Schreiben sei von Pforzheim 1 Uhr 55 Min. Nachmittag» abgegange» und 2 Uhr 52 Min. in Wildbad angekommen, wurde die indessen in Calw von Cannstatt eingelaufene telegraphische Nachricht: .König kommt am Dienstag' im Nachtrag zu dem Schreiben per Draht nach Wildbad weiter gegeben. Nun war aber obiges Schreiben eben noch nicht angekommen, von dem SondukteurSwechsel lediglich nichts bekannt, wohl aber hatte man Anhaltspunkte dafür, daß Seine Majestät Wild, bad zu beehren beabsichtige, was lag nun näher, als die famose Verwechslung?
_ Bon der Enz, 30. April, Durch ein wundersames Geschick
wurde eine LudwigSburger Familie am Ostermontag vor doppelt drohendem entsetzlichem Unglück bewahrt. Der Vater wurde, als er in Bietigheim das Teleise überschreiten wollte, von dem herannahenden Zug erfaßt, auf die Säumen geschleudert und mußte so den ganzen Zug über sich hinfahren lassen; mit Ausnahme einiger ziemlich schweren Kopfwunden nahm er merkwürdigerweise keinen Schaden. Und am selben Tag entgingen zwei Kinder desselben, die in Baihingen bei einem Bekannten auf Besuch waren, nur mit Mühe einer ähnlichen Gefahr. Auf einer Spazierfahrt, die letzterer mit ihnen machte, ge- langte man zu einem Eisenbahnübergang, bei welchem trotzdem, daß der Zug herannahm sollte, d« vordere Barriere offen stand. Pferd und Wagen standen auf den Schienen still, durch die jenseitige Barriere gehemmt, als eben der Zug in der Thal heranbraustc. Rasch be- sonnen, sprang der Besitzer auf die Erde und riß das Gespann zurück. Da- Pferd stürzte und in diesem Moment fuhr der Zug vorbei und zwar hart an dem Gefährt. Wenige Augenblicke noch — und die Kinder wären wohl unrettbar demselben furchtbaren Tod verfallen gewesen, von dem ihr Vater nur wie durch ein Wunder gerettet wurde.
— Tübingen, 2. Mai. Die Zahl der hier angekommenen Studirendrn hat nach der ,Tüb. Chronik' bereits 1100 erreicht. Die Studentenwohnungm in der Stadt sind gänzlich vergeben; eine Anzahl Stadirrnder hat daher in Derendingen und Lustnau Unter kommen gesucht.
— Von der Jagst, 1. Mai. Bei dem bayerischen Bahnexp:- -itor Lchenbauer in Schnellbars — Linie Ansbach-Crailsheim — bestellte vor einigen Tagen ein armer, seit einiger Zeit in Haundorf Landgerichts Feuchtwangen, ansässiger Weber, Namens Elchhammer, einen Eisenbahnwagen, da er fortziehm wolle, weil er keinen Verdienst habe. Dem Lehenbauer war auffällig, daß der arme Weber einen ganzen Wagen bestelle, zugleich erinnert: er sich, daß der Mann schon öfters auf der Bahnhofrcstauralion gut gezecht hatte und Gold wechseln ließ. Er lheilte seine Wahrnehmung dem Slatiout-komman- danten daselbst mit und bei der alsbald vorgenommenen Haussuchung fand man Altartücher, Spitzentücher Über Altäre, viele Kupfermünzen (Opfergelder). Kleidung-stucke. Elchhammer wurde sofort verhaftet und nach Crailsheim geliefert. Unter den bei Elchhammer gefundenen Kleidungsstücken fanden sich auch jene, welche bei dem Einbruch auf dem Bahnhof Eckartshausen, wobei 1500 -/L gestohlen wurden, mit -entwendet worden waren.
