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Italien. Rom,?. Juli. Diplomatische Verhandlungen zwischen Deutschland, Frankreich, Oesterreich und Italien suchen gemeinschaftlich «ne Intervention Rußlands öder Englands zu verhindern, sowie im Kriegsfall vollständige Neutralität zu bewahren; Italiens Regierung will, daß strengste Neutralität beobachtet werde. Werbungen sind nach jeder Richtung untersagt. Die Diplomatie ist wegen Kreta be- unruhigt, besorgend, die Bevölkerung erwarte lediglich durch den Sieg Serbiens die Unabhängigkeit der Insel. Am Montag tritt der Senat zusammen.
Türkei. Konstantinopel, 4. Juli. Sultan Murad V., der noch immer nicht feierlich installirt und mit dem Schwert umgürtet worden ist, soll allen Ernstes daran gedacht haben, wieder ab- zudanken. Er fühlt sich der verwickelten Ausgabe nicht gewachsen, welche dem Beherrscher der MoslimS unter den heutigen Umständen zufällt, und beabsichtigte, den Thron dem nach der osmanischen Erbfolge nächsten Anwärter, seinem Bruder Abdul Hamid, zu überlassen. Sultan Murad ließ den Thronfolger zu sich bescheiden und theilte ihm seine Absicht mit; Abdul Hamid wollte indessen auf dieselbe durchaus nicht eingehcn und versicherte auf eine bezügliche Anfrage des Sultans, daß er mit dessen Reformplänen und mit Allem, was er zur Her- stellung der Ruhe im Orient unternehmen möge, vollständig einverstanden iei. In Folge dessen hat der Sultan seine Rücktrittsgedanken wieder aufgegeben.
Konftantinopel, 7. Juli. Einer Regierungsdepesche aus Widdin zufolge griffen die Serben die türkischen Vorposten bei Belgrad- schik (zwischen Nisch und Widdin) an, wurden aber unter Zurücklassung von 100 Tobten zurückgewiesen. Die Türken konzentriren sich zu einer entscheidenden Aktion.
Belgrad, 4. Juli. Die serbische Hauptarmee unter General Tschernajeff, welche gegenüber Nisch hält, besteht aus drei Miliz. Divisionen (III. Süd-Morawa, V. Donau, VI. Sumadija) und der kleinen stehenden Armee, in Summa 43 Jnfanterie-Bataillonen und 20 Schwadronen, zusammen 37,400 Mann mit beiläufig 120 Ge. schützen. Von den übrigen drei Divisionen, welche die serbische Miliz- Armee zählt, befindet sich die IV. Timok-Division unter Oberst Bes. janin an der Ostgrenze, die I. Drina-Division unter Oberst Marco Alimpics an der Drina und die II. West-Morawa-Division unter Oberst Zach an der Südwestgrenze. Jede dieser zu selbstständiger Aktion berufenen Divisionen besteht aus 13 Bataillonen, 5 Schwa dronen und 24 bis 28 Geschützen, zusammen 11,150 Mann. Wb es in einem Briefe des „Daily Telegraph" aus Belgrad heißt, soll tcn die Truppen bei ihrem Ausmarsche aus der Hauptstadt für fünf Tage Lebensmittel mit sich führen. Die Löhnung beträgt einen Franken wöchentlich.
Belgrad, 7. Juli Nachmittags. (Amtlich.) Die Jbararmee (Jbar südlicher Zufluß der Morawa) unter General Zach überschritt gestern die Grenze bei Javor (westlich von Novibazar) und tkaff in einer Entfernung von einer Meile den sehr vortheilhaft verschanzten Feind, welcher nach fünfstündigem Kampfe unter dem heftigsten Feuer nicht delogirt werden konnte. Auf beiden Seiten gab es viele Verwundete. Beide Armeen halten ihre Stellung inne. Am selbigen Tage überschritt Oberst Czolakantics die Grenze bei Raschka (am Ein- flusse der Raschka in den Jbar, hart an der türkischen Grenze); nach zehnstündigem Kampfe flohen die Türken nach Novibazar. Mehrere türkische Schanzen südlich von Raschka wurden eingenommen und rasirt. Das Gebiet zwischen Raschka und Novibazar ist in serbischer Gewalt. Das Feuer der serbischen Bergbatterien erwies sich sehr wirksam. Die Verluste find unbeträchtlich. Die Serben lagern auf den er- vberten Positionen.
