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Calwer Wochenblatt
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Nro. 45.
Dienstag, den 20. April L88V
53. Jahrgang.
Politische Nachrichten.
Deutsche- Neich
— Berlin, 15. April. Der Buuderratb beschloß, den Antrag Preußen» auf Revision der Geschäftsordnung de« Bunderralhs im Plenum und zwar in doppelter Lesung zu berathcn. — Der Bundesrath hat dem Antrag bei« gestimmt, den Betrag der in Umlauf befindlichen Reickikassenscheine in Ab« schnitten zu 5 von 50 auf 40 Millionen herabzufetzen.
— Zum Lrgebniß der Neichstagsuachwahl im 2. Berliner Wahlkreis (Virchow gewählt mit 8150 gegen Körner, Sozialdem mit 2725) bemerkt die Nat.Ztg. Der erste Eindruck, der sich aufdrängt, ist der. daß die Wohlbetheiligung eine ganz unerwartet schwache gewesen ist. Während vor anderthalb Jahren 28,000 Wähler sich betheiligt haben, war diesmal die Zahl 13.000 nicht viel überstiegen. Die Zahl der Wahlberechtigten wird auf etwa 40,^00 zu ver> anschlagen sein. Demnach hätten weniger als 40 Prozent sich betheiligt. Am stärksten ist der Rückschlag in der sozialdemokratischen Partei gewesen, deren Stimmen von mehr als 7000 auf 280:>, also auf wenig mehr als ein Drittel (3/x) zurückgingen. Und zwar stellt sich das Verhältniß so, daß in den vornehmeren Stadttheileü die Sozialdemokratie besonder« zurückge« drängt wurde, während in den Arbeiterrevieren, in denen dre Partei mehr Zusammenhang hat, die Veränderung sich etwas geringer heraurstellt.
— Das Reichsgericht wird demnächst in dis Lage kommen, einen Schied-» spruch bezüglich einer Streitigkeit zwischen zwei Bundesregierungen zu thun. Es handelt sich dabei um eine Anzahl von Feldstücken, die bei dem Ham» burgischen Torfe Eimsbüttel belegen sind und die „Hohe Rade" genannt werden, und um eine Entscheidung, ob die letztere zum preußischen oder Ham« burgischen Staatsgebiet gehört. Hamburg hatte sich an den BundeSrath ge» wendet, welcher beschlossen hat, da» Reichsgericht mit der Entscheidung zu betrauen, welcher sich dis streitenden Regierungen unterwerfen müssen.
— Berlin, 16. April. (Reichstag.) Bei Fortsetzung der dritten Lesung der Militärvorlage begründet Wmdlhorst zu §. 3 nochmal» den Antrag des EenlrumS auf Befreiung der Geistl.chen von der Verpflichtung der Thrttuah«« an den Hebungen der Ersatzreserve. Der Zusatzsntrag Windthorst's, die jüdischen Religionslehrer von der Ersatzreservepflicht zu befreien, wird mit 185 gegen 11v Stimmen abgelehnt: Der Antrag des Centrums auf Befreiung der Geistlichen von der Ersatzreserv« Pflicht wird in namentlicher Abstimmung mit toi gegen 151 Stimmt« angenommen. Alle übrigen Paragraphen werden ohne Diskussion angenommen. Die Annahme des ganzen Gesetzes erfolgte hierauf in namentlicher Abstimmung mit 186 gegen 128 Stimmen; dagegen stimmen u. a. Lasker, L-chrödec, Bamberger. v. Forckenbeck und Jegel. — Es folgt die dritte Berathung des Antrag» v. Varnbüler-Windthorst betreffs Aufhebung des Flachkzolles. In der Generaldiskussio» befürwortet v. Barnbnler die Annahme des Antrages. In der Spezialdiskussion über §. 1 prorestilt v. Ludwig im Interesse der Landwirthschaft gegen die Aus- Hebung des Flachszolles. Der Antrag wird angenommen und im Anschluß
daran noch ein Zusatz beschlossen, wonach Jute. Manillahanf und Kokosfaser»
zollfrei eingehen sollen.
— Die „Post" plaidirt beute für Einsühruug de» Tabakmonopol«, und beweist unter Berufung auf die Berechnung, welch« der würltemb. Odersinanz- rath v. Moser der Tabaksenquöte Kommission zur Begründung de« Antrages !auf Einfükrung des Tabaksmonopols vorgelegt hat, daß ohne Steigerung der zur Zeit bestehenden Belastung de» Konsumenten der Reinertrag de» Tabaksmonopols den gegenwärtigen Reinertrag der Tabaksteuer von 36—37 Millionen um 77 Mill. Mark übersteigen würde. Das Tabaksmonopol könne zwar iu^ Falle der Noth in Deutschland ungleich höhere Erträge abwerfen, aber auch ohne höhere Belastung de» Konsumenten, ohne eigentltcve Erhöhung der Steuer würde es 7 4 Millionen wehr einbringen als die jetzige Tabakssteuer.
Oesterreich-Ungarn.
Wien. 13. April. Da» amendirte Wehrgesetz ist in den Berathungen der Regierung festgestellt. Die wesentlichste Benderung betrifft die Institution der Einjährig Freiwilligen, insofern auch sie fortan sich zur Loosung zu stellen haben und je nach der gezogenen. Loosnummer entweder iu die Linie oder in die Landwehr, bezw. Honoed eingereiht werden.
