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— Ulm, 13. Nov. Daß hier ein erklecklicher Quantum Bier »»braucht wird, und die Ulmer in dieser, Hinsicht den Bayern nicht den Vorzug lasse«, daß sie die ersten Biertrinker seien, beweisen folgende Ziffern. In den 6 Gesellschaftsgärten unserer Friedrichsau, dem HauptoergnügungSplatz Ulms, wurde diesen Sommer das Quantum 70,300 Liter Bier (über 230 Eimer) getrunken.
— Bruchsal, 12. Nov. Im Anfänge des vorigen Monats meldete sich in der hiesigen Weiberstrasanstalt eine junge Fraueris > Person, angeblich um eine wegen Körperverletzung gegen sie gerichtlich ausgesprochene mehrwöchrntliche GefängnWrafe anzutreten, und sie wurde so in die Anstalt ausgenommen. Nachdem schon einige Tage umlaufen waren, stellte es sich, wie die „H. Z.' berichtet, heraus, daß diese Person gar nicht die zur Strafe Berurihetlte war, und daß vielmehr sich die17J. alte Tochter der zur Strafe verurtheiltenMutter auf Verlangen des Vaters in der Strafanstalt gestellt und so unter dem Vorgebeu selbst die Berurtheilte zu sein, versucht hatte, die Strafe für ihre Mutter abzubüßen. Ob diese, immerhin von einem Edelmnthe zeugende Handlung als eine etwa strafbare angesehen werden kann, ist zur Zeit noch zweifelhaft.
— Mau schreibt aus Wertheim (Baden): Die Straßenbau- Inspektion Wertheim hat im Laufe der letzten Tage zur Vertilgung der sog. Frostschmrtterlingr (Frostspavuer Oevmetra brumska) an den Obstbäumcn der Landstraßen ausgedehnte Versuche mittest Anwend' ung von sog.Brumataleim gewacht, welche den besten Erfolg gezeigt haben; Tausende dieser gefährlichen Feinde der Obstbäume wurden unmittelbar vor dem Eierlegen vertilgt, wie an de» mit Brumataleim versehenen Bäumen au den Landstraßen zu ersehen ist. (Da die Anlegung dieser schon so oft empfohlenen Leimgürtel bis Ende Dezember von Wirk samkeit ist, so kann dieselbe den Baumbrsitzern nicht oft und nicht dringend genug anS Herz gelegt werden. Vielleicht haben wir in Bälde Veranlassung, einen hier nach einem guten Recepte bereiteten Brumataleim zu empfehlen.)
— Aus München wild ein höchst trauriger Fall von zufälliger Vergiftung mit Chloroform gemeldet. Ein sehr latent« und kennkniß- reicher junger Arzt von erst 25 Jahren, Dr. K., wandte, nachdem er von eine« nächtlichen Krankenbesuch sehr ermüdet nach Hause gekommen und sich zu Bett gelegt, wahrscheinlich um zu baldigem Schlaf zu gelangen, bei sich selbst Chloroform an. Wahrscheinlich, da an eine Absicht in diesem Falle gar nicht zu denken ist. betäubte das Mittel den Unglücklichen früher, als er der Gefahr inne ward und es zu spät war, dasselbe zu entfernen; man fand ihn anderen Morgens todt im Belt mit dem Taschentuch vor dem Gesicht, ein Fläschchen Chloroform auf dem Nachttisch.