Alexandrien, 7. Juli. Zwei eg yptische Regimenter gehen heute nach Konstantinopel ab.
Tunis, 6. Juli. Der Bey wird ein Regiment nach Kon- ftantinopel senden.
Amerika. Washington, 6. Juli. Ein Orkan verheerte ge. stern den nördlichen Theil des Staates Iowa. In Rockdale sind einige vierzig Personen umgekommen und 30 Häuser zerstört. Der Betrieb der Darlington-Eisenbahn hat eingestellt werden müssen. — Nachrichten aus dem Süden zufolge erlitten zwei Truppenabtheil, ungen unter General Custer und Major Reno, welche am 25. Juni 2500 Indianer in dem Engpässe von Littlehorn angegriffen haben, eine empfindliche Schlappe. General Custer, 16 Offiziere und 300 Man» sind getödtet. Major Reno zog sich mit dem Rest unter
großen Schwierig keiten zurück und erwartet Verstärkung. _
(Eingesendet.)
— Reutlingen. Die Webschule erfreut sich immer einer den Zritverhältnissen entsprechenden Frequenz und sind die Ein- richtungrn mit Hilfe der K. Centralstelle derart, daß Weber von Profession oder solche, die sich zu Geschäftsführern in der Weberei
Redaktton, Druck und Verlag
auSbildm wollen, oder gar junge Kaufleute und Fabrikanten, welche in diesen Stoffen Geschäfte oder Fabriken haben, sich hier eine be» berufliche Ausbildung aneignen können, welche für den Betrieb ihres Geschäftes vom höchsten Werth ist. Mit größtem Interesse hat auch diese Einrichtungen, besonders aber die Lehrsääle der Zöglinge im theoretischen Unterricht und die Ausstellung von Zeichnungen die erst vor wenigen Tagen hier anwesende Kommission der Ministerien des Handels und des Unterrichts in Berlin besichtigt und einer ein- gehenden Prüfung unterzogen. Gegenwärtig besuchen die Webschule 32 Zöglinge, wovon die Hälfte Württemberger, die andere Hälfte aus den übrigen Staaten Deutschlands, aus Oesterreich, der Schwei; und Italien ist. Der theoretische Unterricht gibt den Zöglingen gründliche Unterweisung durch Jnspe ktor Winkler in allen Zweigen der Weberei, in Wolle, Baumwolle, Leinen und Seide. Der praktische Unterricht zerfällt in 3 Stufen: Handweberei, Jaquardweberei und mechanische Weberei. In den Websäälen sind die verschiedensten Web» stühlc aufgestellt und fabriziren die Zöglinge unter Anleitung und Aufsicht der Webmeister die verschiedensten Stoffe. Da Fabrikanten viele Stoffe in der Webschule arbeiten lassen, so wird die Handarbeit bezahlt, wodurch es unbemittelten Zöglingen möglich wird, den größten Theil der Kosten ihres Aufenthalts selbst zu verdienen. Ueberdieß unterstützt die K. Centralstelle strebsame Schüler durch größere Prämien, so daß manchen Schülern der Aufenthalt hier recht erleichtert wird und sie keinen oder wenig Zuschuß von Hause nöthig haben. Namentlich ist der Besuch der mechanischen Weberei für künftige Webmeister, Geschäftsführer oder Fabrikanten vom höchsten Werth. Hier findet man die verschiedensten Systeme von Webstühlen, die sämmtlich täglich durch Dampfkraft in Betrieb sind und die verschie. densten Webereien liefern, z. B. Zeugten, Bettbarchent, Manchester, Brillantin, Faoonse, Hosenzeug, Gebild- und Tischzeug; Tuch-, Fla» nell-, Ratirmaschinen. Spul-, Zettel» und Schlichtmaschinen sind hier ebenfalls aufgestellt und täglich im Betriebe. Zöglinge erhalten von hier aus in der Regel gute Stellen, da immer Anfragen wegen Geschäftsführern vorliegen. Den Zöglingen steht außer dem ihnen besonders ertheilten theoretischen Unterricht noch der Besuch der hiesigen Handels- und Gewerbeschule offen und ist hierin in jeder Richtung für möglichste weitere Ausbildung Fürsorge getroffen.
