262

völbeS scheinen sie dasselbe zu sehr verschwächt zu haben, so daß ein Theil desselben plötzlich einstürtzte und zwei der Arbeiter begrub, welche todt unter den Trümmern hervorgezogen wurden.

Plochingen. Am 1. d. MtS. ist bei der Abfahrt des Ober- neckarbahnzugs 65 auf dem Bahnhofe Plochingen Nachmittags 4 Uhr 48 Min. die Botenfrau Vogel von Raidwangen, Oberamts Nürtingen verunglückt. Dieselbe wollte mit Handgepäck belastet einsteigen, als der Zug schon in Bewegung war, und gerieth, da ihr dich nicht gelang, unter den Wagen, wobei sie derart verletzt wurde, daß sie nach Ver­lauf einer Stunde starb.

In Tomerding rn, OA. Blaubeurcn brannten am 4. Juni 50 Gebäude ab. Schaden beträchtlich. Das Feuer brach Nachmit­tags 2 Uhr aus in Folge SpielenS eines 5jährigen Knaben mit Zündhölzern.

Wildbad, 31. Mai. Heute Früh gegen 6 Uhr wurde von zwei Arbeitern der Papierfabrik der Leichnam eines jungen Mädchens oberhalb des Wöhrs in nächster Nähe des WirthschaftsgartensZum kühlen Brunnen" aus der Enz gezogen. Mau rekognoszirte in der Verstorbenen die 21jährige Tochter eines Flößers von Calmbach, welche schon seit 2 Jahren in einem der ersten hiesigen Hotels im Dienst gestanden hatte. Geistesstörung, die man schon einige Zeit an ihr bemerkt haben will, soll das Motiv zu dem Selbstmorde gewesen sein.

Karlsruhe, 31. Mai. Bei der heutigen Ziehung der badi­schen 35 fl.-Loose von 1846 kamen folgende 30 Serien herans: 240 302 700 780 1185 1297 1879 1942 3266 3626 4079 4224 4739 4830 4894 4936 4976 5392 5889 5904 5997 6240 6520 6559 6668 6919 7469 7639 7660 7874.

Freiburg, 1. Juni. Vorgestern hat sich dahier ein sehr trau­riger Unfall ereignet. Der Angestellte W. M. der Filiale der Rhei- nischen Kreditbank dahier, 25 Jahre alt, machte am 30. v. M., Abends 9 Uhr seinem Leben dadurch ein Ende, daß er unweit des hiesigen Bahnhofes seinen Kopf auf das Schienengeleise legte und durch den um jene Zeit ankonnnenden Bahnzug sich überfahren ließ. Der junge Mann gehört einer angesehenen hiesigen Familie an, genoß bei seinen Bekannten große Beliebtheit und wird seitens des Vorstan­des der Filiale der Rheinischen Kreditbank als ein sehr fleißiger, pünkt­licher und gewissenhafter Bediensteter geschildert. Es wird vermu- thet, daß er den unglücklichen Schritt in einem Anfalle von Geistes­störung unternommen; daß er seit einiger Zeit mit einem Kopfleiden behaftet war, ist nachgewiesen.

Konstanz, 1. Juni. Unser viel gefeierter heimathlicher Dich­ter Viktor v. Scheffel bewohnt seit einigen Tagen seine Villa in Radolfzell zu längerem Sommeraufenthalt. Letzten Dienstag Nach­mittag brach in Görwihl in einem von sieben Familien bewohnten Gebäude Feuer aus. Dasselbe verbreitete sich ungemein rasch auf die mit Stroh bedeckten umliegenden Gebäude, so daß um Uhr be- reits 8 Wohn- und Oekonomiegebäude in Flammen standen» welche größtentheils niedergebrannt und hierdurch 20 Familien obdachlos ge­worden sind.

