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Schwierigkeiten hoben und hier mehr als anderwärts Selbsthilfe am Platze sein. Es ist das geradeso wie mit dem überlangen Kreditgeber,. Wenn eine Bereinigung stottfindet, daß entweder gar keine Koupons oder höchstens bereits fällige Koupons anelkannter Staats« oder diesen gleichstrhcndcr Jnhaberpapiere in Zahlung genommen werden, so wird dem jetzt mit Recht beklagten Unwesen noch am ehesten abgeholfen sein. Eine andere, dem Handelsminister mehrfach von berechtigter Stelle vorgetragene Beschwerde, woncch die Reichsbai k verpflichtet werden soll, Noten von Punatbunken in Zahlung zu nehmen, ist an sich allerdings gerechtfertigt, kann jedoch nur vom Reichskanzler erledigt werden. Wie es scheint, befolgt die Reiche bank auch in dieser Beziehung die Ueberlicferungen der vormaligen preußischen Tank, welche nur bestimmte Privatbanknoten annahm, um sie den Instituten, welche sie ausgegcben hatten, alsbald wieder in Zahlung zu geben. Jetzt aber, wo auch die Privatbanken vermöge des Gesetzes eine Giwühr bieten, könnte in dieser Beziehung doch eine andere Praxis eingeführt werden.

Berlin, 29. Juli. Ter Petersburger Golos meldet aus Risano (Dalmatien) den 28. d.: Die Armee Mukhtar Paschas um- gierg "m 25. d. unbemerkt die Montenegriner bei Konto siMich von Eazko) und langte in Lilek an. Tie Lage des Fürsten Nilita und seines Generalstabs Radonitsch sei verzweifelt.

Berlin, 27. Juli. Ter Gesundheitszustand Berlins ist seit einiger Zeit ein abnormer. Nicht weniger ms 93 Todesfälle aus 190,060 Seelen zählt Berlin während der vergangenen Woche, wich- rend Paris und Wien kaum die Hälfte, Frankfurt a. M. nur 34 zu verzeichnen hatte. Tie Brechdurchfälle der Kinder stellen weitaus das zahlreichste Kontingent zu dieser Statistik. In dm jüngsten Tagen sind auch drei Chvlerasälle zur ärztlichen Eecbochtung gekemmcn.

München, 24. Juli. TerOberpsälz. Kurier.* schreibt: In Hclzäpfling bei Dichtach kamen die Sonntagsschüler mit langen Messern in die Schule, weiche ihnen der Lehrer Anton Thürrrexc! rach erhaltener Weisung abi ahm. Darüber entbrannte wilder Trotz und Grimm. Sonntags darauf kamen die bösen Buben wieder mit langen Messern in die Schule, und als der Lehrer abermals zur Ab nähme ders. schritt, stochen seine Schüler auf ihn ein und schlitzten ihm mit den Messern den Bauch auf, daß die Gedärme heraushiengen; wie wir vernehmen, ist er bereits diesen Hieb- und Stichwunden er legen. Was'heißt bei uns roch Religion? Tiefe jungen Wülhriche beichten olle 14 Tage, haben Gott auf den Lippen und stechen in der Schule den Lehrer nieder.*

M buchen, 27. Juli. Ter Ccnrinzug Rio. 164 ist heute Nachmittags 4 Uhr zwischen Jmmenstatt rnd Obertvif rcllsändig entgleist. Zwei Domen erlitten Teinbri che, außer dl m 11 Personen leichtere Ouelschnngen; bidmkuch verUtzl wurde Nnnvrd. Tie Ur> fache war vcrwuthl ch ein Achsenbruch.

München, 27. Juli. Auf der in Folge eines Wolkenbruches unfehlbar gewordenen Bahnstrecke von Sontheim nach Memmingen Hot sich unweit der Station Ungeihausm die Blicke dm westlichen Eüm der Länge rach gespalten. Um weiteren Ever tnalitöten rorzu- bcugen, hat man die großen, vom Wasser rmterspülten Pfeiler nunmehr mit Pulver gesprengt. Tie 1b Kilometer lange Linie wird wahrschein­lich erst im nächsten Frühjahre wieder befahren werden können.

