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Auf guten Boden fiel! Wer treu durch Lieb und Recht Selbst stein'gen Acker hat rastlos gepflügt, geeggt.
Wer Gottes Reich bebaut, wer mit der frischen Kpaft,
Ob auch mit Sorg, mit Kampf des Guten viel geschafft:
Im Herzen reichen Lohn, tm Auge süßes Glück Blickt auf sein Tagewerk er oft und gern zurück,
Um neu den Muth, um neu das rege Streben Fürs Tagewerk der Zukunft zu belebe».
Und solcher Blick aus die Vergangenheit,
Ein solcher Lohn von vielen Jahren,
Die Gottes Reiche treu , gewidmet waren,
Das istS, was diese Feier weiht.
Im Sonnenglanz erglänzen ihre Stunden!
Ein Blumenkranz, von Dankbarkeit gewunden,
Umschlingt sie den, deß Herz und Blick nach oben Sich heute lenkt, um Gottes Huld zu loben.
Wem also ist im Erdensein vor Allen,
Die triu gewirkt, solch lieblich Los gefallen?
Wem wird der Pfad bei Thränen selbst und Klage Bon lieber Hand mit Blumen oft bestreut?
Wem so die Lust zum Tagewerk erneut?
Das ist des Lehrers Los, so lohnt die Lehrertrrue;
Sie istS darum, der ich den vollen Becher weihe,
Ihr cheih ich ihn: Der Lehrerlreu zu Ehren Erhebt' das Glas, stoßt an und laßt's uns leeren!
— Herrenberg,23. Juni. Vergangene Nacht wurde in das auf dem hiesigen Bahnhof stehende Geschäftsbureau der Herren Oelkuch und Oesterltn etngebrochen. Die Diebe brachen einen Laden auf, schlugen eine Scherbe ein. wo es ihnen dann ohne große Mühe möglich war, in das betreffende Lokal zu gelangen. Die daselbst befindliche, ca 5000 M. enthaltende eiserne Geldkaffe wurde umgelegt, uvd die Thüre vermittelst Pulver oder Dynamit, welches durch das Schlüsselloch ohne Zweifel eingeschüttet wurde, mit Erfolg gesprengt. Sei es nun, daß die Diebe durch Leute, die in Folge der Heuernte früh ins Feld gingen, oder durch sonst einen Umstand sich nicht mehr sicher fühlten, — sä entfernten sich obgleich nur noch wenige Schrauben am Schlosse Hütten gelöst werden dürfen, um in Besitz der vorerwähnten Geldsumme zu gelangen, Daß die Diebe hastig die Flucht ergriffen haben, beweist ein Licht, welches am Morgen, als das Bureau geöffnet wurde, noch brannte. Bereits find zwei der That dringend verdächtige Arbeiter, die seither auf dem hiesigen LooS gearbeitet haben, hinter Schloß und Riegel gebracht.
— Stuttgart, 20. Juni/ Die Justizkommission der Kammer der Abgeordneten hat der Hauptsache nach heute ihre Arbeiten beendigt, sofern der Bericht über das Forstpolizeigesetz durchberathen und festgestellt und nur die Schlußredaktion vorzunehmea ist. Die Einberufung der Kammern soll jedoch dem Vernehmen nach erst unmittelbar nach dem Schluffe des Reichstages erfolgen.
— Mezingen, 22. Juni. Die hiesigen Einwohner befinden sich gegenwärtig in ziemlicher Aufregung. Wie schon mitgetheilt wurde, starb in vergangener Woche Metzger H. von hier, ein Mann von 36 Jahren, an den Folgen der Blutvergiftung, die er sich beim Schlachten einer milzbrandigen Kuh zugezozen hatte, und nun liegt Metzger I , der sich an derselben Kuh ein wenig verletzt hat, so schwer darnieder, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Beide Männer besorgten das Schlachten für eine dritte Person, welche das krepirte Stück Vieh gekauft hatte. Da der verstorbene H. von dem Käufer der Kuh während des Schlachtens mißhandelt, am Halse verletzt und ihm dann die verdorbene Milz um den Kopf geschlagen worden sein soll, so ist die Untersuchung bereits eingeleitet, welche, wie Mzemein gehofft und gewünscht wird, auch darüber Gewißheit bringen wird, ob es Wahrheit ist, daß das Fleisch von der Kuh hier thrilweise verkauft und gegessen worden sei.
— In S ch aren stellen, O.A. Blaubeuren, brach am 20. Juni, in einer Scheuer Feuer aus, in Folge dessen 37 Gebäude, nämljch 35 mit Strohdächern und 2 mit Ziegeldächern niederbrannten. Das Feuer verbreitete sich mit rasender Schnelligkeit und soll durch Spielen von Kindern mit Zündhölzern entstanden sein. Schaden beträchtlich, sowohl,,an Gebäuden wie an Mobiliar.
— Pforzheim. 20. Juni. Bei den im Laufe dieser Woche in Karlsruhe gepflogenen Schwurgcrichtsverhandlungeu wurden die zwei Wilderer abgeurtheilt, welche im Januar d. I. den Jagdaufseher Lritsch von hier in so schauderhafter Weise ermordet hatten. Der eine davon, Kübler vretzing von Haiterbach, O.A. Nagold, wurde »um Tode, und der andere, Ziegler Geisel v. Mühlhausen a. d. W., diesseitigen Amtsbezirks, za lebenslänglichem Zuchthaus perurtheilt.
— Pforzheim, 23. Juni. Gestirn wurde hier eine nachbarliche Zusammenkunft württembergischer und badischer-Juristen und Angr»
höriger verwandter Berufszweige abgehalten. ES hatten sich dazu au» Calw, Baihingen» Leonberg, Neuenbürg uvd aus Karlsruhe und Durlach Gäste «ingefunden.
