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Rückgang von 8 »-6 und für spätere Lieferung einen noch größeren', Preisabschlag erfuhr. Ob dieß der Anfang einer weiteren Preisver- schlechterung bildet oder ob diese Reaktion nur auf Zufälligkeiten be­ruht, läßt sich heute noch nicht sagen.

Cannstatt, 22. Dez. In der Nähe des hiesigen kön. Theaters sah man heute um die Mittagszeit im Neckar eine Frauensperson schwimmen, welche mit den Armen sich gegen das Untersinken wehrte. Mehrere Herren, welche eben mit der Pferdebahn von Stuttgart her­kamen, eilten zu Hilfe, konnten aber die Unglückliche nicht erreichen, denn das Holzstück, welches sie in der Eile sich verschafft hatten, war nicht lang genug. Vor ihren Augen fand sie den Tod des Ertrin­kens und wurde nicht mehr sichtbar an ider Oberfläche des Wassers. Mit der Frauensperson soll auch ein Herr in die Fluthen des Neckars gesprungen und nicht wieder zum Vorschein gekommen sein. Ein Damenhut mit 2 blauen Federn wurde zwar im Neckar aufgefangen, sonst aber konnten die Fischer trotz eifrigen Suchens noch nichts finden. Die Nachforschungen werden morgen fortgesetzt werden. Man sagt sogar, das Paar habe ein Kind bei sich gehabt und auch dieses den Tiefen des Stromes übergeben, allein Bestimmteres ist hierüber noch nicht erhoben.

Göppingen. Am 18. d. M. ereignete sich in der Leimfabrik von Fr. Schwarz dahier ein sehr bedauerlicher Unglückssall. Der Siedmeister wollte, wie sonst, das aus den Knochen extrahirte Fett aus dem Siedekessel abschöpfen. Als er aber zu diesem Behuf den Deckel des Kessels emporhob, wurde das siedend heiße Fett mit großer Gewalt aus der Oeffnung des Kessels geschleudert, übcrströmte den Siedmeifter und verbrühte ihn derart,, daß er andern Tags nach un­säglichen Qualen seinen Brandwunden erlag. Es scheint, daß eine übermäßige Dampfzuleitung vom Dampf- zum Siedekessel stattgefun- den hatte.

Göppingen, 20. Dez. Bezüglich meiner letzten Mittheil­ung, nach welcher eine gerichtliche Einschreitung wegen der Sektion einer Leiche angeordnct war, theile ich mit, daß nach der chemischen Untersuchung nunmehr sestgestellt ist, daß eine Vergiftung nicht vorliegt.

Ravensburg, 21. Dez. In die Falschmünzerei- und Wech- sclfälschungSgeschichte der Haller'schen Eheleute von Oberzell scheinen auch hiesige Personen verwickelt zu sein, indem ein hiesiger Graveur und ein Metzger das Weite suchten.

Gmünd, 20. Dez. Heute Abend um 4 Uhr kam der ent­wichene und in Wien verhaftete Spitalverwalter Bichler mit dem Zuge an. Unter starker Eskorte wurde er dann vom Bahnhof zu Fuß in das K. Oberamtsaericht abgeführt. Die halbe Stadt war auf den Beinen, so daß die Landjäger sammt der Polizei nur mit Mühe durch- kommen konnten. Der Gefangene sah sehr blaß und angegriffen aus.

Heidenheim, 19. Dez. Louis Winter, Sohn des Direktors der hiesigen Aktienbraueret war gestern auf dem obersten Boden des Braucreigebäudes beschäftigt, that in der Nähe des Schachtloches einen Fehltritt und stürtzte die ganze Höhe desselben, (3 Stockwerke) yinab, so daß jeder der Mitarbeiter dachte, Winter müsse mindestens Arme und Beine gebrochen haben. Als dieselben todesbleich vor Schrecken herbeieilten, kam ihnen Winter bereits entgegen mit den Worten:Ich komme schon selber wieder hinauf." In der That hatte er auch nicht den mindesten Schaden erlitten u. gieng sofort wieder seiner Funktion nach.

