_ Wildbad, 22. Juni. Heute früh 9i/z Uhr brach in der
Hauptstraße bei Uhrmacher Hagmaier Feuer aus, welches durch das rasche und energische Eingreifen unserer Feuerwehr zum Glück keine größeren Dimensionen annahm. Wie es scheint, ist das Feuer von der Magdkammer ausgegangen und dürfte dieß somit einen Beweis liefern, wie leichtfertig mitunter die Dienstboten mit offenem Licht in ihren Dachkammern umgehen.
— S tuttg art, 21. Juni. (83. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) v. Renner beantwortet zunächst 2 Anfragen von v. Rauch und Storz, d.Anlage von Eichen-SchSlwaldungen und das rechtzeitige Fällen der Eichen- und Fichtenstämme im Interesse der Rindengewinnung betr., dahin, daß auf Ausdehnung der Schälwaldungen stets Bedacht genommen werde, in Beziehung auf die Holzfällung aber kein Grund zu Aenderunaen vorliege, da die Gerbereien keineswegs unter Rindenmangel leiden. Hierauf geht die Kammer über zur Berathung des Ber. der volkswirthschasll. Ccmm. über den Enlw. eines Gesetzes, betr. die Uebcrnahme einer Staatögarantie für eine Aktiengesellschaft zu Einrichtung der Ketten- oder Kabclschleppschifssahrt auf dem Neckar. Die Motive behaupten, daß ohne eine solche Einrichtung die einzige Wasserstraße Württembergs nicht mehr im Betrieb erhalten werden könne und der Eomm.-Ber. führt au«, daß die Wirkung des Eingehens der Neckarschisf- fahrt als eine gewaltige Schädigung deö Landeswohls bezeichnet werden müsse. Beispielsweise würde die einzige Saline Friedrichshall eine Schädigung von 37,500 erleiden. Pfeifer wünscht an der Stelle der Staatsgarantie eine direkte Betheiligung deö Staats bei dem Unternehmen, Mohl gleichfalls brö zur Hälfte des Aktienkapitals. Elben würde in der Ablehnung des Entwurfs ein Begraben der ganzen Sache sehen, während Sick sich bei der Verteidigung des Entw. hauptsächlich auf die Heilbronner Kaufherrn stützt, die ohne Staatsgaranlic von dem Unternehmen gar nichts wissen wollen. Schließlich wird der Antrag von Pseifer auf Ablehnung deS Entw. mit 69 gegen 7 Stimmen verworfen und wird also von der Kammer auf die Be- rathung desselben eingegangen werden.
— St uttgart, 22. Juni. (84. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) Aus der Einzelberathung des Ges.-Entw., betr. die Uebcrnahme eine: Staatsgarantie für eine Aktiengesellschaft zu Errichtung der Ketten- oder Kabel- schleppschifsfahrt auf dem Neckar ist als wichtigster Beschluß hervorzuheben, daß die Kammer nach dem Anträge von Schmid und Gen. die Garantiezeit von 30 auf 20 Jahre herabsetzte und eine Sprozentige Verzinsung annahm, während Wächter u. A. die kürzere Garantiezeit und Herabsetzung des Zinsfußes aus 4'/-°/o beantragt hatten. B-i der Endabstnnmung wurde das ganze Gesetz mit 66 gegen 10 Stimmen angenommen.
— Stuttgart, 23. Juni. (85. Sitzung der Kammer der Abgeordneten.) Auf der Tagesordnung steht ein Antrag von Retter.' »die hohe Kammer wolle das Gesetz vom 23. Juni 1853 betr. die Beseitigung der bei Liegenschaftsverkäufen und insbesondere bei d er Zerstückelung von Bauerngütern vorkommenden Mißbräuche einer Revision unterwerfen." Uhl findet namentlich die Schranke des dreijährigen Besitzes, um ein Gut verkaufen zu können, hart. Mühlhäuser beantragt Üebergang zur T.O., unterstützt von Mohl, der es für bedenklich hält, den Stein der agrarischen Gesetzgebung ins Rollen zu bringen, worauf Retter seinen Antrag zurückzieht, lieber einen Antrag der Isten Kammer: die K. Reg. zu ersuchen, durch ein Gesetz über die Bestrafung der Besitzer freijagender Hunde und über die Befugniß der Jagdberechtigten zum Niederschießen frcijagender Hunde und Katzen dem Jagdrechle gegen die Beeinträchtigung durch solche Thiere, sowie auch den Singvögeln angemessenen Schutz zu verschaffen, — geht die 2te Kammer mitRecht zurTageö- ordnung über.
