Zum Schlüsse wurde den Anwesenden mitgetkeilt, daß sich der Ausschuß in seiner letzten Sitzung lebhaft mit der Organisation der Lchrlingsprüfungen beschäftigt habe und daß, um dieselben praktisch ius Leben einzusühren, in nächster Zeit mehrfacher Zusammentritt der verschiedenen Gewerbsgruppen mit dem Ausschüsse nöthig sein werde. Und wenn die Betheiligung an den Versammlungen in gleicher Weise anhält, wie sie in letzter Zeit in so erfreulicher Weise sich kund gr> geben, und wenn in den einzelnen Gewerben vollends dir Ansicht durchdringt, daß sie nur ihr eigenes Interesse schützen und fördern, wenn sie sich vollzählig dem Verein anschließen, so ist demselben nicht nur die lebenskräftige Zukunft gewiß, nach der er sich so lange gesehnt hat, sondern der Verein wird auch der belebende Mittelpunkt des ge- sammten Gewerbeleben« werden können, wie er es in manchen andern Städ ten scho n lange ist._
Vom Lande.
Der Schwarzwälder Bote brachte neulich einen Bericht über da» Jubiläum eines Knechts in Obrrschwaden, der 50 Jahre in rin und demselben Hause diente. Das ist wobl ein seltenes Fest, das darum auch die Gemeinde mitfeierte. Welcher Kontrast zwischen solch einem Jubilar und den heutigen Strobmern! Das Slrohmer- lhum wird zur Landplage und auch die Vereine zu Abschaffung des Häuserbettels helfen da nicht ab, da der Ertrag der in einer Reihe von Orten zusammengesuchten Gaben und gelegentlichen frechen Häuserbettels den täglichen Lebensunterhalt gewährt, und was das Beste — ohne Arbeit.
Nun kommt demnächst die Konfirmation und schon sucht jeder Vater einen Lehrherrn, natürlich nicht bei einem Bauern, sondern bei Handwerkern aller Art. s
Sollte nicht die Unzahl brod- oder arbeitsloser Handwerks, burschen einem Vater die Frage nahe legen, soll ich meinen Sohn Zum Handwerker oder zum Bauernknecht machen? wer steht denn wirklich besser, der landwitthschattl. Dienstbote oder der Handwerker? Ein Bauernknecht hat 2 bi« 350 Lohn, wird vor manchem Leicht, sinn und Verdorbenheit bewahrt, weil er in stetem Verkehr mit seiner Dienstherrschaft steht, im Hause selbst Kost und Wohnung, und so weniger Ursache und Gelegenheit zum Geldverbrauchen hat. Anders ist es brr einem großen Theil der Handwerksgehilfen. Die gute alte Sitte, die Arbeiter in der Familie zu halten, ist den Damen de« Hauses zum Opfer gefallen, die sich mit solchen Leuten und deren Beköstigung nicht mehr abzeben wollen, wie unsere schlichten Hausfrauen früherer Zeit. Aber dennoch muß der Sohn Handwerker und die Tochter eine Stadt-Jungfer werden, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, und woher kommt dieß? Nicht etwa daher weil ein ländlicher Arbeiter, wenn das Jahr um ist, weniger erspart hat, — jondern im Gegentheil daher, weil der Sohn nach kurzer Zeit als Stutzer ins Elternhaus zurückkehrt, viel Neuigkeiten über das Stadt, leben zu erzählen weiß, auch Cigarren sauber rauchen kann, und die Frl. Tochter nach neuester Mode, sowohl im Kleider- als Haar- Putz antritt. Nur schade, daß nach einigen Jahren gewöhnlich der Sohn wieder auf« Land muß, wenn er nicht, wie viele andere, ein Strohmer werde» will, und die Tochter sehr oft mit Ersparnissen ins Elternhaus zurückkehrt, die der Väter in erster Linie beim Standes- amt anlegt, ». h. anmcldet. Unsere früheren Knechte und Mägde legten ihren Jahre«lohn in einigen Feldstücken, die der Dienstherr natürlich unentgeldlich bebaute und in Bettgewand an. und konnten mit --5 Jahren einen eigenen Hausstand gründen, der sie bei unserem zerstückelten und im Preise ungleichartigen Grundbesitz neben Tag- lohnearbeiten in den Stand setzte, Etgenthum zu erwerben und in Folge hievon sozialdemokratische Ideen gar nicht aufkommen ließ, weil sie selbst Besitzer waren. Unsere jetzigen Dienstboten find meistens arbeitslose Handwerksbursche oder verunglückte Stadtmägde, die nichts taugen zu Feldgeschäft.n.