Wien, 28. Juli. DieNeue freie Presse*, welche die Nach­richt von der Erkrankung des Sultans Murad dementirt hatte, bringt jetzt aus Konstantinopel ein Telegramm, wonach die Gesundheit des Sultans rasch abnehme und ein Thronwechsel nabe bevvrssttze. Aus dem Montenegriner Hauptquartier wird gemeldet: Fürst Nikita gedenkt das Oberkommando niiderzrilegen und den Eeneralstobs-Ehcf Radonic vor ein Kriegsgericht zu stellen.

Wien, 28. Juli. DasTogblatt" meldet: Abdul Hamid, Bruder des Sultane Mmad, ist vorläufig schon als ReichSregent eingesetzt. Seine Jrstallirung als Sultan erfolgt gleichzeitig mit der offiziellen Todesnachricht des seitherigen Sultans. Die Krankheit Murads ist die Pyämie.

Wien, 29. Juli. Eine amtliche Anzeige über den türkischen Thronwechsel ist hier noch nicht erfolgt, lieber Pesch wird gemeldet: daß Murad seine Abdankung unterzeichnet und Abdul Hamid zum Nachfolger berufen habe, sei den Mächten vertraulich mit dem Beifügen mrtgethcilt, daß die bisherige Politik dadurch nicht alterirt werke.

Paris, 28. Julr. Ten bisher im Amtsblatt erschienenen Le- gradigringeUstkN soll bald eine neue folgen; inzwischen dauern die Pro zesse vor dem Kriegsgericht im Widerspruch mit den Versicherungen des Justizmii isters und im Widerspruch mit dem Briefe Mac Ma> hvnS noch imnur fort. Seit diesem Briefe sind schon 5 Uitheile gesprochen worden; eben erst verhängte das Gericht die Strafe der Deportation über 3 Angeklagten, von welchen zwei zum Mindesten keines Vergehens gegen das gemeine Recht beschuldigt wurden.

Versailles, 2 7. Juli. Die auf der heutigen Tage sordnu ng

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der Deputlitenkammer stehende allgemeine Debatte über das Budget wurde alskald nach ihrer Eröffnung geschloffen. Die bonapartisti» scheu Deputaten legten hiergegen Verwahrung ein. Bon derselben Seite wurde geltend gemocht, daß das Budget der Republik sich höher beziffere, als die Budgets der früheren Monarchien. Hieraus erwiderte der Firanzministcr, dieß sei vom kaiserlichen Regime verschuldet, welches die Staatsschuld um 790 Millionen habe anschwellm lassen. Sodann wurden mehrere Kapitel vom Budgit des öffentlichen Unterrichts bewilligt.

Tie Schw erzeriichen Znlungcn veiöfstnlUwin die Gewinne bei dem Lausanner Schießen. Auf sämmtlichcri Fest, und Stichscheiben haben lediglich nur Schweizer Preise lavongetrogen, wenigstens haben wir unter den 80 ersten Preisträgern keinen einzigen Ausländer gelesen. In Stuttgart war das anders. Zur Beruhigung des Stuttgarter Festkemite's kann es auch dienen, daß über die Schießorganisation beim Lausanner Fest von den Schweizern selbst mindestens ebensoviel geschimpft wurde, wie in Stuttgart, während die übrigen Festeinrichtungen in Lausanne gegenüber den Stuttgarter viel zu wünschen übrig ließen.

