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wunderbar schönen Anblick, zu sehen, wie die alten Bauuiriesen, deren manche viele hundert Jahre alt sind, nachdem ihnen der Bode» unter den Wurzeln weggebranvt ist, umstürtzen und mit furchtbarem Krachen -in die prasselnde Gluth stürtzen; eine Kompagnie Soldaten ist aus ^Stade eingetroffen, um durch Auswerfen von Laufgräben das Feuer zu Legränzen. Entstanden ist dasselbe in Folge des unseligen Mvorbrennens.
Br üff eI, 3. Sept. Eine Privatdepesche d. „Jndependance Belge" --aus Semlin vom 3. Sept. sagt: Alexinatz ist von den Serben geräumt. Ihre Stellung ist von dem linken Morawaufer aus umgangen worden. Eyub Pascha und Ali Saib haben ihre Bereinigung vollzogen. — Wien, 31. Aug. Der Stand des Friedeuswerkrs wird dahin zusammengefaßt, daß die Pforte sich nicht blos entgegenkommend, sondern unerwartet entgegenkommend zeigt, und daß sie im Uebrigcn die maßvollsten Friedensbedingungen stellen, jedoch fest aus einer Garantie bestehen wird, um zu verhüten, daß nicht Serbien in kurzer oder kürzester Zeit seinen Angriff wiederhole.
Wie die „Gazette de Lausanne" erfährt, ist gegenwärtig beim Bundesgerichte die Entschädigungsforderung eines Engländers gegen den Kanton Waadt im Betrag von 10,060 Fr. anhängig. Besagter Engländer sei nämlich während des Schützenfestes unter der Anklage auf Diebstahl verhaftet, eingesperrt, vom Untersuchungsrichter aber erst nach viertägiger Haft verhört, dann aber auch, nachdem sich nichts zu seinen Ungunsten ergeben, ohne weiteres freigelassen worden. Das alles machte sich jedoch so formlos, daß vom Richter nicht einmal ein förmliches Urtheil erhältlich war, man vielmehr dem unschuldig Eingesperrten noch die Bezahlung der Kosten seiner Haft auferlegen wollte.
Paris, 2. Sept. Die Republique fravqaise hielt heute dem Justizminister vor, daß er seine feierlichen Versprechen betreffs Begnadigung der Kommunarden nicht gehalten habe. Einmal hätte er sehr zahlreiche Gnadenbewilligungen in Aussicht gestellt; aber statt dessen sei von der im Justizministerium eingesetzten Gnadenkommissivn nur eine ziemlich beschränkte Zahl von Strafänderungen bewilligt worden. Was die volle Begnadigung angeht, so erfreuten sich derselben nur Verurtheiltedie den größten Theil ihrer Strafe schon verbüßt hätten. Tic Kontumazial-Verurtheilten wurden von jeder Strafmilderung ausgeschlossen und zum Ueberfluß geht jetzt die Ena, denkommissivn „aus Mangel an Beschäftigung" in die Ferien. Sodann aber, sagt die Republique weiter, hatte der Justiz-Minister die Einstellung der Verfolgungen versprochen und der Präsident der Re. publik bestätigte dieß Versprechen in einem öffentlichen Schreiben. Trotzdem hören die Verfolgungen nicht auf; die Kriegsgerichte tagen noch immer und sie urthcilen so strenge wie je. Wenn die Angelegenheit wieder vor das Parlament kommt, wird die Kammer schwer lich, wie bisher, der Regierung völlig freie Hand lassen.
Paris, 3. Sept. Don Karlos ist mit Velasco und drei anderen Begleitern in Versailles eingetrvffen, wo er einen Landsitz ge kaust hat. — Die letzten Berichte aus Madrid besagen, daß die in Folge der Unterdrückung Fueros entstandene Aufregung in den boski- schcn Provinzen anhalte. Tie Regierung habe weitergehende Maßregeln ergriffen, weil sie ernste Austritte befürchte.
