsch ein. dem Sultan und 'einem Volke nützlich zu sei». Ec sei von dem ernsten Wunsche der Sultans 'überzeugt, die allgemeine Wohlfahrt seiner Unterthanen ohne Unterschied der Rasse und Religion zu schützen. Der Sultau wirs auf sein Bestreben hin. die nothweudigen Reformen durchzuführen. De« offiziellen Empfang« folgte eine ha lbstündige Pnvataüdienz.

Tages-Ne uigkeiten.

Nagold, 3. Juni. Mit dem gestrigen Tag ist durch den Einzug vo« 58 Seminaristen, dis in provisorischer Weise in der hiesigen neue» Prävsrandenanstalt untergebracht find, reges Leben in unsere Stadt ge­kommen. Heule folgte die festliche Eröffnung, zu deren Vornahme Ober- konsistonalrath Dr. Burk aus Stuttgarr erschienen war. In zu Herzen gehender Rede sprach er Denen seines Dank aus, die zur Erreichung des nun . langten Zieles beigetragen haben, also insbesondere der Opferwillig­keit :-r Stadtgemeinde, indem er zugleich die Bedeutung hervorhob, welche die Neue Anstalt «ie für unser vaterländisches Schulwesen im Garnen , so auch für di» Stadl Nagold selbst habe. In ernster Weise wurden dann die Zöglinge an ihre Ausgabe erinnert und zur treuen Arbeit und Pflichterfüllung gemahnt. Bei dem sich Hieras anschließenden Festmahl aus . ?r Post wurde in mancherlei Reden und Toasten der Bedeutung des T«v > weiterer Ausdruck gegeben, unter denen wir insbesondere de» von >ekan Kemmler ausgebrachten Hochs auf Se. Majestät den König, den Förderer und Freund alles Guten, sowie der dem Andenken des ver. storv-nen Dekan» Freihofer, dem «ir hauptsächlich das Seminar, wie unser-: neue Kirche verdanken, gewidmeten Gedächtsißworte erwähnen.

Ltu ttgar t. 4. Juni. Eine schwere Heimsuchung wurde dieser Tag: der Familie eines hiesigen Kaufmanns in der Olgastraßr zu Theil. Nach dem Genuß vongestandener" Milch erkrankten unter heftigen Krämp­fen !!Nd anderen Vergistungssymptomen Mutter, Großmutter und zwei Kind-.r derart, daß man für sie das Schlimmste befürchtete. Noch immer sind allesamnit nicht genesen. Der Vorfall ist bei der K. Stadtdirektion a::g< - gt und ein Ueberrest der Milch einer gerichtlichen Untersuchung un terzc-HN worden, wobei ein metallisches Gift nicht vorgesunden worden sein soll; ob auch kein vegetabilisches, wisst» wir nicht. Sonst wird Milch als Gegengift angkweudet und im vorliegenden Falle entfalteke sie solch zer­störende und aggressive Wirkung.

Stuttgart, 5. Juni. In letzter Zeit wurden zahlreiche Bewoh­ner de: Calwer- und Gymnasiumestraße, wenn sis des Abends ruhig in ihren Zimmern saßen, aufs Höchste erschreckt, indem plötzlich kftine Kugeln duro Fensterscheiben flogen und verschiedene Gegenstände, wie öampsn-

>Zloär->. rc., zertrümmert wurde». Ja selbst dem Thurmwächter der Stifts­kirche wurden solche Kugeln in seine ThurMube geschossen. Wenn «och kein rößeres Unglück zu beklagen war. ist das wahrlich nicht das Verottnst der Buben, welche, vermuthlich vo» den Dächern oder Altanen der Hauser, ihren Nachbarn in dis Fenster schießen.

Stuttgart, 5. Juni. Gestern Nachmittag wurde einer D«me M König:bau durch einen jungen elegant gekleideten Mann ein Portemonnaie aus chrer Tasche geflöhten. Dis Dame bemerkte den Diebstahl sofort und mach:» Lärm; der Dieb flüchtete sich und warf das Portemonnaie in dem­selben Augenblick «eg, als er durch «inen rindern Herrn festgehalten «erde» wollie. Der Died entkam.

Notlenburg, 2. Juni. Der Wittwe Sch. wurden gestern Nacht auch in einem zweiten Hopfengarten durch ihren Sohn sümmtliche Stöcke ausgenssen. Bis jetzt ist er nicht gelungen, des ThäterS habhaft zu werden.