Ist es da ein Wunder, wenn die Landwirthschaft klagt über Mangel an tüchtigen Dienstboten und Ueberfluß »n bettelnden Handwerkern, und die Rubrik .Land-Arme" in unfern LmtSkörper« schafts Rechnungen al« ein Posten figurirt, der, wenn es in solchen Progressionen sortgeht, schließlich alle, die jetzt noch zahlen können, eben auch landarm macht. _
— Wetlderstadt, 12. März. (Unglücklfall.) Heute Morgen wurde zwischen hier und Merklingen, im Straßengraben liegend, die Leiche des Sattlers Weizenecker vom benachbarten badischen Orte Mühlhausen aufgefunden. Weizemcker, ein 70jähriger Mann, kam gestern Abend mit dem letzten Zug von Stuttgart hier an, hat sich hernach noch in der Bahnhvsrrstauration aufgehalten und ist beim Nochhausegehen in den Straßengraben gefallen. Der Tod trat wie aus dem Lagebefund der Leiche zu schließen ist, durch Ersticken ein; dieselbe wurde nämlich auf dem Gesichte liegend mit erhöht liegendem Körper zetrosfen.
— Pforzheim, 15. März. Ein in unserer hiesigen industriellen Welt wohl bisher noch nicht dagewesenes originelles Werk ist in den letzten Tagen hier in der Fabrik von Gottl. Faas gefertigt worden. Ein Zigeunerhauptmann bestellte nämlich bei demselben eine handbreite silberne Kette von kolossalen Dimensionen, die in der hintern Hals» gegend an beiden Schulterhöhen und auf dem Leibe des sie tragenden silberne Platten mit vergoldeten Katzcnköpfen hat. Die Kette, zu der etwa 1900 Gramm Silber verwendet sind, hat ein Gewicht von 4 Pfund.
Szegeirin, 13. März. Szegedin ist größtenlheil« zusammengefallen. Sehr viele Menschen sind zu Grunde gegangen. — Dem »Pesti Noplo" zufolge wären 1500 Häuser eingestürzt und mehrere hundert Menschen um^ekommen. — Dte RettungSarbeil wird energisch fortgesetzt. Da die Rettungsschiffe vielfach auf Trümmer stoßen, so wird die Rettung oft unmöglich gemacht. Die Fluth ist noch fort« während im Steigen; die gegenwärtig noch 60 ) Quadratmeter be- tragende wasserfreie Fläche wird immer kleiner. In Folge Umkippen» eines Rettungsbootes find 7 Frauen ertrunken. Bei Eintritt der Katastrophe ertranken 15 Honvcdo und 20 Soldaten. Die Staats» bahn beförderte gestern unentgeltlich 10,000 Menschen. Es wüthet ein heftiger Sturm. Die UeberschwemmungSflukh ist 2 Fuß höher als da« Niveau der Theiß. T ie Stadt bietet einen schrecklichen Anblick. Die Entfernung der Bewohner geschieht ohne Unordnung, da in dm letzten vier Tagen bereits viele geflüchtet sind. Der Damm wird an mehreren Seiten durchschnitten, um den Ablauf deS Wassers zu befördern. Ausschreitungen sind nich: oorgekommen. Es ist Vorsorge zur Sicherung des Privatvermögens getroffen.
