430
nämliche der Etat für die Post« und Telegraphenverwaltung, der 'Etat der Einnahmen an Zöllen» Verbrauchsteuern und Aversen und für das auswärtige Amt. Aus dem Letzteren erhellt, daß die Gehälter der Botschafter auf st 120,600 festgestellt werden; für den Botschafter iq Wien ist noch eine MiethSentschädigung von 18,600 osL aufgesetzt, «eil die dortige Botschaft kein, eigenes Hotel besitzt.
— Berlin, 9. Sept». Der „Rrichsanzeiger" schreibt: General. Trldmarschall vow Mantsuffel, hat sich gestern beim Kaiser in Merse- bürg gemeldet und ist heute früh hier durchgereist, um sich nach Bar« zin zu begeben. Der „Reichsanzciger" meldet ferner, daß die von der Türkei gezahlte Entschädigung im Betrage von 300,000 Francs der Wittwe des ermordeten deutschen Konsuls Abbott übergeben worden fei. Dieselbe habe in einem Schreiben an den Reichskanzler ihren Dank hiefür ausgesprochen.
— Wien, 9. Sept. Gestern wurde hier der aus Biberach in Württemberg gebürtige Louis Werner, als er eben von W. Neustadt ankam, von einem Polizeikommissär in Haft genommen und auf die Polizeidirektion geführt. Dort theilte man ihm ein Dekret mit, das feine Ausweisung verfügt, und dieselbe mit der Theilnahme an den gesetzwidrigen Beschlüssen des Parteitages in W. Neustadt motivirt. Werner hat sich wohl den Rekurs ans Ministerium Vorbehalten, doch dürfte derselbe nach allen bisherigen ähnlichen Fällen zu urtheilen, kaum einen Ersatz haben. In diesen Sachen bekundet man eine un> nachsichtliche Strenge. Werner, der seit mehreren Jahren hier an der Arbeiterbewegung theilgenommen, war zuletzt in der Administration des sozialistischen Blattes „die Gleichheit" in W. Neustadt beschäftigt.
Paris, 10. Sept. Der Aufenthalt Mac Mahons in Lyon ist durch einen bisher nicht völlig aufgeklärten Zwischenfall in der Präfektur gestört worden. Die Präfektur hatte die Unschicklichkeit begangen, die Vorstellung mit den höheren Beamten, statt mit dem Gemeinderath und Arrondifsementsrath zu beginnen. Die Vorstellung dauerte schon eine Viertelstunde, als der Gemeinderath, der in einem benachbarten Saale versammelt war, erfuhr, daß sie im Gange sei. Mehrere Mitglieder erklärten, sich zurückziehen zu wollen. Der Präfekt, der davon hörte, schickte einen Sekretär mit der Erklärung, man werde sofort die Präsentation unterbrechen, um die Herren einzusührcn; «ber der Gcneralrath lehnte ab und zog sich zurück. Einige Mitglieder, so berichtet der erwähnte Korrespondent, riefen beim Hinaustreten auf die Straße: Es lebe die Republik! Es lebe die Amnestie. Die Folge dieses Begebnisses war, daß die vom Generalrathspräsiden- len Terver vorbereitete und schon den Blättern mitgetheilte Ansprache an Mac Mahon unterblieb. Mit den Generalräthen entfernte sich auch ein Theil der Mitglieder des Arrondissements« und des Gemeinde- rathS. Der Generalrath setzte unmittelbar darauf einen Protest auf und der zum Diner in der Präfektur eingcladene Präsident Terver richtete an Mac Mahon folgenden Absagebrief: „Angesichts der Anstandsverletzung, welche den Eeneralrath der Ehre beraubt hat, Ihnen vorgestrllt zu werden, bitte ich Sie, mich entschuldigen zu wollen, wenn ich Ihrer Einladung nicht Folge leiste."