Heilbronn, 2. Juni. Ein H erzschlag, endete heute zwischen 8 und 10 Uhr Vormittags plötzlich das Leben eines hiesige» Rentier L. B., als er eben in der Badewanne das erste warme Bad in dieser Saison nehmen wollt?. Frau und Tochter warteten lange auf die Rückkehr des sonst ge­sunden Mannes und schickten endlich, als Leute de» Herrn sprechen wollten, wiederholt in die Bade-Anstalt. Als man dort endlich, ds B. sich immer noch nicht sehen ließ, das Kadinet öffnete, lag derselbe entseelt in der Wanne. Sein Aussehen ließ vermuthen, daß er schon über eine Stund» todt war und nebenbei Las in den Mund eingedrungene Wass»r ihn auch

erstickt hatte. Die herbeigerufensn Arrzte konnten nur konstatirsn, daß Hilfe unmöglich sei.

Markgröningen, 31. Mai. Der ,L. Ztg." wird von hier ge­schrieben: Schon seit mehreren Jahre» grasfirt hier di« Geflügelseuche. Zeigt sich einem Thiers ein Symptom der Krankheit, so ver- endet es innerhalb 24 Stunden ganz sicher, und wenn die Seuche ein- mal in eine« Geflügelstall ausbricht, kommt auch nicht ein einziges Stück davon. Daß der Schaden unter diese» Umständen kein unbeträchtlicher ist, wird jedermann einleuchten. Es wäre sehr zu wünschen, wenn fachkundige Männer geeignete Mittel gegen das epidemische Auftreten dieser Geflügel- seuchs zur Oeffentlichkeit gelangen lassen würden.

Backnang. 3 . Juni. Nachdem der Bitte des Geheimssraths und Generaldirektor« Hrn. v. Dillenius als Staatsdiener um V rsttznng in den Ruhestand entsprochen worden ist, hat derselbe nun auch sein Mandat als LandtagSabgeordnster für unseren Bezirk niedergelegt. Uebrrraschend brachte uns drr heutige Murrthalbots diese Nachricht, in welcher Herr v. DilleniuS diese Erklärung adgibt und von seine» Wählern Abschied nimmt. Im gan­zen Bezirk Backnang wird diese Kunde mit aufrichtigem Bedauern aus­genommen werden.

Jmmendinge», 3. Juni. Nachstehender Vorfall möge zeige», wie schädlich dis sogenannte Herbstzeitlose, welche in das Reich ssr Giftpflanzen gehört, wirken kann. Durch Anordnung des Fürstl. Fürstend. Gatsauf« sehers dahier wurden diese Pflanzen aus den herrschaftlichen Wirsen auS- gezögen und auf Hansen bei Seite geworfen. Eine Frau nahm von diesem

Dürfen einen Korb soll solcher Pflanzen mit nach Hause und warf dieselben dem Vieh als Futter vor. Am folgenden Tage zeigte sich bei 3 Stück Vieh Unwohlsein und in der kommend?» Nacht mußte eine Kuh geschlachtet werde». Nur der angewandten ärztlichen Hilfe ist es zu verdanken, daß die übrigen Thirre gerettet wurden.

Straßburg. Die kaiserliche Generaldirektwn der Eisenbahnen in Elsaß Lothringen beabsichtigt, zur Erleichterung des Besuches der Reichs- Hauptstadt und der daselbst stattfindrnden Fischerei-Ausstellung im Laufe dieses Monats einen Extrazug von Stcaßburg nach Berlin abzulaffen.

Frankfurt, 3. Juni. Wie das hiesige Jntelligenzbl. Witthsilt, soll die große Zahl der von Sachs und Komp. Betrogenen bi» jetzt auch aus de« Grund noch nicht festzustellen sein, weil viele derselben in klsinerk Orten Württembergs «nd Badens wohnen, bis wohin dis Kunde der Flucht der Gebrüder Sachs noch nicht gedrungen zu sein scheine. In dem Bureau drs Konkursverwalters sollen sich manchmal erschütternde Szenen abspiclen. Wie verlautet, hätte der Justizminister sich Bericht über dm Fall erbeten.

> Frank für t, 3. Juni. Einem hiesige» Briefträger, der aus Versehen eisen Hundertmarkschein in's Feue.r warf und-dem er nur gslsug, einige kleine Reste desselben zu retten, wurde dafür von der Frankfurter Bank ein- anderer Hundertmarkschein zu seiner größten Freude ausgefolgt.

Köln, 30. Mai. Ei« Lauer stattete dieser Tage zum Zweck, eine Erbschaft von 12^0 anzutreten, in Köln seinen Besuch ab. Er nahm das Geld in Empfang und begab sich damit in eine Wirtschaft. Der gnte Mann, der sein Glück sicht allein zu Wagen vermochte, machte hier einige Mitteilungen darüber und hatte bald das Vergnügen, daß sich einige Burschen zu ihm gesellten, um seine Freude mit ihr» zu theilen.' Schließ­lich wurde eine Droschke bestellt und der fidrle Bauer sammt seinen 1200 ^ von der gemütlichen Gesellschaft spazieren gefahren. Rach vergnügt verlebtem Tage aber sah er sich plötzlich allein, ohne die guten FrennLe und ohne Geld. Er «achte ei» recht saures Gesicht und er­kundigte sich vergebens nach de« Verbleiben der lachenden Erben.

