Hätte der Reichskanzler bei dem parlamentarischen Diner am Samstag Delbrück ausdrücklich als die zu Herbeiführung einer Verständigung zwischen den streitenden Parteien geeignete Persönlichkeit erklärt — Berlin, 3. März. Die „Nordd. Allg. Zig." schreibt: Die Tendenz der Gegner der Regierung sei augenscheinlich weniger auf direkte Bekämpfung als auf Verschleppung der Tarifrevision gerichtet. Nachdem die Hoffnung, daß es nicht gelingen werde, noch im Laufe der jetzigen Session die Tarif-Frage an den Lundrsrath und Reichstag zu bringen, geschwunden sei, scheine man jetzt den Plan zu verfolgen, die Tarifreviston durch Verweisung an eine permanente ReichStagSkowmisfion sä Oaienäas Oraecas zu vertagen; die Bu.ides'Regterungen würden sich jedoch nicht darauf einlassen. Auch die Nation verlange eine rasche endgültige Erledigung der Frage. Die „Nordd. Allg. Ztg." glaubt nicht zu irren in der Annahme, daß jeder Versuch einer dilatorischen Behandlung oder Theilung der Tarifreform von Seiten der Regierung als deren Ablehnung werde angesehen werden.
Pest, 27. Febr. Enormes Aufsehen erregt, wie die „Fr. P." meldet, das Verschwinden des Kaufmanns Nathan Schul, welcher zahlreiche auswärtige Firmen, darunter die Wiener Hoflieferanten, auf h'esigem Platze vertreten hat. Schul, welcher seit 16 Jahren »er- heiraihet und Vater von fünf Kindern ist, soll mit der Gattin eines Wiener Fabrikanten durchgebrannt sein, welche Letztere zu diesem Be- hufe der Kasse ihres Gemahls eine große Summe entnommen haben soll; man spricht von einem Betrage von 80,060 fl. Schuk hat den größten Theil seines Vermögens verschwendet. Die noch vorhandenen Reste des Vermögens, sowie die Kautionen seiner Bediensteten im Betragt von mehr als 800 fl. hat er mitgenommen. Schuk wurde anläßlich verschiedener Ausstellungen wiederholt mit Orden ausgezeichnet und fungirte in Wien als Juror.
Klagenfurt, 26. Febr. Eine Riesenlawine verschüttete in Bleiberg vier Häuser und deren Einwohner. Die „Presse" schreibt über diese Katastrophe: „Ein schreckliches Unglück ist am Fasching dienstag über den Jndustrieort Bleiberg nächst Villach niedergegangen. Bon der Höhe des nahen Dobrotsch ging eine 200 Käfter breite Schnrelawine direkt auf Bleiberg und verschüttete Menschen und Häuser. Um 4 Uhr stürzte die Lawine nieder und verschüttete an größeren Häusern das Schulhaus, Gemeindehaus, dann jene des Schnabl, Ringitsch und Apothekers Ncußer sammt deren Insassen. Auch ein Faschings Maskrnzug, aus mehreren Personen bestehend, wurde von der Wucht der Lawine erdrückt. Wie viel« Menschenleben bei diesem Lawinenstürze zu Grunde gegangen, ist noch nicht konstatirt. Die Apothekerfamilie Neußer, Mann, Frau, und zwei kleine Kinder, der Assistent und eine Magd find todt, der 'Kaufmann Schnabl und Andere vermißt. Acht Lebendigbegrabene wurden glücklich gerettet. Die Lawine ist von immenser Ausdehnung. Sie zerstörte natürlich Alles, was ihr in den Weg kam. Im unteren Dorfe ist eine zweite Lawine niedergegangen, die zwei Häuser unter ihrer Wucht begrub. In dem einen Hause befanden sich sechs, in dem andern fünf Personen, die der Katastrophe gleichfalls zum Opfer fielen. Ein Glück in diesem Unglück ist der Umstand, daß am Faschingdienstag die Schule geschlossen war, sonst hätten Hunderte von Kindern unter der Lawine ihr Grab finden können."