Mosbach, 19. Dez. Gestern Mittag gelangte die Nachricht hierher, daß in Diedesheim ein großer Unglücksfall vorgefallen sei. Auf ein gezogene Erkundigung erfuhren wir, daß Bierbrauer Kuch hinter seinem Bierkeller einen Eiskeller ausgegraben habe und der Anfang zum Ausmauern gemacht werden sollte. Das Gerüst scheint ziemlich schwach gewesen zu sein und so kam es, daß dasselbe mildem auf demselben liegenden Baumaterial, dem Bauherrn und den Maurern,

7 Personen, zusammenbrach und einige der Leute Armbrüche und son­stige Verletzungen davontrugen.

Elbing. Die Nogat>Niederung ist durch Dammbrüche über­schwemmt; das Unglück, das dadurch über die ganze Umgegend ge- bracht wird, ist in seiner ganzen Tragweite noch nicht zu übersehen. Eine Reihe von Ortschaften, Ellenwald, Wickerau rc. steht tief unter Wasser. Elbing selbst erhebt sich aus der weiten Wasserfläche wie ein aus dem Meer emporragender Häuserkomplex; von seinem Ma> rieenthurm aus übersieht man die meilenweit über fruchtbare Felder und Wohnstätten sich hinwälzenden Wasser- und Eismassen, in welche auch die Stadt mit ihren Ausläufern, dem niedrig gelegenen Fluß, selbst hinabtaucht. Die Wirkungen des Unglücks müssen dießmal um so empfindlicher sein, als es ganz unerwartet über die Betroffenen hereinbrach.

Berlin, 22. Dez. Dem feierlichen Schlußakt der Reichs, tagssession wohnten etwa 150 Abgeordnete, die Generalität und Stabsoffiziere, sowie viele hohe Staatsbeamte, sämmtlich in großer Gala, bei. An der Spitze des Bundesrathes erblickte man den Fürsten!

Bismarck. Bald nach 2'/z Uhr betrat der Kaiser den Saal, welchem der Kronprinz und sämmtliche hier anwesenden Prinzen folgten; die Versammlung begrüßte den Kaiser durch ein von dem Präsidenten des Reichstages o. Forckenbeck ausgebrachtes Hoch. Der Kaiser ver» las die Thronrede, welche er aus den Händen des Fürsten Bismarck erhielt, mit kräftiger Stimme, und erklärte letzterer hierauf die Session für geschlossen.

Der Gesetzentwurf wegen Einführung von Ausgleichungsabgaben, dessen Durchberathung wegen des nahen Sessionsschlusses unterbleiben mußte, wird Voraussicht!, zu den ersten Gegenständen gehören, welche die nächste Reichskags'Session beschäftigen sollen. Wie man derNat.-Ztg."

schreibt, besteht die Absicht, unter Berücksichtigung der durch die Reichs- tagsverhandlungen in erster Lesung und die Kommissionsberathungen gewonnenen neuen Gesichtspunkte die Vorlage vollständig umzuarbeiten. Dieselbe würde dadurch eine präzisere Form erhalten und nicht nur den Handelsverkehr mit Frankreich und Oesterreich, sondern auch den mit Rußland ins Auge fassen.

Berlin, 21. Dezbr. Die Justizgesetze sind heute mit einer Mehrheit von 94 Stimmen angenommen worden (194 gegen 100), die angesichts der Kämpfe, welche die Gesetze in 3. Lesung hervor­gerufen haben, jedenfalls bemerkenswerth ist. Man hatte in national­liberalen Kreisen die Mehrheit im Voraus auf etwa 50 Stimmen veranschlagt. Die Fortschrittspartei hat inzwischen den Nationallibe- ralen das Zusammengehen für die nächsten Wahlen bekanntlich ge­kündigt. Diese Wahlen gestalten sich dadurch thatsächlich zu einer Berufung an das Volk, das gleichsam in letzter Instanz entscheiden wird, ob die Nationalpartei in der schwierigen Lage, in welche sie sich zuletzt gedrängt sah, das Richtige getroffen und im Sinne ihrer Auf- traggeber gehandelt hat.

