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Nro 54.
Dienstag, den 11. Mai L88E>
55. Jahrgang.
Politische Nachrichten.
Deutsche- Reich.
Berlin, 5 Mai. Der Kanzler empfing heute di« Hamburgifchen Ab- geordneten Wolffson und Möring, nahm deren Befürwortung des Stand- punkte» Hamburgs entgegen und betonte, für ihn bleibe die Frage der Ver> fasiung die Hauptsache, worin er seinen Standpunkt für berechtigt halte und nicht ousgebe» wolle. Die zolltechnische Seite soll dagegen weniger stark zu Ungunsten Hamburg« betont worden sei«. Nach der Audienz, von welcher die beiden Abgeordneten sehr wenig befriedigt waren, beschlossen Lasker und Richter folgenden Antrag beim Reichstag einzubringen, der während der heutigen Sitzung bereits zur Unterschrift zirkuline:
„Im Hinblick auf die Namens der Herrn Reichskanzlers in der Sitzung vom t. Mai 1880 erfolgte Mtttheilung, daß der Antrag der preußischen Regierung beim Bundesrath, betreffend den Anschluß Altona's und eine« Theiles der Borstadt St. Pauli an das Zollgebiet, dahin geht-, „den Anschluß eines Thüle» der Vorstadt St. Pauli event. auch ohne Zustimmung der Stadt Hamburg beschlossen zu sehen", erklärt der Reichstag, daß der Wortlaut und Sinn de» Art. 34 der Reichsverfassung die Annahme des bezeichne ten Antrages der preußischen Regierung durck einseitigen Beschluß des Bundesrathes und odne Zustimmung Hamburgs nicht gestatte."
Dieser Antrag ist von den Hamburgifchen Lbgeordnelen nicht mitunter zeichnet.
_ Berlin, 6. Mai. Die Annahme gewinnt an Roden, daß infolge der
Vorstellungen Allonas gegen den Mitanschluß St. Paulas eine technische Untersuchung einer geeignete« Zolllinie, ohne Präjudiz der Rechtsfrage, in Wsstcht genommen ist.
— Berlin, 7. Mai. (Reichstag.) Dritte Berathung des Wuchergesetzes. Schulze-Delitzsch erklärt sich gegen die in dem Anträge des Grafen Bismarck beabsichtigte Einschränkung der Wechsetfähigkeit. Richter erklärt, die Bedenken gegen das Gesetz leie« bei ihm überwiegend. Der Antrag Bismarck beweise, daß die Bestrebungen nach Beschränkung auf dem wirthschafklichen Gebiete noch nicht abgeschloffen seien. Marcard erklärt sich für Beschränkung der Wechselfähigkeit. Windlhorst hält die Beschränkung der Wechselfähigkeit für unbedingtes Erforderniß. namentlich betreff» der Offiziere, Studenten und der Landbevölkerung. Graf Bismarck begründet die von ihm beantragte Resolution ans Beschränkung der Wechselfähigkeit: der Wechsel sei von einem für die Geschäftswelt unentbehrliche« Verkehrsmittel zu ei«em Werkzeuge herabgesunken, wodurch leichtsinnige Menschen sich leicht Geld zu verschaffen wissen. Von der Wechselfähigkeit müssen hauptsächlich Beamte, Militärs, Frauen und kleine Landwirthe ausgeschlossen werden. In namentlicher Ab stimmung wird die Resolution mit 136 gegen 99 Stimmen angenommen. — Das Viehf-uchengesetz wird in dritter Äsung durch unveränderte ,Annahme der Beschlüsse zwe>ter Lesuna erledigt. Lasker's Vorschlag, auch seinen An
trag betreffend die Einverleibung Altona'» und St. Pauli's in das Zollgk
biet auf die nächste Tagesordnung zu setzen, wird abgelehnt.
— Berlin, 7. Mai. In Reichstagskreisen verlautet, daß der hiesige bayerische Gesandte Rudhardt in Folge eine» Auftritts mit Bismarck (der Kanzler soll ibn auf der letzten parlamentarischen Soriee wegen seiner Aenßer- ung in Betreff der Hamburgifchen Frage hart angelaff«« haben) seine Demission gegeben habe; als sei» Nachfolger wird Graf Luxburg bezeichnet.
— Berlin, 8. Mai. Der Schluß der Reichrtagssesfio» ist nun endgiltig ans Montag den 10 Mai s-stgestellt. Für die Zustimmung de« Reichskanzlers hiezu und zu dem darin ausgesprochenen Verzicht auf di« Durchberathung der Steuerentwürse scheint et Bedingung gewesen zu sein, daß der Antrag LaSker, den Anschluß Hamburgifchen Gebiets an den Zollverein ohne Zustimmung Hamburgs für verfassungswidrig zu erklären, nicht mehr ans die Tagesordnung kommt. Der Präsident des Reichstags hat darein gebilligt, und der Reichstag selbst hat am gestrigen Freitag in derselben Weise entschieden. So ist ein Stein des Anstoßes au» dem Wege geräumt, der ganz zuletzt noch Reichstag und Reichskanzler in einen schweren Konflikt halte verwickeln Wunen.