Te plitz, 1. März. Während des gestrigen Tages stieg das Wasser konstant in allen Teplitzer Brunnen, welche Thermalwafser führen. Hierin erkennt Bergrath Wolf eine entschiedene Besserung der Lage und bezeichnet die Ausgleichung des Niveaus in den in- undirten Schachten und das Aufhören des Steigens des Wassers in denselben als unmittelbar bevorstehend. In jenen Brunnen, welche ausschließlich von aus atmosphärischen Niederschlägen stammendem Wasser gespeist werden, sank der Wasserspiegel zwar auch weiterhin, jedoch legten die Fachmänner diesem Umstande keine Bedeutung bei und prognostiziren die baldigste Wiederherstellung des früheren Wasserstandes auch in diesen Brunnen.
Teplitz , 3. März. Heute früh 7 V» Uhr wurde in einer Tiefe von 13 Metern der Quellenspiegel erreicht, daS Quellwaffer hat eine Temperatur von 37^g Grad Rsaumur. Es herrscht großer Jubel.
Bellinzona, 25. Febr. (Unglücksfall.) Auf dem Gotthard ist die Post heute schon wieder von einer Lawine überschüttet worden. Ein Postillon ist todt.
Mailand» 28. Febr. Von allen Theilen Italiens laufen traurige Nachrichten über die Orkane der vergangenen Tage ein; Bäume wurden entwurzelt, Dächer abgedeckt, Mauern umgestvrzt, Kirchen beschädigt und auf dem Meere gingen Schiffe unter, wobei viele Menschen den Tod in den wüthenden Wellen fanden. In Florenz wurden in einem Besitzthum 48 alte und starke Bäume entwurzelt und die Mauer der Schießstätte umgeworfen; an der Mündung des Aino ging eine Brigg mit der ganzen Mannschaft unter, au« einem
gestrandeten Balk.m erkannte man. daß sie Griechenland anqehörte und den Namen Oypa trug. In Verona wurden die Dächer von zwei Mühlen fortgetragen und in der Stadt fielen viele Kamine und ein Heer von Ziegeln auf die Straßen; in Venedig überschwemmte die Fluth den ganzen Markusplatz und viele Wege standen unter Wasser. In Neapel herrsch/ ein panischer Schrecken; es weht der Wüstenwind und man bemerkt Erdbeben, ein röthlicher Staubregen erhebt sich vom Vesuv und fällt aus die Stadt nieder. Neun Tartanrn gingen unter» zwei Schiffe scheiterten bei Torre Amunziata, nachdem sie vergeben» versucht, in den Hafen einzusahren. Bei Salerno gieng da« englische Dampfboot Siliftria mit dem Kapitän und 17 weiteren Personen unter, nur zwei von der Mannschaft wurden gerettet. An demselben Ort gingen eine Brigg und 3 Tartanen unter. Eine den Korallenfischern gehörige Taitane ging bei Tcrracina in den Grund. Auf der Rhede von Vietri gingen 10 Segelschiffe mit 9 Personen verloren. Da gestern keine deutschen Zeitungen ankamen, ist voraus- zusehen, daß auch auf der Brennerbahn Störungen eintraten. Unsere Stadt wird seit einiger Zeit von Regen, Schnee und Hagel heimge- gesucht, ist aber von Stürmen verschont geblieben.
Rom, 27. Febr. Gestern hat es Sand geregnet und der Seismograph zeigt seit drei Togen leichte Erdbeben an. Dazu Sturm und Gewitter, die in Norcitalien viel Schaden angrrichtet zu haben scheinen. Am Sonntag war alle Verbindung unterbrochen; Nachrichten von Schiffbrüchen treffen ein; in zwei Dörfern sind gar die Kirchlhürme eingefallen, haben das Gewölbe zerschlagen und beidemal den celrbrirenden Priester so wie eine noch nicht bekannte Anzahl von Gemeindemitgliedern gcködtet und verwundet.
