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— Cannstatt, 1. April. Heute starb hier i« 78sten Lebensjahre der Prof. a. D. Dr. Äug. Ludw. Reyschrr, Professor der Rechte in Tübingen 1829—1851; Abgeordneter für Mergentheim 1848—1855, für Stuttgart 1858—1863; Reichrtagsmitglied für Cannstatt—Lndwigsburg—Waiblingen 1870-1872. In einem Nachrufe de» Beob. finden wir die interessante Notiz, daß, als es sich im April 1849 um di« Anerkennung der Reichsverfasiung durch König Wilhelm handelte, die parlamentarischen Männer von damals für eine provisorische Regierung vorgesorgt hatten, welche für den Fall, daß der König die Reichsverfasiung nicht anerkennen sollte, sofort in» Leben zu trete» und zu handeln bestimmt und entschlossen war. In dieser provisorischen Regierung war Reyscher der Besitz angetragen und von ihm unweigerlich angenommen morde». Bekanntlich gab der König nach und die Regierung«- probe blieb dem Professor erspart, der aber dafür später a!» Regierungsrath nach Ulm versetzt wurde, deßhalb aus dem Staatsdienste au«trat und sich der Advokatur widmete.
— Der .Ludw. Ztg.' zufolge fiel am Ostersonntag Abend der Postwagen zwischen Möglingen und Schwieberdingen in den Chausseegraben; dabei wurden mehrere der Insassen durch Scheibenbruch und Stoß, glücklicherweise nicht erheblich, verletzt.
— Tübingen, 2. April. Seit Tübingen eine Garnison hat, war das Verhältuiß zwischen Zivil und Militär immer ein sehr freundliches und es kamen kerne Mißhelligkeiten von Bedeutung zwischen beiden Ständen vor. I» einigen Nachbardorsern hingegen kam e« über die Feiertage zu etl'.che« Exzessen, an welchen sich auch Soldaten betheiliglen. Er ist ja eine bekannte Thotsache, daß es auf dem Lande übel vermerk! wird, wenn Auswärtige, namentlich Soldaten, ihre Augen auf eingeborene Dorfschönheiten werfen.
— Rottweil, 22. März. Der vom hiesigen Schwurgerichtshofe wegen räuberischen Diebstahls zu 1 Jahr und 4 Monaten Zuchtbau» verurtheilte August Ebner von Ebing, welcher mit noch drei anderen an Strafanstalten abzuliefernden Gefangenen heule früh halb 5 Uhr durch zwei Landjäger auf die Bahn transporiirt wurde, benützte die Dunkelheit und dar durch zwei dampfbereitende Lokomotiven verursachte Getöse, seiner Begleitung zu ent» wischen. Obwohl sein Fehlen alsbald entdeckt wurde, konnte man desselben doch bis heute Mittag nicht habhaft werden. Die Handschellen, mit denen Ebner gesiffelt war, wurden auf der Straße vom Bahnhof zur Stadt gefunden; weit dürfte er nicht kommen, da er SträflingSkteidung trägt.
— Rottweil. 4. April. Die Küferfamilie Spindler hier, wohnhaft in der Hochmaiengasse, bestehend au« Mann, Frau und 4 Kindern, entging wie durch ein Wunder der Todesgefahr. Das Hau« der Sp-ndler ist an da» des Feldschützea Baier angebaut; die beiden Häuser sind durch eine Stock- wauer getrennt Diese Mauer stürzte heute früh 4 Uhr mit furchtbarem Ge. löse ein und ihr nach die ganze Familie Spindler, und zwar so, daß Mann und Frau mit sammt den Bettstellen kopfüber nachrutschten und auf sie die Kinder zu liegen kamen; ihnen folgten Tische, Stühle. Kästen u. s. w.. so daß die ganze Familie förmlich begraben war. Großer Anstrengung seiten« der Nachbarschaft bedurfte es, da namentlich die Hausthüre und die Thüre der unteren Stube, welche auf den Hausöhru führte, so verschüttet waren, daß durch sie ein Eindringen in das Hau» erst ermöglicht wurde, nachdem erster« eingesprengt worden war. Mit Mühe wurden die Verschütteten her» vorgezogen; wunderbarerweise waren sämmtliche unverletzt, abgesehen von einer unbedeutenderen Verletzung des Spindler am Fuße. Die Baier'sche Familie rettete sich mittelst Seilen aus ihrer exponirten Lage.
— Geislingen, 1. April. Gestern Abend um 9 Uhr kam die Nachricht von einem in Böhmenktrch ausgrbrochenen Brande beim k. Oberamt hier ein. Heute erfährt man nun, daß 5 Gebäude abgebrannt und daß hiebei der gräßliche Unglücksfall vorgekommen, daß 5 Kinder von 3—12 Jahren einer Arbeiterfamilie, welche unler dem Dache ihre Schlafstätte hatten, im Rauche erstickten.