Madrid, 31. Aug. Vorgestern starb zu Windsor in England im Alter von 66 Jahren Neman Cabrero, Graf v Morella. Sein Name ist mit den zahlreichen Bürgerkriegen, welche seit dem Tode Ferdinands VII. das unglückliche Spanien zerrütteten, enge verknüpft, und noch in den letzten Jahren ist derselbe viel genannt worden. Ein Cohn Cabrera's steht augenblicklich als Ossizier bei einem preußischen Earderegiment.
Rom, 30. Aug. Riccivlti' Garibaldi, der Sohn Earibalbi's der im deutsch-flLnzösiichkn Kriege eine Abteilung Franktireurs kcm- rnandirte, hat, wie dem „Elcbe" aus Melbourne (Australien) geschrieben wird, bei der Regierung von Victoria um eine Anstellung als Lehrer nachgesucht.
Konstantinopel, 1. Sept., Abds. Am Freitag und Samstag wird zur Feier der Thronbesteigung Abdul Hc-mid's illnminiit; die türkischen und fremden Schiffe sind beflaggt. Tie Feierlichkeit der Schwertumgvrtung soll am 8. cr. statlftnden. Ali Sa b Pascha schreitet in Verbindung mit Achmed Ejub Paso a zum Angriff auf Alexinvtz vor.
Konstantinopel, 1. Sept. Die Pforte ist über die Nachrichten aus Rußland und das Zuströmen von russischen Freiwilligen nach Serbien beunruhigt und beschäftigt sich in Folge dessen mit dem Gedanken der Donausperre.
Hauptquartier Mrsol, l. Sept. (N. fr. Pr.) Heute, Frei- tag, Abends eroberten die Türken die letzte serbische Schanze auf dem linken Ufer der Morowa. Nach elfstündigem Kampfe ergriffen die Serben endlich die Flucht nach Alcxiratz. Die Serben dürften noch heute die Brücken über die Morawa abbrechen. Morgen oder über- morgen erfolgt der Angriff der türkischen Truppen auf Alexinatz selbst.
Aus Belgrad, 31. Aug., wird der Polit. Korr, geschrieben: Da die Witterung kalt ist, hat der Kriegsminister alle vorräthigen
Decken auftreiben lassen. Deßgleichen wurden warme Mäntel iw großer Anzahl nach Alexinatz geschickt. Ein russischer Waffenhändler hat der Regierung tOO prächtige Peabodygewehre zum Geschenke ge» macht, die an die Avantgarde Tschernajeffs vertheilt wurden.
Belgrad, 3. Sept. Die Türken sind auf dem linken Mo- rawaufer zurückgeschlagen worden; sie griffen am Freitag Morgen den rechten serbischen Flügel mit ihrer gesammten Macht in offenem Felde an. Die Schlacht dauerte bis 9 Uhr Abends. Die Serben behaupteten während der Schlacht ihre Stellungen. Da aber die Türken in dreifacher Ueberzahl waren, zogen sich die Serben in ihre befestigten Stellungen r!on Alexinatz und Deligrad zurück. Die Nach« richt von der Einnahme von Alexinvtz durch die Türken ist falsche indem die Türken sich nirgends auf dem rechten Morawaufer befinden. Sie verwüsten systematisch und verbrennen alle Ortschaften auf dem linken Flußufer.
Semlin, 3. Sept. Oberst Leschjanin der früher vielgenannte Kommandeur der serbischen Timokarmce, soll verwundet nach Belgrad gebracht worden sein. Derselbe schoß sich mit einem Revolver in den Kopf, aber die Wunde hat sich nicht als tödtlich erwiesen und seine Gattin begab sich heute nach Pojarevatz, um ihn nach Hause zu bringen.
Er soll aus Aerger darüber, daß er durch einen Russen ersetzt wurde^ Hand an sich selber gelegt haben.
New - Aork, 2. Sept. Der Prätendent Don Carlos hat sich nach Europa eingeschifft. — Aus Monroe (Louisiana) werden Unruhen gemeldet. Eine Tande von Negern bedrohte die Stadt. Die Weißen zogen ihnen entgegen und verlegten ihnen den Weg. Die Neger weigern sich, die Waffen abzulegen. Die Weißen sammeln sich. Bisher ist kein Blut vergossen. _ _
Kiißt unsere Kleinen nicht!
