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Schreibung spottet. Der Eisenbahndamm selbst ist gebrochen und etwas weiter unterhalb ist eine Brücke zerstört, so dag über eine Woche nöthig fein wird, um diese Brücke wieder fahrbar zu machen. Auch zu Bodenheim ist der Eisenbahnverkehr vorübergehend gehemmt.
— Darmstadt, 30. März. Bei dem neulichcn Gewitter (am 29. März) sind in unserer Nähe zwei Menschen vom Blitze erschlagen 'worden: einer in Klvppenheim und einer in der Jgstadter Gemarkung (beide Orte in Nassau). In Casül schlug der Blitz in den Kirchthurm.
— Berlin. 29. März. Zum Direktor des ReichsgesundheitS- «amts ist nunmehr definitiv der Oberstabsarzt Dr. Struck berufen.
— Berlin, 30. März. Die Berliner Polizei beabsichtigt ein deutsches Verbrecheralbum anzulegen und alle Polizeibehörden des Reichs zu bitten, sie durch Einsendung von Photographien berüchtigter Verbrecher und Verbrecherinnen bei diesem Werke zu unterstützen. Sie hofft dadurch mit der Zeit in die Lage zu kommen, alle Verbrecher, die irgendwo im Reiche aufgegriffen werden und ihren Namen ver. weigern, resp. einen falschen augeben, zu rekognosziren. Für den lokalen Verkehr hat ein solches Album bereits die trefflichsten Dienste geleistet.
— Berlin, 2. April. Das „N. Berl. Tgbl." erzählt: Vor einiger Zeit fuhr der Kaiser Abends nach dem Viktoriatheater, allein »ur mit Kutscher und Leibjäger. Letzterer begab sich, nachdem der Monarch ausgestiegen, in das vorn an der Straße gelegene Restaurant. Mochte nun Kaiser Wilhelm die Vorstellung nicht behagen oder sonst Grund vorliegen, genug, er verließ schon nach einer Viertelstunde das Theater wieder. Der Wagen fährt vor, aber der Jäger fehlt, der Kaiser muß warten. Ein Theaterdiener folgt der Andeutung des Leibkutschers und holt den Säumigen. Zu Tode erschrocken stammelte dieser mit bebenden Lippen Entschuldigungen. Des Kaisers ganze, überaus ruhige Antwort war: „Was machst du für Aufhebens von der Sacke? Du Haft ja oft auf mich warten müssen, jetzt habe ich einmal auf Dich gewartet. Wir sind quitt! Oeffne mir den Wagen- schlag!'
— Achern, 30. März. Gestern verbreitete sich hier das Gerücht, daß gestern Morgen in Oberachern ein Dergiftungsversuch gemacht worden sei. Der Thäter soll ein dortiger Arbeiter sein, der seine Schwiegermutter aus dem Weg räumen wollte. Zu diesem Zwecke that er ein ziemlich starkes Quantum Phosphor in den Kaffee. Als die Frau aus der Kirche, wo sie das Abendmahl empfangen hatte, zurückgekehrt war und ihr Frühstück einnehmen wollte, merkte sie sogleich an dem starken Phosphorgeruch die verbrecherische Absicht, ließ daher den Kaffee unberührt stehen und brachte den schändlichen Mordversrrch zur Anzeige. Der saubere Schwiegersohn soll sich bereits hinter Schloß und Riegel befinden.
— Rotterdam«:, 1. April. Als in der vorigen Woche gegen die in Katwyk wohnenden JesuiteOs welche sich als nichts besitzend, die Gemeindesteuer zu bezahlen weigerten, im Exekutionswege eingeschritten werden sollte, wurde dem die Verhandlung eben eröffnenden Beamten ein Schriftstück übergeben, i« welchem eine Amsterdamer Firma sich als die Eigenthümerin der beweglichen und unbeweglichen Habe dieser Herrn repräsentirte. Das Zwangsverfahren mußte demgemäß sistirt werden, und die Gemeinde hat das Nachsehen. Dieses Amsterdamer Haus scheint besonders zu dem Zweck ctablirt zu sein, um der Gesellschaft Jesu gelegentlich als juristischer Strohmann zu dienen.