— Hamburg, 6. Mai. Die Bürgerschaft genehmigte in ihrer gestrigen Sitzung mit allen Stimmen gegen riae den Antrag, in welchem sie sich der Rrchlsveiwahrung de» Senats gegen die Einverleibung St. Paulis in das Zollgebiet ohne Zustimmung Hamburg« anschließt und de» Senat ihres vollen Vertrauens zu seiner ferneren Vertheidigung dieses Rechtes versichert. De» Worten eines Redners, daß «au „von schlecht berichteten Mächtigen appelliren wolle an die besser zu unterrichtenden", sowie daß „jeder Deutsche die feste Hoffnung heg», de« Reiches Macht werde dem Rechte jedes Reichsangehörigen zum Schutze dienen." wurde lebhafter Beifall gespendet.
OesierreichUngarn.
Wien, 5. Mai. In Kreisen, die der hiesigen türkiscken Botschaft nahestehen, verlautet mit ziemlicher Bestimmtheit, die Pforte werde erklären, da sie berast sei, der europäischen Forderung entsprechend die an Montenegro zu übergebenden Gebiete nochmals durch ihre Truppen besetzen zu lassen. Za diesem Behufs werde die Pforte auch Verstärkungen nach Nordalbanien senden, sobald sie das dazu nöthige Geld aufzutreiben im Stande sei. Ob jedoch dis Truppen eventuell gegen die Albanesen kämpfen werden, wenn die Letzteren, wie wahrscheinlich, gutwillig da» betreffende Gebiet nicht räumen, wagt mau nicht einmal auf der türkischen Botschaft zu entscheiden.
Frankreich
Paris, 7. Mai. Das Prätende tßSthuw Plouplvns macht sich immer breiter. Er hat sich durch das «Sprachrohr eines seiner getreuen Organe folgendermaßen vernehmen lassen: „Der Prinz steht der Nation zur Verfügung. Wenn das Land di« Republik beizubehalten wünscht, wird er sich damit begnügen, sie zu prästdiren." Wie genügsam ! Sollte aber Frankreich .dem Wunsüe riack Ser Rückkehr zu den imperialistischen Einrichtungen Aus«
Feuilleton.
Enre Jugendsünde.
Roman von Ponson du Terrail.
Freie deutsche Bearbeitung von Hermann Roskoschny.
(Fortsetzung.)
.Und Sie lieben mich nicht, mich . . ."
.Sie sind mir glerchgiltig." erwiderte sie, „aber man hat mich dafür bezahlt, daß ich Sie glauben mache, ich liebe Sie."
„Wer hat Sie bezahlt?"
„Ein Mann, dessen Name ich nicht kenne."
„Wo wohnt er?"
„Hier ... in diesem Hause."
„In welcher Etage?"
„In der ersten."
Gaston schrie auf:
„Das ist ja der Baron de Morlux."
„Ich kenne seinen Namen nicht," wiederholte Bertha; „seine Wohnung kenne ich nur, «eil ich seit heute Morgen dort versteckt war."
„Und er hat Sie bezahlt. . ."
„Ec hat mir 3000 Livre« Rente dafür versprochen."
„Er ist also . . . Ihr Geliebter?"
„Nein "
Sie sprach diese» eine Wort so oWnbar im Ton der Wahrheit, daß Gaston nicht daran zweifeln konnte.
„Hören Sie mich nun an!" sagte er. „Ich lasse Ihnen die Wahl."
Sie blickte ihn ängstlich an.
„Entweder," fuhr er fort, „schließe ich Sie hier ein und hole einen Polizisten, um Sie arretiren zu lassen . .
„Gnade!" ries sie.
„Oder begleiten Sie mich sofort zn dem Mann, der Sie bezahlt hat."
Bertha machte eine Bewegung, die deutlich ihr Entsetzen über diesen Vorschlag verrieth.
„O nein!" rief sie. „Nur das nicht! Ich fürchte mich vor diesem Menschen... er würde mich tödten."
„Ich werde Sie mrtheidigen."
Sie schwankte noch.
„Entschließen Sie sich!" rief er. „Das Gesetz bestraft streng die Betrüger!"
Er ergriff ihren Arm, und sie ließ sich ohne Widerstreben fortführen.
Nach dem Duell mit Olivier war Bertrand br Morlux in seine Wohnung zurückgekehrt.
Das Duell mußte unbedingt von sich rede» machen und Bertrand hielt cS für unnütz, der öffentlichen Meinung Trotz zu bieten, welche jedenfalls kein günstiges Urtheil über ihn fällen würde, da Olivier allgemein beliebt war.
Darum ließ er keine Besuche vor mit Ausnahme Bertha'S, die am Morgen zn ihm kam, das Gesicht mit einem dichten Schleier verhüllt, und die rasch die Treppe emporstiez, da sie befürchtete, erkannt zu werden
Da Bertrand nicht wissen konnte, daß Gasto« in der letzten Nacht das Geheimmß seine» Vaters entdeckt halte, so konnte er anch nicht die Katastrophe vorhersehen, welche zur Entdeckung seine» Betruges führen mußte
Um zehn Uhr ließ er deßhalb ruhig Bertha zu Gaston« Kammer hinaufsteigen. Er hielt es nicht einmal für nöthig, sich in sein gewöhnliche« Observatorium in der Kammer de» Kutscher» zu begeben, von wo er sehen konnte, wa» in Gaston's Kammer geschah, sonder» blieb am Kamin in seinem Fauteuil, sitzen, voll Vertrauen zu der Gewandtheit der falschen Melanie.
Diese hatte ihn kaum verlassen, als Jemand klingelte.
Der Baron verließ sein Cabinrt und ging in den Speisesaal, von wo er zu Gaston's Fenster emporblickts.
Da» Fenster war noch nicht erleuchtet.
„Er ist nicht zu Hause," dachte Bertrand enttäuscht.