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Nro. 6.
Donnerstag, den 15. Januar L 88 O.
^ 55. Jahrgang.
Zur gefälligen Beachtung.
Dcb* Wir sehen uns veranlaßt, wiederholt ^darauf aufmerksam zu machen, daß Annoncen nur dann Aufnahme in das am Abend ihrer Aufgabe erscheinende Blatt finden können, wenn sie v o r N Uhr tibergebe« werden. Größere Artikel oder Bekanntmachungen wollen gef. einen Tag früher eingefchickt werden.
Keäalltion A Expedition lies „Eakwer Mockrenbkatts".
Pvtitische Nachrichten DeutfckeSReiÄ»
— Die Berufung des Reichstags ist für die erste oder zweite Febrnorwoche mit Sicherheit zu erwarten. Wahrscheinlich wird, falls cs zu einer Nachsession für den preuß. Landtag kommen sollte, der letztere bald nach Zusammentritt des Reichstags vertagt. Man nimmt an, daß die Reichstagssession bis Ostern (Osterfest am 28. März) dauern wird.
— Berlin, 10. Jan. Eine offiziöse Befürwortung des Entwurfs über zweijährige Etats- u. s w. Perioden hat in parlamentarischen Kreisen das größte Aufsehen gemacht, weit durch fie jetzt in einen bis dabin zweifelhaften Punkt Klarheit gebracht worden ist. Es steht fest, laß die Regierung durch den besagten Entwurf sich d e Befugniß verschaffen will, Reichstag und Land» tag nichr mehr wie bisher in ein und demselben Jahr«, sondern jede der parlamentarischen Körperschaften nur olle zwei Jahre abwechselnd zu berufen
— Berlin, 10. Jan. Dis staatsanwaltlichen Untersuchungen über daS Zwickauer Grubenunglück, welche nunmehr zum Abschluß gelangt sind, haben festgcstellt, daß wegen Mangels einer nachweisbaren Verschuldung der Direktoren des Brückenberg. SternkohlenbamVerews eine Pflicht, die Hinterbliebenen der Verunglückten gemäß §. 2 des NrichsbaftpflichtgesetzeS zu entschädigen, nicht obliegt. Dis Opfer sind todt, sie können nichts aussagen, und es ist so gekommen, wie bei der Berathung des Neichshafipflichtgesktzcs Fachkenner vor> uussagten, daß namentlich bei Massenverungsslckungen sich eine Verantwortlichkeit der Direktionen so gut wie niemals werde Nachweisen kaffen. Die Wittwen und Weisen der Bergleute sind auf die öffentliche Wohlthätigkeit angewiesrn.
Oesterreich Ungarn.
Wien, 10. Jan. Die Presse veröffentlicht eine montenegrinische Nund- note und ein Memorandum vom 26. Dez. Letzteres erbebt gegen die Pforte
! den Vorwurf systematrlcher Verschleppung und der planmäßigen Aufwiegelung
j der Albanesen, sowie der Zweideutigkeit bei den Unterhandlung«! und schiebt ihr die SLuld zu für die jetzige akute Form des Streitfalls, welcher Monte» jNegro durch die Nöthigung, eine das Fürstenlhum erdrückende Truppenmacht junter den Waffen zu halten, materiell zu ruiniren drohe. Montenegro bean» spruckt hiefür dem Mmorandum zufolge 2 M>ll. Fr. Entschädigung und verspricht vorläufig das vertragswidrige Verhalten der Pforte und den Friedensbruch seitens ihrer Unterthanen nicht als Kriegsfall oder Anlaß eines Bruches ! anzuseben, verlangt aber von den Vertragsmächten energische Abhülse.
Wien. 12. Jan. Im auswärtigen Ausschuß der ungarischen Delegation erklärte Baron von Haymerle, er sei über den Zusammenstoß der l Albanesen mit Montenegro ohne offizielle Kenntniß . die Lage sei bedenklich, die j Aufregung der Libanesen groß. Die bosnisch herzegowinische Grenze sei jedoch von ! den Kämpfen so weit entfernt, daß keine Sicherungsmaßregeln erforderlich seien.
Frankreich
Paris, 10. Jan. In diplomatischen Zirkeln wird ein — wir wissen nicht mit welchem Recht — dem Fürsten Bismarck zugeschriebenes Wort über -den Antheil Gambeita's an dem Sturze des Ministeriums Waddington ver« j breitet. Danach hätte der Reichskanzler bei Eintreffen der bedeutsamen Nachricht sich dahin geäußert: „Herr Gambetta hat sich als großer Organisator erwiesen; ich fürchte, daß er nun auf dem Wege ist, den Zerfall der französischen Republik zu orgapisiren."
England
London, 10. Jan. „Reuters Bureau" meldet aus Kabul roar 9. d.: General Roberts versicherte m einer Rcde zu afghanischen Häuptlingen, die englische Negierung wünsche das Leben, das Besitzlhum und die Religion der Afghanen zu achten
Feuilleton.
Eine Jugendsünde.
