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durch denselben dem als berechtigt anerkannten Bedürfniß des Handels» standeS nur dann genügt werde, wenn sich an dem Handelsplätze, wo die Verhältnisse die Errichtung eines besonderen Forums für Handels- streitigkeiten erheischen, auch der Sitz eines Landgerichts befinde. Fallen beide Voraussetzungen nicht zusammen, so würde das Bedürfniß des Handelsstandes an dem betreffenden Orte nicht erfüllt werden können, und zwar lediglich aus einem formellen Grunde. Ueber die Stell- ung, welche des preuß. Staatsministerium den Justizgesetzen gegenüber einnimmt, wird der Köln. Z geschrieben: Wie man sich erinnert, sind es hauptsächlich zwei Differenzpunkte, von politischer Tragweite, Aber die bisher eine Einigung zwischen den verbündeten Regierungen und der Reichsjustizkommisfivn nicht hat erzielt werden können. Der eine betrifft die Aenderung der Vorschriften über den Zeugnißzwang, unter welchem in letzter Zeit die Presse mehrfach zu leiden hatte, der andere die von der Kommission verlangte Ueberweisung der Prcßver- petzen an die Schwurgerichte. Bezüglich des letzteren Differrnzpunktes ist nicht zu übersehen, daß die Justizkommifsion da nicht bloß einen Fortschritt zu einem ihrer Ansicht nach Bessern fordert, vielmehr für bie süddeutschen Staaten einen Rückschritt abzuwehren hat. Dieß macht, falls Leonhardt oder überhaupt die preußische Regierung hier auf dem bisherigen Widerspruche beharren sollte, die Verständigung sehr schwierig. In Betreff erwünschter Fortschritte können die ge­mäßigt liberalen Parteien unter Umständen zeitweiligen Verzicht leisten und bei dem bedeutenden politischen Gewinne eines einheitlichen deut­schen Staatsrechts in manchem Punkte nachgeben. Dagegen offenbare Rückschritte auf Verlangen Preußens den süddeutschen Staaten auf. zwingen zu helfen, muß bei ihnen d. schwersten politischen Bedenken erregen. Wien, 14. Oll. In jüngster Zeit mehren sich die Fälle von Steuerverweigerung Seitens der ländlichen Bevölkerung, und zuweilen kam sogar tin thätlicher Widerstand gegen die eintreibenden Organe vor. Gestern lehnten in Kollendorf unweit Znaim in Mähren die Bauern sich gegen die Steuerbeamten derart auf, daß die letzteren nur unter dem Schutze von Gendarmen sichre flüchten konnten. Das Dorf hat strafweise eine starke Militärbesatzung erhalten, und ein Staatsanwalt wurde dahin abgesendet, um gegen die Rädelsführer und Hauptschuldigen die Untersuchung einzuleiten.

Paris, 11. Okt. Am Sonntag fanden in etwa 33,000 Ge- meinden neue Mairewahlen statt. Dabei wurden fast 4/5 der seitheri gen Maires durch die Neuwahl in ihrem Amte bestätigt; wo Ver­änderungen eintratev, waren sie in den meisten Fällen zu Gunsten der Republikaner.

Türkei. Ziemlich ernst klingt, was der Londoner Korrespondent der Köln. Ztg. vom 13. Okt. berichtet:Die gesammte Diplomatie betrachtet die Lage als äußerst ernst, zumal die starken Rüstungen Rußlands Thatsache sind und der in neuester Zeit sehr gedrückte Ge müthszustand Alexanders den Gerüchten von seiner Abdankung Plau­sibilität verleiht. Die Zeitungen schreiben beruhigend, trotzdem ist Glaube an Krieg vorherrschend. England würde jedwedem Vormarsch Rußlands zuversichtlich die Vorrückung seiner Flotte gen Stambul und eventuell in den Pontus folgen lassen."

Als Ursache der Aufregung, welche die abermalige Absendung -es PanzerschiffesFriedrich Karl" nach Salonichi veranlaßte, wird folgender Vorfall erzählt: Ein Derwisch Seid Mohammed hatte in Uskup einen deutschen Lokomotivführer prügeln lassen, weil er während deS Ramazan rauchte. Auf Requisition des deutschen Konsuls, Gra­fen Beust, ließ der Dali, Eschref Pascha, den Derwisch arretiren und nach Salonichi bringen. Darob scheint die muselmännische Bevölker­ung in Salonichi erregt zu sein.

Aus Griechenland. Die Städte Griechenlands votiren Geld und sammeln freiwillige Gaben zur Organisation der Bewaffnung der Nation. In der Kammer wird ein Antrag vorbereitet, sofort alle Bürger vom 20. bis zum 30. Lebensjahre unter die Waffen zu rufen.

Kairo, 1. Okt. Nach zuverlässigen Quellen beträgt die Zahl der durch die Seuche bis heute dahin gerafften Pferde 19,500 Stück und ist nun kvnstalirt, daß diese Krankheit auch auf die Maulesel übergegangen ist. In Kairo allein beträgt die Durchschnittszahl der .gefallenen jThicre per Tag 130140 Stück, eine Abnahme der Krankheit ist bis jetzt nicht zu bemerken. Die Regierung ladet sich bei dieser Gelegenheit eine neue große Verantwortung dem schon so sehr ausgesogenen Lande gegenüber auf, indem sie nicht im Mindesten Anstalt macht, die Pferdelcichen auf eine der Jahreszeit entsprechende Art zu verscharren. Dieselben werden nämlich aus Kairo hinaus in die Wüste geführt und daselbst einfach mit Sand zugedeckt, nicht ein- gegraben, während 200 Schritte davon ein Regiment Soldaten im Zeltlager liegt. Schakale und Hunde scharren die Kadaver wieder her­aus und ein wahrhaft pestilenzialischer Geruch erfüllt die Luft aus eine halbe Stunde im Umkreis. Wäre es da ein Wunder, wenn zu dem allgemeinen Elend noch die Pest käme? War ja doch auch

Jahre 1864 die Rinderpest und im Jahre 1865 trat die Cholera in noch nie dagewesener Stärke auf. Allein solche -Zustände lassen den phlegmatischen Araber kalt, mit seinemAllah Kerim" erwartet er, stoisch und stumpf gegen alles Elend, das ihm bestimmte Schick­sal, ohne zu murren. _ _

Dom Kriegsschauplatz.

