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geringeren Prozentsatz. So lange der von der Militärpflicht Befreite unselbstständig und ohne eigene» Einksmmen ist. sind diejenigen, welche zu seiner Unterhaltung verpflichtet sind, auch verpflichtet, die Steuer zu tragen. Es heißt auch da« Gesetz solle schon mit dem 1. Oktober d. I. ins Leben treten. Die» würde voronssetzen, daß er der Reichstag noch in dieser Session erledigen müßte. Träfe dies zu, so wäre e» kaum möglich, die Session bis zum 20. Mai zu schließen, dem Termin, bi» zu welchem die Nachiession des preußischen Landtages ihren Anfang nehmen soll.
— Berlin, 22. April. In der Orthographiefrage ist endlich ein Beschluß des preuß. Staatsministerinms erfolgt, welcher die Angelegenheit für den preuß Staat regeln und einen allmäligen Uedergang zu der Puttkamer'fchen Ver- oidnung anbahnen soll. E« wurde nämlich belchlossen, es bei der einmal erlassenen Verordnung de» Kulturminister?, daß die neue Orthographie in den- Schulen obligatorisch sein soll, zu belassen, dagegen im amllichen Verkehr die alte Schreibweise beizubehalten. Für den Augenblick ist damit allerdings wenig Einheitlichkeit erreicht; indessen hofft man, wenn dir neue Schreibweise sich erst bei der Jugend eingebürgert haben wird, zu der Einheitlichkeit zu gelangen.
England
London, 22. April. Gutem Vernehmen nach hat die Königin das EntlossungSgrsuch Lord Beaconsfields angenommen und den Marquis v. Hartington zur Audienz auf heute nach Windsor eingeladen.
London, 28. April. Hartington geht heute wieder nach Windsor. Standard erfährt: Hartington erklärte der Königin, Gladstone sei fähiger als er. ein Kabiuet zu bilden, welches da- Vertrauen des Unterhauses besitzen würde. Man erwartet die Königin werde heute Gladstone berufen.
London, 24. April. In unterrichteten Kreisen wird versichert, Glad« stone werde Premier und Schatzkarzler, Graf Granvills wahrscheinlich Minister des Auswärtigen werden.
London, 24. April. Gutem Vernehmen nach hat Gladstone die Bild ring des Kabine!« übernommen. Gladstone ging gestern Abend nach einer Konferenz mit Granviüe und Harrington nach Windsor.
Frankreich.
Paris, 23. April. (Deputidtnikammerss Panl Bert (-Radikaler) be> vntrogt. die dem Dienste der religiösen Kulte und dem Unterrichte sich Wid rneuden z»m Militärdienst auf mindestens 1jährige Dauer heranzuziehen. Mehrere Abgeordnete bekämpfen den Antrag als dem Konkordate zuwider- liauttnd, Das Haus beschließt, den Antrag als dringend zu behandeln und überweist denselben einer besonderen Kommission.
Spanien.
Madrid, 22. April. Der päpstliche Nuntius verlangte von Spanien ein Asyl für die aus Frankreich vertriebenen Jesuite». Canovas del Castilo Versprach, einer bestimmten Anzahl ungehinderten Aufenthalt in Spanien. angenommen in den bssklschen Provinzen, zu gestatten.
Asien.
Aus Shanghai wird vom 20. März berichtet: Die aus Prinzen vnd hochgestellten Beamten zusammengesetzte KomMission, welche ernannt wurde um dem vormaligen Gesandten in Rußland Chung How den Prozeß zu »nachen empfiehlt, daß der ehemalige Botschafter bis zum Herbst gefangen gehalten und dann hingerichtet werden solle. Prinz Kung und Li Hung- Chang sind Chung How günstig gesinnt, aber ihre Ansichten werden durch ondere und stärkere Einflüsse am kaiserl. Hof bekämpft. Die allgemeine Stimmung ist gegen den Kuldschavertrag und es herrscht eine kriegerische Neigung vor. In hiesigen Emgeborenenkreisen läuft das bis j tzt noch unbe siätigte Gerücht, daß Chung How sich entleibt und Prinz Kung seine Ent lassung gegeben habe.
Kabul, 23. April Die Vorhut der Division Stewart rückte am 20. d. in Ghuzni ein. Am selbigen Tage griffen 15,000 Afghanen verschiedener Stämme Stewart an, wurden aber mir Verlust von 1000 Tobten zerstreut. Die Engländer hatten 17 Tobte und 115 Verwundete.
