nämlich: »Nun, wir find damit einverstanden; aber das mögen sich die Herren Liberalen vor Augen halten, daß wir unsere Wahlver- sammlunzen nunmehr in den ihrigen abhalten werden. Wir werden keine liberale Wahlversammlung vorübergehen lassen, ohne dort, nachdem uns dies in eigenen Versammlungen nicht gestattet ist, für unsere Kandidaten zu werben und zu agiliren."
— Berlin, 16. Okt. Die legislatorischen Arbeitendes Bundesraths find für die letzte und gegenwärtige Reichstagssesfion als abgeschlossen zu betrachten. Gleich nach dem Schluffe der letzteren wird man sich noch über die AnssührungSbestimmungen zu dem Sozialisten, gesetz schlüssig zu machen haben. Die Arbeiten für die nächste Reichsragssejsion werden erst im Dezember beginnen. Dieselbe dürfte in der zweiten Hälfte des Februar ihren Anfang nehmm.
— Die »Fr. Ztg." veröffentlicht an der Spitze ihrer neuesten Nummer eine von der Gesammt-Redaktion Unterzeichnete Erklärung gegenüber den Ausführungen des Reichskanzlers im Reichstag über Beziehungen der „Frkf. Ztg." zur französischen Regierung. ES wird darin gesagt, daß der Reichskanzler der »mit jeder Anklage verbundenen Pflicht der Beweisführung bis heute in keiner Weise nachgekommen" sei, dann wird fortgefahren: »Wir werden, falls es auch ferner nicht geschieht, dies von Zeit zu Zeit erneut konstatiren und schließlich an das allgemeine Unheil dahin appelliren, daß der Fürst Bismarck sich einer ehrenrührigen Verdächtigung gegen die »Frank furter Zeitung" schuldig gemacht habe." Es folgt hierauf eine Darstellung der RedaktionSverhältniffe der »Frkf. Ztg ", um zu erweisen, daß eine Beeinflussung derselben durch die französische Regierung ausgeschlossen sei.
— Berlin, 18. Okt. Ein schrecklicher Unglücksfüll wird der „Trib." aus Oranienburg gemeldet. In der Kolonie des »Alten Bath" wohnen die Arbeiter Lambert und Buschow, deren Jungen wilde Rangen und der Schrecken der ganzen Kolonie waren. Wie so oft vorher, sollten die Beiden am Samstag wieder durch den Schuldiener gewaltsam zur Schule citirt werden; sie ahnten dies jedoch und verkrochen sich, nachdem sie die Zimmerthör verriegelt, in einem alten Koffer, wohin sie auch den Hund des HsuseS Mitnahmen. Als die Eltern am Abend nach Hause kehrten und dir Thür gewaltsam gesprengt harten, fanden sic den Inhalt des Koffers auf dem Boden verstreut, und als sie den Kofferdeckel öffneten» sahen sie zu ihrem Entsetzen — drei Leichen. Das Schloß des Koffers war zugeschnappt ; es konnte von Innen nicht geöffnet werden und so waren die drei Ltngesperrten dem Erstickungstode verfallen.
— Amtlich wird konftatirt, daß dicht bei Warschau Steppenvieh an Tollwuth erkrankt sei.
— Berlin, 18. Okt. Der Reichstag berieth heute das Sozialistengesetz in dritter Lesung. Als Resultat der zwischen den konser- vativen Parteien, der nationalliberalen Fraktion und der Gruppe Löwe stattgehabten Verständigung lag ein von den Mitgliedern dieser Fraktionen eingebrachter Kompromißantrag vor, durch welchen die in! der zweiten Lesung gelassenen Lücken ausgefüllt werden sollen. Dar nach würde sich, wenn sämmtliche Abgeordneten anwesend wären, eine Mehrheit (222 gegen 175) von 47 Stimmen ergeben, die sich noch um einige Stimmen verstärken kann, wenn einige Mitglieder der Fortschrittspartei, wie man glaubt, für das Gesetz stimmen.