Roman von Ponson du Terra! l.
Freie deutsche Bearbeitung von Hermann Roskoschny.
(Fortjetzuiig.)
Sein Kammerdiener trat ein.
„Was gibt's?" fragte Hemi mit unsicherer Miene „Was wollen Sie schon wieder? Lassen Sie mich doch ungestört meinen Vater beweinenI"
„Es ist ein junger Mann da. der den Herrn Baron sprechen wollte, und nun, da er das Unglück erfahren hat, ohnmächtig geworden ist", berichtete der Diener.
„Was jagen Sie?"
„Er hat nach Herrn de Valbonne gefragt. Der Portier glaubte, daß er Sie meine, und hat mich gerufen, um ihn hinaufzuführen. Auf der Treppe aber sagte er zu mir: Sie wissen doch, daß ich mit dem älteren de Valbonne sprechen will? . . . Ich sagte ihm darauf, was vorgefallen ist."
„Und er wurde ohnmächtig?" fragte Henri ängstlich.
„Ja!"
„Hat er gar nichts gesagt?"
„Er erholte sich sehr rasch und dann fragte er nach Ihnen."
„Und? ... Ist das Alles?" fragte Henri zitternd.
„Io!
„Wie sonderbar I Führen Sie ihn herein ... cs ist vielleicht ein armer Teufel, dem mein Vater zuweilen ein Almosen gab."
„Es wird so sein", sagte der Kammerdiener. „Er scheint sehr arm zu sein."
Diese letzten Worte übten einen entsetzlichen Eindruck auf Henri de Val Könne aus.
Sein Gewissen regte sich schon, als er hörte, daß sein Bruder ohnmächtig geworden sei; aber die Erklärung, daß er arm sei. verhärtete wieder sein Herz.
In den Augen der Reichen ist Armuth fast einem Verbrechen gleich.
„Niemals, niemals", sagte sich Henri, „werde ich diesen Menschen als meinen Bruder anerkennen. Ich werde ihm eine Hand voll Goldstücke geben, um seinen Hunger zu stillen. Das ist genug I. . . Mein Gott I wenn er nur nicht meinem Vater ähnlich istl . .
Während er diesen Plan entwarf, sah Henri die Thüre sich nochmals öffnen, uud einen blaffen, mageren jungen Mann einlreien, es war Joseph
! Loriot. der Zug für Zug -einer Mutter glich und durchaus kerne Aehnlechkeit
>mit dem verstorbenen Bar.quier hatte.
! Henri athmete erleichtert auf.
- Der junge Mann trat langsam näher und begrüßte Henri de Valbonne ! ehrfurchtsvoll
! „Was wünschen Sie. mein Freund?" fragte ihn dieser.
„Ach, mein Herr", erwiederte Joseph, „darf ich nach dem Schlag, der Sie ! getroffen hat, es wagen, Sie um eine kurze Unterredung zu bitten?"
Er sah sich nach dem Kammerdiener um, der noch immer in der offenen Thüre stand.
„Baplist". sagte Henri, „lassen Sie uns allein!"
Der Kammerdiener zog sich zurück „Nun?" fuhr Henri kort. Was wünschen Sie von mir? i „Mein Herr" , begann Joseph Loriot mit matter Stimme, „Sie habe«
> Ihren Vater verloren .... und ich komme, um Ihren Schmerz zu theilen."
„Sie?" rief Henri mit stolzer Geringschätzung. Was berechtigt Sie dazu?" „Ich", -stotterte der junge Mann ... hat Ihr Vater Ihnen nicht von mir erzählt. . . bevor er starb?
„Daß ich nicht wüßte! . . . Wie heißen Sie?"
> „Joseph Loriot."
„Ich höre diesen Namen zum ersten Mal."
„Wein Gott!" rief der junge Mann, das Gefickt mit den Händen be- l deckend. „Sie wissen also nicht, wer ich bin? fuhr er fort, die Hände flehend gegen Henri de Valbonne ausgestreckt.
„Sie nannten mir nur Ihren Namen. Dos ist Alles, was ich weiß . . „Ich bin Ihr Bruder!" rief der junge Mann, dessen Aufregung auf da» Höchste gestiegen mar.
Henri de Valbonne sprang aus. stieß ihn hastig zurück und rief:
„Sie sind ein Betrüger!"
Er griff nach der Klingel, l Joseph Loriot fiel auf die Kniee.
„Um Gottes willen, um Ihres Vaters willen, kringeln Sie nicht! . . . hören Sie mich erst an! ... . Gönnen Sie mir nur eine Minute, eine einzige Minute! Ich schwöre Ihnen, daß ich kein Betrüger bin!"
„ES wird Ihnen schwer werden, mich vom Gegentheil zu überzeugen» sobald Sie behaupten, daß Sie mein Bruder sind", bemerkte Henri. „Ich war stets der einzige Sohn. Doch, ich will Sie anhären . . .
Er stellte die Glocke wieder auf den Tisch, ohne g» klingelt zu haben. (Fortsetzung folgt.)