Stunde verschoben war. Die Explosion, welche vom Erdgeschoß aus, wo die Zentralheizungseinrichtung sich befindet, erfolgte, trat gerade in dem Augenblicke ein, als der Kaiser mit dem Prinzen von Hessen und dem Fürsten von Bulgarien in die eine Thür und die gesammte übrige kaiserliche Familie, mit Ausnahme der kranken Kaiserin, in die andere Thüre eintreten wollten. Die Explosion war dermaßen stark, daß die Gewölbe des Erdgeschoßer, sowie der Wachtstube durchgeschlagen, die Dielen krummgezogen und Tische wie Geschirr im kaiserlichen Speisesaale auseinander geschleudert wurden. Zwei Diener erhielten Verletzungen. Die Kraft der Explosion bewies auch die große Zahl der zersprungenen Fensterscheiben am Winterpalai« und den Nachbarhäusern am Newaquai. Da durch den Luftdruck das Gar ausgelöscht war, so herrschte vollkommene Finsterniß. Der Kaiser bewahrte volle Geistesgegenwart.
St. Petersburg, 20. Febr. „Golos* meldet: Die Dynamitladung, welche die Explosion verursachte, befand sich unter der Palaisvachstube i« Kellerraum. wo eine von vier Tischlern bewohnte Tischlerwerkstatt war. Drei Tischler sind in Gewahrsam genommen, der vierte ist verschwunden. Die Dynamitladung wird nach den angerichteten Beschädigungen auf 4 Pud (64 kx) geschätzt Das Winterpalais und die anderen Palais und Kronge, bände werden von dazu beorderten Sappeurs genau untersucht. Heute findet die Beerdigung der bei der Explosion Getödteten oder an ihren Wunden gestorbenen Soldaten der finnländischen Garderegimeuls statt. Die Gesammt- zahl der Getödteten beträgt 10. darunter ein Palaisdiener; verwundet find 47 Soldaten und ein Palaisdiener.
In einem der „Nat. Ztg * über Wien zugehenden, „aus besonders zuverlässiger Quelle- stammenden Privat-Telegramm wird de» auffallenden Umstandes Erwähnung gethan, daß der Offizier, welcher an dem verhängniß- vollen Tage im Winterpalais die Wache hatte, verschwunden, und weder unter den Tobten noch unter den Verwundeten zu finden sei.
Wie man erzählt, ist dem Fürsten von Bulgarien, der sich in St. Peters» bürg aufhält, aus der Reise von Sofia nach Rustschuk die Hälfte seines Reisegepäcks gestohlen worden. (Hiedurch erklärt sich vielleicht, so meint die „Köln. Ztg.", der Umstand, daß der Fürst, wie aus Petersburg gemeldet, beim Diner zu spät erschien und dadurch die Ursache wurde, daß auch die kaiserliche Famtlie etwas später, als festgesetzt war, sich in den Speisesaal begab.)
Rumänien
Bukarest. 20. Febr. Heute Mittag empfing der Minister des Aus« wärtigen die diplomatischen Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Englands und nahm die die Unabhängigkeit Rumänien« anerkennende identische Note derselben entgegen. Sodann theilte der belgische diplomatische Agent dem Minister des Ausw. die Bereitwilligkeit Belgiens zur offiziellen Anerkennung der Unabhängigkeit Rumäniens mit. Nachm, überreichte der britische Vertreter White dem Fürsten in seirrlicher Audienz seine Beglaubignngs chreiben.
Tages-Reuigkeite«.
— N a g.o ld, 20. Febr. Noch einmal haben wir einen Fleischabschlag zu verzeichnen, indem gestern drei Metzger, und zwar nicht die geringsten, da» Rindfleisch zu 36 L, das Schweinefleisch zu 48 ^ ausschellen ließen. Das Publikum läßt sich natürlich solche Conkurrenz gerne gefallen, nur glaubt es, Laß Pilatus und Herode» nur zu bald wieder Freunde werden würden.
— Stuttgart, 21. Febr. Se. Maj. der König, der hohe Protektor der Württ. Landesgewerbeausstellung 1881 hat sich an dem Garantiefond» derselben mit der Summe von 50,oOO betheiligt. — Der Herr Staatsminister des Innern v. Sick, der selbst seit einigen Tagen von leichtem Unwohlsein befallen ist, ist durch einen schweren und schmerzlichen Verlust betroffen worden, indem seine Gattin Ottilie, geb. Sigel, in einem Alter von 54 Jahren heute Nacht nach kurzer Krankheit einer Lungenentzündung erlegen ist. — Heute Nacht wurde bei Kaufmann Rosenstock in der Hirschstraße eit» EinbruchSdieb»
stahl verübt und an Geld und Maaren ein Gesammtwerth von ca. 2000 entwendet.
