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ist dir Frau des Vaters die Stiefmutter de» Sohne» und zugleich die Schwägerin desselben. Und doch ist diese gewiß komplizirtr Ver­wandtschaft gar nichts gegenüber dem Inhalte einer dieser Tage in einem Karlsruher Blatte befindlichen Todesanzeige. Da zeigt Einer (und sogar ein Professor!) im Aufträge der Familie an, .daß heute meine liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Urgroßmutter nach langem Leiden rc. von un» geschieden ist.

Frankfurt, 17. Juli. Der zweite Verbrecher der Bender- gasse soll sich im Darmstiidter Wald aufhalten. Nachdem gestern Abend die SachseuhSuser Jäger, 48 Mann stark, mit Schutzleuten und Gendarmen eine vergebliche Streife unternommen haben, find heute Husaren auf der Streife.

Frankfurt, 18. Juli. Der Raubmörder Hilsenbeck benimmt sich seit gestern in den Verhören und Konfrontationen auf« Aeußerste widerspenstig. Er sollte heute Nachmittag zum ersten Male mit dem Opfer seiner That, dem Postboten Tafel, konfrontirt werden; da er deßhalb in das Heiliggristhospital überführt werden muß, so war man grnöthigt, ihm dies zuvor mitzutheilen. Er erklärte jedoch, daß er dazu nur gebracht werden könne, wenn man ihn mit Gewalt zu dem Verhör schleppe. Man vermuthet immer noch, daß sich sein Compiler innerhalb der Stadt befinde und irgendwo versteckt werde. Die gestrige Streife nach Treulich, welche von Husaren auSgrführt wurde, hatte keinen Erfolg. Dieselbe soll nun auf hessischer Seite wieder­holt werden.

Franksur t a. M., 18. Juli. Nach einer Bekanntmachung des hiesigen Polizeipräsidenten ist der Graveur A. Hilsenbeck aus Stutt­gart des Raubmordversuchs an dem Postschaffner Tafel bereits ge- ständig. Sein Genosse ist nach den bisherigen Ermittelungen der Gärtner Albert Friedrich Christian Treulich, am 3. Sept. 1859 zu Stuttgart geboren. Dem Postschaffner Tafel geht es gut, die Heil> uug der Wunden nimmt einen günstigen und raschen Verlauf.

Köln, 17. Juli. In der Nacht vom Sonntag auf den Montag ereignete sich bet der Station Urbach ein schrecklicher Uvglücksfall. Ein Assistent der Rheinischen Bahn, welcher, aus der Nachbarschaft heimkehrend, die Deutz-Gießener Linie an der Stelle, wo dieselbe mit der Rheinischen Bahn parallel läuft, pasfireu wollte, wurde von einem Güterzuge erfaßt und überfahren. Am andern Morgen fand man den Aermsten in schaudererregendem Zustande. Beide Beine und ein Arm waren ihm abgefahren, außerdem hatte er eine Verletz­ung am Kopfe erlitten; trotz diese« schrecklichen Zustandes war der Beklagenswerthe noch am Leben. Mau glaubt annehmen zu sollen, daß in der Nacht mehrere Züge über denselben hingegangen waren. Er wurde nach Bonn in das Hospital geschafft.

Gotha, 13. Juli. Von heute ab sind während der Sonntage und Feiertage sämmtliche Verkaufsläden, incl. der Läden der Fleischer und Bäcker, dem Publikum gegenüber, von früh 8 Uhr bis Nach­mittags 3 Uhr geschlossen. Die Restaurationen und Gasthöfe unter­liegen dem Verbote nicht. Die Inhaber der Wagen, auf welchen der Stadt Milch zugefvhrt wird, müssen gleichfalls bis früh 8 Uhr ihr Ge- schüft beendet haben. Morgen Nachmittag Zi/? Uhr findet auf Fried» Hof V wieder eine Leichenverbrennung statt. Der Betreffende ist der seither hier wohnhafte jüdische Kaufmann resp. Rentier M. Lilienfeld. Man sieht hieraus, daß es auch unter den Israeliten vorurtheilssreie Leute gibt.

