beliefen sich, nach einer Mitteilung de- Herrn Bezirksbeamten, welcher das Institut hauptsächlich ins Leben gerufen hat und aufs Wärmste vertritt, doch die Einlagen seither jeden Monat durchschnittlich auf 3—400 Gewiß ein nicht zu unterschätzendes Kapitälchen! Je mehr nun insbesondere in der Gegenwart bei den steigenden Preisen aller Bedürfnisse die edle Tugend der Sparsamkeit für unser Volk einerseits eine unabweisbare Lebensbedingung ist, andererseits aber nicht geleugnet werden kann, daß dieselbe noch lange nicht so verbreitet ist, wir sie es sein sollte und könnte, daß vielmehr in weiten Kreisen unter der Herrschaft ungezügelter Genußsucht und leichtsinniger Verschwendung die etwa noch vorhandenen soliden Grundlagen des Hausstandes mehr und mehr zusammenzubrechen drohen. desto mehr ist es Pflicht eines jeden wahren Bolksfreundes, mit Einsetzung aller seiner Kräfte so viel als möglich dahin zu wirken» den Sinn für Häuslichkeit, Einfachheit, Genügsamkeit, Mäßigkeit und Sparsamkeit unter unserem Volke wieder zu wecken, zu beleben, zu hegen und zu pflegen. Zu diesem Zwecke dürften die Kinder-Sparkaffen als ein sehr geeignetes Mittel erscheinen und deren Einführung in allen Bezirken nach Kräften anzustreben sein.
— Bon der Tauber, 26. Mai. (Seltene Naturerscheinung.) Vorgestern Nachmittag konnte man in südlicher Richtung eine Erscheinung, die von der Ferne mit einem sich nahenden Bogelheer zu verwechseln war, beobachten. Ir näher dir Erscheinung kam, desto deutlicher zeigte es sich, daß die Wolke nicht aus Vögeln, sondern aus Baumzweigchen bestand. Diese fielen denn auch in und bei dem Pfarrdorfe Althausen zahlreich zu Boden und wiesen sich als Zweige von Buchen, theilweise auch Eichen aus. Ohne Zweifel haben wir in der Erscheinung das Werk einer Windhose, welche, da der nächste Buchenwald in der genannten Himmelsgegend wohl 7—8 Kilometer von Mergentheim entfernt ist, in solcher Entfernung eine Anzahl Bäume entlaubte und auf die genannte Weise ihrer Beute sich entledigte.
— Eberbach a. N., 27. Mai. Am Samstag Abend explgdirte einem Arbeiter im Schruerbergtunnrl dahier eine Anzahl Dynamitpatronen, wodurch derselbe gänzlich in Stücke zerrissen wurde. Andere in der Nähe befindliche Arbeiter find mehr oder weniger schwer ver- letzt. Unvorsichtigkeit scheint die Ursache der Explosion zu sein.
— A.u S dem Bezirk Lahr, 25. Mai. In einer vom Dunkel ultramontaner Zustände in ziemlich hohem Grade angehauchten Gemeinde unseres Bezirks traf der hochwürdige Ortspfarrer die Anordnung» daß diejenigen Jungfrauen seiner Gemeinde, welche sich nachweislich irgend etwas hatten zu Schulden kommen lassen, einen besondern Platz in den hintern Räumen der Kirche rinnehmen sollten, um so der ganzen Gemeinde gleich kenntlich und als büßende Magdalenen vor Augen, beziehungsweise an den Pranger gestellt zu sein. Die gläubigen Sünderinnen zogen eS vor, die Weisung, welche nochmals ausdrücklich und unter Nennung der Namen von der Kanzel herab erfolgte, nicht ernstlich zu nehmen. Der hierüber erzürnte Seelsorger erwirkte nun die Mithilfe der weltlichen Obrigkeit. Ein Schriftstück, welches das Bürgermeisteramt an eine der Widerspenstigen erließ, lautet wörtlich wie folgt: „Das Bürgermeisteramt An Babra
.von Seelbach betreffent ES wird Ihnen hiemit eröffnet daß
SieS der Pfarramtlichen Anordnung bezüglich der Blätze in der Kirche Nachkommen hinten oder es wird DerseitS gegen SieS eingeschritten. Stebach den 18. Mai 1878. Benz Bürgster.'
