88 Calw. Am 11. ds. fand eine öffentliche Plenarsitzung hiesiger Handels- und Gewerbekammer statt, aus deren Verhandlungen wir Folgendes mittheilen:
Die von dem Reichskanzleramt im Entwurf vorliegenden Bestimmungen für Ausübung der Haufirgewerbe durch Ausländer sind nach Ansicht der Kammer und der hierüber vernommenen Gewerbe- Vereine eine nothwendige Maßregel zu Verbesserung der seitherigen tief empfundenen Mißstände. Durch diese Bestimmungen soll der übergroße Zudrang ausländischer Hausirer mittelst entsprechender Vorschriften vermieden und für das Gewerbe der Topfbinder, Kesselflicker und Händler mit Drathwaaren u. dgl., an Ausländer keine neue Con- cession mehr ertheilt werden. Hievon werden insbesondere die Zigeuner betroffen, die Kammer ist jedoch der Ansicht, daß die gleiche Bestimm- ung auch Anwendung finden sollte auf die Dudelsackbläser, Drehor- gelspieler, Murmelthiere, Kamele, Affen u. dgl. zur Schaustellende Personen, denn sie sind dem Publikum nicht weniger .ästig, als die erste Categorie von Hausirern.
Das von der K. Centralstelle für Gewerbe und Handel verlangte Gutachten, ob es sich empfehle, das Gewerbe der Trödler, Pfandleiher. Gesinde-Bermiether einer polizeilichen Controle in Bezug auf Buchführung, Umfang und Art des Geschäftsbetriebs zu unterwerfen, wurde von der Kammer dahin abgegeben, daß zwar im Allgemeinen eine derartige Controle geboten erscheine, doch sollten ver> kehrsbeengende Vorschriften, wie sie die dießfallstgen preußischen Be> stimmungen zum Theil enthalten, weggelassen werden.
Das kaiserl. statist. Amt in Berlin beabsichtigt zu Verbesserung der Statistik über den auswärtigen Waaren-Berkehr, welche notorisch an erheblichen Mängeln leidet, Vorschriften herbeizuführen, wornach allen Sendungen ins Ausland auf dem Frachtbrief Deklarationen des Inhalts der Sendung, sowie des Wcrthes derselben beizugeben sind. Obwohl nicht zu leugnen ist, daß solche Vorschriften keine angenehme Aufgabe für den Handelsstand sind, so ist doch auch nicht zu verkennen, daß eine möglichst zuverlässige Ausfuhr statistik unentbehrlich ist, und daß das Material hiezu nicht wohl in anderer Weise beschafft werden kann. Aus diesen Gründen glaubte die Kammer ihre Ansicht dahin aussprechen zu sollen, daß sie gegen die beabsichtigten Vorschriften im Allgemeinen kein Bedenken habe, jedoch wünschen müsse, daß für die Werthsdeklarationcn ein möglichst einfaches Formular eilige- führt und von BeförderungSsistirung bis zu Bereinigung des Declarationspunktes Umgang genommen werde. Wcitergehende Verpflichtungen zu dem angeregten Zweck erscheinen unthunlich.
Die Justiz-Commission des deutschen Reichstags hat bei Be- rathung einer deutschen Anwaltsordnung beschlossen, es sollen diejenigen Anwälte, welche sich an Orten niederlassen, an welchen sich keine Landgerichte (wie sie künftig statt der seitherigen Kreisgerichtshöfe genannt werden) befinden, von der Vertretung von Prozeßparteien bei den Landgerichten ganz ausgeschlossen werden. Dieser Beschluß würde in Zeitkürze dazu führen, daß in den Oberamtsstädten kein Rechtsanwalt mehr existiren könnte, und jeder, der eine Berathung mit einem solchen wünscht, zu diesem Zweck an den Sitz des Landgerichts zu reisen hat. Dieser Mangel an Rechtsanwälten in den Landstädten wäre offenbar eine große und ungerechtfertigte Belästigung für das rechtsuchende Publikum, von nachtheiliger Einwirkung auf das wirth- schaftliche Leben. Die Kammer beschloß aus diesen Gründen an die Kgl. Staats.Regierung die Bitte zu richten, der Aufnahme solcher Bestimmungen in die Anwalts-Ordnung entgegenzutreten.
