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IrbeuSgefährlich; dir Unglückliche wurde sofort in« Heiliggeist Hospital verbracht, wo sie am Sonntag früh verstorben ist.
— Sisfingen. 28. Juli. Ein Fall von religivsir Unduldsamkeit erregt am hiesigen paritätischen Platze, der durch den Besuch von Kurgästen aller Konfessionen besondere Toleranz beobachten muß, allgemeine« peinliche» Aufsehen. Albert Perger au» Ulm betreibt hier schon mehrere Jahre die Wirtschaft zum zooplastischen Garten. Der Mann litt an Lungenschwindsucht, erhielt den Besuch seiner besorgten Mutter, und diese berief den katholischen Geistlichen, um dem Sohne den Trost der Religion zu verschaffen. Ein Kaplan bquchste ttn Kranken, wollte ihm aber seinen geistlichen Zuspruch und die Reich- uug der Sakramente nur dann angedeihen lassen, wenn er sein einzige« 2Vrlährige« Kind, da« nach der Religion der Mutter evangelisch getauft war, sofort zum Katholiken konvertire. Der Vater weigerte sich dessen, der Kaplan bestürmte die Mutter, und birst s wollte sogar in den Uebertritt willigen, um dem Gatteu die kirchliche«ksolü«<kn zu erwirken; ober der Gatte blieb konsequent, und der Atzt untersagte jeden weiteren Versuch der Proselyienmacherei. In dem Bedrängnisse wendete-sich die arme Frau an den evangelischen Stadtpfarrer; dieser besuchte den Krapfen als Privatmann und wollte jeden konfessionellen Zwist vermeiden. L. Perger starb und die katholische Geistlichkeit verweigerte da» kirchliche Begräbniß. Nun trat aber der evangelische Geistliche in'S Mittel und übernahm da« Leicheubegängniß und den Trauergotte«d!enst. Die Grabrede wird auf allgemeine» Verlangen de« Drucke übergeben. Belm gestrigen SountagsgotteSdienste predigte Stadtpfarrer Wiefinger über den Glauben, die Liebe und die Einig« keit uvd streifte den traurigen Fall von Unduldsamkeit. Die Fürstin Bismarck nnd Sohn waren Zuhörer.
— Berlin, 29. Juli. Der.Boss. Z.* gehen folgende nähere Mittheilungeu zu: Der Geschwaderchef Bätsch soll verurtheilt sei», weil der .König Wilhelm* in zu geringer Distanz vom untergegangene» Schiffe fuhr und weil der Contre Admiral nicht früh genug eingriff, pm die Katastrophe zu verhindern. Er habe zu lange dem Kapitän- Lieutenant Klauie da» Kommando überlassen und vor Eintritt der Gefahr nicht genug Geistesgegenwart und Kalblütigkeit gezeigt. Bätsch, als Oberkommandant für jede Bewegung der Schiffe verantwortlich» hat deßhalb von den Angeklagten die höchste Strafe erhalten. Klausa gab, wie eS heißt, bei Annäherung der Gefahr ganz richtige Befehle an da« Steuerruder ab, allein die Wirkung de» Befehl« trat später ein, al« er in Ansehung der sich steigernden Gefahr wünschte und bei Erneuerung de« völlig angemessenen Kommandos zur Verhinderung der Anrennung de« „Großen Kurfürsten* durch „König Wilhelm" fiel Klausa in dem Bestreben, sich der Mannschaft am Ruder deutlicher zu machen, au« der Schiffssprache heraus. Hierdurch aber trat Verwirrung ein, und das Steuerruder nahm Richtung nach der verkehrten Seite, wodurch der Zusammenstoß unvermeidlich werden mußte.
— Berlin, 29. Juli. Bezüglich der al» Thatsache gemeldeten Einlösung von 5 Mill. Zwanzigpfennigstöcken zur Umschmelzung in 1» und 2-cM-Stvckm schweben allerdings Verhandlungen, die indeß noch nicht zum Abschluß gelangt find.