Mannheim, 1. Juni. In der vergangenen Nacht brannte die Propfe'sche chemische Fabrik, welche erst' vor mehreren Monaten durch ein Brandunglück heimgesucht wurde, gänzlich nieder. Die Militärbehörde, sowie die Einwohnerschaft war äußerst besorgt, da bei Umschlag des Windes das in geringer Entfernung befindliche Pulvermagazin durch Flugfeuer leicht entzündet werden konnte. Man glaubt deßhalb, daß die Fabrik nicht mehr an derselben Stelle auf­gebaut werden darf.

Berlin, 31. Mai. DerKarlsr. Ztg." schreibt man: Die Vorarbeiten für den Staatsvertrag zwischen Preußen und dem Reiche, welcher den Ankauf der preußischen Bahnen durch die deutsche Reichs- regierunz zu regeln hat, sind bereits so weit gediehen, daß die Vor­lage unzweifelhaft schon in der nächsten Session dem Bundesrathe und dem Reichstage zugehen wird. Alle entgegengesetzten Mittheilungen, namentlich jene, welche sich auf eine Vertagung des Reichs-Eisenbahn- Projekts beziehen, sind unwahr.

Berlin, 1. Juni. Der Entwurf eines Niederlassungsvertrages zwischen dem D. Reiche und der Schweiz lautet in seinem 8. Artikel: Beide Theile behalten sich in Bezug auf solche Personen, welche vor Erfüllung ihrer Militärpflicht die Staatsangehörigkeit gewechselt ha­ben, das Recht vor, ihnen die Befugniß zum bleibenden Aufenthalte oder die Niederlassung in ihrem früheren Heimatlande zu untersagen." Zu diesem Artikel ist, um jeden Zweifel über die Tragweite desselben zu beseitigen, ein besonderes Zusatzprotokoll vereinbart, welches besagt, daß zwischen beiden Contrahcnden folgende Verständigung getroffen worden ist:Die beiden contrah. Staaten geben sich die gegenseitige Zusicherung, daß in allen Fällen, wo der Art. 8 in Anwendung kom- men wird, die Ausweisung vorangehend, die Verhältnisse genau unter- ^uchtunöerwogenwerdensollemiMinsoferndieUmständeergebem

daß der Nationalitätswechsel bona 84s und nicht zumZwecke der Umgehung der Militärpflicht erfolgt ist, die Ausweisung unterbleiben soll." Dieses- Zusatzprotokoll soll die gleiche Kraft haben, wie der Vertrag selber.

Von der Pfalz, 1. Juni. DieAllg. Ztg." schreibt:Der gestern Morgen erfolgte Tod des Bischofs Dr. v. Haneberg hat al» lerseits, auch bei der protestantischen Bevölkerung der Pfalz, die auft- richtigste Theilnahme erweckt. Dr. v. Haneberg gehörte unstreitig zu den geistig bedeutendsten Bischöfen, welche zu Speyer rendirt haben. Seine Gelehrsamkeit wie sein tiefes Gemüth haben ihn allen werth, gemacht, die Gelegenheit hatten, ihn kennen zu lernen. Eine Erkält­ung auf einer Firmungsreise in der alten Klosterkirche zu Euserthäl bei Annweiler war die Ursache seines schnellen Todes. Die Böller­schüsse, mit denen die Gemeinden seine Anwesenheit in ihrer Mitte weithin bemerklich gemacht haben, sollten zugleich als Salve dienen für den auf immerdar scheidenden Oberhirten."

München, 2. Juni. Am letzten Samstag hielten die Maurer Münchens eine von ca. 1500 Personen besuchte Versammlung ab, um die Maßregeln zu berathen, welche gegenüber der Masseneinwanderun- italienischer Arbeiter und der dadurch veranlaßtcn Benachtheiligung inländischer Arbeiter zu ergreifen seien. Die Versammlung beschloß, der Fachverein der Maurer solle eine Petition an die zuständige Be­hörde richten, damit der Masseneinwandenmg italienischer Arbeiter Einhalt gethan werde. (Das beste Mittel wäre, sich die italienischen Konkurrenten in Bezug auf unverdrossenen Fleiß und Nüchternheit zum Vorbild zu nehmen.)