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Vermischtes.
Teinach und Wildbad vor neunzig Jahren. In unserer Zeit, die sich^bestrebt, den die Bäder besuchendem Kranken und Gesunden jeden möglichen Komfort zu bieten und wo namentlich üon unserem Wildbad aus von Zeit zu Zeit öffentliche Klagerufe über Dieses und Jenes, was anders und besser werden sollte, erschallen, möchte es von Interesse sein, über die den obigen beiden Bädern im vorigen Jahrhundert zu Theil gewordene Fürsorge etwas zu erfahren. Ueber diesen Gegenstand entnehmen wir nun dem von P. W. G. Hausleutner, Professor an der Herzoglichen Hohen Karlsschule, im Jahr 1790 erstmals herauSgegcbenen „schwäbischen Archiv" Folgendes: Die beiden Orte Teinach und Wildbad, wovon der erste durch seinen vortrefflichen feinen stahlhaltigen Sauerbrunnen, der andere durch ein herrliches warmes Bad berühmt sind, und es noch mehr zu werden verdienen, sind der besonderen Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Herzogs (Karl Eugen) gewürdigt worden. Das Oberamt Calw, wohin Teinach ge» hört, hat Befehl erhalten,'von Jahr zu Jahr eine Parthie einschläf. riger Betten neu machen zu lassen, und den Wirthen im Teinach im» mer so viele davon zu überlassen, als nöthig sein werden. Nach der Kurzeit werden diese Betten zurückgegeben und verwahrt. Die Wirthe erhalten aus den herrschaftlichen Kellern gute Weine in billigen Preisen, und die Obrigkeit ist angewiesen, dafür zu sorgen, daß diese Weine nicht mit schlechtem vermischt, noch in allzu hohem Preise angerechnet werden. Es muß in den Gasthöfen IM« ä'köt« gehalten und für die Anschaffung sowohl als die beste Bereitung der Speisen gesorgt werden. — Im Wildbad sind mehrere und bequemere Bäder, Kabinete und Ankleidezimmer eingerichtet, und die Badestunden selbst neu und besser vertheilt worden. Es wird nämlich, was das Letztere betrifft, Parthienweise des Morgens von 4—6 Uhr, von 7—9 Uhr, von 10—12 Uhr» von 3—5 Uhr, und von 6—8 Uhr gebadet. Die Zwischenstunden sind zum Ablaufen, Reinigen und Wiederanläufen bestimmt. Der Badmeister muß es durch eine Glocke anzeigen, wann eine Parthie das Bad verläßt, und wann eine andere eintritt. Die Spaziergänge find vergrößert und verschönert, und die schon vorhandenen Spiele zur Bewegung mit einer Schaukel vermehrt worden. Für die übrige Bequemlichkeit der Badegäste ist hier ebenso gesorgt worden, wie im Teinach. Als Kuriosum führen wir zum Schluß an, daß der Professor der hohen Carlsschule die oben verzeichneten Worte in seinem Archiv unter die Rubrik „Das Merkwürdigste aus Schwa- ben vom 1. Jänner biß 30. J uli 1 788" eingereiht h at, von S. OelschlLger in Calw.