Der deutsche Handelstag in Berlin hat die Kammer um Mit- theilung ihrer Ansicht über die Reichs. Eisenbahnfrage ersucht. Auf den Antrag des Referenten wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen zu erklären:
Eine einheitliche Tarifreform auf sämmtlichen deutschen Eisenbahnen, sowie eine sonstige Regelung des Eisenbahnwesens im Sinne der Reichsverfassung zu Beseitigung der seitherigen großen Mißstände hat nur Aussicht auf Verwirklichung, bei stärkerer Entwicklung des Staatsbahnsystems und möglichster Einwirkung des Reiches auf das deutsche Eisenbahnwesen, es ist deßhalb auch die Kammer mit dem Plane der Erwerbung der großen durchgehenden Linien und der preu- ßischen Staatsbahnen für das Reich einverstanden.
Eine Erwerbung der Eisenbahnen derjenigen Bundesstaaten, welche große Bahncomplexe im Besitze haben, erscheint hiebei nicht erforderlich.
Unter dem 20. Okt. wurde von der evangelischen Oberschulbehörde d
Schulstelle in Möttlingen, dem Schulmeister Krauß in Maisenbach Übertrags Se. Kön. Maj. haben durch Höchste Entschließung vom 9. Sept. l. ! me erledigte Stelle eines Mitglieds des Borsteher-Kollegiums der Württen oergischen Sparkasse dem K. bayerischen Konsul Bankier Georg Dorten Stuttgart gnädigst übertragen.
. Emöge Höchster Entschließung vom 21. Oktober haben Se. Kön. Maj. dl zweiten Borstand des Kreisgcrichtshofs in Tübingen, Obertribunalrath b r, auf sein Ansuchen wegen körperlicher Dienstuntüchtigkeit in di muyestand gnädigst zu versetzen und demselben hiebei das Commenthurkw zweiter Klasse des FriedrichSordenö zu verleihen, geruht.
— Stuttgart. Auf eine Eingabe von 30 Besitzern von Manu^ faktur- und Modewaaren-Geschäften, die sich über die unrichtige, d. h» zu niedere Besteuerung der Inhaber sogenannter Wanderlager beschwer ren, hat der Gemeinderath den Bescheid gegeben, daß mit der Besteu- rung derselben bis an die äußerste Grenze des Gesetzes gegangen worden sei, indem sich die wöchentlichen Steuerbeträge der Verkäufer iur Laufe der letzten Jahre von 54 bis auf 90 ^6 beziffert haben. Abhilfe sei nur von der bevorstehenden Einführung des neuen Steuergesetzes zu erwarten. Während gegenwärtig den Wanderlager-Jn- hadern für jede Verkaufswoche eine Steuer anzusetzen sei, welche der Monatssteuer eines ansässigen Geschäftsmanns entspreche, sei künftig? für die ersten 14 Tage eine Quartalsteuer, für die ersten 30 Tage eine halbe und für die weitere Zeit eine ganze Jahressteuer zur Erhebung zu bringen. Ueberdieß werden künftig die Inländer am Orte des vorübergehenden Verkaufs nicht mehr steuerfrei sein. Ein Mittel, das hiesige Geschäftsleute schon früher angewendet haben, dürfte sich vielleicht zur Wiederholung empfehlen, nemlich einfach eine Bude mit den Verkaufsartikeln des Wanderlagers vor dem Eingang desselben aufzustellen und zu denselben Preisen zu verkaufen.
— Stuttgart, 23. Okt. Präsident v. SteinbeiS ist am 22.' l. M. nach Philadelphia von hier abgereist, um einen ihm verwillig» ten Urlaub von 7 Wochen zur Besichtigung der dortigen Centennial- ausstellung zu benützen. Von der Centralstelle für Gewerbe und Handel ist ihm behufs der Bewerkstelligung von Einkäufen für das Musterlager ein Beamter desselben auf Staatskosten beigegeben worden.