Unter der vorstehenden Ueberschrift bringt der „Tüsseld. Anzeiger" von einem „Arzte" die nachfolgende Mahnung, die weitere Verbreitung verdient: Eine schauderhafte Unsitte ist es, die Kinder zu küssen. Wir brauchen absichtlich den Ausdruck „schauderhaft", weil wir uns zart ausdrücken wollen und die Bezeichnung „mörderisch" uns schon auf der Zunge schwebte. Ja wohl, gnädige Frau „mörderisch"! Besinnen Sie sich vielleicht noch darauf, als sie vor etwa 15 Tagen mit einem großen Shawl um den Hals einen Besuch bei Frau Dr. S. machten? und als der kleine Hans ins Zimmer gesprungen kam, ergriffen Sie nicht den Kleinen mit anscheinend über« strömender Zärtlichkeit, nannten ihn „mein reizendes Kerlchen" und küßten ihn nach Herzenslust? Dann fingen Sie an zu erzählen, waS für einen schrecklich entzündeten Hals Sie hätten; daß Sie sogar am Tage vorher eine Einladung zum Corcert hätten ablehnen müssen, ' weil Sie zu verschwollcii seien? Sie hatten keine Absichten auf das Leben des Kindes, und doch Mieten Sie dasselbe so sicher, als wenn Sie ihm statt Ihres zärtlichen KußeS Strychnin oder Arsenik gegeben hätten. Ihre Zärtlichkeit wurde verhängnißvoll. Zwei oder drei Tage darauf ficng „mein reizendes Kerlchen" auch über einen entzündeten Hals zu klagen an, und als der Arzt kam, genügte daS eine
Wort „D'phiheritis", um alles klar zu machen.-Heute ist ein
kleiner, frisch geschmückter Hügel vor dem Thore die einzige Erinnerung an Ihren Besuch. — — Die Mutter hat natürlich nicht den geringsten Verdacht auf Sie; sie hängt ihren herben Verlust der geduldigen Vorsehung an. Ter Arzt that nichts, um diesen Glauben zu zerstören; denn das dürfte eben so unklug als grausam sein, mir aber hat er es im Vertrauen mitgetheilt, daß allein ihre „schauerliche Dummheit" — es waren seine Worte, gnädige Frau — an dem Tode deS kleinen Hans die Schuld trägt. Es läßt sich schwer beurtheilen, ein wie großer Theil der augenblicklich grassirenden Diphtheritisfälle auf solche Gedankenlosigkeit zu schieben ist; das steht jedoch fest, daß Erwachsene die Diphtherie oft in so geringem Grade haben, daß sie dieselbe für eine geringe Erkältung nehmen, und da die Erkältung nicht ansteckend ist, so finden sie auch nichts Böses darin, Andere ihrem Athem auezusetzen, und können keine Gefahr darin erblicken, ihre Lippen mit denen Anderer in Berührung zu bringen. Bedenkt man nun aber die Thaisache, daß die Diphtherie in den meisten Fällen durch direkte Uebertiagung der bösartigen Keime, welche die Krankheit verursachen, vor sich geht, bedenkt man ferner, daß es kein besseres Mittel, um den Krankheitsstvff zu übertragen, gibt, als das Küssen, und daß endlich das Küssen bei allen Gelegenheiten Sitte geworden ist, so ist cs sicher nicht auffallend, daß düse Krankheit so leicht epidemisch wird. Selbstverständlich ist cs Unsinn, alle Diphtherieansteckungen aufs Küsst» schieben zu wollen — denn da sprechen noch andere Faktoren mit — aber es sieht gewiß Jeder ein, daß es den Kleinen besser bekommen würde, wenn sic weniger geküßt würden. Ein einzelner Kuß hat schon eine ganze Familie angcstccki, und der Zärtlichste kann in die Lage kommen, daß er eine böse Krankheit verbreitet, ohne es zu wissen. Darum empfehlen wir von ganzem Herzen, die Kinder in Ruhe zu lassen, anstalt daß wir die Gewissensbisse eines Judas auf uns laden
Redaktion, Druck und Verlag von S. OelschlSger in Ealw.