— München, 28. Mai. Der Oberbürgermeister Münchens, vr. Erhardt, wird morgen sich vermählen. Rach der bürgerlichen Trauung auf dem Rathhause durch das Standesamt wird die kirchliche in der altkathol. Nikolaikirche vorgenommen werden. Die ultramoutanen Blätter sind hievon selbstverständlich wenig erbaut, und das eine von ihnen äußert, der Bürgermeister von München werde in einer Ehe leben, die so wenig Geltung habe, als wenn sie von einem Botokudenhäuptling geschlossen wäre; ein anderes meint: da habe es der Bürgermeister Fischer von Augsburg, der gleichfalls katholisch getauft worden, als er sich neulich vermählte, doch grschetdter gemacht, indem er sich gleich protestantisch träum ließ.
— Berlin, 27. Mai. Die Voruntersuchung gegen den Attentäter wird jetzt als im Ganzen abgeschlossen betrachtet, da nur noch die Aussagen der in anderen Städten kommissarisch zu vernehmenden Zeugen auSstehen. Zu ketzeren gehö t auch Herr Bruno Sparig in Leipzig, von dem die sozialdemokr. Berliner Fr. Presse behauptet, daß er es gewesen, der dem Hödel 10V gegeben habe. Sin seltsamer Zufall hat es übrigens gewollt» daß Sparig auch Oskar Becker, dm anderen Attentäter gegen das Leben des Kaisers, näher gekannt hat, da er bei Becker Unterächt in der russischen Sprache nahm.
— Berlin, 28. Mai. Die auf dm 11. Juni anberaumt gewesene Abreise des Kaisers nach EmS ist gutem Vernehmen nach aufgeschoben. — Die von auswärtigen Blättern gebrachte Nachricht, die Einladungen zu« Kongresse seien bereits an die Kabinett abgegangen, wird hier von unterrichteter Seite als unbegründet bezeichnet
— In Berlin werdm Vorbereitungen getroffen für das eventuelle Eintreffen der russischen und österreichischen Bevollmächtigten zum Kongreß nach Pfingsten.
In dem weimarischen Städtchen Ost he im am Rhöngebirge, zu der Enklave Mellrichstadt gehörend, sind am 22. d. Mts. 120 Haupt- und Nebengebäude im ärmsten Theile des Städtchens abgebrannt.
Wien, 28. Mai. Dem „Prager Tagbl."wird aus Wien tele- graphirt: .Eine Anzahl Führer der Sozialdemokraten Oesterreichs hielten in Wien eine Privatdiskusston über die künftige Haltung der Partei gegenüber den zu befürchtenden strengeren Maßregeln der Behörden. Beschlossen wurde die Vertagung des für Pfingsten bestimmten ArbeitertageS; ferner den sozialistischen Blättern gemäßigte Schreibweise und Vermeidung von Kollisionen mit dm Staateanwälten za empfehlen.
Zwei Cigarrenfabrikanten inWerther, Regierungsbezirk Minden, haben nach der Kunde von dem Hödel'schen Mordversuche ihren Arbeitern erklärt, daß sie kein Mitglied eines sozialdemokratischen Der- eins mehr beschäftigen würden. Eine diese: Firmen hat 40 Arbeitern gekündigt, die nach Ablauf einer gestellten dreitägigen Frist die verlangte Entscheidung nicht abgegeben hatten.
Paris, 26. Mai. Das große Nationalfest bei Gelegenheit der Ausstellung, für welches der Minister des Innern 500 000 Fr. gefordert, soll mit der großen Truppenschau zusammenfallen und zwei Lage dauern. Zugleich soll .der Besuch der ganzen Welt in Paris* und „die Besitzergreifung Frankreichs von sich selbst, von seiner Regierung und Unabhängigkeit' gefeiert werden.