— Bingen, 10. Nov. In der frühen Morgenstunde der heutigen Tage- suchte beim Eisenbahnbau ein mit Sprengungsarbeiten beschäftigter Taglöhner auf dem Herde in der Wohnung seines Hausherrn eine Dynamitpatrone, um solche nach seiner eigenen Aussage rascher verwenden zu können, zu erwärmen. Kaum hatte der Leichtsinnige, welcher die gefährliche Wirkung des Dynamits doch kennen sollte, die Patrone auf dev Herd gelegt, als ein furchtbarer Knall ertönte und eine schreckliche Explosion erfolgte. Das zweistöckige Wohnhaus bietet einen traurigen Anblick dar. Sämmtliche Wände und Decken des Hauses vom Keller bis zum Dachstuhle sind beschädigt und zerrissen, die Küche, aus welcher Herd, Mobilien, sowie eine darin befindliche Scheidewand vollständig verschwunden sind, seicht einem Schutthaufen, der Schornstein ist vollständig demolirt, so daß eine eingehende und kostspielige Reparatur des Hauses unaus- bleiblich ist, während der dergestalt geschädigte Hausbesitzer weder von der Versicherungsgesellschaft noch von dem gänzlich unbemittelten Taglöhner auch nur die geringste Entschädigung zu gewärtigen hat. Der Thäter selbst liegt an den schrecklichsten Wunden hoffnungslos darnieder.
— Straßburg, 12. Nov. Die Strafkammer des Landgerichts Straßburg sollte diesen Morgen ihr Urthril über die aufrührerischen Abzeichen eröffnen, von welchem Prazesse wir schon sprachen. Allein der Präsident der Strafkammer zeigte an, zwei Richter hätten sich als zum Urtheil nicht befugt erklärt und so trete der Prozeß in das Stadium var den Vorträgen der Advokaten zurück und müsse die Sache in der Sitzung vom 3. Dezember abermals plaidirt werden. Die daherigen Verzugskosten fallen dem Staate zur Last.
— Aus Thüringen, 12. Nov. Aus Gotha werden wieder zwei Feuerbestattungen gemeldet; gestern ist der Leichnam der Ehefrau eines LebenSverstcherungsbeamten Dietrich aus Leipzig, und heute der der Frau des Feuer-Lersicherungs Agenten Schimon aus Wien verbrannt worden. ES haben somit bis jetzt 14 Leichenverbrennungen stattgefunden.
— Berlin» 12. November. Die mit der Berliner GewerbeauS. stellung verbundene Lotterie hat eine Menge Gewinner nicht befriedigt und wird manchfache« gerichtliche» Nachspiel im Gefolge haben. Louis
Schräder, Teltvwrrstr. 23, gewann auf sein Loo» der hies. Gewerbe- ausstellung den Gewinn Nr. 72, eine Nähmaschine, welche nach der amtlichen Gewinnliste einen Werth von 250 M. «präsentsten sollte. Unglücklicher. — oder vielmehr im Interesse der Wahrheit — glücklicherweise aber lag der Nähmaschine ein Preiscourant des betreffenden Fabrikanten bei, laut welchem der Preis einer solchen Maschine 145 M. beträgt, von denen bet Baarzahlung auch noch 10 pCt. ab« gehen. — Ein unglücklicher Gewinner ist auch der Tischler 8. Ihm wurde bei der Lotterie ein eiserner Geldschrank im Werthe von
1000 M. zu Theil, aber-die Schlüssel fehlten. L. lief von
Pontius zu Pilatus, aber Niemand wußte, wo die Schlüssel hingekommen seien, und der Fabrikant, der .um die Anfertigung neuer Schlüssel ersucht wurde, ertheilte den wenig tröstlichen Bescheid. Nach« schlösset ließen sich überhaupt Nicht anfertigen, der Schrank müsse ausgestemmt werden. L. gedenkt jetzt auf de« Rechtswege die Schlüssel zu erstreiten.
