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„ES hat in England noch nie Mehl geregnet', und „Trockaiß machte daß Korn noch nie theuer". Heuer aber strömt der Regen unablässig. In manchen Häusern wird diesmal tm Juli noch Feuer auf dem Stubenherd gehalten. Die Lämmer erfrieren draußen in Menge. Kein Heu kann eingrheimst werden. Die Amerikaner behaupten stets, England habe gar kein Klima, sondern nur Wetter, und zwar herzlich schlechtes. Die bösartige Ansicht trifft gegenwärtig vollkommen zu. In Handel und Gewerbe ist übrigens eine kleine Besserung zu verzeichnen; es ist in der Thal dafür hohe Zeit.
London, 14. Juli. Der Morntng Post zufolge hat Prinz Jerome Napoleon die Einladung der Kaiserin Eugenik, sie nach dem Begriibuiß zu besuchen, abgelehnt.
Haag, 13. Juli. Die Operationen in Atchiu sind wieder ausgenommen worden. Mehrere Kämpfe haben stattgefunden, in welchen die Atchinesen schwere Verluste erlitten. Bier befestigte Plätze fielen in die Hände der Holländer.
Rom, 10. Juli. Die Verhandlungen io dem von dem alten Garibaldi gegen seine wirkliche, legitime Frau, dir von ihm getrennt zu Como lebende Marchese Raimondt angestrengten Scheidungsprozesse hatte gestern vor dem hiesigen Zivilgerichte bei verschlossenen Thvren statt. Der General, wie seine Frau hatten Vertreter gesandt, welche beide für die Nichtigkeitserklärung der Ehe plaidirten. Der Staats, anwalt dagegen stellte gegentheiltg lautende Anträge, und es behielten sich daher die beiden Bertheidtger die schriftliche Einreichung ihrer Beweisgründe vor, so daß die Verhandlung auf einen in der Folge festzusetzenden Termin vertagt wurde.
Rußland. Am 5. d. M. brannte es in KoSlow mehrere Male und es wurden 11 Häuser tingeäschert. Der Schaden wird auf 140,000 Rubel angegeben. Die Lage der Bewohner der Stadt Uralsk muß «ach Zeitungsberichten entsetzlich sein. Der „Szow.Jsw." wird von dort gemeldet: Nach dem furchtbaren Brande, der die Mehrzahl der Einwohner auf's offene Feld getrieben hat, ist am 21. Mai Kälte, mit Regen, Hagel und Sturm verbunden, ausgetreten. Das Thermometer ist unter Null gesunken, das Wasser in den Höfen gefroren. Der Sturm artete zu einem Orkan aus und der sich erhebende Staub machte den Tag zur Nacht, so daß es unmöglich war, fünfzehn Schritt entfernte Gegenstände zu erkennen, Sand und Staub schlugen wie Ruthen ins Gesicht. Die anhaltende Dürre hat die Hoffnungen auf eine günstige Ernte vernichtet. Da der Winter schneelos und der Ural nicht ausgetreten war, so fehlt es auch an Gras. Es ist nicht schwer, sich die Lage vorzusttllen, in welcher sich bei diesem Wetter die Familien befinden, welche der Brand, der ihre Habe verzehrt, mit kleinen Kindern aufs Feld hinaus getrieben hat. Die Zahl der Todesfälle unter den Kindern ist ungewöhnlich groß. Das Los der Einwohner ist furchtbar.
Ein Millionär in Warschau, der Banquier I. G. Bloch, hat sich kürzlich den Scherz gemacht, ein ganzes Städtchen für den Preis von 900,000 Rubel anzukoufen. Die BanquierSstadt heißt Lentschny. — Aus Kronstadt wird über eine dort stattgefundene Explosion gemeldet, der mehrere Menschenleben zum Opfer fielen. ES wurden, Versuche mit Terminen angestellt und ein Kutter hatte die Aufgabe die Minen zu versenken. Dabei explodirte eine 60psündige Pyrvxylin- mine, ehe sie das Wasser erreichte und zerriß den Kutter voll- ständig. Von der 22 Köpfe zählenden Bemannung sind 5 todt und 7 schwer verwundet, einige davon schon gestorben. Die übrigen zehn Mann leicht verwundet, der Offizier erhielt eine leichte Kontusion.