Wien, 12. März. Telegramme aus Szegedin melden: Die Fluth erg'egt sich fürchterlich brauiend von zwei Seiten über die Stadt. Zwei Dritttheile derselben stehen unter Wasser. Die Häuser stürzen der Reibe nach ein. Da« Entsetzen ist unbeschreiblich. Die Bevölkerung flüchtet gegen Neu-Szeg-din oder die höher gelegenen Stadlthelle. Außer der Synagoge soll auch das Waisenhaus ringe- stürzt sein und alle Jnsaßen begraben haben. Zwei Fabrikgebäude brennen. (?) Die Ciladclle, das Postamt, das Telegraphenamt stehen unter Wasser. Szegedin ist vernichtet.
Wien, 13. März Immer entsetzlicher lauten die Nachrichten über die Szegediner Katastrophe. Eine offizielle Depesche besagt: Szegedin ist gewesen, die 70,000 Einwohner zählende blühende reiche Handelsstadt total vernichtet, höchster Punkt bereits überschwemmt, ganze Straßen eingestürzt, Spital eingestürzt, angeblich 500 Kranke unter Trümmern begraben (??) Wir viele Menschen bisher umge» kommen, ist Niemand bekannt. Verwirrung grauenhaft. In der vergangenen Nacht hat die Finsterniß den Schrecken erhöht, die Gasanstalt ist überschwemmt, Beleuchtung war unmöglich, Fackeln unge» nügend vorhanden. Wahre Todesnächte. Mangel an Lebensmittel» an Kähnen herrscht. Ruchlose Hände legten Brände. Der Sturm tobt fortwährend, die Hülserufe und das Kinderschreien übertönend. Augenzeugen schildern das Elend als grenzenlos, den Jammer als haarsträubend. Der Kaiser schickte gestern den ungarischen Finanzminister mit 200,000 fl. nach Szegedin. Ein Ende des Schrecken- ist noch unabsehbar. (Wir wollen hoffen, »aß dir weiteren Nachrichten manche der oben gemeldeten Thatsachcn in milderem Lichte darstellen werden. Erfahrungsgemäß sind die Telegramme nicht immer genau. Freilich ist die Katastrophe eine ungewöhnlich furchtbare, und auch das Erschütterndste kann sich noch bewahrheiten).
Pest, 14. März. Die direkte telegraphische Verbindung mit Szegedin ist unterbrochen. Die Regtrung erhält spärlich Telegramme. Der Ruin und der Jammer sind entsetzlich. Fünf Personen wurden wegen Brandlegung verhaftet.
Teplitz, 14. März. Die gegenwärtig in dem Quellenschacht zusetzenden Thermalwaffer sind hinreichend, alle Badeanstalten mit Thermalwasser zu versehen. Das Wafferquantum ist um ein Dritt« theil größer als die Waffermenge sämmtlicher vorher versiegter Thermalquellen zusammen. Da« Wasser fließt krystallhell.
Bukarest, 14. März. Sämmtliche russische Truppen, welche noch in Rumänien taotoniren, erhielten Befehl, tn den allernächsten Tagen nach Rußland abzumarschiren.
Asten. Im Königreich Birma, dessen Beherrscher erst vor wenigen Tagen sechSundachtzig Prinzen seines Hauses hat hinrichten lassen, ist jetzt ein großer Priesterstrike auSgkbrochen. Dieser Fürst hat nämlich den Priestern einen Theil ihre» Einkommen« entzogen, und zwar zu Gunsten seiner Privatschatulle. In Folge dessen stellten nun viele derselben ihre Wirksamkeit ein, und drohen sogar aus- zuwandern und ihre Götter mit sich zu nehmen. Die Birmanen leben daher jetzt in Angst und Schrecken, da sie fürchten, daß nach einer Auswanderung der Götter und Priester das größte Unheil über ihr Land Hereinbrechen »erde.
Redaktion Drnck und »erlag van S. Oelschliigcr in Calw.