'Dvd tS muß deßhalb jede legislative oder finanzielle Maßregel, welche! «S vertheuert, für schädlich und antisozial erachtet werden. Von der Aufhebung der gegenwärtig noch bestehenden Eisenzölle ist eine Gefahr -für die deutsche Eisenindustrie um so weniger zu befürchten, als die Arbeitslöhne und alle Herstellungskosten im Rückgänge begriffen sind und die Ermäßigung der Frachttarife als in Aussicht stehend erachtet Melden muß. — Die Vorarbeiten bezüglich der Erneuerung des Handelsvertrages mit Oesterreich sind jetzt so weit vorgeschritten, daß ihr Abschluß in etwa 3 Wochen erwartet werden kann. Der preußische Handelsminister hat eine Reihe von Gesichtspunkten ausgestellt, welche die Gesammtintenffen des deutschen Handels in dieser Angelegenheit berühren und als Zielpunkte der diesseitigen Wünsche hingestellt werden sollen. Für den Standpunkt des Havdelsministers waren die Wünsche der Handelskammern der Grenzprovinzen maßgebend. Bezüglich des Handelsvertrages mir Italien scheinen sich die Verhandlungen leichter abzuwickeln.
— Straßburg, 6. Sept. Diesen Morgen, um 7 Uhr, wurden viele Familienväter, deren Söhne einen Entlassungsschein erhalten, oder nach erfolgter Emanzipation für Frankreich optirt, oder auch ein drittes Bürgerrecht erlangt hatten und sich gegenwärtig in Straßburg befanden, um daselbst ihre Ferien zuzubrivgen, auf 9 Uhr auf die Polizei geladen, wo man ihnen onzeigte, ihre Kinder hätten binnen drei Tagen das Gebiet ron Elsaß-Lothringen zu verlosten.
Paris, 6. September. Der Kriegsminister ist sehr erregt über die Ereignesse, welche in Folge der von dem General Barry in Perpignan gehaltenen ultramontancn Rede vorgekommen sind; namentlich ein Schritt von 67 Offizieren, welche von einem radikalen Blatte unter Androhung einer allgemeinen Forderung der Redakteure verlangt chatten, daß es sich jeder Polemik gegen den General enthalte, ist vom Minister sehr mißfällig ausgenommen worden. Tie Untersuchung ist bereits eingeleitet.
Türkei. Die Ausgabe des türkischen Papiergeldes Hot sich schon jetzt als eine gänzlich verfehlte Maßregel ergeben; denn indem die Behörden in den Provinzen, trotz der kategorischen Befehle der Regierung, die Annahme des Papiergeldes verweigerten und von den Steuerzahlern klingende Münze unter Androhung von Gefängnisstrafe ein- Irieben, wurde das Popiergeld sofort enlwerthet; die Geldwechsler verweigern selbstverständlich die Annahme.
K onstantinopel, 7. Sept. Die Schwertumgürtung des Sultans fand heute in der Cjub Moschee in Gegenwart der Minister, der Civil- und Militärbehörden, sowie der geistlichen Würdenträger statt. Auf der Rückkehr besuchte der Sultan das Mausoleum seines Vaters Abdul Medschid.
Lettin je, 7. Sept. Die Türken unter Terwisch Pascha überfielen zwei in Rogani (Kreis Pipcri) lagernde Bataillone Montenegriner ; diese leisteten jedoch heldcnmüthigen Widerstand und trieben, nachdem sie 3 Bataillone Verstärkung erhalten, die Türken über die Moratscha nach Pvdgorizza zurück. Von letzteren sind viele im Kampfe gefallen, auch ertrank eine große Anzahl in der Mvrvtkcha.