In der letzten Nacht fanden hier 3 große Feuersbrünste statt. Das sogenannte Retortenhaus auf dem Dresdener Bahnhof, wo Oelqa« zur Beleuchtung der Wagen fabrizirt wurde, ist gänzlich vernichtet, e« war sogar bedeutende Gefahr für die Gasometer, wodurch die ganze dortige Gegend in Aufruhr gerieth. Außerdem war eine verheerende Feuersbrunst im nahen Rixdorf und brannte da« Spritzenhaus im Tempelhof nieder.
— Berlin, 29. Juli. Der Berliner Ballon captif ist gestern Abends bei der Auffahrt in Schöneberg geplatzt. Die Katastrophe welche sich für die Zuschauer im ersten Augenblick furchtbar auSnahm, trug sich folgendermaßen zu. Nachdem Anfangs anhaltender Regen die Auffahrt verhinderte» brach nach 4 Uhr die Sonne durch da» Gewölk, so daß die Füllung des Ballons beginnen konnte. Um 6 Uhr war dieselbe beendet und eS erfolgten nun die Auffahrten. Drei derselben waren, obwohl der Ballon von einem heftigen Wind hin« und hergepeitscht ward, glücklich verlaufen, al« sich bei der vierten Auffahrt, an der vier Herren theilnahmen, um 6 Uhr 35 Minuten die Katastrophe ereignete. Der Ballon befand sich in einer Höhe von ungefähr 33 m, war aber durch eine stacke Südwestbrise in nordöstlicher Richtung abgetrieben und schwebte über einem Garten, al« er platzte und so schnell, »ach unten ging, daß dir auf da« Nothfignal sofort mit Contrehampf arbeitende Dampfmaschine ihn nicht mehr auf seinen Abfahrtsplatz zurvckziehen konnte; vielmehr kam der Ballon im Zickzackfluge zur Erde, blieb aber glücklicher Weise au einem Baume und an eine« Telegraphtndraht hängen. Hiedurch gelangte dir Gondel nicht mit eiuem jähen Sturz, sonder« verhältnißmäßig
sanft zur Erde, so daß stmmtiiche Passagiere ohne ernstliche Verletz» uugrn davoukamen.
— Berlin, 30. Juli. Auf dem Artillerieschiff Renown in Wil«
helmShavru ist rin 24 Centimeter-Geschütz gesprungen; 3 Todte, S Schwerverwundete, 11 Leichtverwundete. ;
— Au« der Anordnung der k. Admiralität zum Vau von 4 Glatt« deckskoroetten und 2 Panzerkanonenbooten scheint hervorzugehen, daß dieselbe den Bau größerer Panzerschiffe, wie Panzerfregotten uqd Korvetten, für die Zukunft nach den eigenen und den Erfahrungen im Wen türkisch-russischen und in dem jetzigen Kriege zwischen Per«, Chili 'und Bolivia ganz anfgegeben hat.
Versailles, 29. Juli. Die Deputirtenkammer Hst den Vorschlag, welcher die Riederlegung der Tutlerien beantragt, angenommen.
Petersburg, 21. Juli. Wie wir den.Hamb. Nachr.* ent» 'nehmen, sind zwei russische Städte mit ausschließlich jüdischer Be« völkerung, Ulion und Prokroi, im Gouvernement Kowno, vollständig abgebrannt und dadurch an. 4000 Menschen obdachlos geworden, aller Habe beraubt und dem Hunger preiSgegebem Ein Lomite, das sich in Memel gebildet, hat einen Aufruf erlassen mit der Bitte um Spendung milder Gaben für die StammrSgenoffen.