— Vorstadt Heslach, 24. Juni. Gestern Mittag 12 Uhr entlud sich über dem Heslacher Thal ein furchtbares Gewitter, der- Hunden mit einem Wolkenbruch, wie sich die ältesten Leute keines ähnlichen zu erinnern wissen. Die Hauptwasser-nasse kam von Degerloch herab und so wurde der Nesenbach im Nu zum reißenden Strom, welcher das ganze Thal überfluthete, an Weinbergen, Aeckern, Gärten, Wiesen, Brücken, Stegen u. Dämmen großen Schaden anrichtete u. Balken, Bretter, Zäune, Kübelgeschirr, Gartenhäuschen, Ställe, sogar Geflügel und Schweine mit sich führte. Viele Keller sind bis oben mit Wasser und Schlamm ungefüllt. In der neuen Kirche waren die ganze Nacht 2 Hydrophore in Thätigkeit. Die Wege und Straßen waren von Kolks Brauerei an bis zur Kuhn'schen Eisengießerei 2—3 Fuß hoch mit Schlamm und Steinen bedeckt, wurden jedoch bald wieder auf Anordnung der städtischen Behörde in fahrbaren Zustand gesetzt.
— Hofen OA. Cannstatt, 22. Juni. Gestern Nachmittag wurde hier der „Heilige" bestohlen. Als der Stiftungspfleger vom Felde heimkam, war die Kasse erbrochen und an Stiftungs- und Privat- Pflegschastsgeldern 4—500 ofL entwendet. Man hat verschiedene Personen im Verdacht, den Diebstahl begangen zu haben; feste An- Haltepunkte fehlen indessen noch.
— Urach, 22. Juni. Ein entsetzliches Unglück hat eine hiesige Familie betroffen. Ein Knabe von 11 Jahren wurde gestern Nacht vermißt und vergeblich überall in der Stadt und Umgebung gesucht. Als die Mutter heute früh 4 Uhr in den Holzstall kam, um Holz zu holen, wurde sie beim Ausrichten von einem Gegenstand berührt und — welches Entsetzen! es waren die Füße ihres vermißten Sohnes. Derselbe hatte mit anderen Kindern „Henkerles" gespielt, es aber auch allein probirt, und zu dem Ende den Sägbock so hingestellt, daß er sich durch diesen wieder Hilfe zu schaffen hoffte, derselbe fiel aber um, und der Knabe fand hierdurch seinen Tod.
— Aalen, 23. Juni. Wie das lange Sitzenbleiben in den Wirtshäusern manchmal von den übelsten Folgen begleitet sein kann, ersieht man aus folgender Affaire: Im Gasthaus zum Löwen —
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zwischen hier und Wafferalfingen — zechten in der verflossenen Nacht einige Gäste bis gegen 2 Uhr. Es wurde „gekartelt" und in Folgt dessen auch gestritten, ja zuletzt gerauft. Der Wirth brachte nun zwar die Streitenden dahin, daß einer nach dem andern den Streitplatz verließ. Einer derselben, ein Familienvater, lauerte jedoch einem seiner Gegner, einem ledigen Kaminfegergehilfen, der den gleichen Weg nach der Stadt, wie er gehen mußte, an der Straße auf, überfiel ihn von hinten und brachte ihm mit einem Messer 3 Stiche an Hals, Arm und Rücken bei. Der Verwundete eilte selbst zum Arzte, um dessen Hilfe anzurufen; er soll sich, wie man hört, nicht in lebensgefährlichem Zustand befinden. Der Attentäter sitzt in sicherem Gewahrsam.
— Pforzheim, 24. Juni. Gestern Abend ist in Bauschlott, Stein» Königsbach rc. wieder ein Wolkenbruch gefallen, welcher starke Ueberschwemmung der betheiligteu Gemarkungen verursachte und mehrere Brücken fortgerissen haben soll. Auch ist in erstgenanntem Orte gestern Morgen ein Knabe von etwa 4 Jahren ertrunken.