Aus Sachsen, 15. Juli. Die unbeständige regnerische Witter ung treibt die Wirthe in der sächsischen Schweiz und in der Lausitz zu gelinder Verzweiflung. Dir beiden Konkurrenzbahnen von Berlin nach Dresden über Zossen und Röderau kündigen vergeblich Extra- zöge über Extraziigr nach der sächs. Schweiz au, die Berliner Ver- gnügungSzügler wollen sich nicht dazu einstellen. Die letzte Hoffnung der Wirthe beruht nun noch auf dem Einfluß der Dresdener Vogel­wiese Ende dieses Monates, die gemeinhin nun einmal die Berliner anlockt.

BreSlau, 19. Juli. Bei der gestrigen Reichstagsstichwahl erhielt Leouhardt 6390, der Sozialdemokrat Haseuclever 7589 Stimmen, letzterer ist somit gewählt. Im 1. Wahlgang am 8. Juli hatte Leonhardt (liberal) 5682, Hasenclever 5415 und Hager (klerikal) 2933 St. erhalten.

Lübeck. Folgen des neuen Zolltarifs. Unter dieser lieber« schrift theilen die .Lübecker Blätter* folgende Begebenheit aus Lübeck mit: »Unsere Kaufmannschaft hat bekanntlich auch einen Schutzzöllner. Lange hatte derselbe die Erzeugnisse eines Geschäftsfreundes, eines Eisenwaaren-Fabrikanten in Remscheid, nach Rußland sprdirt, und eS hatte sich dadurch zwischen beiden au» dem rein geschäftlichen Verkehr ein persönliches FreundschaftSverhältniß gebildet. Welche Folgen dies haben würde»das konnte er aber nicht ahnen. Vor einigen Tagen traf der Freund hier ein und ersuchte unfern Mitbürger, den Schutz- zvllner, nachdem er so lange seine Fabrikate nach Rußland spedirt habe, uun auch ihn selbst mit allen seinen Arbeitern dahin zu

spedirrn. Unter den Segnungen de» neuen Zolltarifs vermöge er in Deutschlavd nicht mehr zu existiren, er wolle jetzt nach Rußland gehen, und dort eine neue Fabrik errichten. Wie gesagt, so geschehen. DaS DampfschiffLivonia* hat den Fabrikanten mit etwa 18 Ar­beitern nach Rußland gebracht, und der Schutzzöllner soll sich nun die Frage vorlegen, wie er es zu machen habe, um die Fabrikate seines Freundes, die er sonst rxportirte, künftig zu importiren, bis jetzt aber eine befriedigende Antwort nicht gefunden haben. In Berlin wird man aber sicherlich triumphirend darauf Hinweisen, daß Deutschland in Folge des Schutzzolles um einen neuen Exportartikel,aus- wandernde Industrielle,' reicher geworden sei.

Berlin, 15. Juli. Das Reichrschatzamt ist nun errichtet. Der ReichSanz. veröffentlicht folgenden allerhöchsten Erlaß: Auf Ihren Bericht vom 12. d. Mts. bestimme Ich, daß die bisher mit dem Reichskanzleramt verbundene Finanzverwaltung des Reichs fortan von einer besonderen, dem Reichskanzler unmittelbar unterstellten Zentral­behörde unter der BenennungReichsschatzamt' zu führen ist. Bad Ems, den 14. Juli 1879. Wilhelm, v. Bismarck.

Berlin, 17. Juli. Gegen den Mißbrauch der Zollerhöhungeu durch den Zwischenhandel schreibt eine kaufmännische Autorität -er D. Volkswirthsch. Korresp.' Folgendes: In Tabak, Kaffee, Petro­leum rc. ist so massenhaft eingeführt worden, Laß der Bedarf mehr als für ein Jahr gedeckt ist, und die Händler haben daher noch lange nicht nöthig, Preiserhöhungen, angeblich des Zolles halber, eintrrte» zu lassen. Das Publikum sowohl, wie der an der Spekulation meist unbetheiligte Kleinhändler kennen also jetzt dm wahren Sachverhalt und sind im Staude, sich gegen etwaige Ueberoortheilnngen der Groß, spekulantrn zu schützen. Mißbrauchen die Letzteren ihre Kapitalübcr- macht in zu arger Weise, so werden sie damit nur Repressalien noth- wendig machen, entweder durch Konsumvereine oder durch amtliche Taxen oder gar durch Erweiterungen des Staats Monopols.

