Das itakwer Ho<t>««- tkalt erscheint Diensta-, Donnerstag u, Samstag. Rbonnements- preiS halbjährlich 1 80 L, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 L, sonst in ganz Württembg. 2-A 70 L.
alwer Wochenblatt
unä Intekkigenzbkaü für äen Kezir^.
Für Salw abamrtrt man bei der Redaktion, auswärts bei den Boten oder der nächst-« - legene» Poststelle.
^ Die EinrückungSge- bühr beträgt 9 L für die vierspaltige Zeile »der deren Raum.
Nro. 62.
Dienstag, den 1. Juni 1880 .
55. Jahrgang.
L-st-ll«ag-» „»f <Ia, „Eakwer Mocüenbkatt"
für den Monat Juni nehmen sämmtliche Postboten und Poststelle» entgegen und ladet zu solches freundlich ein
Die Redaktion und Expedition des „Calwrr Wochenblatts."
Amtliche Dekanntmachungen.
Calw Floßsperre auf der Enz und Nagold.
Laut Mittheilung des Großh. Bad. Bezirksamts Pforzheim wurde die Floßsperre auf den Flüssen Enz und Nagold im Amtsbezirk Pforzheim auf die Zeit vom 15. Juli bis 15. August d. I. festgesetzt.
Hievon werden die betheiliglen Bezirksangchörigeu hiemit in Kenntniß gesetzt.
Den 30. Mai 1880. ^ K. Oberamt.
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Calw. An die OrtSvorsteher
Behufs Vornahme von ausgedehnteren Terrain R-visianen für die von Seiten des stat stisch-topographischcn Bureau herzustellenden Sektionen der Militärkarte der Deutschen Reich« i» Maßstabe 1: 101.000 werden außer dem Vorstande der topographischen Abtheilnng, de« Herrn Oberstlieutenant P. Finck, dis Topographen Gustav Bechtle, Carl Bolter und Gustav Liebler im Verlaufe dieses Sommers den Bezirk bereisen.
Hievon werden die Ortsvsrsteher unter Hinweisung auf die K. Verordnung vom 26 März 1821, Regbl. S. 155, in Kenntniß gesetzt mit dem Auftrags, dafür Sorge zu tragen, daß denselben in Ausübung ihrer dienstlichen Funktionen keinerlei Schwierigkeiten bereitet werden.
Den 28. Mai 1880. K. Oberamt.
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Amtliches.
Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 27. d. M. den ersten Vorstand der Eisenbahiidirektion Generaldirektor der Verke.hrSanstalten Geheimenrath von Dillenius auf sein Ansuchen wegen durch leidende Gesundheit ^erbeigeführter Dicnstun- tüchtigkcit unter Anerkennung seiner langjährigen treuen und ausgezeichneten Dienste und unter Vorbehalt seiner WledeicmstcUung für den GcnesungSfall in den Ruhestand gnädigst zu versetzen, auch denselben leiner Funklion als außerordentliches Mitglied des K. Gehcimen- raths in Gnaden zu entheben gernhl,
und den Vorstand der Cisenbahn-Bau-Kommissivn Direktor von Böhm zum ersten Vorstand der Eisenbahn-Direktion, ferner den zweiten Vorstand der Eisenbahn-Direktion Direktor von Grundier zugleich zum Voistand der Eisenbahn-Bau-Kommisfion gnädigst ernannt.
Seine Kö,mgliche Majestät haben vermözeHpöchster Entschließung vom 27. Mai dem Präsidenten Or. v. SteinbeiS der CentealsteUe für Gewerbe und Handel die wegen geschwächter Gesundheit erbetene bleibende. Versetzung in den Ruhestand zu gewähren und ihm bei diesem Anlaß in gnädigster Anerkennung inner langjährigen treuen und ausgezeichneten Dienste als Vorstand der CentralsteUe für Gewerbe und Handel, sowie der Kommission für die gewerblichen FortSildungöschulen den Titel und Rang eines Geheimen RathS ,u verleihen in Gnaden geruht.
Von der K. Negierung des SchwarzwaldkreiscS wurde unterm 28. Mai jung Jakob Blaich, Bauer von Hornberg. OÄ. Calw, znm Schultheißen dieser Gemeinde ernannt.
Politische Nachrichten.
Deutsche- Reich
— Berlin, 27. Mai. Sämmtliche Fraktionen beriethen heute di« Kirchen« Vorlage. Die Konservativen nahmen die Vorlage mit d.r Giltigkeitsdauer bis zum eil. Dezember 1881 an. Die Freikonseroativen acceptiren diesen Termin und sind im Großen und Ganze» für die Vorlage mit einigen Aender« ringen. Die überwiegende Mehrheit der Nationalltberale« sprach sich für Ablehnung der wichtigsten Bestimmungen, wie des Art. 4 (Rückberusung der Bischöfe) aus. kine nicht unerhebliche Mehrheit ist gegen Kommisfionsbe- rathung. Der Fortschritt ist einstimmig gegen die Vorlage rmd Kommission«» berathung. Das Lentrum wird sich prinzipiell für Ablehnung der Vorlage erklären, jedoch für Kommissionsberathung stimmen.