— Bühlerthann, 20. Febr. Heute wurden die Frau und dir Schwester des Bauern Schwager in ihrem Hause ermordet gesunden; einiges Geld wurd» geraubt. Man vermuthet den Thäter in einem Handwerksburschen.
— Ulm, 18. Februar. Ein Wirth, welcher einem Soloateu zur Fahnen» flucht behilflich war, demselben drei Tage in seinem Hause ein Versteck ein« räumte und Civilkleider verschaffte, wurde heute früh, dem „U. T." zufolge, !mit 7 Beihelfern verhaftet und in da» Amtsgefängniß abgeliefert.
! — Ulm, 20. Febr. Ueber einen Mordanfall in Offenhausen berichtet da» „Ulmer Tagbl.": Die Tochter des Bürgermeister« Nuffer von Offenhausen, ein hübsche» Mädchen von 22 Jahren, verließ vergangenen Freitag Abend nach 6 Uhr da« Wohnzimmer, um in den Stall zu gehen. Kaum war sie hinaus getreten, sprang ein Verlarvter auf sie zu, versetzte ihr einen Schlag auf die Brust, so daß sie zu Boden sank, legte ihr eine Zuckerhutschnur um den Hals, zog die Schlinge zu und entfloh. Nach einigen Minuten fand die zufällig hinzugekommene Dienstmagd da» Mädchen starr und leblos am Boden liegen. Auf ihr Geschrei kam sehr rasch Hilfe herbei: der Vater, der nicht zu Hause war, wurde gerufen, nah es gelang, die Ohnmächtige wieder zu« Leben zurück zu rufen. Doch erst seit zwei Tagen befindet sie sich außer Gefahr. Am Abend zuvor war da« Fenster in der Kammer des Mädchens eingeworfen worden. Auch waren Drohbriefe grschriebe» und versandt worden.
— München, 1^. Febr. Von der Spitzeder hört man jetzt, dieselbe habe sich bereit» wieder ganz wohl'eingerichtet gehabt. Sie hielt sich eine Gesellschafterin und Bediente, amüfirte sich «it Luxushunden, kur; lebte auf großem Fuße und auf Kosten der leichtgläubigen Thoren, welche durch den ersten Krach noch nicht gewitzigt waren. Bei der Haussuchung fand man Quittungen von zwei kleineren Münchener Zeitungen, die sich gegen ansehnliche Summen verslichtetcn, nichts über sie oder vielmehr gegen sie zu schreiben. Bei dem Zustand der Münchener Presse ist das nicht verwunderlich.
— München, 19. Febr. Vorgestern wurde hier ein äußerst, rasfinirter Einbruchdieb von Württemberg sestgenommen, welcher in der Weise manipu- lirte. daß er von Augsburg au« jedesmal mit dem Frühzuge hiehec reiste, während der Mittagsstunden in verschiedenen Gasthäusern die Magdkammern plünderte und nach vollbrachter That eiligst nach Augsburg zurückkehrte. Derselbe ist geständig und auch von seiner Heimath au» steckbrieflich verfolgt.
— Würzburg, 17. Febr. Heute fand vor dem Militärbezirksgericht un'er dem Präsidium de» Generallieulenants Freiherr« v. Horn Verhandlung gegen den Sekondelieutenant Eduard End von der 8. Kompagnie de» 4. Infanterieregiments, 25 Jahre alt, gebürtig aus Wunsiedel» wegen Mißbrauch» der Dienftgewalt statt. In einem Fall» gab Ead dem Rekruten Amberger, der wegen Entkräftung eine Laufübung nicht fortsrtzen konnte, einen Tritt auf den Unterleib, in Folge dessen Amberger mehrere Tage Schmerzen an der linken Seite hatte. I» einem andern Fall ließ End seine Mannschaft im Kasrmatten- kowpagniezimmer bei 12 Grad Kälte Freiübungen machen mit de« ausge sprach-nen Zweck, dieselben zum Schwitzen zu bringen. Wegen des zweiten Falles lautere das Urtheil auf Freisprechung, wegen de» ersten als eines militärischen Verbrechens des Mißbrauchs der Dienstgewalt durch Mißhandlung Untergebener auf 4 Monate Festungshaft. Von der Dienstentsetzung wurde abgesehen.