Paris, 17. Juli. Die Abg. Kammer hat gestern mit großer Majorität auch den 2. Ferry'schen Gesetzentwurf in 1. Lesung ange­nommen und gleichzeitig denselben für dringlich erklärt, so daß es nur noch einer Schlußabstimmung bedarf, um ihn vor den Senat zu bringen. Während das frühere Ges. gegen die Kongregationen gerichtet ist welchen Hr. Ferry das Recht, höhere Schulen und Pensionte zu unter­halten entziehen will, greift dieser 2. Entwurf den Einfluß an, welchen bisher die reguläre Geistlichkeit auf das Unterrichtewesen im Ganzen ausgeübt hat. Dem Unterrichtsminister steht nämlich in Frankreich ein oberster Schulrath zur Seite, welchem der Minister alle wichtigeren Verfügungen, sowie alle von ihm ausgehenden Gesetzentwürfe zur Be­gutachtung vorlegen soll. Da aber in diesem Schulrathe die Bischöfe oft geradezu die Majorität bildeten, wurde hiedurch das ganze höhere Unterrichtswesen in das kirchliche Fahrwasser geleitet, sowohl hin- sichtlich des Profefsorenpersonals, als der Methode, der UnkerrichS- mittel, des Lehrplans u. s. w. Anstatt das staatliche Schulwesen zu fördern, lähmte der Schulrath dasselbe auf jede Weise, um den kongreganistischen Privatanstalten die Konkurrenz zu erleichtern. Dieser Zustand konnte nicht länger dauern und die Reform des Oberschul­raths war für Ferry bei seinem Eintritt in das Unterrichtsministerium eine der dringlichsten Aufgaben. Nach dem neuen Ges. soll der Schul­rath ausschließlich aus Laien und zwar ausschließlich aus Pädagogen bestehen. Man begreift die Heftigkeit, mit welcher die klerikale Partei sich dieser Neuerung widersetzt; im Senat werden wohl noch größere Anstrengungen gemacht werden, um die Vorlage zu Falle zu bringen, allein die Vorlage dürfte gleichwohl ziemlich unbeanstandet das Ober­haus passiren.

London, 17. Juli. Die hiesige ,Milit -Ztg.' meldet, in unterrichteten militärischen Kreisen zirkulire das Gerücht, Lieutenantj Carey sei vom Kriegsgericht zum Tode verurtheilt worden.

London, 18. Juli. Eine amtliche Depesche Wolseley'S spricht dir Ansicht au», der Zulukrieg gehe mit dem gegenwärtigen Feldzuge zu Ende. Um die Aufrichtigkeit der Friedensanträge Cetewayo's zu prüfen, habe er den Boten des Königs zurückgesanbt und Cetewayo aufgrfordert, drei seiner vornehmsten Räthe als Unterhändler in daS englische Lager zu senden. Cetewayo könne jetzt nicht mehr als 10,000 Mann zusaunnenbringtn.

New-Iork, 17. Juli. Der DampferState of Virginia' ist auf der Fahrt von New Mark nach Glasgow am 12. Juli unweit der NeuschoUland gegenüberliegenden Insel SableJsland bei Nebel gescheitert. 3 Frauen und 5 Sinder find umgekomme», dir übrigen 74 Passagiere wurden gerettet. Von Halifax wurde Hilfe gebracht.

In Ne wyork ist soeben eine Gesellschaft inkorporit worden, welche das vielbesprochene Projekt der Heizung der Häuser durch eine Centralanlagr mit Röhrenleituug durchzuführen beabsichtigt. DaS Grundkapital von 5 Millionen Dollars ist vollständig gezeichnet worden.

Redaktion Druck und «erlag von S. OelschlSger i« Ealw.