— Hildburghausen, 19. Okt. Soeben, Sonnabend Nachmittags 5 Uhr, geht uns aus dem Reichstage in Berlin folgende Depesche zu: Das Sozialisten-Gesetz ist soeben mit 221 gegen 149 Stimmen angenommen worden. — Schluß des Reichstages.
— Berlin, 19. Okt. Eine sozialdemokratische Versammlung (in Firma: „Verein zur Wahrung der Interessen der werkthätigen Bevölkerung Berlins") war zu Mittwoch Abend nach der Belle- allianceftraße 87 zusammenberufen» um einen Vortrag des Reichs- tagSabg. Bebel anzuhören. Lange vor 8 Uhr war der Saal überfüllt. In Folge dessen fand sich der überwachende Polizeilieutenant veranlaßt, da die Atmosphäre thalsächlich das Athmen erschwerte, aus Ordnungs- und sanitätspolizeilichen Gründen die Versammlung gleich nach der Eröffnung aufzulösen. Die Versammelten entfernten sich, wenn auch erregt, so doch ziemlich in Ordnung.
— Wien» 15. Okt. Ein sonderbares Testament ward vor Kur
zem beim königl. Gerichtshof in Großward-in veröffentlicht. Es war dies die lrtztwillige Verfügung einer Dame. Sie vermachte ihren Erben eine Summe von 100,600 fl., verfügte dabei in spezifizirter Weise, daß Dieser 20.000 fl., Jener 30,060 fl, der Jüngste 35,000 fl., ihr Advokat 5000 fl., rc. von jenen 100,000 fl.» zu bekommen .habe, welche — ein in ihrem Nachlasse befindliches Hundert-Gulden Loos bei der nächsten Ziehung gewinnen wird. Die Erben waren natürlich hocherfreut über ihr Glück, bis sie den Zusatz hörten. Nun mögen sie hübsch Geduld haben, bis das LooS den Haupttreffer macht. ' j
— Wien, 18. Okt. Die Ernennung des Grafen Neust zum österreichischen Botschafter in Paris macht natürlich von sich reden, weil Beust als Antagonist des Fürsten Bismarck bekannt ist. Einige Blätter wollen aus dieser Ernennung auf eine Erkaltung der Beziehungen zwischen Wien und Berlin schließen. Allein dieser Schluß ist doch ein sehr gewagter und zu weit gehender. Lieber hätte man es wohl in Berlin gesehen, wenn der Graf Beust in den Ruhestand versitzt worden wäre, allein Kaiser Franz Joseph ist dem Grasen. Brust dankbar, weil er 1867 den Ausgleich mit Ungarn und über» Haupt eine erträgliche Ordnung der Reichsangelegeuheiten herbeigeführt hat.
— Triest, 15. Okt. Gestern Morgen um 5^ Uhr brach im Dachstuhl des hiesigen Militärspitals Feuer aus, welches bei heftiger Bora sich schnell über den ganzen Dachstuhl verbreitete. Um 9 Uhr war derselbe gänzlich niedergebranut. Um 11 Uhr war der Brand gelöscht. Im Spital« lagen 147 Kranke und Verwundete, da gestern noch 150 Verwundete nach Laibach abgeführt wurden, und der gestern mit anderen 150 Verwundeten angekommene Dampfer »Casior" wegen der Bora nicht einlaufen konnte. Alle Patienten wurden rechtzeitig in Sicherheit gebracht, namentlich bot sogleich der Chef der Firma Reyer und Schlick, Herr Karl Rcinelt, seine Villa für hundert Kranke an. Alle Vorräth: und der Dachstuhl sind verbrannt, darunter Montur und Gewehre der Verwundeten, sämmtlicheS Kriegsmaterial des Feldspitals Nr. 17, der Sanitätsabtheilung 7. Niemand ist verunglückt, nur ein schon in den letzten Zügen Liegender starb, als er transportirt wurde.