— Pfalzgrafenweiler, 22. Okt. Gestern feierte die Filial- gemeinde Edelweiler in einfacher aber entsprechender Weise durch Rede, Gesang und Festessen die Ueb ergäbe und Eröffnung ihrer neuen Wasserleitung, eines Werkes, das in kürzester Zeit unter Oberleitung deS Herrn Wasserbau-Inspektors Reinhard, durch den sachkundigen Ingenieur Herrn Mayser auf das Gelungenste ausgeführt wurde. Den größten Theil des Jahres mußte die Gemeinde das Wasser für Küche und Stall aus dem Zinsbachthale beschaffen, was natürlich mit viel Mühe gerümpft war. Den unausgesetzten Bemühungen des Schultheißen Kalmbach gelang es, das Werk durchzusetzen, zu dem am 28. Jult v. I. die Genehmigung der Regierung erfolgte, und das heute fertig steht, und täglich 43,000 Liter vortreffliches Wasser liefert, während der Bedarf, wenn man für 260 Einwohner 100 Liter per Kopf rechnet, nur 26,000 Liter ist. Außerdem wurde, um jeder Feuer- und Was- sersnoth zu begegnen, rin 140,000 Liter fassendes Reservoir angelegt. Sechs Brunnen vertheilen das Wasser in dem Dorfe und bereits haben sich zehn Bürger Hausleitungen einrichten lassen.
— Göppingen, 24. Okt. Als am letzten Samstag, Nachts 114/2 Uhr, Herr Tuchfabrikant Schäuffele nach Hause gieng, bemerkte
.er in den untern Lokalitäten seiner Fabrik eine bedeutende Helle und fand beim Oeffnen der Fabrik, daß in dem Websaal ein Fenster eingedrückt und in dem Geschirre eines Webstuhls ein brennender Unschlilt» stumpen lag, das Geschirr selbst aber in Hellen Flammen stand. Hrn. Schäuffele gelang eS den Brand selbst zu löschen; wenn derselbe übrigens nicht so bald entdeckt worden wäre, wäre ohne Zweifel die ganze Fabrik ein Raub der Flammen geworden. Dem Brandstifter ist man auf der Spur. — Es ist doch auch oft gut, wenn man spät nach Hause kommt.
— Saulgau, 22. Okt. Heute wurde in dem eine Stunde von hier entfernten Rennhartsweiler der dortige Zimmermeister und Holzhändler Ed. Haller beerdigt. Vor 14 Tagen war er im Begriff, auf die Jagd zu gehen und lehnte auf einige Augenblicke sein geladenes Gewehr an einen vor seinem Hause liegenden Holzklotz. Beim Wiederaufnehmen blieb er mit dem Hahn hängen; das Gewehr entlud sich und der ganze Schuß gieng ihm durch den linken Oberarm. Nach 12tägizem unsäglichem Leiden erlag er dieser Verwundung.
— Wangen im Allgäu, 21. Okt. Zur Klarstellung eines auch in unserem Blatte gemeldeten Vorfalls nehmen wir Kenntniß von einer Erklärung des Hrn. Kameralverwalter Baur und des Hrn. Stadtschultheißen Trenkle. Hienach betrifft der Unfall den Kameralamtsge- Hilfen Schädle, der schon seit mehreren Wochen im Besitz eines Revolvers ist, den er aber ohne jegliche Mitwirkung des KameralamtS- buchhalters hier in Wangen selbst gekauft hat. Das unvorsichtige Spielen mit dem Revolver in der Kanzlei geschah am 13. d. M. Abends nach der Kanzleistunde und es war Niemand zugegen, als ein Jncipient, der den rc. Schädle wiederholt ersuchte, das Spaßmachen: mit dem Revolver bleiben zu lassen. Der Kameralamtsbuchhalter war nicht zugegen, derselbe befand sich gar nicht im Hause und hak lediglich keinerlei Verschulden an dem bedauerlichen Vorfall. Indessen ist Hoffnung auf Wiedergenesung des Verletzten vorhanden, derselbe hatte bisher nicht einmal über Schmerzen zu klagen.
— In Karlsruhe wurde einem Mitgliede der freiwilligen Feuerwehr b. einer Uebung durch eine umfallende Leiter beide Füße abgeschlagen.
— Franks urt, 21. Okt. Gestern wurde ein Individuum abge«