New-Iork, 1. Juli. Eine Heldeuthat hat ein Angestellter der Long-JSland-Bahn, der Heizer Charles Jones, vollbracht, indem er mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit unter Gefahr seines . eigenen Lebens einen kleinen Knaben vor einem sicheren Tode bewahrte. Als nämlich vor einiger Zeit der von Riverhead abgelaffene Postzug sich der Station JameSport näherte, bemerkten die ans der Lokomotive befindlichen Personen ein kleines Kind, das auf dem Bahngeleise ringeschlasen war. Die Bremsen wurden sofort angelegt und die Maschine rückwärts gestellt, allein der Zug brauste mit einer solchen Geschwindigkeit dahin, daß keine Möglichkeit vorhanden war, denselben anzuhalten, bevor er da« Kind erreichte. Schnell entschlossen kletterte Jone» über die Lokomotive hinweg auf den Kuhfänger, hielt sich hier mit einer Hand fest und ergriff mit der anderen das noch immer ruhig schlummernde und keine Gefahr ahnende Sind kurz vor dem Augenblicke, wo die Lokomotive dasselbe unfehlbar zermalmt haben würde, und zog es unverletzt zu sich empor. Erst jetzt erwachte das Kind, ein kraushaariger hübscher Knabe von etwa drei Jahren, und fing bitterlich an zu weinen. Auf der nächsten Station übergab der brave Heizer seinen Schützling dem StationSagenten, damit dieser das Kind seinen Ntcrn zustelle.
New-Dock» 12. Juli. Im Westen und Rordwesten der UmonSstaaten und in Canada richtete ein heftiger Sturm viel Schaden
an der Ernte an. Die Telegraphenverbindmrgen find vielfach unterb rochen. _
Vermischtes.
Merkwürdig, nicht mit einem Worte ist im Reichstag auf eine Ausfuhr hingewiesen worden, die sehr stark ist und Deutschland Ehre macht. Seit 50 Jahren ist kein Thron in Europa erledigt oder nm errichtet worden, ohne daß ein deutscher Prinz darauf gesetzt worden wäre. Ein Coburg'scher Prinz wurde König der Belgier, nachdem er den Hellenen einen Korb gegeben. Prinzen desselben Hauses vermählten sich mit der Königin von Portugal und England und ihre Nachkommen wurden Thronerben dieser Reiche. Den Thron von Griechenland bestieg zuerst der bayerische Prinz König Otto- und nach ihm König Georg, ein seiner Abstammung nach deutscher Prinz. Alle Versuche, den spanischen und rumänischen Thron mit Herrschern zu besetzen, die nicht germanischer Abkunft waren, blieben ohne Erfolg. König Amadeus, der Savoyer und Fürst Cousa, ein Rumänier, wurden vertrieben. Der jetzige Fürst von Rumänien ist ein Hohenzollern'scher Prinz. Auch Prinz Battenberg, der neue Fürst von Bulgarien, ist deutscher Abkunft. Vor 50 Jahren gehörte das Privilegium, Throne zu besetzen, Frankreich und Oesterreich, den Bourbonen und Habsburger». Die deutschen Prinzen aber haben ihren Beruf besser verstanden, als die Spanier, Franzosen und Habsburger. Das Beispiel der Könige Leopold von Belgien, Ferdinand von Portugal, des Prinzen Albert, des Königs Georg und des Fürsten Carl von Rumänien dient zum Belege. — Die neueste nationale Handelspolitik Bismarcks macht die Glosse dazu: den Export wollen wir uns gefallen lassen, nur keinen Import!
