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Bewegung gerieth und die Anlagen und Wege durch tiefe Risse an manchen Stellen ganz zerstört wurden, so daß die Passage sehr ge. jährlich ist. Man dachte sogar an Räumung des Schlosses selbst, indeß befürchtet man für dasselbe jetzt keine Gefahr mehr. Um den früheren Zustand wieder hcrzustellen, wird es großen Kostenaufwandes bedürfen. Die Nachrichten aus der Schweiz lauten höchst betrübend und dürfte sich der Schaden dort nach Millionen berechnen.

Breiten, 19. Juni. Ein Gemeindediener in unserem Amts, bezirk; hat in voriger Woche thatsächlich folgende Bekanntmachung mit der Schelle verkündet: Es wird hiermit bekannt gemacht, daß jeder Hund mit einer 3 Meter langen Blechmarke versehen werden muß. Wer einen Hund herrenlos herumlaufen läßt, der wird mit 2 Mark bestraft und nach einigen Tagen getödtet.

EmS, 16. Juni. Gestern erschoß sich hier die Schauspielerin Toni Stein vom Hoflheatcr in Braunschweig. Dieselbe war am verflossenen Dienstag zum ersten Male als Gast im hiesigen Kur> saaltheater aufgetreten. Ueber die Motive der traurigen That ver« lautet nichts Näheres. Die Unglückliche erschoß sich mit einem sechs- läufigen Revolver, den sie hier gekauft; die Kugel war durch das Her; gegangen und hatte sofort den Tod bewirkt. Fünf Läufe des Revolvers waren noch geladen. Mit welcher Ueberlegtheit und Kalt­blütigkeit die Selbstmörderin zu Werke gienz, geht daraus hervor, daß dieselbe erst ihren Shawl auf der Erde ausbreitete und sich dann mit dem Rücken auf demselben liegend, an der vorher entblößten Stelle des Körpere das tödtliche Blei in die Brust jagte.

Straßburg, 17. Juni. DieStraßb. Ztg." schreibt in einem Aufruf zur Hilfeleistung'für die Ueberschwemmten: Durch das Brechen der Dämme wurde plötzlich ein großer Theil der fruchtbaren Rhein, ebene unter Wasser gesetzt; die Bewohner wurden nicht nur mit Einemmale der Frucht ihrer Mühe und Arbeit beraubt, ihre Hoff, nungen auf einen ausreichenden Ernteertrag wurden vernichtet; sie müssen sogar die nothwendigsten täglichen Bedürfnisse, Nahrungsmittel und Kleidungsstücke entbehren. Ohne Alles ergriffen sie die Flucht vor dem reißenden Strome. Vielen hat das hereinstürzende Wasser sogar die Wohnungen zerstört; in Gerstheim stürtzten 13 Häuser in die Fluchen! Nur auf die Kraft ihrer Arme angewiesen, steht ein großer Theil der Bewohner von Dieboldsheim, Friesenheim, Rheinau, Boofzhcim, Gerstheim, Schönau, Artzevheim, Neudorf, Plobsheim, Musau und anderen Dörfern ihren verwaisten Wohnungen gegenüber. Es ist keine Aussicht vorhanden, daß die Gefahr in den nächsten Tagen verschwindet, vielmehr muß man sich nach allen Nachrichten auf ein langes Stehenbleiben des Wassers gefaßt machen. Man kann daher voraussehen, daß das Elend wächst, daß es dem Menschen immer schwerer wird, cs in seiner ganzen Ausdehnung zu bekämpfen, den Schmerz der vielen Tausenden zu lindern. Angesichts dieser Noth. läge wendet sich dieStraßb. Ztg."an die öffentliche Mildthätig. keit nicht nur der elsäßischen Landsleute, ohne Unterschied, ob sie durch die Geburt dem Lande angehören, oder ob sie erst dessen Bürger ge­worden sind, sondern auch an das gesammte deutsche Vaterland, an den Opsermuth und die Mildthätigkeit des gesammten deutschen Volks." Der Rhein hat in diesem Jahrhundert noch nie dieselbe Höhe er- reicht, wie in der letzten Woche.