— Erfurt, 22. Juni. Kürzlich traf in hiesiger Stadt auf Ver«- anlassung des Reichskanzleramtes eine sachverständige Kommission (der auch ein Mitglied aus Württemberg und Baden angehört) ein, um den Umfang der Reblauskrankheit in der dortigen Gemarkung zu untersuchen. Die Ermittelungen ergaben, daß in den dortigen 10 Reb- schulen 8 zum Theil in bedeutendem Grade infizirt sind. Es wurden von der Kommission sofort die entsprechenden Maßregeln angewendet.
— Kaiserslautern, 23. Juni. Der von Neustadt nach Kaiserslautern fahrende Schnellzug ist heute Nachmittag 21/2 Uhr, kurz vor der Station Frankenstein bei der Einfarth in einen Tunnel entgleist; Lokomotive, Pack- und Postwagen sind zertrümmert; der Lokomotivführer, sowie der Heizer und der Postpacker trugen leichte Verwundungen davon, von den Passagieren dagegen ist Niemand verletzt. Veranlassung des Unfalls war die Ueberschwemmung des Geleises durch wolkenbruchähnlichen Regen; das Bahnpersonal trifft keine Schuld.
— Berlin. Die von der Steuererhebung angestellten Ermittelungen, welche bis zum II. Quartal 1876 reichen, ergeben nach der „Vossischen Zeitung", daß in Berlin 3873 Wohnungen leer stehen.
— München, 22. Juni. (Korr.) Das Huodesteuergesetz fängt bereits zu wirken an: in Würzburg wurden nämlich in der letzten Woche nicht weniger als 337 Hunde vom Wasenmeister getödtet. Warum? weil die Hundesteuer auf 15 cM per Jahr erhöhr ist; zu der gesetzlichen Hundesteuer für den Staat kommt nämlich noch Gemeindesteuer in die Armenkasse.
Belgien. Aus Löwen meldet die „Gazette": „Seit mehreren Tagen finden feindselige Kundgebungen während und nach den Vorlesungen an der Universität gegen die liberalen Löwener Familien ange« hörigen Studenten statt. Die liberalen Studenten werden ausgezischt und verhöhnt. An der katholischen Universität sind Plakate ange schlagen, welche die „Studenten der gute Sache" auffordern, sich an den infamen Liberalen zu rächen. Einer dieser Anschläge lautet: „Studenten der Kandidatur! Werdet ihr einen Verräther, einen Geusen unter euch dulden? Rächt euch! Rächt euch! Rächt euch!" Ein anderes Plakat lautet: „Vorschlag. Man schlägt vor, die Geusen- Studenten, welche ihre Mitschüler verleugnet haben, in die Acht der Universität zu thun. Nieder mit den Geusen!" So steht es an der Löwener Universität. Ein liberaler Student kann nicht mehr ausgehen ohne Gefahr, ausgezischt und halb todt geschlagen zu werden."
England. London, 21. Juni. Im Unterhause stellte Taylor einen Antrag auf Abschaffung der Prügelstrafe in der Kriegsmarine. Er hob hervor, daß die Abschaffung der Prügelstrafe im Heere, trotz der Übeln Prophezeihungen der Fürsprecher dieses barbarischen Brauches, ausgezeichnete Resultate erzeugt habe. Es sei demnach nicht einleuchtend , warum in der Marine die Prügelstrafe zur Aufrechthaltung der Disziplin für so unumgänglich nöthig erachtet werde. Der Marineminister Ward Hunt erklärte, er sympathisire völlig mit den Ansichten und Motiven des Antragstellers und die Annahme seines Antrages würde ihm das höchste Vergnügen bereitet haben, aber im Interesse des Dienstes könnte er nicht der Ansicht beipflichtcn, daß die Zeit für d»e Abschaffung der körperlichen Züchtigung in der Marine erschienen sei. Er hob hervor, daß ein auf körperliche Züchtigung lautendes Urtheil nur durch ein Kriegsgericht gefällt werden könnte und die Verhängung derselben sei so selten — im Jahre 1874 wurde sie nur in 8 Fällen verhängt — daß deren gänzliche Abschaffung nicht wünschenswert sei. Göschen, der Ex-Marineminister, theilte die Anschauungen Ward Hunt's. Der Antrag wurde hierauf mit 120 gegen 62 Stimmen abgelehnt.
Rußland. Die am 1. Januar 1874 eingeführte allgemeine Wehrpflicht soll nach neuester Bestimmung jetzt auf alle Stämme
und S tände des russischen Reiches ausg edehnt werden._ ,
on S. Öel schlag er in Calw.