Pera, 12. Okt. Die Pforte hat Waffenstillstand bis zum 15. März beantragt und gleichzeitig an die Großmächte das Ersuchen gerichtet, behufs Regelung der einzelnen Punkte ihrerseits Offiziere zu delegiren; die türkischen Befehlshaber werden beauftragt, sich mit letzteren, sowie mit den serbischen und montenegrinischen Truppenfüh­rern ins Einvernehmen zu setzen. Die Demarkationslinie soll auf Grundlage des derzeitigen Besitzstandes festgestellt werden; doch wäre die türkische Regierung bereit, ihre Stellungen auf serbischem Gebiete zu räumen, falls man sich von serbischer Seite verpflichten würde dieselben nicht zu besetzen. ;

Petersburg, 15. Okt. Der Vorschlag der. Pforte auf einen sechsmonatlichen Waffenstillstand wird von dem Publikum als ein Schachzug gegen Rußland aufgefaßt. Ein sechsmonatlicher Waffen­stillstand ohne vorherige Einigung über die zu gebenden Garantien für eine angemessene Behandlung der Christen von Seite der Pforte kann nur darauf berechnet erscheinen, den zu leistenden Garantien aus dem Wege zu gehen.

Paris, 14. Okt. DieAgence Havas" meldet: Rußland Hatz den Waffenstillstand von 6 Monaten abgelehnt und von neuem ver­langt, daß den Kriegführenden ein Waffenstillstand von 6 Wochen auserlegt werde, es kommt somit aus die der Türkei von England vorgelegten und von den Großmächten unterstützten Vorschläge zurück.

Serbien. Ein Memorandum Tschernajcffs räth von jedem Waffenstillstand ab, doch soll die Regierung, um ihren guten Willen zu zeigen, bereit sein, 6 Wochen zu bewilligen. Tschernajeff droht mit Entlassung, wenn ein längerer Waffenstillstand angenommen wird; zum zweiten Mal würden er und seine Freunde nicht kommen um ^

Serbien zu helfen.

Montenegro weist den sechsmonatlichen Waffenstillstand zurück.

Pest, 13. Okt. Die heutigen Nachrichten aus Belgrad lauten kriegerischer als je. Tschernajeff als Diktator predigt den Krieg.

Der Wintcrfcldzug biete den Serben nur Vortheile, und Montenegro sei hiemit einverstanden. Rußland stehe, nachdem der Thronfolger den Zaren umgestimmt, an der Schwelle des türkischen Krieges. (?)

st Wien, 16. Okt. Ein nochmaliger Kyllektivschiitt der Mächte in Konstantinvpel ist geplant. Es schweben hierüber Unterhandlungen zwischen den Kabineten. Der König von Griechenland hat gestern über eine Stunde mit Andrassy konferirt. Andrassy hatte mit dem Botschafter Langenau und dem russischen Flügeladjutanten Taschkoff wiederholt lange Berathungcn. Die Nachricht von einemst zweiten Handschreiben des Czars an den Kaiser erhält sich. Laschkoffs Hier­sein wird damit in Verbindung gebracht. Oesterreichs Neutralität (in einem russisch-türkis chen Krieg ) scheint jedenfalls gesichert.

Obstpreise

Reutlingen, 15. Okt. Auf gestrigem Obstmarkt Sack Obst mit 1519 «/L, auf dem Bahnhof der Ztr. mit 8 vkL bezahlt.

Auf der Achalm bei einer größeren Obstversteigerung je 2 Säcke oder 10 Sri. Obst 3840 -M.

Heilbronn, 14. Okt. Auf dem heutigen sehr lebhaftem Markte

stellten sich die Preise beim Mostobst aus 7 bis 7 20

gebrochenes Obst 9 bis 11 vIL per Ztr.

Vermischtes

Ein pensionirter württcmbergischer Offizier wurde am Sonnabend durch eigenthümliche Umstände überfahren und doch nicht Verletzt. Der alte Herr gieng langsam über den Damm der Friedrichsstraße in Berlin. Von der Kvchstraße her bog in scharfem Trabe .eine Equi­page um die Ecke und faßte den Pensionär so gefährlich» daß er za Boden stürtzte. Zeugen halten gesehen, daß das Vorderrad über daS Fußblatt gegangen war, und vermutheten umsomehr ein Unglück, als er sich nicht wieder erheben konnte. Die Equipage hielt aus der Stelle und der Insasse sprang heraus, nach dem Verwundeten zu sehem Dieser bat nur um Unterstützung beim Aufstchcn, die ihm denn auch wurde. Da zeigte es sich zum Entsetzen der Passanten, daß das eine Bein des Verunglückten vachschleiste. Der Pensionär aber sagte mck einer in solcher Situation anerkennenswerthen Seelenruhe: «Ich danke Ihnen, es ist noch 'mal so glücklich abgcgangcn, über den andern Fuß wär's schlimmer, so ist mir nur die Maschinerie durch den Ruck zerbrochen, ich trage ein künstliches Bein." Der Besitzer der Equi­page nöthigte den jovialen Herrn in seinen Wagen und fuhr unter den Beglückwünschungen des Publikums davon. .. ..

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