— Aus Hannover, 1. April. Ein neulich bei Hildesheim statt- gefundenes Duell zwischen zwei Offizieren (Schwäger) hat ein Opfer gefordert. Die Verwundung des einen Offiziers, des Hauptmanns, v. Heydebreck, hat unerwartet schnell einen tödtlichen Verlauf genommen. Der Tod ist in der Nacht vom 29. auf den 30. v. M. ein- getreten, und zwar soll derselbe in Folge Uebertritts von Blut in's Gehirn erfolgt sein.
Frankreich. Paris, 1. April. In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer stellte Tirard (von der Linken) den Antrag, die Gesandtschaft bei dem Papste aufzuheben.
Paris, 1. April. Die Erklärungen, welche die Minister Dufaure und Ricard io dem Ausschuß des Senats für die Amnestie abgaben, lauten in ihren Hauptpunkten wie folgt: „Die beiden Minister haben eine sehr ernstliche und genaue Untersuchung über alle Theilnehmer an der Insurrektion vom 18. März anstellen lasten. Dieselbe ergab, daß diejenigen, welche sich nach London, Brüssel und der Schweiz geflüchtet heben, die Nothwendigkeit einer Vergeltung der Kommune laut predigen, keine Reue zeigen und mehr zu fürchten sind denn je. Ueber die nach Neu-Kaledonien Deportirten stimmen alle Berichte darin überein, daß dieselben als „Märtyrer' die Urtheile der Gerichte nicht annehmen, keine Reue an den Tag legen und nur von Rache und Genugthuung träumen. Es ist daher unmöglich, an eine vollständige oder theilweise Amnestie zu denken. Der Präsident
der Republik hat jedoch die Minister zu der Erklärung ermächtigt, daß er von den Verirrten denen, die Reue an den Tag legen, gleich nach der Verwerfung aller Amnestieanträge Gnade angedeihen lassen werde.
Schweiz. In Olten hat der dortige ehemalige Bahnhof-Inspektor von Arx sich mit Dynamit in die Luft gesprengt. Nur einzelne Fetzen des Körpers des Unglücklichen sollen vorgefunden worden sein.
Türkei. Trotz der zwischen den herzcgowinischen Aufständischen und der Türkei abgeschlossenen Waffenruhe fahren,'wie man der „A. Ztg." aus Wien telegraphirt, die Insurgenten fort, die Türken anzu- greifcn. Es wird gemeldet, daß u. A. auf zwei österreichische Konsuln geschossen wurde. Im Uebrigen finden die Aufständischen an Rußland einen treuen Verbündeten und Förderer. Wie man dev „N. Fr. Pr." aus Petersburg schreibt, sind ihnen von dort schon ansehnliche Summen zugeflossen. Z. B. vom Peterburg. slav. Verein 200,000 Rubel, vom Moskauer slav. Verein 100,000 Rubel u. s. f.
Ragusa, 30. März. "Zwischen Rodich und Mukhtar Pascha ist eine Verständigung erzielt. Vom 29. März bis inklusive 10. April werden die Feindseligkeiten in der Herzegowina vollständig eingestellt. Mukhtar kehrt heute nach Trebinje zurück.
Spanien. M ajd ri d, 31.HMärz. Der Senat hat dem König als Erwiederung auf die Thronrede eine Adresse überreicht. Die Regierung hat von Neuem die Bestimmung erlassen, daß alle Schiffe, welche in einem andern spanischen Hafen, als dem ihres Bestimmungsortes ein« laufen, einer Untersuchung unterworfen werden sollen, außer wenn sie darthun, daß sie durch unabwendbare Umstände gezwungen worden, in einem anderen Hafen einzuloufen.