Gotha, 16. Juni. Der Kongreß der Sozialdemokraten wird vom 20.23. August in Gotha stattfinden. Die vorläufige Tages

ten, die Presse und Privaten sammeln Beiträge, die auch reichlich fließen. Doch ist die Privatwohlthätigkeit diesem Unglück gegenüber nicht ausreichend. Im Kanton Zürich allein ist nach oberflächlicher Schätzung der Schaden auf 7 bis 10 Millionen berechnet, und der morgen zusammentretende Kantonsrath wird von der Regierung um einen Kredit für Herstellung der beschädigten Staatsbrücken, Wege u. s. w., sowie für Unterstützung von Gemeinden und Privaten an» gegangen werden. Die Gotthardtbahndirektion hat am 16. d. dem Bundesrath ihr Rekonstruktionsprcjekt eingereicht und die Dinge werden wohl jetzt in Fluß kommen. In der That ist es auch höchste Zeit dazu. Indessen soll die Frage, ob der mit Ende d. M. fällige Aktien- und Obligationszins noch ausbezahlt werden oder ob die Ge­sellschaft sich insolvent erklären soll, heute noch nicht entschieden sein.

In Biel ist im 95. Jahre der bekannte Einsiedler Karl Albrecht, gewesener württ. Lehrer, der seinen Lebensabend in einer einsamen Hütte in Brügg zugebracht hat, und den Namen des Philosophen hatte, gestorben. Albrecht war in Calw Collaborator bis gegen 1840 hin, und wurde entlassen, weil er sich mit seinen Vorgesetzten Behörden nicht vertragen konnte. Manchem seiner jetzt noch lebenden Schüler steht die ganz eigen geartete, aber nichts weniger als liebenswürdige Natur noch in lebhaftem Andenken; nach dem Grundsätze, von den Todten nur Gutes zu reden, soll aber auch hier nur gesagt werden, daß er ein tüchtiger Lehrer von vielseitigen Kenntnissen war, von denen er, wenn er sie auch nicht gerade immer richtig verwerlhete, (wie z. B. die von ihm versuchte Anwendung der Elektcisirmaschine an der Stelle des Bakels beweist), doch seinen Schülern mancherlei beizubringen verstand. Trotz seiner Extravaganzen war er von diesen in den Stun­den des Friedens geliebt; darum sei auch ein Friedenszweig auf sein Grab gelegt und Frieden und Ruhe seiner Asche gegönnt.

Spanien. Madrid, 14. Juni. Die Wein, und Getreideernte in Andalusien verspricht so vortrefflich zu werden, wie angeblich nicht mehr seit über 100 Jahren. In den Provinzen Badajoz und Ciudad Real haben dagegen die Heuschrecken fast alles aufgefressen. 15,000 Mann von der regulären Armee sind gegen diese Landplage ausmarschirt und haben in Badajoz an einem Tage 60,000 Arroben (13,800 Ztr.) dieser Insekten mit Petroleum verbrannt.

Nach einem Telegramm des Generalkapitäns von Kuba weilt Don Carlos an der mexikanischen Küste. Die Nachricht über seine Entfernung aus Europa wird von den Einen mit dem Drange, in Kuba zu wählen, begründet, nach den Anderen läge derselben die Ab­sicht zu Grunde, in Amerika fromme Seelen zu Geldopfern für die modernen Gottesstreiter zu bewegen. Letztere Ansicht gewinnt in so­fern an Wahrscheinlichkeit, als es in Europa um seinen Kredit herz­lich schlecht bestellt ist. Ein Telegramm aus London vom 9. d. M. besagt, daß seine englischen Gläubiger, 300 an der Zahl, ihm wegen der während des letzten Krieges gemachten Schulden hart zu Leibe rücken.