Philadelphia, 3. Sept. Die Ausstellungskcinmissiori berechnet ihr Deficit auf 2 bis 3 Mill. Dollar. Eine interessante Aufstellung hat dieselbe kürzlich über den Werth der Ausstellungsge- bäude und ihres Inhalts gemacht. Nach derselben beträgt der Werth der Gebäulichkeiten 5,750,600 Dollars und der ihres Inhaltes
97,350,000 Doll., also zusammen 102 Mill. Doll^_
Dom Kriegsschauplatz.
K o n st a ntin op el, 7. Sept. Gutem Vernehmen nach hat der Ministerrath gestern über die Friedensbedingungen verhandelt, welche die Pforte demnächst den Mächten vorlegen wird. Der Großvezier ist krank.
Von Alexinatz liegen keine weiteren Nachrichten vor, weder von serbischer noch türkischer Seite. Die Serben sind noch immer im Besitze der Stadt, woraus man schließen muß, daß der Sieg der Türken doch nicht so gar gewaltig gewesen, oder daß er jedenfalls sehr theuer erkauft worden ist. Die Hauptarmee der Serben hat sich zwar auf Deligrad zurückgezogen. Aber Horvatoviz hält sich noch in Alexinatz und 4 Redvuten der Westfront haben das Feuer noch nicht «ingestellt. Allerdings ist es zweifelhaft, ob die Serben die Stadt gegen einen Angriff noch weiter halten würden. Angeblich wollen die Türken Alexinatz ganz liegen lassen, weil sie Tynamitminen sürchtcvh!) Aber auch ihr Vormarsch auf dem linken Morawaufcr geht langsam von statten, und die Einnahme von Krusevatz ist noch immer bloßes Gerücht. Daß die Türken ihren Sieg nicht besser auszunützen und zu verfolgen verstanden, scheint auf alle Fälle auffallend. Würde die türkische Armee in Serbien so vorgegangm sein, wie andere Armeen im Kriege, so wäre die Möglichkeit vorhanden, die Truppen durch Requisitionen aus den okkupirten feindlichen Eebictslheilen zu ernähren. S o aber führen die Serben alle ihre halbwegs transportablen Vor- ^ Redaktion, Druck und Verlag von S. !
räthc mit sich weg und was etwa noch übrig bleibt, wird von den Baschibozuks und Tscherkefsen den Flammen übergeben. Die Folge hievon ist, daß die türkische Armee ganz und gar auf den Nachschubs- dienst angewiesen ist und daher nur eine sehr geringe Operationssähig- keit besitzt. Diese Umstände werden die türkische Armeeleitung zwingen, vor Deligrad kleben zu bleiben und dessen Besitz abermals durch große Opfer an Menselenleben zu erkaufen.
Vom Kriegsschauplatz fehlt cs gänzlich an Nachrichten. Abdul Kerim erhielt von Seite des Großveziers am 5. d. M. die telegraphische Aufforderung, schleunigst vorwärts zu dringen, um dem Kriege baldigst ein Ende zu machen. Abdul Kerim hat aber angeblich zurück geantwortet, er werde nur langsam Vordringen, um den Bewohnern der von seinen Truppen zu okkupirendcn Ortschaften Zeit zum Bergen ihrer Habseligkeiten zu geben, nachdem er für seine Soldaten nicht gulstehen könne, deren Vorgehen Europas Zorn heraufbeschwören könnte. Diese Motivirung des „langsamen Vorgehens" ist natürlich nichts Anderes als ein Versuch, die Unmöglichkeit weiteren Vordringens zu maskiren, ehe Alexinatz in den Händen der Türken ist.