Paris, 14. Okt. Gestern gegen drei Uhr war der Lallow oaptik im Begriff, seinen höchsten Punkt zu erreichen, als eine fremde junge Dame, die mit aufgestiegen war, einen Schrei auSftieß und zuiammenbrach. Man glaubte zuerst an einen Nerven- oder Schwindelanfall, aber ein Arzt, der sich glücklicherweise auf der Gondel befand, erkannte sogleich, daß die Frau im Begriff war, zu entbinden. Einer der Luftsch'ffer gab sogleich das Zeichen zur Niederfahrt. Aber das Kind wollte nicht warten. Ohne einen Augenblick zu verlieren, waltete der Arzt seines Amtes, bat die anwesenden Herren, sich etwas zurückzuziehen und schritt zu der Entbindung, die in'der glücklichsten Weise vor sich ging. Ein kräftiger Knabe war einige hundert Meter hoch in der Luft aus die Welt gekommen. Mau landete. Die- Musik spielte und mischte ihre Klänge in das Geschrei des Knäbleins. Sobald das Luftschiff befestigt und das Stegbrett gelegt war, nahmen die diensithuenden Arbeiter die junge Frau in ihre Arme und trugen sie in den nächsten Wagen; eine Dame trug den Neugeborenen in ihrem Shawl nach. Der Arzt, ein Fremder aus Tarbe, hatte 20 Frcs. für die Lustfahrt gezahlt; er empfing beim Aussteigen ein Honorar von 500 FccS. Die Aerzte wissen also jetzt, wo eine einträgliche Kundschaft zu finden ist. Der Vater ist der Sohn eines der größten Manufakturisten von Manchester. Seine Frau wollte durchaus in den Ballon steigen, und in ihrem Zustande sind die Gelüste bekanntlich unwiversteUich. Mutter und Kind befinden sich wohl. Das letztere wird jedenfalls mit Recht den Titel: »Seine Hochgeboren" führen dürfen.
London, 18. Okt. Der Bericht der Kommission zu Untersuchung der Angelegenheit der City of Glasgow Bank ist veröffentlicht worden. Es geht daraus hervor, daß die Aktionäre ein Defizit von mehr als 6 Millionen Pfd. Sterling (—120 Mill. Mark) zu ersitzen haben. Der Bericht legt ferner dar, daß die Bank sich systematischer Täuschung schuldig gemacht hat. Dieselbe hat seit Anfang des Jahres die wöchentliche Bilanz, welche sie der Regierung zustellcn muß, gefälscht, indem sie den Beträgen wirklichen Geldes eine imaginäre Summe hinzusügte, um den - Glauben zu erwecken, daß sie immer eine ihren im Umlauf befindlichen Banknoten entsprechende Summe baaren Geldes habe. In den den Aktionären vorgelegten Rechenschaftsberichten stellte die Bank oft die vorhandene Reserve an baarem Telde übertrieben dar, sie hatte ferner die Gewohnheit, ihre Schulden als disponible Aktiva hinzustellen. Iw Glasgow herrscht in Folge des Berichtes große Niedergeschlagenheit.
London, 18. Okt. Reuter meldet ans Konstantinopel, 17. Oktober: Der Sultan theilte gestern Layard mit, er habe ein Schreiben an den Emir der Afghanen abgesandt mit dem Ersuchen, Sie Differenzen mit England freundschaftlich auszugreichen. Dev Sultan ertheilte auf's Neue die Versicherung, er werde die vorge« schlagenen R eformen für Kleinasten einführen. _ _
Obstpreise.
— Stuttgart, 19. Okt. Auf dem Wilhelmsplatz betrug heute
die Obstzufnhr nur noch etwa 1000 Sack, der Preis blieb unverändert auf 5 60 Ps. bis 6 ^ Auf dem Güterliahnhof wurde»
einige Waggons zu 5 »14 10 bis 20 Pf. rasch verkauft.
Redaktion» Druck und Verlag von S. OelschlSger in <Salw.