Lyon. Eine aufregende Szene spielte sich dieser Tage auf dem Bahnhöfe zu Lyon ab. Daselbst war ein prächtiger Nubischer Löwe angelangt, der in die gerade zu Lyon befindliche Menagerie Bidel Aufnahme finden sollte. Während man den Thierbändiger von der Ankunft des Löwen benachrichtigte, kletterte unbemerkt ein Viehtreiber in den Waggon, in welchem der Käfig stand, und begann in unglaublicher Verkennung der Gefahr das Thier durch das Gitter zu streicheln. Plötzlich rief ein entsetzliches Geschrei, begleitet von fürchterlichem Brül- len, von allen Seiten Leute herbei, und diese sahen, wie der Löwe mit seiner Pranke den rechten Arm des verwegenen Menschen gepackt Hielt und sich bemühte, den ganzen Körper an sich heranzuziehen. Mur nach vieler Mühe gelang es, durch Hiebe mit eisernen Stangen He Bestie zu bewegen, ihr Opfer frei zu lassen. Der Arm des Unglücklichen war vollständig zerfleischt und mußte vwputirt werden.
Turin. Dem Marokkanischen Gesandten wurden auf der Reise von Florenz nach Turin aus einem kleinen Koffer, den er als Pafsa- .giergut aufgegeben hatte, 60,000 Fr. gestohlen. Lei der Ankunft in Turin wurde der Diebstahl entdeckt, der Verdacht fiel auf das Zugpersonal. Bei dem Zugführer fand man 300 Napoleons, bei einem anderen Kondukteur, der nach Modena weitergefahrcn war, ebenfalls «ine bedeutende Summe. Der elftere wurde sofort nach dem Gefäng- riiß abgeführt; auf dem Wege dahin entsprang er in ein Haus und stürtzte sich dann aus dem zweiten Stockwerk auf die Straße. Mit furchtbar zerschmetterten Gliedern, aber noch lebend, ward er ins Hospital gebracht.
Pera, 8. Sept. Anläßlich der Ceremonie der Schwertum- gürtung hatten sich in der Moschee Cjub und in deren Nähe gegen 300,000 Personen versammelt. Die Feier gieng mit außerordentlichem Pompe vor sich. Die kaiserlichen Prinz en und die Damen des Pa-^
Redaktion, Druckend Verlag von S,
lasteS waren gegenwärtig. Der Festzug dehnte sich auf eine Stunde' Länge aus. Die Ordnung war musterhaft.
Belgrad, 10. Sept. Gestern wurde ein Gesetz publizirh welches die Selbstverstümmlung mit der Todesstrafe bedroht. Hn jüngster Zeit sind über 600 Fälle von Selbstverstümmlungen vorgekommen.
Vom Kriegsschauplatz.
Aus Belgrad, den 7. September wird der Times gemeldet: Das Vorgehen der türkischen Truppen auf dem Wege nach Krusche- watz und die bereits an Weibern und verwundeten Männern begangenen Greuel, welche nicht länger bezweifelt werden können, da ein englischer Korrespondent die Opfer zu Gesichte bekommen hat, zeigen zu deutlich, was zu erwarten ist, während die Antwort der Pforte auf den Was- fenstillstandsvorschlog der Mächte verzögert wird. — Vom 8. Sept. meldet derselbe Kvrresp.: Der Fürst präsidirte diesen Morgen um 11 Uhr einem Kabinetsrath. Da sonst diese Versammlungen gewöhnlich Abends statifinden, wird etwas Wichtiges unmittelbar erwartet.