Petersburg, 20. Juli. Die Sammlungen für die Pflege der serbischen Verwrnd.'l.n und für dst Familien der in Bulgarien von den türkischen Horden Maffakrirten rühmen ganz großartige Di» mensionen an und folgen bcicils janmtliche höhere Geistliche in den K'rchen des ganzen Rc-ches der von den Bischöfen in Moskau, Pe» terSburp und Orel gegebenen Beispielen, durch Anspracl en an die Ge­meinden und Apell an den religiösen Sinn und an das Mitleid des Volkes, diese Sammlungen allgeme-n zu machen. In den Central« stellen laufen jetzt täglich Beiträge bis zu vielen Tausenden ein und sind darunter auch einmalige, ganz beträchtliche Gaben reicher Kauf» leute, auch des Vorsitzenden der Moskauer Landschaft zu verzeichnen. In Moskau selbst ist von mehreren reichen Bankiers soeben ein neuer Lazorethzug mit alttm dazu gehörigen Material, begleitet von Nerzten und Krankenpflegerinnen, ausgerüstet und nach Serbien expedirt worden. Tie Presse betont, Laß das russische Volk in diesen friedlichen, aber einmüthigen und offenen Wohllhätigleitsakten nicht allein eine Pflicht der Menschlichkeit, sondern auch ihre Sympathie für die bedrängte Lage jener Slaven bezeugen will.

Aus Südrußland kommt hieher ein gemeinschaftlicher Akt vieler ländlicher Gemeinden zur Kenntniß, der von einrr verständigen Selbsthilfe und Entwickelung bäuerlicher rationeller Wirthschafsme- ihode zeugt. Durch einen übertriebenen ununterbrochenen Anbau von Flcchs war besonders in dem Gebiete des Tonischen Kosakenlavdes der dortige Boden schon seit Jahren furchtbar erschöpft und litt da­durch zumal der bisher so reiche Vichstand und die bedeutende Pferde» zvcht jenes Landes. Diese bäuerlichen Kosakengcmeinden haben nun durch Eemeivdebeschlrß den Anbau von Flachs ihren Gemeindemit» gliedern unter Androhung einer Strafe von 10 Rubel für jeden mit Lein besäten Morgen gänzlich untersagt, bis sich der ernst so frucht« bare Acker wieder erholt hat und eine rationelle Wecl selwirthschaft ertragen kann. Dieser von vielen Gemeinden des Kosakenlandes frei­willig gefaßte Entschluß findet nun auch in den angrenzenden Gortver« ncments, welche ebenfalls in Folge früheren Raubbaues jetzt perma­nent: Mißernten u. Kornmangel zu erleiden hatten, freiwillige Nachahmung.

D,i e neueste Kriegslage.Die türkischen Truppen sind über den Timvk im Osten von Widdin aus, und über die Morava vom Südvsten von Nisch aus in Serbien eingedrungen, und im Westen zieht sich Ranke Alimpics über die Drina zurück, wo sich auch bereits 3 serbische Orle in türkischen Händen befinden sollen. Ristics' Stellung ist unhaltbar. Milan kehrte nach Tscbuprija zurück. Tschernajcff Lhernahm den Oberbefehl über die gesammte serbische Armee. Die Offensive seitens der Serben hat aufgehört und die Vertheidigung des eigenen Landes begonnen.* Die Niederlage des Fürsten von Mon­tenegro scheint eine gründliche gewesen zu sein. DiePolit. Korresp." meldet aus Ragusa:Die Montenegriner, welche sich in Folge ihrer Niederlage vom 83. Juli bis Korito zurückgezogen hatten, konzentrircn sich gegenwärtig bei Krstac, wo einem neuen Zusammenstoß entgegen» gesehen wird.*

Konstantinopel, 29. Juli. (Offiziell.) Die Serben überschritten am 26. d. abermals den Timvk, wurden aber mit einem Verluste von 30 Mann zurückgeworfen. Einer Meldung aus Stotauitza den 26. d. zufolge ist Mukhtar Pascha von Nevesinje ab» marschirt und hat die Montenegriner unter Fürst Nikita zerstreut.

Belgrad, 28. Juli. Bei Saitschar findet seit zwei Tagen großer Kampf statt, Tschernajcff kvmmandirt daselbst.

New - Iork» 26. Juli. Die Vereinigten Staaten haben gegen die aufständischen Indianer 3 Generäle mit 6000 Mann ins Feld gesandt; die Schwierigkeiten des Truppentransportes sind aber so groß, daß die Kosten jedes getödteten Indianers von den amerikanischen Blättern auf 30,000 (?) Dollars berechnet werden.

und Verlag von S. OelschlSgcr in Calw.