Brüssel, 3. März. Das königl. Schloß Tervueren, die Residenz der Prinzessin Charlotte, ehemaligen Kaiserin von Mexiko, ist durch eine Feuersbrunst gänzlich zerstört; niemand ist dabei umS Leben gekommen. Die Kaiserin Charlotte siedelte nach Schloß Laekcn über.
London, 28. Febr. Nachrichten aus der Kapstadt vom 11. ds. zufolge hielten sich die gegen die Zulus ausgestellten britischere Truppen fortgesetzt in der Defensive, indem sie die verlangten Verstärkungen abwarteten. An der Grenze herrschte Ruhe. Di« Boers im Transvaallande weigern sich, den Engländern beizustehen.
London, 1. März. Oie wichtigste Maßnahme, welche tn der heute zu Ende gehenden Woche im Parlamente zum Beschlüsse erhoben wurde, war die 'Bewilligung der Kredite für die Fortführung deS afrikanischen Krieges. 1,500,000 Pfd. St. sind der Regierung vorläufig zugestanden und diese kann mit dem Resultate zufrieden sein,, wenn auch die Art und Weise, wie die goldene Pille verabreicht wurde. Manches zu wünschen übrig ließ. Es regnete von Protesten gegerr diesen „muthwilltg heraufbeschworenen Krieg."
London, 3. März. Die für die Kapkolonie benimmtcn Trup« penverstärknngen find nunmehr inSgesammt dahin einzeschifft.
London, 1. März. Der Vizekönig von Indien erhielt einen Brief von Jakub Kahn vom 26. v. M., worin ihm derselbe den Tod Schir Alis anzetgt. Das Ableben erfolgte am 21. Febr. Die vom 26. Febr. datirte Anzeige Jakubls kautet wörtlich: „Da mein Vater ein alter Freund der britischen Regierung war, so sende ich. diese Nachricht aus Freundschaft."
London, 3. März. Das »Reuter'fche Bureau" meldet aus Kalkutta, daß ein Schreiben Jakub Khans vom 20. Februar eingetroffen sei. worin dieser den Wunsch nach Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zu England ausdrücke.
Vermischtes.
Frrimdkörper im Ohre. Unter diesem Titel bringt die letzte Nummer der „Bert. klin. Wochenschrift" eine Miltheilung über eine merkwürdige Beobachtung und eine noch merkwürdigere Kur eine- Arztes, Dr. K(aatzer) in V (iffehöoede). Der Dienstknecht eines Bauern kam zu dem letztgenannten Arzt, um ihn wegen starker Schmerzen im linken Ohre zu konsultiren. Bei der Untersuchung zeigte sich, daß das Ohr ganz mit lebenden, sich bewegenden Würmern vollgepfropft war, der Brut der gewöhnlichen dicken Brummfliege, welche im Schlafe wahrscheinlich in das Ohr hineingekrochen war und ihre Eier in's Ohr hineingelegt hatte. Die Menge dieser Sprößlinge wurde auf ca. 700 geschätzt. Weder durch die Pincette, noch durch Auswaschung des Ohres und medikamentöse Einträufelungen gelang es, die Thierchen zu entfernen. Der arme Mensch jammerte über fürchterliche Schmerzen: Da verfiel Dr. K. auf ein sonderbares Mittel. Er band dem Patienten eine Scheibe holländischen Käse vor das Ohr und entließ ihn mit der Weisung, sich damit ins Bett zu legen. Am anderen Morgen kam der Patient freudestrahlend zum Arzt mit der Meldung, daß die Schmerzen ganz aufgehört hätten. DaS Ohr war vollkommen leer und rein. ?robstum est l
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