358

Haß dir neue Herrscher die baldigst« Herstellung des Friedens anstrebe und die von Europa gebilligte Politik befolgen werde. Das gegen­wärtige Ministerium bleibt «m Ruder, und in den Prinzipien der Regierung werde keinerlei Aenderung eintreten. Man glaubt hier, daß die gleicht Mittheilung auch den anderen europäischen Kabineten zugegangcn sei und nimmt an, die Mächte werden, wenn sich nur d«r Thronwechsel im Ganzen ruhig abspielt, bezüglich der Anerkennung des neuen Sultan keinerlei Schwierigkeiten erheben. Doch ist hierbei, wie geiagl, der glatte Verlauf de», abermaligen Ereignisses gew-ffer- maßen eine stillschweigend gestellte Bedingung. Ob die Versicherungen des neuen Herrschers bezüglich seiner Absichten für die Zukunft bei den europäischen Kabineten »der gar bei den Christen des Orients sonderlich v,el Glauben finden werden, ist freilich eine andere Frage, die ich keineswegs unbedingt bejahen möchte.

Wien, 29. Juli. DemTel. Korresp.-Bureau" wird von Zara ausbesonderer Quelle" gemeldet: Bei Vrbiza hat ein sieg­reiches Gefecht der Montenegriner unter dem Fürsten Nikita über die Türken unter Moukhtar Pascha stattgesunden, in welchem Osman Pasch?' andere'^n gesäusen genommen mimd-n.

Eine der interessantesten Erscheinungen in der Orientfrage ist das Verhältniß zwischen der römischen Kurie und dem Padischah. Jene siebt in dem griechischen Kreuz auf der Aja Sophia einen ärgeren Feind, als in dem Halbmond, der sich nur noch auf die Berryeidigung seines Besitzstandes beschränkt, während die orthodoxe Kirche, verkörpert in der Person des Czars. dem Pabstthum gegenüber feindlicher auf- tritt als der Islam. Deßhalb nimmt der Vatikan, unbeirrt durch irgend welche Empfindung für die unterdrückte Rajah Partei für den Grvßherrn, der seinerseits der Kurie freundlich entgegenkommt und den alten Streit zwischen den Infallibilisten und Altkatholiken in der armemsch-katbolischen Kirche zu Gunsten der Ersteren entscheidet.

DerKöln.Ztg." wird geschrieben:General Chanzy ist keines­wegs nur Leßhalb nach Paris gekommen. wie er sagte, weil er es für seine Pflicht hielt, bei Gelegenheit des Gesetzes Waddington für die Regierung einzutreten; der eigentliche Grund seiner Reise war, daß in Algerien, wo die Muselmänner gegenwärtig eine großartige Pro­paganda zu Gunsten desheiligen Krieges" machen, große Erregung herrscht und ein allgemeiner Aufstand zu befürchten ist. General Chanzy hielt es für nvthwendig, der Regierung über die Lage der Dinge in der französischen Kolonie mündlich zu berichten, und er setzt es auch durch, daß außerordentliche Maßregeln getroffen werden. Der Kriegsminister befahl, alle Anstalten zu treffen, daß sofort 50,000 Mann Verstärkungen nach Algerien geworfen werden können und er­nannte einen Generalstabechef, der sich unverzüglich nach Marseille begeben wird, um dort das weitere abzuwarten."

Madrid, 30 Juli. Die Sommerhitze ist in diesem Jahre selbst für hier enorm. Nach Angabe d.Observatorio astronomico" betr. am 27. Juli Nachm. 3 Uhr die Temperatur im Schatten 331 / 2 " k. Am gleichen Tage des vergangenen Jahres hatte man nur 25 Grad.

London, 28. Juli. Der Expreßzug der Great Western- Eisenbahn ist gestern aus den Schienen gerathen. Was das sagen will bei einem Zuge, der 80 Kilometer in der Stunde zurücklegt und daher unter dem Namen vutclrman" (der fliegende Hol­

länder) bekannt ist, kann man .sich denken. Die Lokomotive kehrte sich vollständig um, wobei der Tender abgebrochen und 12 Meter hoch geworfen ward. Der Zugführer und der Heizer wurden auf der Stelle gclödtet, 30 Passagiere zum Theil schwer verletzt.