Amerika
New-Jork, 21. April. Eine Anzahl Ver. Staaten Artillerieo sfiziere wird demnächst eine Reise durch Europa antreten, um daselbst die in den letzten Jahren auf dem Gebiete des Artilleriewesens stattgehabten Fortschritte in Augenschein zu nehmen.
Tages-Nsuigkeiten
— Calw, 25. April. A»r Veranlassung der K. Centralstelle für Landwirth- schaft hat der landw. Bezirksoerein an den hiesigen Gemeinderath die Bitte gerichtet, es möchte die Einrichtung getroffen werden, daß künftig bei den Viehmärkten das zu Markt gebrachte Lieh, nach Geschlecht und Alter getrennt, in geo rdneten Re ihr n aufgestellt werde. Der G-meinderth hat dieser Bitte bereitwillig entsprochen, und e« wird diese Einrichtung schon am nächsten Viehmarkle am 5 Mai in» Leben treten. Ausserdem Halle der Verein den Wunsch der K. Centralstelle, daß das Markrergebniß unter Angabe des Verkaufspreises pro Ztr. Lebendgewicht in Reichswährung veröffentlicht werden möchte, empfehlend zur Kenntniß des Gemewderaths gebracht, e» konnte aber diesem Wunsche aus finanziellen Gründen nicht entsprochen werden. Dis Marktbesucher werden nun vorläufig auf die neue Einrichtung ausmerksam gemacht, bei der sich, wie nach den Erfahrungen anderer Städte mit Gewißheit behauptet werden kann. Käufer und Verkäufer der ungemein erleichterten Uebersicht morgen wohl befinden «erden, und bei der die Frequenz de» Marktes nur gewinnen kann.
— So oft auch schon in bissen Blättern die Gemeinheit der Gräber- Beraubrr.ng an den Pranger gestellt und den Besuchern des Kirchhofs die Heilighaltung der Denkmäler und ihres von liebevoller schmerzerfüllter Hand gepflanzten Blumenschmuckes ins Gewiss-n geschärft rvocoei» ist, so erneuern sich doch stets die Fälle der empörendsten Rohheit wieder, wie eine Annonce rm heutigen Blatte beweist. Es rst deßhalb mit Freude zu begrüßen, daß der Stiftungsrath, wie wir hören, eine Friedhof- Ordnung ausgearbeitet hat, die nächstens zur Veröffentlichung gelangen und den unberechtigten böswilligen Besuch Vieser friedlichen Stätte, die durch die Schandthaten Einzelner so oft zu einer Stätte des schwersten Aergers wird, nach Möglichkeit beschränken soll. E ne das Publikum selbst ehrende Aufgabe wird es aber se n, zur strengen Durchführung dieser Fried- Hsf-Ordnung nach Kräften mitzuwirken. Nur dadurch kann den Friedhof Räubern, deren Entdeckung und gerechte Bestrafung gewiß im Wunsche aller Guldenkcnden liegt, das Handwerk gelegt werden.
Unterreichendach, 20. April. Eine Verstümmelung des hiesigen Kriegerdenkmals ist in der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag vermuch- lich durch aus Pforzheim zurückkehrende Arbeiter der Umgegend verübt worden. Die abgebrochene Hand der Germania, dis Len Lorbeerkranz trug, wurde am Sonntag früh am Fuße des Denkmals aufgefunden, der Lorbeerkranz war in viele Stücke zersplittert. Der hiesige Krisgerverein hat auf die Auffindung des THLters — neben Zusicherung möglichster Geheimhaltung — einen Preis von 50 M. gesetzt.
— Von der oberen Nagold, 22. April. Ern neunjähriger Schülerknabe zündete vor wenigen Tagen einen Waldkulturbsstand mit sechsjährigen Pflanze» durch ein Zündholz an und eilte mit seinen Kameraden davon, als sie dar Fortschreiten der Fsuermasse nicht mehr zu hemmen vermochten. Eine zufällig auf dem Wege nach Aitensteig sich befindende Frauensperson rief Hilfe herbei, so daß das Feuer rasch gelöscht war, ehe es den angrenzenden Hochwald ergriffen hatte. Immerhin ist '/z Morgen der Kulturfläche zerstört und ein Schaden von 3—400 angerichret.