— Hrilbronn, 2. Mai. Die ,N-Zig.' schreibt: Gestern Abend gegen 8 Uhr sprang ein Mann in Gegenwart seiner Frau beim Damm von der EisenbahnbrLcke in den Neckar. Die Frau sah ihn im Wasser verschwinden und ging weinend und wehklagend der Stadt zu; doch dem Manne schien das nasse und kalte Element den Todesmulh genommen zu haben, er stieg, zwar vor Kälte und Frost bebend, an der Neckargartach» Straße wohlgemuth an'S Ufer und begab sich wieder nach Hause.
München, 2. Mai. Der heutige Polizeibericht meldet: .Von Nürnberg ging der 15jährige Johann Tmelling nach Unterschlagung von 40,000 «iL flüchtig. Derselbe ist schlank, hat schwarze Haare und längliches Gesicht.'
— Kis singen, 1. Mai. Der Kronprinz des deutschen Reichs und von Preußen ist heute Abend hier eingetroffen.
— Nach den Berliner Blättern gedenkt der Kronprinz etwa 4 Wochen in Kissingen zu bleiben. Die Reise dorthin ist, wie die »Krz. Ztg.' hört, in Folge einer Konsultation mit dem Generalarzt Dr. Wilms und dem Geheimen Rath Dr. FrerichS beschlossen worden. Nach der »Trib.' würde der Kronprinz an einem Magenübel leiden, das sich schon früher gezeigt habe, durch die Aufregung aber, die das letzte Familienunglück dem Kronprinzen bereitete, erneut hcrvorgrtreten sei.
— In Berlin kann man nicht einmal ungestraft zum Fenster hinaussehen. Ein junger Militärarzt kam heim, legte seine goldene Uhr und Kette auf den Arbeitstisch und sah fünf Minuten zum Fenster hinaus; al» er zum Lisch zurückkehrte, war Uhr und Kette verschwunden. Nun fiel ihm ein , daß sich die Gardinen einmal vom Luftzuge bewegt hatten, jedenfalls bei der Ocffnung der Thüre, aber er hatte nicht darauf geachtet.
— In der Sitzung des Bundesraths am 19. April wurde demselben viitgeiheilt, daß seiten» de» Kaiser» Geh. Ober-Regierungsrath Kläfft
(Reichs - Eisenbahnaml), Geh. Regirrung-rath Schulz (Reichskanzler-' amt für Elsaß-Lothringen) und Geh. Regierungsrath Fleck (Ministerium für öffentliche Arbeiten) und seitens des Königs von Württemberg der Generaldirektor der BerkehrSanstalten, Geh. Rath v. Dilleuius, zu stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundeerath ernannt worden sind. Die ,N. A. Ztg.' sagt dazu: .Man kann wohl annehmen, daß diese Berufung in Verbindung steht mit der alshald zu beginnen« den Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs, belr. die Regelung des Güter« tarifwesenS/'
— Berlin, 30. April. Im großen Kroll'schen Saale in Berlin trat am 30. Apr. eine von über 1000 Personen besuchte Versamm» lung deutscher Brauer zusammen, um gegenüber dem Projekt der Verdoppelung der Braumalzsteuer für Norddeutschland (entsprechend den Sätzen von Süddeutschland) einen gemeinsamen Schritt an den Reichstag zu berathen. Der Hauptsatz der angenommenen Resolutionen lautet: .Die beabsichtigte Erhöhung der Braumalzsteuer würde den vollständigen Ruin eines großen Theiler »er Brauindustrie herbeiführen, weil eine Abwälzung der Steuer auf die Konsumenten zumal unter den heutigen traurigen wirthschaftlichen Verhältnissen weder durch eine Preiserhöhung, noch durch schwächere» Einbrauen des Bieres möglich ist.' (Die Resolutionen leiden, wie man sieht, an der beliebten Uebrr» treibung: „vollständiger Ruin' rc.; hier besonders falsch angebracht, wo die Vergleichung mit dem Theist Deutschlands, in welchem die höhere Steuer schon besteht, so nahe liegt.)