Petersburg, 29. Juli. DerGolos" meldet aus Celtinje vom 29. d., daß die Fürstin Milena folgende Depesche aus Grahooo vom 28 d. erhalten bat:Heute früh griffen uns die Türken unter Mukhtar Pascha bei Vrbczia heftig an: die Schlacht dauert noch fort. Meine Helden griffen die Türken mit dem Handschar an. Wir durch­brachen dre Reihen der Türken. Man hat mir Osman Pascha ge­bracht und viele lebendige Gefangene. Fürst Nikolaus."

Konstantinopel, 25. Juli. Im letzten, Sonntags, abge- haltcnen Ministerrathe wurde nach langen Debatten beschlossen, der Finanznoth durch Ausgabe von 2 Mill. Pfd. St. Papiergeld mit Zwangskurs ein Ende zu machen. Diese bedauerliche Maßregel Hai nichts als Schattenseiten und doch ist sie das einzige der Regierung sich bietende Mittel, um zu verhindern, daß ihre Beamte nickt Hungers sterben. Seit 10 Monaten haben diese Leute uichrs bctvmmen und leiden die bittersten Entbehrungen. Um einer zu großen Entwerthung dieses Papiergeldes zu begegnen, hat die Ottoman-Bank ewgewrlligt, sich mit der Ausgabe desselben zu befassen. Daß die Pforte für die eventuelle Amortisirung die Einkünfte aus den Kohlenwcrken von Heraklea bestimmt hat, ist bekannt.

Eure Depesche aus Ko n st ant i n 0 p e l den 29. Juli meldet: Die Pforte nahm den Vorschlag Oesterreichs an, Garnison, Munition und Kriegsmaterial des Forts von Klek auf Lloyd-Dampfern^ nach

^iedaktion/ Druck uno Berlag

Antivari überführen zu lassen. Damit wird die Sache erledigt sein.

General Klapka ist am 21. Jttli in K on stan tin opel ringe, troffen. Wie man der Nat.-Ztg. aus Pera meldet, soll er zum Ge» neralstabschef Abdul Kerim Paschas bestimmt sein.

Konstantinopel, 1. August. Aus Nisch wird gemeldet: Die Türken ergriffen tue Offensive, drängte» die Serben zurück, nahmtw die serbischen Verschauzungen bei Dervent ein und drangen in Serbien ein, in der Richtung auf Gurgussovatzi (südlich von Saitschar). Auch Duschen aus Widdin melden die Erg.eifug der Offensive aus türkischer Seite. Die Montenegriner wurden bei Antivari geschlagen.

lieber den Sultan Murad will das Wiener Tagbl. Folgende- erfahren haben :Der Zutritt in das Krankenzimmer ist nur wenigen Personen, und zwar der Mutter des Sultans, seinem Bruder, dem präsumtiven Thronfolger Abdul Hamid, dann der Lieblingsgattin deS hohen Kranken und endlich seinem Leibarzt vr. Karpoleone, dem Palast« Intendanten und obersten Eunuchen und beiden leitenden Staatsmännern, dem Großvezier nämlich und Midhat Pascha, gestattet. UebrigenS soll Murad sich seines hoffnungslosen Zustandes bewußt sein und daher auch n-rsannt buben, baß sein Bruder und Tbronfolv-r stet« in seiner Nähe weile, um so seine letzten Wünsche entgegennehmen zu können. Auch wöge er ihm die Augen zudrücken und die üblichen Todtengebete sprechen. Auch soll der hohe Kranke über das Wohl und die Zukunft seiner Angehörigen sehr besorgt sein. Er soll voll jiumwer sein wegen des Geschickes seiner Mutter, der Sultanin-Valide (Abdul Hamid nämtich stammt nicht von derselben Mutter ab, wie Murad), dann seiner drei Gattinnen und seines einzigen Sohnes Selahed Din, der ein aufgewecktes Bürschchen ist, jetzt im Olsten Lebensjahre steht und seines Vaters größte Freude war. Murad hatte weder atS Kronprinz noch in der kurzen Spanne Zeit, die er auf dem Throne saß. Gelegenheit, sich ein Vermögen zu ersparen, und das von seinem Vater ererbte Vermögen ist längst vergeudet. Murad hat, um seine Thronbesteigung zu ermöglichen, bei dem griechischen Bankier Christaki Zffendi ein Anlehen von 20 Mill. Piastern ausgenommen. Diese Schuld ist selbstverständlich noch nicht getilgt."