— Pforzheim, 4. April. I» den letzten Tagen find hier Haftbefehle gegen 4 frühere Vorstandsmitglieder des in Folge des Sozialistengesetze« aufgelösten „Ortsverein» der Gewerkschaft der Gold- und Silberarbeiter und verwandter Berufsgenvffen' ergangen. Es sind die» Daniel Lehmann. Ludwig Rühl, K. Werber und K. Stecher, welche s. Z. als Führer der hiesigen Sozialdemokraten eine hervorragende Rolle spielten. Dieselbe» sollen sich ziemlich ansehnliche Beträge aus den Geldern de« genannten Verein« angeeignet und für ihre Zwecke verwendet haben. Die Verhaftung wurde an den 3 Erstgenannten sogleich vollzogen; Stecher befindet sich schon seit mehreren Jahren ln London. Die Unterschlagung soll den übrigen Vorstandsmitgliedern längst bekannt gewesen sein, wurde aber im Parteiinteresse todtgeschwiegea. Die Sache macht hier um so mehr Aussehen, als die betr. Gelder nur durch Beiträge von Arbeitern aufgebracht wurden, welche in dem guten Glauben lebte«, daß der Vereinsvorstand nur da« Beste der Vereinsglieder verfolge.
— Berlin. 3. April Vorgestern war bier nnd in der Umgegend rin
Gewitter; in der Umgegend war dasselbe noch stärker vls hier. Ueber Tempelhof und den Exerzierplatz hatte sich gleichzeitig ein dichte» Hagelwetter entladen, das in den Gärten und Treibhäusern erheblichen Schaden anrichtete. Hagelkörner von der Größe eine» kleinen Vogeleies bedeckten noch eine Stunde nach de« Gewitter den Exerzierplatz, so daß derselbe aussah, als ob er beschneit wäre.
— Berlin soll nun noch Droschken „dritter Güte' erhalten. Dortige Blätter berichten diesbezüglich Folgende«: „Seit einiger Zeit sieht man, de- sonder« in den asphaltirten Straßen, ei« seltsame« Gefährt dahinrollen. Auf dem Vordersitz arbeitet ein« sich auf und uiederbewegende menschliche Gestalt mit Händen und Beinen, um einen oder zwei Passagiere, die den Rücksitz des wunderlichen nach dem Velocipedsystem konstruirten Fahrzeuges einnehmen, vorwärts zu befördern. Eine Firma, Berfertigerin dieser Droschken „dritter Güte,' soll alle» Ernstes beabsichtigen, dieselben als öffentliches Beförderungsmittel dem Publikum zur Verfügung zu stellen.'
Wien, 28. März. Der „Wiener Männer Gesangverein' hat in einer gestern abgehaltenen Generalversammlung einstimmig beschlossen, Mitte Mai über Mainz und Köln nach Brüssel zu gehen, um der Verlobten des Kronprinzen an ihrem Geburtstage (20. Mai) seine Huldigungen darzubringen. Sofort haben sich 120 Mitglieder für die Reise angemeldet und es werden sich also sicher wenigstens ihrer 150 betheiligen. Der in Anspruch zu nehmende Reisefond beträgt stark 9000 fl.
Pesth, April. Aus allen Landestheilen laufen Nachrichten über ausgiebigen Regen und erhebliche Besserung des Saateustande« ein.
— Ge mar, 1. April. Der Geisterseher und Heilkünstler von Türkherm, welcher bei Ausübung seines sträflichen Gewerbes eine hiesige arme, alte Frau als der Hexerei verdächtig bezeichnet und hierdurch derselben arge Unannehmlichkeiten bereitet hatte, wurde von dem Gerichte in Eolmar zur Zahlung einer Geldbuße von 100 Mark oder im Unvermögensfalle zu einer Gefängniß- strafe von 20 Tagen verurtheilt.
Paris, 3. April. Am 1. jApril explodirte in Paris in der Nähe der Schlachthäuser die Dampfmaschine einer Cartonfabrik. Das Haus stürtzte zusammen und begrub unter seinen Trümmern die Bewohner, sowie die eben vorüberfahrenden Wagen und Menschen. Die Zahl rer Verunglückten ist noch nicht ermittelt.
— Au» Man», 1. April wird über das Unglück in der Kohlengrube des Bois de la Hate gemeldet. daß mau erst diesen Mittag gegen 2 Uhr die ersten Opfer, meistens junge Leute, aus dem Schachte dringen konnte. Bi« Donnerstag Abend waren 32 Leichen zu Tage gebracht worden; 9 andere blieben noch in der Grube. Die 44 übrige« Arbeiter konnten sich retten. Man glaubt, baß die Zadl der Opfer 40—42 beträgt.
Handel und Verkehr.