— Berlin, 1. Mai. Die Nordd. A. Z. schreibt: In mehreren Blättern wird die Nothwendigkeit besprochen, der weiteren Einfuhr ausländischer Tabake zu den allen Zollsätzen möglichst bald ein Ende zu machen, damit nicht bis zur Annahme und Einführung des Tabak» steuergesrtzeS die Vorrälhe noch eine weitere beträchtliche Vermehrung erfahren. Der Gedanke einer Sperrmaßregel wird dabei in Erwägung gezogen. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß die Reichsrezierung mit einer solchen Sprrrmaßcegel einverstanden sein würde, möchten aber davor warnen, dieselbe als Ersatz für die in« Auge gefaßte Nachsteuer zu betrachten. Auf letztere wird, wie wir bestimmt versichern können, die Reichsregierung unter keinen Umständen verzichten.
— Berlin, 1. Mai. Am 1. Mai trat in Berlin die Kommission zur Berathung des Entwurfs eine- ReichsgesetzeS, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuche», zusammen. Vorsitzender ist der Geh. Ober-Regierungsrath und Vortragende Rath im Reich-« kanzlrramt Starke. Aus Württemberg sitzen in der Kommission Freiherr von Wöllwarth uvd Oekonomirrath Ramm.
— Berlin, 2. Mai. (Reichstag.) Erste Lesung der Zolltarif» Vorlage. Fürst Bismarck erklärt: Das Bedürfniß einer Zoll, und Steuerreform ist seit 1848 hervorgrtreten. Schon seit 1818 hat eigentlich diese Gesetzgebung geruht. Nur in einzelnen Staaten hat man, wie in Preußen mit der Grundsteuer und Einkommensteuer, große Unternehmungen gemacht, sonst aber ruhte die Finanz- und Steuerreform. Es war dies durch daS Bestehen des Zollvereins gerechtfertigt, einer Institution, welche nicht für die Dauer berechnet war. Wir haben nicht heute zum ersten Male betont, daß wir das Bedürfniß der Finanzreform nicht zurückweisen können. Je mehr ich diesen Fragen meine Aufmerksamkeit zmoendete, um so mehr drängte sich mir die Nothwendigkeit auf, so schnell wie möglich zu einer Steuerreform zu kommen, uw zunächst das Reich finanziell unabhängig zu machen von der ungleichen, ungerechten Matrikularumlage. Wir wollen überhaupt keine höheren Einnahmen erzielen, als für Deckung der ReichSauS» gaben erforderlich ist, wünschen aber, daß das Nothwendige in der Form aufgebracht werde, in welcher die Lasten am leichtesten zu tragen sind, und glruben, daß dies am besten auf dem Wege der indirekten Steuern geschehen kann, so daß dadurch auf der anderen Seite Erleichterungen geschaffen werden können. Unlogisch ist, daß der Staatsbeamte staatliche Einkommenssteuer bezahlen muß, man macht damit ja nur Abzüge von seinem Gehalt. Der Getreidebau ist schwer besteuert gegenüber dem Import von Außen. Lein Gewerbe ist so schwer besteuert, wie das landwirthschaftliche. Von 15,000 Rittergutsbesitzern Preußens find kaum 4000 wohlhabende Leute. Im übrigen Reiche find diese Zustände kaum anders. In seinen weiteren Ausführungen begründet er die Nothwendigkeit eines mäßigen Schutzzolls durch das Beispiel von Frankreich und Rußland und sagt am Schluffe: Es handelt sich hier nicht um politische, sondern um rein wirthschaft- liche Fragen. Bon Partei- und Fraktionsempfindungen bitte ich diese reine Jnterefscnsrage getrennt zu halten. Ich glaube, daß die Heber- zeugung in diesen Verhandlungen vorherrschen sollte, daß vor allen Dingen das deutsche Volk Gewißheit über seine wirthschaslliche Zukunft verlangt und daß eine schnelle Ablehnung immer noch günstiger ist, als da- Hinziehen der Ungewißheit, in welcher niemand weiß, wie die Zukunft sich gestalten soll. (Beifall.) Delbrück ist der erste Redner, welcher dir Vorlage ln verschiedenen Punkten angreist.
Straßburg, 27. April. (Diebstahl.) Vor Kurzem wurde