Ragusa, 29. Juli. Ein neues Telegramm des Fürsten von Montenegro aus Brbica (ein Ort Vrbica kommt auf unfern Karten nicht vor, wohl aber Vrba, einige Stunden nordöstlich von Gatschko, also zlcmlich nahe der monteneZrinis chen Grenze) meldet:Moukhtar Pascha ist vollkommen vernichtet. Von seinen 16 Bataillonen retteten sich 4 mühsam durch die Flucht. Wir haben außer Osman Pascha 300 Nizams gefangen, 5 Kanonen, eine große Anzahl Waffen, viel Munition, Fahnen und andere Gegenstände den Türken abgenommen. Unsere Verluste sind verhältnißmäßig gering. In den ersten Reihen fochten die nächsten Verwandle» (des Fürsten), von denen u. a. Phi. lipp Petrovic schwer verwundet wurde. In unserem Heere herrscht großer Enthusiasmus."

DiePolit. Korr." veröffentlicht einen auksührlichen Bericht über die Schlacht bei Vrbica, worin der Sieg der Montenegriner als Folg«' der leichtfertigen Operation Mukhtar Pascha's dargestellt und berichtet wird, daß Letzterer von seinem Korps nur 8 Bataillone gerettet habe und in Bilek eingeschlossen und von den Montenegrinern blokirt sein soll.

Aus Pera, den 21. Juli wird der A. Z. geschrieben: Die Theilnahme der Bevölkerung am Krieg ist eine ganz außergewöhnliche, uns es würde Seiten füllen, wenn man all die einzelnen Züge von Hingebung und Opferwilligkeit registnren wollte. So benimmt sich nur ein Volk, das wirklich leben will. Ein tunistscher General, Ben- Ayad-Mahmud Pascha, rüstet auf seine Kosten 4000 Freiwillige aus; ein greiser Tartarenfülst, Suadet-Kera'r Chan taucht plötzlich auf und macht sich anheischig binnen kurzem 40,000 der Seinigen zu stellen u. s. f. Kurz, ein neuer Geist scheint in dieses Volk gefahren zu sein, denn daß es nicht ein Wiedererwachen des alten Geistes ist, dafür gibt die Stimmung für die Christen, die vielleicht nie günstiger war als jetzt, und die thätige Mitwirkung derselben ein unwiderlegliches Zeugniß. Der wachsende Beitritt christlicher Freiwilligen, die pekuniäre Beisteuer der Christen, welche ein Breve des griechischen Patriarchats besonders dazu auffordert, nehmen der Bewegung den religiösen Charakter, und geben ihr eine rein stattliche Bedeutung.

Die Schließung der Philadelphia-Ausstellung an Sonntagen ist jetzt definitiv entschieden. Der Timeskorrespondent theitt mit, daß darüber von den Staaten abgestimmt ward und bon diesen (39) nicht weniger als 30 gegen die Oeffnung an Sonntagen waren. Von den in der Minorität gebtiebenm verglich einer das Vorurtheil gegen die Sonntagsöffnung einem alten, vielleicht noch nicht widerru­fenen, wenn auch vcrnachtaßigten Verbote für einen Mann, am Sonn­tag seine Frau zu kussiu, und einem noch vorhandenen, thatsächlrch aber tosten Gesetze, am Sonntag nicht mehr als r0 Meilen von der Heimath zu reisen. ^ -

vor/S? Oelschl8ger in Älw.