In der ,N- A. Ztg." macht eine Stimme aus Süddeutschlanb auf den Schaden aufmerksam, den die Katzen der Bogelwelt zusügen. Dieser Schaden sei beträchtlicher als alle anderen Umstände zusammengenommen, welchen das Verschwinden der Singvögel zugeschrieben wird; keine Maßregel werde die Vögel schützen können, so lauge nicht ihr schlimmster Feind allgemein als solcher erkannt und behandelt werde. Die Hauskatzen gehören in das HauS; die Unachtsamkeit der Besitzer aber, zusammenhängend mit dem Überfluß an Katzen,, dessen sich so viele Häuser und Gehöfte erfreuen, mache aus der nützlichen Mäusevertilgerin einen vagabonbirenden Vogeljäger, und sobald sich eine Katze an die Vogeljagd gewöhnt habe, sei damit der erste Schritt zu ihrer Verwilderung geschehen. Es scheine der allgemeine« Aufmerksamkeit zu entgehen, welche Unzahl von Katzen in halbverwildertem Zustande vorzüglich auf Kosten der Vögel sich nähre, Als Maßregeln gegen das Ueberhandnehmen der Katzen schlägt der Einsender vor: Die Katzen in derselben Weise zn besteuern, wie tneS mit den Hunden der Fall ist. Ferner, daß jede in fremdem Besitz herumschweifende Katze vom Grundeigenthümer getödtet werden darf;, endlich, daß der Jagdpächter entsprechende Befugnlß für die auf seinem Jagdgebiet herumschweifende» Katzen erhält. Nur mit solche» Bestimmungen versehen, werde ein Vogelschutzgesetz seinen Zweck erreichen. * 'In Stonshead, Kanada verkaufte ein Aankee für 10 Cents Packele, welche die Aufschrift trugen: „Sicherer Tod den Kartoffelkäfern: keine Gefahr hiebei bezüglich der Vergiftung anderer Thiere, wie dies der Fall mit Pariser Grün." Die Gebrauchsanweisung besagte, daß die Packete erst kurz vor dem Gebrauch zu öffnen seien. Ein Gimpel, der drei der augepriesenen Packete gekauft hatte, öffnete eines derselben und fand darin zwei Stücke Hol;; aus einem derselbe» standen die Worte: „Lege den Käfer aus dieses Holz und presse dann das andere fest darauf." _
Von der im Verlag von Eduard Hallbergrr in Stuttgart er« scheinenden „Jllustrirteu Welt" liegt uns das 24. Heft vor, dessen reichen Inhalt wir unseren Lesern zur freundlichen Beachtung empfehlen.
/ Text: Ein Urlaubsabenteuer. Von E. E. — Deutsche Volks« lieblmge. Das Gänseblümchen — Ohm Franz. Novelle von Marie Girsr. — Sonnenstrahl. Erzählung von Daniel Reefen.
— Sinusprüche. — Die orientalische Geschmacksrichtung der neuesten Zeit mid die Alhambra. — Deutsche Wörter und Redeusarteu. Nach Ursprung und Bedeutung erklärt von C. Bruch. — Aus Natur und Leben. — Lcberknödel. Eine humoristische Geschichte. — Au- allen Gebieten: Gärtnerei; Gewerbliches; Entdeckungen. Lotterieziehungea im Monat Juli. — Charade. — Bilderräthsel. — Schach. — Kleine Korrespondenz. — Ankündigungen. — Tageschronik auf dem Umschlag.
Illustrationen: Fürst Alexander l. von Bulgarien. — Die Familie des deutschen Kaisers. — Aus den Savoyer Atpeu. — Die St. Johannesstraße in Lavalette (Malta). — Jesus und die Sünderin.
— Mosaik in der Alhambra. — Die Palackybrücke in Prag. — Die Nachtigallen. — Aus unserer humoristischen Mappe.
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Redaktion Druck und Verlag vou S. Oelschläger i« Calw.