— Schwitzigen, 20. Juni. Al« Beitrag zur Wucherstatistik diene Folgendes: Einem hiesigen Bürger ist ein 'Darlehen von 500 M., welches derselbe vor einem Jahre ausnahm, bis heute durch Zinsen und sog. Schreiben bis zur Höhe von 1600 M. angewachsen.
— Frankfurt, 20. Juni. Heute Mittag gegen 5 Uhr explo- birten in der Fahrgasse an der Mehlwaäge, die im alten Kanal, welcher eben gereinigt wird, befindlichen Gase. Die Kanaleinläufe, Kanaldeckel, Pflaster bis hinauf zum Württemberg» Hof flogen wie Spreu in die Luft, während gleichzeitig Dampf, der ähnlich wie Petroleum roch, aufstieg. Lktder sind dabei zwei Arbeiter verunglückt, welche kurz vorher nach Genuß ihres Besperbrods zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit mit Licht in den Kanal gestiegen wären. Beide find schwer verletzt.
— Darmstadt, 21. Juni. Heute wurde Forstwart Schmitt von Sirdelsbaum, der in der Dämmerung in dem Glauben, ein Reh vor sich zu sehen, einen Efel und dessen Treiber erschossen, zu 2 Monaten Gefängniß oerurtheilt. Der unglückliche Nimrod hat sich mit dem Eigenthümer des Esels mit 150, mit der Mutter des Erschossenen durch Zahlung von 120 abgefunden.
— München, 23. Juni. Wie der heutige Polizeibericht meldet, wurden in den jüngsten Tagen falsche Reichskaffenscheine zu 50 M. in neuer Sorte in Umlauf gesetzt. Die Nachbildung dieser Scheine wird als vorzüglich gelungen bezeichnet.
— Würzburg, 21. Juni. Unsere Stadt befindet sich in Aufregung wegen eines vorgestern Abends in der Kaiserstraße an zwei alten PrivatierS-Eheleuten und deren 14jähriger Enkelin verübten Raubmord». Es ist dieß der dritte Fall seit wenigen Jahren daß am Hellen Tag in frequenten Straßen in Wohnungen eingebrochen und Menschenleben vernichtet wurden, ohne daß die polizeiliche» Organe hindernd in den Weg treten konnten. Hoffentlich gelingt es der Justiz, dießmal des Thäters habhaft zu werden, was leider in den beiden vortgm Fällen nicht gelang. Von den Opfern des Raubmordes ist das junge Mädchen außer Gefahr; von den beiden alten Leuten ist der Privatier Max Glaser den erlittenen Verletzungen erlegen, ohne noch einmal zum Bewußtsein gekommen zu sein. Dessen Frau befindet sich in hoffnungslosem Zustande. Der Thäter, auf dessen Ermittlung vom Sohne der Ermordeten eine Belohnung von 500 M. gesetzt ist, ist noch unbekannt.
— Zwickau, 19. Juni. Heute Morgen hat ein 18jähri- ger Verbrecher, Karl Lehmann, aus Liebenau, welcher in hiesiger Strafanstalt wegen Diebstahls eine 13jährige Gefängnißstrafe verbüßt, den Aussetzer Bernstein, welcher dienstlich in der Einzelzelle des Genannten zu thun hatte, rücklings überfallen und mit einem Beile, dessen er als Handwerkszeug bei der Tischlerarbeit bedurfte, erschlagen. DaS Opfer dieses Verbrechens war ein alter treuoerdienter Beamter, der jederzeit mit strengster Gewissenhaftigkeit die größte Ruhe und Besonnenheit verband, lieber den Beweggrund zu dieser That wird erst die künftige Untersuchung weiteres Licht verbreiten.
— Stettin, 20. Juni. Bon Technikern wird angenommen, daß die Katastrophe auf dem „Orpheus" durch sogenannten Siedeverzug verursacht ist. Darunter versteht man eine Erhitzung des Wasser- über 80« R. Wärme, »ohne daß das Sieden erfolgt; eine solche Ueberhitzung, welche erfahrungsmäßig bis zu 20M R. gesteigert werden kann, tritt nur dann ein, wenn das Wasser sich im Zustande der vollständigsten Ruhe befindet; bei der unbedeutendsten Erschütterung, wie z. B. im vorliegenden Falle vielleicht durch das Drehen am Ventil, verwandelt sich dann die ganze Wassermaffe in Dampf, wodurch schon mehrfach die heftigsten Explosionen herbeigrführt worden find.
— Berlin, 20. Juni. Die Tarifkommifsion des Reichstag- nahm heute in 2. Lesung fast sämmtliche Schutzzölle mit geringen Abweichungen nach den Beschlüssen der 2. Lesung an. Sohlleder wurde, abweichend vom Beschlüsse der 1. Lesung für alle Sorten mit 36 M. Zoll angrsetzt.
— Berlin, 21. Juni. Ueber den Schluß der laufenden Session des Reichstags soll man, wie die „Post" erfährt, seitens der Reichs- regierung nunmehr einig sein. Derselbe soll spätesten« Sonnabend den 12. Juli erfolgen.
— Berlin» 23. Juni. Der Kaiser ist gestern Abend 9>/z Uhr nach Em» gereist. — Der Reichsanzeiger meldet: Der königliche Hof legt für den verstorbenen Prinzen Louis Napoleon achttägige Trauer ein.
— Dir Nummer 14. des „ReichSgesetzblatteS" veröffentlicht da- längst erwartete Gesetz, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Gkuußmitteln und GebrauchSgegenständen, ein Gesetz, welches durch die «ehr und mehr überhandnehmende Verfälschung dieser Gegenständ«