— Bam bepg, 16. Febr. Diesen Morgen durcheilte eine wahrt Schreckenskunde die Stadt. Der Wirth zum rothen Hahn, ein gewisser Burgis, hat gestern dem „Fr. K." zufolge kurz nach Mitternacht mit einem doppelläufigen Terzerol seine Schwiegermutter erschossen, dann mit der gleichen Waffe We«b und Kind bedroht und nach einem verfehlten ersten Selbstmordversuche seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht. Es verlautet noch nichts Be« stimmte« über die Motive zu dieser grausigen That, die wohl im halb besinnungslosen Zustand, in Folge unmäßigen SchnapSgenusseS, begangen wurde.
— Köln, 19. Febr. Ein junger Mann von hier, welcher sich gegenwärtig in Straßburg aushält, hatte dort verschiedene Wechsel ausgestellt. Einer der- selben wurde von einem Straßburger Bankier dem Vater des junge» Manne»
„Ah l* rief er. als er vor dem Vater la kluis stand, mit fremdländischem Accent, „darf ich Sie bitten, mir etwas Feuer zu geben."
Er zeigte dabet auf seine Cigarre.
Al» aber die zwei oder drei Personen, welche vor Vater la kluis des Weges kamen, sich einige Schritte weiter entfernt hatten, fügte er halblaut «nd in gutem Französisch hinzu:
„Sie brauchen mich?*
.Ja I'
„Wo? Und wa»n?"j
„Kommen Sie »m acht Uhr in die Ehamps Elysöe«, in die Avenpe Gabriel.*
„Ich werde dort sein*
Er gab die Eigarre zurück und sagte laut:
„Ich danke Ihnen . . .*
Der falsche Engländer entfernte sich und auch der Vater !a kluis verließ nun die Rue de Rivoli und begab sich in da» Palais Royal, wo er bescheiden für. vierzig Sou» dinirt».
X.
„Nun, «ein Kind.* sagt, au demselben Abend Herr de Valbonette zu feiner Tochter.
Mölanie blickt« ihren Vater lächelnd an.
„Du weißt, lieber Vater.* sagte sie, „daß ich mich ein wenig nach unserer früheren Wohnung sehne. Wir wohnten so bequem in der Rne d'Astorgl Da aber der Aufenthalt hier nur ein provisorischer sei» soll «nd wir überdies bald auf Reisen gehen werden, will ich diese« Uebel »it Gednld ertragen."
„Und Deine Geduld wird belohut werden» »eiue gute Mölanie,* erwiderte der vanquier, „den« ich will Dich mit einem Palais überraschen.*
„O, da« hast Du mir schon gesagt. Aber wo wird das Palais pehejn?
Hast Du einen paffenden Platz gefunden?"
„Mein Architekt hat heute srüh einen entdeckt und morgen wird Alle« abgeschlossen sein."
„Und wo liegt der Platz?"
„In der Avenue" Gabriel, in den Champ» Elysöes ... Es soll ein Wunderbau «erde»! Um eine Fee wie Du würdig zu beherbergen, kann er nicht schön genug sein.*
Und der Herr de Valbonette ergriff mit beiden Händen che» blonden Lockenkopf seiner Tochter und küßte sie zärtlich.
Mölanie schlang ihre Arme um den Hals de« Vater«.
„Du bist der liebenswürdigste und beste VaterI* sagt- sie.
„Wenn Du davon sprichst, daß ich heirathen soll? Gibt es einen aufmerksameren, zärtlicheren Man» als Dich?"
„Aber ich werde nicht immer an Deiner Seite sein, «ein holder Engel.. .*
„Bah l* unterbrach ihn Melanie. „Dn bist »och so jung wie ich. Weißt Du nicht*, fuhr sie fort, „daß man uns für Bruder und Schwester hält, wenn man uns neben einander im Wagen steht?"
„Und ich bin 49 Jahre alt . . . Was willst Du heute Abend Ihn»?*
fragte er plötzlich.
(Fortsetzung folgt.)
Zur Lotteriechronik.
Frau R. entlief ihre» betrübten Gatten. Dieser hatte eine« kostbaren Einfall. Er machte bekannt, daß er 50,000 Rk. in der Lotterie gewonnen habe und stehe — am nächstfolgende« Tag» kehrte der schöne Deserteur in die Arme de» Gatten zurück. — Ein niedlicher Backfisch gewann ein großes Hinterlader Gewrhr in der Lotterie. Als «an e» ihr überreichte, fragte sie: „Bekommt man nicht gleich einen Soldaten mit dazu?*
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