— Berlin. 28. Mai. Vor überfüllten Tribünen (auch der Großherzog von Sachsen Weimar befand sich unter de« Zuhörern) leitete im ,Abg. Hause heute Kultusminister v. Pnttkamer die Berathung der Kirchenvorlage ein. Redner will nicht sofort den Einwendungen ' gegen da« Gesetz begegnen, er will nur die Umstände darlegen, «nter denen dasselbe entstanden, sein« Ziele beleuchten. Die Grundlinien des Rechtrzustande« bilden nach wie vor die Maigesetze (hört I), die katholische Kirche müsst sich de« Rahmen der nationalen Gesetzgebung fügen; davon kann und wird Preußen nicht abgehen, darüber hat man in Nom auch keine Illusionen entstehen lassen. Wir verlangen von der Kurie eine weise und verständige Erwägung unserer Vorschläge, aber wir werden uns nicht irre machen lassen durch irgend eine Meinungsäußerung jenseits der Alpen. Die Frage, welchen Gebrauch die Regierung von den Vollmachten machen wolle und wie sie sich deren praktischen Erfolg denke, beantworte ich damit, daß die Regierung zunächst glaubt eine feste Basis zur weiteren Verständigung über konkrete Fälle gewonnen zu habe«. Werden diese Vollmachten versagt, so muß die Regierung sie später bei anderen Parlamenten suchen; sie verliert darüber Z-it und eine jedenfalls werthvolle Konjunktur. Wir bieten die Vorlage an dem Friedensbedürsniß der katholischen Milbürgtr, der Fiiedentliede aller politischen Parteien und der «eiteren Erwägung derjenigen Stelle, von welcher in letzter Instanz das Verhalten der kirchlichen Organe abhängig ist. Wir unsererseils möchten nicht gern vor der Geschichte und unserem Gewissen die Verantwortung übernehmen, irgend etwas zu unterlassen, was unter Wahrung des Ansehens des Staates dazu dienen kann, den inneren Frieden wiederherzustelle». (Beifall rechts.) Erster Redner gegen die Vorlage ist Abg. Falk. Die Vorlage werde von der katholischen Geistlichkeit als ein Erfolg des Kampfes angesehen werden und sie ermuntern, die Oppo-
j sition fortzusstzen. So werde die Folge des Gesetzes nickt die Herbeiführung
Feuilleton.
Die Strafe der Untreue.
Criminalgeschichte von I D. H. Temme.
An einem klaren Oktoberabend, kurz vor Sonnenuntergang, laugte auf dem Posthose ein mit 2 Postpferde« bespannter Nersewageu an, in welche« sich zwei Herren und eine Dame befanden.
Einer der Herren fragte, yb mau hier Nachtquartier erhalten könne. Es wurde bejaht.
Die drei Reisenden verließen den Wagen.
„Zwei Zimmer neben einander", bestellte der Herr, „zu ebener Erde."
Zu ebener Erde waren keine Fremdenzimmer da. '
Ein junges Mädchen, die Tochter de« Posthalters, führte die Fremden die Treppe hinauf.
Der Posthaller war zugleich Gastwirth.
Das Mädchen wies den Fremden zwei Zimmer an, die beisammen lagen und durch eine Thür verbunden waren.
In jedem der beiden Zimmer standen zwei Betten.
„Welches Zimmer wünschen Sie einzunehmen, Fräulein?" fragte einer der beiden Herren die Dame.
„Sie wissen, es ist wir gleich", erwiderte die Dame.
„So werden wir hier bleiben", sa-te der Herr.
Er meinte das Zimmer, in dem sie sich befanden, in da» sie zuerst eingetreten waren.
Die beiden Zimmer waren einander ganz ähnlich.
„Lassen Sie unsere Koffer hereinbringe»", sagte der Herr zu dem Mädchen.
Die Koffer d^r Reisenden wurden hinaufgeschafft.
Es waren zwei, ein größerer und ein kleinerer.
Der kleinere gehörte den beiden Herren.
Der größere der Dame. Er wurde in das Zimmer gebracht, das sie für sich einuehmen sollte. Er war schwer, selbst i« Verhältniß zu seiner Größe.
Die Herren bestellten bei der Tochter de» Posthalters ein gemeinschaftliches Abendessen.
Das Mädchen ließ sie dann allein.
Die drei Fremde» hatten in der Gegenwart des Mädchens wenig gesprochen; durchaus nichts, aus dem man hätte abnehmen können, in welchem Verhältnisse sie zu einander standen.
Sie waren alle Drei wohlgekleidet.
Der eine der beiden Herren war groß und kräftig gebaut. Ec konnte j in der Mitte der dreißiger Jahre stehen. Er trug einen schwarzen Vollbart, i hatte schwarze lebhafte, durchdringende Augen, eine Adlernase. In seinem ! Wesen halte er etwas Befehlendes.
! Der andere Herr war klein, zart, hatte etwas Knabenhaftes, man hätte sagen mögen, Mädchenhaftes. Er schien kaum zwanzig Jahre alt zu sein, j Er war blond, hübsch; ein Zug in seinem Gesichte wollte doch nicht für ihn einnehmen, warum nicht, wurde nicht gleich klar.
Die Dame war eine große, schlanke Gestalt, hatte ein feiner, etwas blasses Gesicht. Sie war eine ungewöhnlich schöne Erscheinung: die offene, ehrliche, treue Gutmütigkeit, die in ihrem schönen Antlitze sich aursprach, nahm doppelt für sie ein.
Wie alle Drei bei ihrer Ankunst wenig mit einander gesprochen hatten, so fand man sie auch später.
Die Wirthttochter war bald nachher wieder bei ihnen erschienen, um mit Hilfe einer Magd die Betten zu überziehen, nud sonst die Zimmer zum Nachtquartier einzurichten.
Alle Drei hatten sich in dem Zimmer der beiden Herren befunden.
Die Verbindun-sthür hatte offen gestanden.
Die Dame und der kleine jüngere Herr hatten stumm am Fenster gesessen und in's Freie geblickt.