— Tübingen, 2. April. Der Rest der hiesigen städtischen Hopsen mit etwa« über 40 Ctr. ist um den Preis von 106 an ein Nürnberger Haus verkauft worden. Bemerkt wird, daß auch dieses Frühjahr der Verkauf von Hopfenstangen, sowohl ans dem hiesige» als auch aus dem Bahnhof Rottenburg, ganz bedeutend ist, und sowohl die Nachfrage als der Preis deuten darauf hin, daß die Ergänzung der alten Hopfengärten, wie die Neuanlagen mit Eifer betrieben werde».
— Ulm. 16. März. Bericht über den dritten heurigen Pferdemarkt. Dem Markte wnrde» ca. 600 St. Pferde zugeführt, die in besserer Qualität nament lich am zweiten Markttage rasch Abnahme fanden; dieselben nahmen ihren Weg hauptsächlich in der Richtung Rastatt und ms Hessische; Preise unverändert; in Fohlen „zweijährig' wurde mehr gehandelt als auf den letzten Märkte», wenn auch diesmal diese Gattung Pferde weniger stark vertreten war.
— Ulm. 3. April. Mittelpreise pr. Zollclr. Kernen 12 M. 33 Pf. Warzen 12 M. 46 Pf. Roggen 9 M 90 Pf. Gerste Io M. 15 Pf. Haber 7 M. 46 Pf.
— Kirchheim ». T.. 17. März. Nachdem längst vie gegen einige renitente Mitglieder unserer Spar« und Borschußbank angestrengten Prozesse erledigt find, find nun sämmrtiche haftbare Genossenschafter, ca. 320 an der Zahl, auf 31. März vor da» hiesige Amtsgericht geladen, wo ihnen der vom Gericht genehmigte LertheilungSpla» publizirt werden wird. Wie «an hört, haben die Mitglieder arrßer den längst nachbezahltr» 400 eine zweite Rate von ca. 120 --4 inkl. Zin« zu entrichten; ob aber damit eine weitere Nachzahlung ausgeschlossen ist, dürste mehr als fraglich erscheinen.
— Biber ach. 31. März. Mittelpreise. Korn 12 --<4 24 ^ Roggen 10 «14 28 ^ Gerste 10 °K> 5 ^ Haber 7 «14 36
AmerikanischePapiersabrikation. Augenblicklich fabriciren die Vereinigten Staate« »ehr als ein Drittel allen Papiere«, da» überhaupt» auf der Welt heraeftellt wird. Die Production beträgt dort etwa 1830 Tonnen täglich und 640.590 Tonnen jährlich. Es find i« Ganzen 927 Fabriken vor- banden, die «in Gesammtpersonal von 22,000 Köpfen beschäftige».
Amtliche Dekanrrtmachungen.
Revür Liebenzell.
HolzVerkauf
amD onn er« tag, den 15. April, Morgens 0 Uhr, aus dem Rathhau« in Liebenzell au« de«
Staatswald Steinberq bei Liebenzell: 1 Eiche mit 0,15 Festmeter. 3 Weißbuchen mit 0.23 Festmeter. 26 Stück Nadrllangholz Hl. bi« V. Cl. mit 7.18 Festmeter. 7 Sägklötze »it 3.09 Festmrter;
35 Stück weißbuchene Stange»,
2 Rm. weißbuchene Nutzprügel (von 2 Meter Länge); 9 Rm. buchene Scheiter. 88 Rm. dto. Prügel. 120 Rm. Nadelholz- scheiter, 41 R«. dto. Prügel, 17 Rm. dto. Abfall; 21 Rm. buchen» Reisprügel, 980 Stück gebundene buchen« Wellen und zu 210 Wellen geschätzter Schlag» raum. _
Pforzheim.
Fahrniß-VerklUlf.
Au» der Konknrsmaffe de» Handel« gärtuer« Jakob Kr «der ,o> hier,
werden
Montag, de» 12. ds. Mt«., von Vormittag« 9 Uhr an, in dessen Behansung östliche Carl- Friedrichstraße Nr. 92 uachverzeichnrte Gegenstände gegen Baarzahlung öffentlich versteigert:
15 Stück Frühbeetfenster, 16 Stück Frühbertkästen mit 20 Fenster, ca. 3000 Stück verschiedene Tops- und Kübelpflanzen, 12 Stück größere Kübelpflanzen. 1 doppelter Glaskasten mit verschiedenen Pflanzen, 1 Parthie Bretter und sonstige verschiedene Eartengeräthschaften, worauf Gartenbesitzer aufmerksam ge
macht werden
Den 5. April 1880.
Der Konkursverwalter.
G Kramer. _
Srnstmühl.
Am Mont ag, den 12. April. Vormittag« 10 Uhr, werden au« der Brandhalde bei Wirth Handle 85 Meter buchene Scheiter. 3 Meter dto. Spälter. 223 Meter dto.