Personen, dir vom Besuch der Pariser Industrieausstellung zurückkehren, beklagen sich nicht nur über außerordentlich hohe Preise» sondern auch über die Unreellität, die in der Behandlung der Frem- den vielfach eingeriffm ist. Solche Erscheinungen begleiten jede plötzliche Steigerung des Personenverkehrs und Lesucher von Weitaus« stell» ngen müssen darauf vorbereitet sein. In Paris aber scheint diesmal die .Fruktifizirung' des Fremdenverkehrs ungewöhnliche Verhältnisse anzunehmen. Selbst in ersten Hotels ist es nicht mehr ge- rathrn, ohne vorherigen Akkord sich einzumiethen.
Petersburg, 28. Mai. Der »Moskauer Zeitung' zufolge überreichte die Reichsbank dem Komite zur Sammlung von Beiträgen zu einer Kreuzerflotte einen unverzinsbaien Vorschuß von 2 Millionen Rubel.
Petersburg, 29. Mai. „Bgence russe' bestätigt, indem sie anderweitige Zeitungsangaben widerlegt, daß bis jetzt die Kabinett lediglich vertraulich befragt worden find, ob ihnen das in'S Auge gefaßte, aber noch nicht festgesetzte Datum des 11. Juni für dm Zusammentritt deS Kongresses konvenire.
— Die .Pol. Korr.' erfährt, daß entgegen den anderweitigen in den letzten Tagen verbreiteten Meldungen über das Datum und dm Ort des Zusammentritts des Kongresses bis jetzt noch nichts endgiltig festgesetzt sei.
Konstaotinopel, 20. Mai. .Eine Anzahl von ungefähr 30 Flüchtlingen ist heute Morgen unversehens in den Gartm des vom Sultan Murad V. bewohnten PalastS eingedrungen unter dem Rufe: .Es lebe der Sultan,' ohne übrigens einen Namen hinzuzu- fügen. Als sich die mit der Ueberwachung des PalastS beakftra-ttn Schildwachen dem Eindringen dieser Leute in das Innere des PaksstS widersetzten, gaben letztere Feuer auf die Schildwachen, von denen eine getödtet wurde. Nach Ankunft von Truppen wurden die Angreifer zurückgeworfen, und in dem Tumult gab es auf beiden Seiten Tobte und Verwundete. Ali Suavi, der diesen Angriff organifirt und geleitet zu haben scheint, hat bei dem Zusammenstoß seinen Tod gefunden. Die Sache hat keine weiteren Folgen gehabt und die Ruhe in der Stadt ist keinen Augenblick gestört worden.' Es ist die- ersichtlich eine offizielle, beschönigende, den Vorfall abschwächende Darstellung. Eine andere Depesche der Köln. Z. meldet: .Heute wurde im Palast von Tschrragan eine Verschwörung unterdrück. Die muradistische Partei suchte mit Hülfe der FlvchÜinge Abdul Hamid zu entthronen, und Murad zum Sultan in Dolmabagdsche auSzurvfen. Heute Morgerr wurde der Palast von Tscheragan von einem Truppmkordon umgeben. Kriegsschiffe liegen unter Dampf. Der Palast ist untersucht wordm; man hat 15 Tobte und 20 Verwundete gefunden. Die Stadt ist ruhig. Patrouillen durchziehen die ganze Stadt.
Konstantinopel, 21. Mat Abends. Exsultan Murad erklärte, dem gestrigen Auflauf vor dem Palast Tscheragan, wobei 25 Personen getödtet, ebrnsoviele verwundet, auch die Soldaten mehrere Lobten hatten, ganz fremd zu sein. In Folge Hausdurchsuchung bei dem grtvdteten Anführer der Aufrührer, Ali Suavi, wurden weitere Verhaftungen »orgenommen.
Dir Pforte erhielt am 27. eine Einladung zum Kongresse, welche sie sofort beantwortete.