Belgrad, 7. Sept. Ristic richtete heute an die hiesigen Eon« suln eine zweite Note, in welcher neue Akte türkischer Grausamkeiten signalisirt werden. Es wird in der Note konftatirt, daß im Bezirkt von Saitschar das Land systematisch verwüstet wird und daß unter den Augen der türkischen Behörden allabendlich ganze Dörfer niedergebrannt werden. Im Bezirke von Alexinatz sind bereits 48 Ortschaften verbrannt. Trotz aller Versprechungen respektiren die Türken die Genfer Konvention nickt, sondern schießen auf Ambulanzen, sobald sie des rothen Kreuzes ansichtig werden. Am Sonntag tödteten sie den Sekretär des Alixinatzer rothen Kreuzkomites bei Ausübung seiner Funktionen, nachdem sie ihm zuvor den Arm abgehauen hatten. Die serbischen Offiziere kcnstatiren einmüthig, daß die allgemein nach beendetem Kampfe statifindenden Erandstiftunqen durch keinerlei strategische Nothwendigkeit gerechtfertigt seien. Das ganze türkische Verfahren sei ein unerbittliches System beharrlicher Verfolgung des Zer- störungs- und Ausrottung^Werkes und nicht die Kriegführung civili» sirter Völker.
— Wien, 8. Sept. Wie von gut unterrichteter Seite verlautet, soll im türkischen Ministerium die Partei, welche Serbien und Montenegro die härtesten Bedingungen auferlegen will, die Oberhand gewonnen haben.
Man weiß nun wenigstens mit Bezug auf Serbien, welche Bedingungen die Pforte für den Abschluß eines Waffenstillstandes stellt. Sie verlangt, nachdem sie die einfache Waffenruhe abgelehnt, die vorläufige Zuerkennung ihres Besatzungsrechts in einigen Festungen und die Wahl eines neuen Fürsten, wogegen sie den Territorialbestand Serbiens anerkennen will. Es gingen schon vor Wochen Gerüchte über solche Ansinnen von Seite der Pforte um, sie wurden aber wieder dementirt und man glaubte in der Thal, daß sich die Mächte mit solchen Ansprüchen nimmermehr zu befassen haben werden. Es ist gar kein Zweifel möglich, daß beide Forderungen von allen Pariser Vertragsmächten, England nicht ausgenommen, abgelehnt werden. Sie wurden aber wohl gerade mit Rücksicht hierauf gestellt, um während der Dauer der ferner nothwendigen Verhandlungen die Kriegserfolge auSbeuten zu können.
^ Cettinje, 6. Sept., Abends. Gestern unterhielten die Türken starkes Geschützfeucr aus allen türkischen Werken zwischen Podgoritza und Sputsch zur Deckung des von ihnen auf 2 Seiten unternommenen Versuchs, in Montenegro einzudringen; von den Montenegrinern unter Bozo Petrovic wurde dieser V ersuch zurückgewiesen. _
Vermischtes.
Einer der merkwürdigsten Gründer, Brigham Äsung, der uralte Prophet und Häuptling der Mormonen, neigt sein Haupt zur Erde und wird bald zur Grube fahren. Mit ihm wahrscheinlich seine Gründung, das Mormonenthum mit seiner Vielweiberei. Des Propheten einziger Sohn von seiner ersten Frau und sein Neffe tragen den Zwiespalt in die Gemeinde. Der Erstere gedenkt nach seines Vaters Tode alle seine Geschwister als Bastarde erklären zu lassen und das ungeheure Vermögen für sich zu nehmen; sein Vetter schreibt in den amerikanischen Zeitungen gegen das Mormonenthum. Die Apostel und Heiligen, meist schlaue AankeeS, streiten heute schon um die Würde des Propheten und die Heerde ist in zwei Lager getheilt. Ein Theil der Stvckmvrmonen will nach Australien auswander».
Zur Verschönerung der weiblichen Gestalt schlägt ein englischer Arzt vor, in Schulen und Familien die bei den Hindumädchen übliche Sitte einzuführen, ein kleines Gefäß mit Wasser auf dem Kopfe zu tragen, wodurch die Haltung aufrecht, der Gang elastisch, die Brust breit, Rücken und Schultern schön geformt werden. Dieselbe Gewohnheit bringe dieselben Resultate im südlick en S panstn und Italien hervor. Orls chlSger in Calw.