Schweden. Kopenhagen, 1 April. Durch offenen Brief des Königs werden die Neuwahlen für das Folkething auf den 25. April festgesetzt.
England. In Irland (bei Mitchelstown, Grafschaft Cork)^ ist wieder einmal ein agrarischer Mordanfall vorgekommen. Auf Bridge, den Agenten eines englischen Grundbesitzers, der sich durch strenges Eintreiben der Pachtgelder verhaßt gemacht hat, wurde ei« Schuß abgefeuert, der ihn selbst verwundete und seinen Fuhrmann tödtete. Der Thäter wird man nicht leicht« habhaft; das ganze Landvolk steht hinter ihnen.
Amerika. Im Territorium Wyoming wurde kürzlich ein Mann aus dem Osten „gelyncht" Später fanden die Thäter aus, daß sie einen „Mißgriff" in der Person gemacht hatten und schickten die Leiche in einem schönen Sarge und mit einem Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen des irrthürnlich Gehängten.
Amerika. Washington, 1. April. Das Repräsentantenhaus hat eine Bill angenommen, wonach die kleine« Papiergeldzeichen durch Silberscheidemünze ersetzt werden sollen.
Washington, 29. März. Das ReprSseaHmtrrchauS nahm heute mit 141 gegen 61 Stimmen einen Gesetzesentwnrf an, welcher den Sold der Offiziere des Heeres reduzier und sine jährliche Er- sparniß von 500,000 Doll, bewirkt. Die Debatte darüber war sehr erbittert, und ein Antrag, dahin gehend, den Titel der Vorlage, in den einer „Bill zur Bestrafung der braven Armee, weil sic die Union erhielt", zu verändern, wurde mit 151 gegen 62 Stimmen verworfen. — Das Haus lehnte einen Vorschlag ab, der dahin lautete, monatlich Silbermünzen im Betrage von nicht über 1,000,000 Doll, so lange zu emittiren, bis das kleine Papiergeld eingelöst.
Vermischtes.
Ein junger scharmanter adliger Herr wurde i» WUamilie eines reichen Fabrikanten in Berlin eingeführt, bezauberte die Tochter und die Eltern, die letzter-n durch seinen Adel und wurde nach einigen Wochen der Bräutigam der Tochter. Die Ehepactcn wurden aufgesetzt, die Mitgift war reich. Galawagen standen vor dem Thor, um das Brautpaar zum Standesbeamten zu führen. Da ließ der Bräutigam seine Braut stehen, winkle dem Schwiegervater und erklärte ihm, er müsse zurücktreteu, wenn die Mitgift nicht um 30,000 Thlr. erhöht werde. Der alte Herr fuhr heftig auf, erschrack aber vvr dem Aufsehen, wenn der Bräutigam zurücktrete und willigte ein. Die Braut hörte alles und sagte nichts. Als aber der Bräutigam und Elter« und Zeugen vor dem Standesbeamten standen und dieser die übliche Frage an die Braut stellte, da sagte diese: nein! nein! und zu der Gesellschaft sich wendend fügte sie hinzu: Ich würde mich schämen, meine Hand einem Manne zu reichen, der nur mein Vermögen will und der im feierlichsten Augenblicke eine noch größere Aussteuer zu erpressen sucht! Als man sich umsah, war der Glücksjäger zu Fuße verduftet.
, Station Waldheim, 5 Minuten Aufenthalt", rief der Schaffner, als der Bahnzug dort anhielt, in das Coupe hinein, wo ein zu» Zuchthaus? Verurtheiiter neben seinem Begleiter saß. „Nu nee, mei Kutester", berichtigte ihn der aufrichtige u. höfliche Sträfling, „3 Jahre!*
Redaktion,i>Druck und Verlag von S. Oelschlüget in Calw.