— Berlin, 14. Nov. Wächter des Friedrichshains fanden heute Morgen in dem linken Flügel des neuen Friedrichshains vis-s-vis derElb- ingerstraße den untern Theil eines Sarges stehen, während wenig Schritte davon imGebüsch versteckt der obere Theil und die Leiche eines etwa ein Jahr alten Kindes, dessen Körper in schrecklicher Weise mißhandelt war, lag. Auf dir sofort im 51. Polizeirevier erstattete Anzeige wurde der Chef der Kriminalpolizei, Graf Pückler, telegraphisch benachrichtigt, der denn auch alsbald erschien. Es stellte sich angeblich heraus, daß die Brust und der Unterleib der Leiche geöffnet, und die edlen Theile Herz, Leber und Lunge, aus derselben gewaltsam gerissen, während die Eingeweide frei zu Tage lagen. Die sofort eingcleiteten Recherchen unserer Kriminalpolizei stellten bald fest, daß das Kind dasjenige dein der Fischerstraße 29 wohnenden Schuhwachermeiners Schönberg sei. Derselbe wurde sofort telegraphisch herbeigcholt und rekognoszirte das Kind, worauf er bei dem entsetzlichen Anblick ohnmächtig zusammenbrach. Nachdem er wieder zum Bewußtsein gekommen, gab er an, daß sein 1^ Jghr altes Töchterchen Emma am vergangenen Mittwoch an Keuchhusten und Lungenentzündung verstorben und an dem darauf folgenden Sonntag auf dem katholischen Kirchhof in Weißensee beerdigt sei. Merkwürdigerweise ist unter ähnlichen Umständen im Juli d. Js. von dem katholischen Kirchhof in Weißensee die Leiche eines einjährigen Kindes geraubt und geschändet worden, ohne daß bisher die Thäter ermittelt wurden. Die Motive dieser Frevelthaten sind noch nicht aufgeklärt.
— Berlin, 14. November. Im Abgeordnetenhaus hat sich in den Sitzungen vom 11/13 Nov. eine sehr lebhafte Debatte über die Erwerbung von Privatbahneu durch den preußischen Staat abgewickelt. Nach dem Schluß der ersten Berathung wurde Ser belr. GesetzeSent- w«rf an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen. Die bedeutendsten Redner gegen die Vorlage waren Birchow und E. Richter.
Tilsit, 13. Nov. Die Tilsiter Z. meldet: Der Oberpräfi- drut v. Horn benachrichtigte telegraphisch den hiesigen Magistrat, das Ministerium habe wegen fortdauernder Anstände seitens der russischen Behörde gegen die Tourfahrtm des preußischen Dampfers Falke auf dem russischen Theiie des Riemen das Verbot der Tourfahrten der russischen Dampfer auf 'dem preuß. Theile des Riemen beschlossen; dasselbe sei bereits ergangen.
Oesterreich. In Krain machen sich die Gären wieder bs- merklich. In diesen Tagen wurde ganz in der Nähe der Stadt LaaS eine Bärin nebst zwei Jungen erlegt.
Zoustantiuvpel, 14. Nov. Die Pforte bat um Aufklärung wegen der neuerlichen Abfahrtsordre für die britische Flotte. (Die Nachricht, daß eine solche Obre ergangen sei, wird von der „Times' als unbegründet bezeichnet.) Bei der jüngsten Besprechung des Sultans mit Layard erklärte der Sultan, die Pforte habe ih« die sofortige Einführung von Reformen vorgeschlagen; sein Ansehen würde aber schwer erschüttert, wenn eS den Anschein gewinne, als ob er unter dem Druck Englands handele.
Hopfenpreiszettel.
— Magst adt, 14. Nov. Das Hopfengeschäft beginnt gegenwärtig wieder etwas animirter zu werden, und wird mit Nürnberger Händlern zu stetig steigenden Preisen gehandelt. 150 -A, 160 und 170 c/iL pro 50 Kilo prima Waare. Heute sind sogar 190 »iL geboten worden.
— Rottenburg, 13. Nov. Seit etwa 8 Tagen hat sich im
Hopfengeschäft eine sehr rege Kauflust eingestellt und die Nachfrage sich anhaltend gesteigert, was eine Preisbesserung fast durch all: Sorte» von 15 bis 20 pr. Ztr. zur Folge hatte. Die Notiruugen bewegen sich für Export bis zu 150 für Prima 170—180, für Bräuerwaare bis zu 195 -H, Unsere noch besitzenden Produzenten machen wieder freundlichere Gesichter. .
Vredaktton Druck und »erlag von S. SclschlLger in Sals.