Hundertmarknoten der Privatbank zu Gotha. Die Direktion der gothaischen Privatbank macht neuerdings darauf aufmerksam, daß dre noch cursirenden Noten der genannten Bank, welche auf 100 Reichswührung lauten, nur noch bis zum 31. Dezember d. I. von der Bank eingelöst werden, nach Ablauf dieser Frist aber vollständig werthlos sind.

Wien. Der Mörder Francesconi ist am 16. Dez. Morgens im Hofe des Landesgerichtes hingerichtet', d. h. gehängt worden. Er hatte sich versöhnt mit Gott und den Menschen. Ruhig gieng er durch das Spalier der Wachen, warf aus tief in den Höhlen liegen­den Augen einen lange i Blick auf den Galgen und umarmte und küßte den Geistlichen. Als er den Staatsanwalt, Grafen Lamezau erblickte, trat er auf ihn mit den Worten zu: Verzeihen Sie mir, kai- serl. Rath! Dieser antwortete: Sie haben sich mit Gott versöhnt und werden einen gnädigen Richter finden! Er entkleidete sich nun selbst, faßte das Kreuz und sagte: Ich will noch einige Worte sprechen. Der Scharfrichter unterbrach ihn:Ich muß leider meines Amtes warten", er legte ihm die Schlinge um den Hals. Nur ein paar Worte! bat Francesconi nochmals und rief, als er schon in die Höhe gezogen wurde: Adieu, Mutter, Mutter! Der letzte Ruf erstarb unter athemloser Stille: Francesconi war gerichtet. Der Geistliche sprach ein Vaterunser für den Unglücklichen und alle beteten laut mit. In der Nacht vor der Hinrichtung hatte Francesconi Briefe an seine Angehörigen geschrieben, Morgens gebeichtet und das heilige Abend­mahl empfangen.

Paris. Ein Weinstubenwirth in der Rue Saint Mödörtc in Versailles, Herr Lelong erzählt das Bulletin Franyais befand sich kürzlich in seinem Keller, als ihm plötzlich der Boden unter den Füßen wich und er etwa 4 Meter tief m eine Art von Brunnen fiel, von dessen Dasein er bis dahin keine Ahnung hatte. Auf seine Hilferufe lief man mit Stricken und Lichtern herbei. Lelong, der sich schwerverletzt, wie er war nicht rühren konnte, blickte um sich und sah zu seinem Erstaunen in einem weiten Keller eine Reihe methodisch geordneter Weinfässer. Seine Gesellen zapften dieselben an und ent­deckten, daß sie mit den besten französischen und spanischen Weinen gefüllt waren. Wie sich nachträglich herausstellte, gehörte dieser Keller zu einem Pavillon, dem sogenanntenRendezvous d'Amour", welchen sich Ludwig XV. im Hirschpark angelegt hatte. Man glaubt nicht, daß die Republik Eigenthumsansprüche an diesen Wein erheben wird.

Semlin, ^0. Dez. Am Bord des Monitor Maros ereig­nete sich der Unglücksfall, daß eine Granate beim Laden im Thurwe platzte, wodurch Linienschiffs.Fähnrich Pfusterschmied und die Mat­rosen Georg Kastellan, Pasqual Kerstulovich, Nagarius Pelaskier und Mathias Gospodinovich schwer, dann 7 Mann leicht, verwundet worden sind. (Nach einer Depesche der N. Fr. Pr. war ein Mann gleich todt und ein anderer liegt im Sterben). Die Verwundeten wurden in Semlin ausgeschifft und in ärztliche Pflege genommen. Die Herstellung des Offiziers wird binnen 3 Wochen in Aussicht gestellt.

Redaktion, Druck und Verlag von S. OelschlLger in «Lalw,

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