Paris, 3. Juni. Bei den Gesetzentwurf, welchen der Kriegs- minister gestern wegen 260 Mill. Kredit zum Umbau der Grenz- festungen und Anschaffung von Kriegsmaterial der Kammer vorlegte, handelt es sich lediglich um Ausführung der Arbeiten. welche schon vor längerer Zeit die Nationalversammlung beschloß.

England. London, 1. Juni. Der neue Sultan ist von Frankreich, England und Italien anerkannt worden. Der Großvezier theilte England mit, daß die neue Regierung entschlossen sei, die In­tegrität der Türkei vollständig zu erhalten, wozu England zustimmte. Die Ueberreichung der Berliner Beschlüsse in Konstantinopel ist auf­gegeben. Die Belgrader Nachrichten sind sehr beunruhigend. Der abgesetzte Sultan lebt. Sein Schatz, angeblich 20 Millionen betra­gend, ist von der neuen Regierung konfiszirt worden.

Schweiz. Bern, 1. Juni. Ein diplomatischer Zwischenfall beschäftigt die Schweizer Presse, aber mehr in komischem Sinne. In Folge Ausbruchs der Hundswurh ist über den Stadtbezirk Bern seit längerer Zeit der Hundebann verhängt. Weil nun die pflichteifrigen Polizeimänner einen maulkorblosen Hund, der dem hiesigen russischen Gesandten Gortschakoff, einem Sohne des russischen Reichskanzlers, gehörte, bis in dessen Gesandtschaftöhotel hinein verfolgte; so soll der Gesandte sich bitter bei dem Bundesrathe über diese Verletzung der völkerrechtlichen Exterritorialität beschwert haben. Der Bundesrath habe Untersuchung des Vorfalles und Ahndung des Schuldigen zuge­sagt; hoffentlich läßt es der Vertreter des Zarenreichs bei einer Rüge des Hundefängers: welcher in gutem Glauben gehandelt hat, bewenden!

Italien. Neapel, 2. Juni. Die Zeitungen melden, daß die Ausrüstung der Fregatten Terribile und Cariddi befohlen ist und Admiral Martini den Oberbefehl über das Panzergcschwader in Tarent, welches zur Abfahrt nach dem Orient sich bereit zu halten angewiesen ist, übernimmt.

Türkei. Die Persönlichkeit des neuen Sultans schildert eine Berliner Korrespondenz derAllg. Ztg." folgendermaßen: Mchemet Murad Effendi, der den Thron Osmans als Murad V.,Kaiser von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation", bestiegen hat, wird von einer hochstehenden Persönlichkeit, die ihn oft und lange zu sehen Gelegenheit hatte, als ein schöner, kräftiger Mann geschildert, der eine tüchtige Erziehung genossen hat und eine Vorliebe für euro­päische Bildung und Wissenschaft besitzt. Sein Vater, der ihm gern die direkte Nachfolge zu übertragen wünschte, ließ es an nichts fehlen, um ihn für seinen schweren Beruf würdig vorzubereiten. Der jetzig osmanische Botschafter am Berliner Hof, Edhem Pascha» der auch Abdul Medschid in der französischen Sprache unterrichtete, war wäh- rend mehrerer Jahre der Erzieher Murad Effendi's, dem er auch später befreundet blieb. Im Gefolge des Sultans Abdul Aziz, wel­chen Murad Effendi 1867 zur Weltausstellung nach Paris begleitete, erregte er die Aufmerksamkeit durch das Interesse, welches er auch für die fernstliegenden Gegenstände bekundete. In Coblenz, wo er mit seinem Oheim zum Besuche des Kaisers einige Tage verweilte» inspizirte er die Truppen und bekundete eingehende Kennlniß Militärs scher Verhältnisse. Auf seine Majestät soll er damals einen sehr an-

Vieoakkion, Druck und Verlag von S. Oelschläger in Calw.