Wien. 14. April. Die Meldung der „Neuen Fr. Presse", daß Graf Taaffe seine Entlassung erbeten, ist unrichtig. „Taaffe's Rücktritt würde übrigens die Lage eher verwirren und erschweren, al» klären oder erleichtern. Daß die Linke kein Ksbinet bilden kann, gestehe« heute ihre eigenen Organe zu. Die Rechte ist zum Regieren mit rhrer geringen, überdem unverläßlichen Mehrheit ebenfalls ungeeignet. Jedenfalls erscheint e« unerläßlich, daß da» jetzige Kabinet das Budget erledigt. Die übrigen Entschlüsse sind von der Entscheidung de« demnächst zusammentretenden MinisterratheS, sowie davon abhängig, ob Taaffe noch das Vertrauen der Krone besitzt.
Pest. 15 April. Offiziös verlautet, Gras Taaffe habe erklärt, er werde nach Erledigung des Budget» entweder zurücktreten oder den Reichstag auf» lösen. Letzteres ist wahrscheinlicher
Bilgrad, 16. Lpril. Es fand ein Einfall von Aruauteu in serbische» Gebiet statt, wobei dieselben das Waffen- und Proviantdepot i» Wutschitze erstürmten. Serbien richtete einen energischen Protest nach Konstarttinopel.
Frankreich
Pari», 14. April. Der offiziöse „National" bestätigt, daß neunzehn deutsche Sozialisten aus Frankreich ausgewiesen werden, weil sie neulich eine tumultuöie Zusammenkunft hielten, wo ein Mann, den man mit Recht oder Unrecht für einen Polizeiagenten gehalten habe, hinausgeworfen wurde.
England.
London, 14. April. Aus ministeriellen Kreisen verlautet, daß Lord Beaconsftsld der Königin sofort nach ihrem Eintreffen in Schloß Windsor seine Entlassung überreichen wird. Die Glaubwürdig!, it der Nachricht wird dadurch bestätigt, daß bereits gestern sämmtliche Mitglieder der Kabine!» Anstalten traten ihre Dienstwohnung zu räumen. Die Königin wird am
Feuilleton.
Girre Jugendsünde.
Roman von Po nson du Terra il.
Freie deutsche Bearbeitung von Hermann Roskoschny. (Fortsetzung.)
Und sein Blick sagte
„Ich bin nur Deinetwegen gekommen."
Bertrand verabschiedete sich von dem Marquis, nahm Oliviers Arm und begab sich mit ihm in das Lesezimmer, das leer war.
„Du willst mit mir sprechen?" fragte er.
„Ja", antwortete Olivier.
Er zog den Brief hervor, den Mölanie am Morgen geschrieben hatte, bevor sie zu Pferde stieg.
„Lies!" sagte er, Bertrand den Brief reichend.
Dieser lachte höhnisch, nachdem er ihn gelesen hatte.
„Ich habe Dir mein Wort gegeben, Fräulein de Valbvnns nicht zu besuchen, bevor Du mir den verlangten Beweis geliefert", sagte Olivier.
„Du wirst nicht mehr lange warten müssen."
„AHI"
„Bis morgen Abends." '
Olivier erbleichte.
„Bist Tu Deiner Sache so sicher?" fragte er.
„Vollkommen."
„Also morgen Abends ... wo finde ich Dich?"
„In meiner Wobnung."
„Und was dann?" ^ .
„Lieber Freund," erwiderte Bertrand mit stolzer Miene, „wenn ich etwas verspreche, halte ich es auch."
I Mil diesen Worten verließ er das Zimmer.
Olivier sah ilnn erstaunt nach.
„Entweder ist dieser Mann verrückt", murmelte er, „oder ich bin auf !dem Wege cs zu werden. Es ist unmöglich, daß Melanie nicht das tugend« Hafteste aller Mädchen ist!"
Er verlangte Tinte, Papier nnd Feder.
„Ich habe Bertrand versprochen. Melanie nicht zu besuchen," überlegte er dann. „Aber mehr habe ich nicht versprochen."
Uno er schrieb:
„Meine theure Mälarrie!
Es ist zum ersten Male, daß ich nicht sofort Ihrem Rase folge. Aber bis Montag bin ich ein Gefangener auf Ehrenwort. Erwarten Sie mich daher erst Montag und strengen Sie Ihren Geist nicht zu sehr an, die Ursache meiner Gefangenschaft zu errathen.
Verzeihen Sie Ihrem ergebenen
Olivier."
Nachdem er diesen Brief geschrieben, verließ Olivier den Club und be» gab sich nach Hause. Von dort schickte er seinen Kammerdiener mit dem Brief zu Herrn de Valbonne.
In demselben Augenblick wurde ihm ein Brief gebracht.
Er kam von Herrn von Morlux.
Dieser schrieb:
„Mein weither Gegner!
Du Haft an Fräulein de Valbonne geschrieben. Wie? Ich weiß cs nicht, aber ich vertraue Deinem Wort. Nichtsdestoweniger werde ich mich mit Dir schlagen, wenn die Wette entschieden ist.
Komm' morgen Abend» um. sechs Uhr zu mir . . . dann sollst Du sehen, was Du sehen willst.
Bertrand."
Olivier faßte mit beiden Händen seinen Kopf und rief:
„O, er hat Recht. Mag kommen, was da will, ich werde mich mit