— Wien, 8. Sept. Man schreibt der „Kaclsr. Ztg.": „Die Mächte haben sich nicht lange damit aufgehalten, ihre Verwunderung, oder ihr Mißfallen über die Ablehnung des Waffenstillstandes auszusprechen; sie haben sich vielmehr sofort in Verbindung gesetzt, um diejenigen Bedingungen des Friedens zu formuliren, welche die Türkei zu fordern berechtigt, Serbien zu gewähren in der Lage märe. Diese Bedingungen werden sofort in Konstantinopel präsentirt und die Pforte dann beim Wort genommen werden, die Feindseligkeiten einzustellen. Schwierigkeiten machen übrigens nur die Garantien gegen künftige Friedensstörungen, aber da die Forderung solcher Garantien als im Prinzip berechtigt anerkannt wird, so dürfte auch der Modus derselben sich finden lassen."
Ragusa, 10. Sept. Die Türken machten am 8. d. von dem befestigten Lager bei Podgoritza aus einen Angriff nach Techla hin und unternahmen von Trebinje einen Zug nach Banjani; hiebei wurden 2 Klöster von ihnen zerstört. Am selben Tage rückten 10 egyptische Bataillone in Trebinje ein.
Zara, 10. Sept. In Folge des Eindringens der Türken in Montenegro fliehen die in der Nähe von Grahovo sich aushaltcnden herzegowinischen Flüchtlinge und viele Montenegriner auf österreichisches Gebiet.
K o n st a n t ino p el, 9. Sept. Die von der Pforte aufgestellten Friedensbedingungen fordern, der „Bgence Havas" zufolge, unter anderem die Schleifung der Festungswerke von Belgrad und Semendria, sowie die Beschränkung der serbischen Armee auf die Zahl von 20,000 Mann.
Die Türkei sieht manchmal in einem lichteren Augenblick ein, daß es mit den Ausschreitungen der fanatischen Moslems gegen ihre christlichen Mitbürger nicht so weiter gehen kann. Sie hat deßhalb z. B. in Banjaluka (Bosnien) die verüchstigten Fanatiker Hadschi Feßlia, Derwisch Aga Eusics, Alia Aga und Feim Aga verhaftet und nach Serojevo absühren lassen. Es wurde verrathen, daß durch sie eine allgemeine Erhebung gegen die Nicht-Muselmänner stattftnden sollte. Noch kein Pascha vermochte über diese reichen und daher von Vielen hoch in Ehren gehaltenen Türken etwas auszurichten. Der jetzige Muttesarif aber, ein Verwandter Midhat Pascha's, machte sich an sie und erwirkte in Konstantinopel einen Verhastebefehl. Uebrigens soll, telegraphischen Nachrichten aus Serojevo zufolge, Feßlia mit zwei Konsorten bereits in Freiheit sein und nur einer soll nach Konstantinopel abgesendet werden, um als Sündenbock hingesteüt zu werden.
Obstpreise.
— Stuttgart. Vom Obstmarkt auf dem Wilhelmsplatz: Mostobst meist Aepfel. 150 Säcke je 3 50 L bis 4 Engros-
Markt vor der Markthalle: Zufuhr 600 Körbe. Aepfel 12—14L, Birnen 12—14L, Zwetschgen 13—15^ je per Vs Kilo. Most« obst auf dem Bahnhof ca. 800 Cir. je 3 50 L bis 4 -^6
Schöne Waare.
— Ludwigsburg, 8. Sept. Der städtische Obstertrag, geschätzt
zu 1374 Simri, wurde laut „L.Ztg." bei der vorgenommenen Ver- steigerung in Parthieen veräußert und dafür 2259 erlöst, welcher Betrag sich auf 1 64 L xr. Sri. berechnet.
— Nürtingen. Das städtische Obst wurde den 11. September
der Schätzung nach auf nachstehenden Gütern zu folgenden Preisen verkauft: Wasen geschätzt zu 58 Simri 102 -//L, Wörty 65 Simri 112 Auchtert 440 Sri. 1160 Metzinger Straße 105 Sri.
130 — Aich. Das hiesigeAllmändobst, geschätzt zu 1023 Sri.
wurde am 8. September an die Ortsangehörigen für 2749 ^ 80 L
verkauft. _ ... .. , .
O elschtLger in Calw.
»