Berlin, 1. Juni. Die Einwohnerzahl Berlins stellte,sich nach den Ermittelungen des städtischen statistischen Bureaus am Schluffs des ver­gangenen Jahres auf 1,081,230 Köpfe, wovon 1,060,057 auf dis Civil- besölkerung und 21,173 auf das Militär entfallen. Der mittlere Durchschnitt betrug 1,065,360.

Magdeburg, 3. Juni. Der am 1. Juni Vorm, von hier über Boschersleben und Börffum nach dem Rhein abgegangene Schnellzug ist bei Dlnrnrnberg auf freier Bahn entgleist. 2 Personen wurde» fletöotet,

4 schwer, 30 leicht verwundet. E>» Passagier des Zuges schreibt darüber

Karotin« Wild, oder wie sie auf der Reise hieß, das Fräulein, hatte nicht besonders darauf geachtet.

Desto mehr wurde sie überrascht, als auf der zweiten Station die Baronin den Manrel abwarf und darunter in Herreukleidnug erschien.

Die Baronin lachte in ihrer munteren Weise über die Verwunderung des Fräuleins.

Es ist eine Marotte von mir," sagte sis.So sehe ich aus «ir ein hübscher junger Mensch von achtzehn Jahren, und ich entgehe allem dem Zwange, dem eine Dame, auch wenn sie mit ihrem Manne reist, auf Reisen unterworfen rst."

Karoline Wild hatte keine Bedenken darüber. Ein Andere« wollte ihr dann aber doch auffalleu.

Sie fuhren nur bei Tage. Wegen der nicht immer guten Straße konnten sie täglich im Durchschnitt nicht mehr als zehn bis zwölf Meilen zurücklegen. Sonderbar war es dabei. ,daß sie ihr Nachtquartier immer aus einer einsamen, im Walde oder tm Felde gelegenen Poststation «ahmen, niemals in einer Stadt oder auch nur in einem Dorfe. Der Baron hatte das '.?ts so Anzurichten gewußt. Kamen sie des Abends, wenn auch schon etwas spät, auf einer Station in Stadt oder Dorf an, so hatte er regel­mäßig irgend einen Grund für die Weitersahrt zu der nächsten einsam gelegenen Station. Andererseits blieben sie auf einer solchen, wenn sie auch noch bequem die nächste Stadt hätten erreichen können.

Damit stand ein Anderes in Verbindung.

Regelmäßig verließ der Baron bald nach ihrer Ankunft an der Stalion des Nachtquartiers die beiden Damen auf eine Viertel- oder halbe

Stunde. Dan» hatte er nach, dem Wagen sehen wollen, ob er in der Remise gut untergebracht sei; dann habe er mit dem Postmeister über die morgige Tour gesprochen; oder er habe auch nur noch eine Promenade gemacht. Gewöhnlich war er bei seiner Rückkehr in tiefen Gedanken, und die Baronin gab sich sichtlich Mühe, ihn durch allerlei Scherze und Neckereien auszuheitern.

Ein paarmal glaubte das Fräulein auch, des Morgens bei ihrem Er­wachen eine dumpfe Schwere in ihrem Kopfe und eine ungewohnte Er­mattung in ihren Gliedern zu fühlen. Sie hatte ausgeweckt werden müssen, und sie hatte Mühe gehabt, zur klaren Besinnung zu kommen.

Jndeß sie setzte dieß auf die ungewohnte Anstrengung der Reise und achtete mit der Zeit auch auf das Andere nicht sonderlich mehr. Ihre beiden Reisegefährten blieben immer gleich freundlich und höflich gegen sie.

Und doch schwebte Karoline Wild fast in jedem Nachtquartiers ihrer Reise in-großer Lebensgefahr.

Der Baron Lange u«d Frau waren ein Schwindlerpaar, drs auf Verbrechen die Welt durchzogen. Er war hauptsächlich falscher Spieler, gelegentlich aber auch Dieb und Räuber und noch mehr. Seine schöne, gewandte und verschmitzte Frau war unter der Maske der Gutmüthigkeit und Einfalt seine würdige Genossin, die ihm Gimpel «ud Ntchtgimpel als Opfer zuführte oder festhielt, an seinen Verbrechen anch wohl unmittel­baren Theil nahm.

So zogen dis Beiden von dem einen Ende Europa's zu dem anderen, bald unter diesem, bald unter jenem Namen, immer unter einem aristo­kratischen. (Forts, folgt)