Türkei. Nach einem Bericht derAllg. Ztg." aus Smyrna ist der Umschwung in Konstantinopel überall in der Provinz günstig ausgenommen worden. Die Rekruten stellen sich bereitwillig zur Fahne. Das Gefühl, England halte seine schützende Hand über der Türkei, durchzieht alle Schichten nicht blos der muselmanischen, sondern auch der griechischen, armenischen und fränkischen Bevölkerung. England, das noch vor kaum einem Monat dem Verlauf der türkischen Verwi­ckelungen fern zu stehen schien, wird jetzt von Moslem und griechischer

ordnung des Kongresses lautet: 1) Die Thätigkeit der socialistischen! Bevölkerung als Schutzgeist verehrt, der dem russischen Würgengel

Reichstagsabgeordneten. 2) Gang und Stand der socialistischen Agr tation in Deutschland. 3) die bevorstehenden Reichstagswahlen. 4) Feststellung der socialistischen Kandidaturen. 5) Die socialistische Organisation in Deutschland. 6) Die Partheipresse.

Berlin, 16. Juni. DerPr. St.-Anz." publizirt das Ge­setz betr. die Uebertragung der Eigen thumsrechte des preuß. Staates an den Eisenbahnen auf das Reich.

Wien, 16. Juni. Der Abgeordnete Serbiens, welcher in Konstantinopel zu versichern hat, daß die Rüstungen in Belgrad nie­mals einen anderen Zweck gehabt, als einen zu besorgenden Angriff abzuschlagen, nimmt, um jeden Zweifel an dieser außerordentlich glaub­würdigen Versicherung niederzuschlagen, auch den letzthin fällig gewe­senen Tribut mit. Ob die Pforte freilich damit sich begnügen wird, wenn Serbien nicht gleichzeitig abzurüsten beginnt, ist eine andere Frage; dem neuen Großvezier wird das freie Wort imputirt,unsert- wegen platonische Feindschaft, aber thatsächlich die Hand vom Degen."

Schweiz. Zürich, 18. Juni. Die Hochwasser haben sich nahezu wieder verlaufen, nur an einzelnen Orten ist noch Noth, wie in Glattfelden, Kt. Zürich, wo die Staatsbrücke auf Befehl des Kreis- Ingenieurs verbrannt werden mußte, um dem Wasser Ablauf zu ver­schaffen und wohin auf Ansuchen des Züricher Regierungsrathes der Bundesrath noch am 17. d. eine Pontonier-Kompagnie abordnete. Jetzt tritt die öffentliche Wohlthätigkeit in Aktion, die Hilfsgesellschaf­

erheblich die Fittige gekürzt. Im ganzen Mittelmeergebiet ist man in den unterrichteten Bevölkerungsschichten der Ansicht, daß der Antheil Englands oder dessen Vertreter bei der Pforte am letzten Thronwechsel ein leitender, bestimmender und ausschlaggebender gewesen. Man geht noch weiter und behauptet, daß die Ulemahs und deren Schüler, die Sofias, Anregung und Schlagwort aus dem englischen Gesandtschafts­palast empfangen. Aus diesen Behauptungen kennzeichnet sich zur Genüge die Volksstintmung zu Gunsten Englands.

Konstantinopel, 13. Juni. Sultan Murad hat schon seit mehreren Tagen regelmäßig den mehrstündigen Sitzungen des Ministeriums beigewohnt, hat daneben eine Menge Vorträge persön­lich entgegengenommen, Audienzen in großer Zahl ertheilt und soll außerdem noch alltäglich geraume Zeit der Durchsicht eingelaufener Bittgesuche und Denkschriften widmen. So fragt z. B. ein türkinnen­freundlicher Hamburger an, ob nicht die ihres Herrn beraubten Skla­vinnen des verstorbenen Ex-Sultans billig ins Ausland abgegeben werden könnten, wobei er sich gleichzeitig nach den Preisen on §ros und en Mai: erkundigt. Eine Studentenverbindung einer holländi­schen Universität benachrichtigt den Sultan auf dem Wege der Post­karte, daß auf dem ersten Kneipabende nach seiner Thronbesteigung auf sein Wohl ein kräftiger Schluck getrunken worden sei, u. bittet gleichzei­tig um Uebersendung einer Quantität edlen Cyperweines, damit die Gesund- heit des Padischah künftig aus besserem Stoffe getrunken werden könne.

Redaktion, Druck und Berlag von S. OeljchlSger in Calw.