Petersburg, 25. Juli. Rach einem vom Ministerium de- Jnnern ausgegebenen Bericht sind im Juni 3501 FeucrSbrünste he- kannt worden. Den durch dieselben verursachten Schaden an Eigenthum schätzt man auf 12 Mill. Rubel. Auf Brandstiftung werden 508 zurückgeführt, 310 auf Entzündung durch Blitz, die übrigen auf Unvorsichtigkeit oder unbekannte Ursachen. — Laut fernerer Mitthül- üngen über den Brand in Nischni Nowgorod entstanden im Bazar 14 Explosionen und betrug die Zahl der Getödteten oder Verletzte» ungefähr 40. "
Türkei. Aus Haifa am Karmel, 11. Juli, schreibt man der ,N. Allg. Ztg.*: Gestern in der Morgenfrühe starb hier der Gründer unserer deutschen Kolonie, Georg David Hardegg, grb. 1812 zu Egl^S« heim bei Ludwigsburg in Württemberg. Wie sehr sich der Verblichene in den 10 Jahren seines hiesigen Aufenthalt» die allgemeine Achtung erworben hatte, bewies nicht nur die ungemein zahlreiche Beteiligung an der am gleichen Tage Abend« staltgehabten Beerdigung, sondern auch die dem Verstorbenen ausnahmsweise erwiesene Ehre, daß auf die erste Todeskunde hin alle Konsulate der Stadt sowie die türkische Lokalbehörde die Flagge einzogen. Dem Leichenbegängnisse schloßen sich fämmtliche Kolonisten, mehrere fremde Konsuln und in der Stadt wohnende Europäer', sowie ein ansehnlicher Theil der eingeborenen Bevölkerung Haifas an. Das vielbewegte Leben des DahingrschiedeNen galt von den Iünglinzsjahren an bi« an sein Ende dem Streben nach der Verbesserung der sozialen Zustände in der Welt, inSbesopjiere de» deutschen Volke«. Als Tübinger Student wurde er schon, in seinem 18. Lebensjahre in die nach politischer Freiheit und Einheit Deutschlands trachtende Demagogenbcwegung der 30er Jahre ver- ^ wickelt, was ihm eine 9jährige Einsperrung auf der Festung Hohen- ^ asperg, nebst darauffolgender 5jahriger Landesverweisung znzog. Wäh- ! rend dieser Zeit gelangte er zu der Einsicht, daß auf dem betretenen Wege dem Vaterlanbe nicht geholfen werden könne, sondern daß daS einzige Miticl zur Beseitigung der sozialen Notstand- darin zu suchen sei, daß die Ordnung des menschlichen Lebens auf einer wahrhaft christlichen Grundlage- neu aufgedaut werde. Dieser Ueberzeugung gemäß suchte er nach seiner Rückkehr ins Vaterland im Jahre 1845 den Anschluß an christliche Kreise und Strebungen, verband siLim Jahre 1848 mit dem Theologen Ehr. Hoffman», Bruder des verstorbenen OberhofpredigerS W. Hoffmann in Berlin. Hieraus entwickelte sich die Gesellschaft der Jerusalems- oder Tempelfreundr, welche al» ihr Ziel die Sammlung des Volkes Gottes im heiligen Lande aufstellte und in diesem Sinne einen Anfang durch Gründung der bierländischen deutschen Kolonien im Jahre 1869 machte. ^
Washington, 15. Juli. Ein unblutiges Attentat wurde dieser Tage auf Herz und Hand des Präsidenten Hohes versucht, ^iae junge Dame, Namen« Emeline Noble« aus Indianapolis, ließ» sich bei dem Präsidenten anmelde» und wurde sofort yorgelafsen. Ahum eingetreten, umarmte sie Herrn Hohe« und »öffnete ihm, daß sie gekommen sei, um ihn zu heirathen. Die Entschuldigung des Präsidenten, daß er bereits eine Frau habe, ließ die junge Dame nicht gelten, bestand vielmehr auf sofortige Trauung. Unter dem Vorwände, einen Freund hierüber zu konsultiren, verließ Herr Haye« da-Zimmer und sandte, de« unbequemen Gaste« sich zu entledigen, zur Polizei, welche die heirathslustige Dame zur Station nahm, vost wo au« an deren Verwandt« telegraphirt wurde, die sie dann auch bald abholten und in ein Irrenhaus brachten. Die Dame war sehr elegant gekleidet und mit Geld reichlich versehen. "
SirdoNum Druck »»d Verlag vo» S. OelschlSger in L»l».
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