— Sluttga rt, 23. April. Das N. Tagdl. erhielt von Herrn Ernst Zimmer, Lithograph hier, eine Zuichrift, worin die Red. ersucht wird, eine kurze sachliche Erklärung dahin abzugeben, daß ihm in der Epringer'schen Erbschaftsang-legenheit durch seinen Bruder in Amerika die Nachrichten zu- gingen und daß er seit etwa 4 Wochen im Auftrag der meisten Springer'schen
„Meiner Treu!" dachte Vertrant). „Er wird mich noch lödten!"
Da erinnerte er sich einer Finte, welche er in seiner Jugend von einem Capitän gelernt hatte, und wandte sie an. Ottvier gab sich eine Biöse und empfing rasch nach einander zwei Degenstöße.
Er stieß einen Schrei aus, der Degen enisank seiner Hand und er stürzte zu Boden.
„Diesmal," murmelte Vertrank», sich abwendend, „dürste ich ihn gut getroffen haben."
Ein Name entschlüpfte in diesem Augenblick Olivier'S Lippen . . . Der Name: Melanie!
Daun schwanden ihm die Sinne.
,AuS Liede
„->.«, zu mrr yaven Sie afto frchlen und reiten gelernt?" fuhr
sie fort.
„Ja," erwiderte Gaston.
„Sie wollen also ein Gentleman
werden?"
ich Habs eö gewagt, davon zu träumen."
gibt keine Träume, dir sich nicht verwirklichen lassen." sagte sie
XXII.
Kehren wir nun in die Kammer zurück, in der wir dis falsche Mölarrie de Valbonne verlassen haben.
Bertha Langevin, die gelehrige Sclavin Bertrand's glich Melanie so sehr, daß Bertrand nur in der Stimme einen geringen Unterschied wahrzunehmen vermocht hatte. Aber dieser Unterschied entging Gaston, der die Stimme Mölanie's nur zweimal vernommen hatte.
Er verneigte sich vor ihr und küßte ihre Hand.
Bertha ließ ihre Hand in der seinen und sah ihn zärtlich an:
„Sie lieben mich?" fragte sie.
„Zum Sterben!"
„Nicht zum Sterben." rief sie lächelnd, „sondern um zu leben."
Sie setzten sich.
„Ach," fuhr sie fort, „Sie wissen nicht, wie viele Mühe es mich gekostet hat, Ihnen diese zehn Minuten widmen zu können. Ich bin nicht frei, Man bewacht mich . . ."
Bertha spielte ihre Rolle bewundeknswerth. Sie hatte einen Theil des Vormittag« damit zugebracht, Alles zu wiederholen, was ihr Bertrand einge- prägt hatte.
„Es lächelnd.
Gaston sank mit einem Freudenschrei ihr zu Füßen.
„Ich weiß," sagte er. „daß Sie reich sind . . . aber auch mein Vater besitzt Geld, viel Geld . .
„Wozu brauchen Sie das?" erwiderte sie lächelnd. „Mein Vater stellt mir anheim, wem ich meine Hsnd reichen will."
Bei diesen Worten glaubie Gaston, daß sich das Paradies vor ihm öffne.
Doch Bertrand hatte vorgesehen, daß die Unterredung nicht zu lange währe. Er hatte Bertha empfohlen, sich bald wieder zurückzuziehen, nachdem sie Gaston ein neues Reudez-vouS bestimmt.
„Ich bin heute Abend nur zehn Minuten frei," sagte sie. „Mein Wagen wartet an der Kirchenthüre. Ich muß gehen, doch ich werbe wiederkommen."
„Wann?" fragte Gaston.
„Morgen."
„Zur selben Stunde?"
»Ja."
Sie reichte ihm wieder die Hand zum Kuß und wie er vor ihr auf den Knieen lag, berührte sie seine Stirne mit den Lippen und enteilte rasch.
Gaston hörte das Frou-Fcou ihrer Robe auf der Treppe verhallen. Er eilte an's Fenster und sah sie über den Hof gehen. Als sich das Thor hinter ihr geschlossen hatte, verließ auch er die Kammer.
Als er das Haus erreichte, in dem Melanie wohnte, vernahm er hinter dem geschlossenen Thor das Schnauben von Pferden und hörte, wie ein Diener dem Portier zurirf: (Fortsetzung folgt.)